Mittwoch, 11. Oktober 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #50 (verspätet)

Willkommen zu einem weiteren leicht zeitverzögerten Wochenbriefing, Leser! Der Rückstand gegenüber dem regulären Veröffentlichungstermin ist auf unter sechs Tage zusammengeschrumpft; gleichzeitig ist diese Nummer der Ansichten aus Wolkenkuckucksheim wieder deutlich umfangreicher geraten als die vorherigen verspäteten Wochenbriefings, und das trotz der Konzentration auf eine schmalere Auswahl von Themen. Wenn ich's recht bedenke, dreht sich der vorliegende Artikel zum allergrößten Teil um den Themenbereich "Kirche und Kinder", aber der ist ja in sich schon durchaus facettenreich. Und wenn ich mir ansehe, in welche Richtung sich mein Engagement in der kirchlichen Basisarbeit aktuell entwickelt, dürfte diese Schwerpunktsetzung sich zukünftig noch weiter verfestigen. Ich hoffe, meine Leser ziehen da mit... Jetzt aber erst mal zur Sache – d.h. zu den Ereignissen des Zeitraums vom 29. September bis 5. Oktober

Auch in den Einkaufspassagen stehen die Zeichen auf Erntedank. 

Währenddessen in Tegel 

Ich gebe zu, das Wort "Währenddessen" im Rubrikentitel lässt es in stilistischer Hinsicht etwas unelegant erscheinenden, mit dieser Rubrik anzufangen, aber dafür, dass die chronologische Abfolge der Geschehnisse dies nahelegt, kann ich ja nun nichts. Am Freitag nämlich – präzise gesagt: am 29. September, dem Fest der Heiligen Erzengel –machte ich mich, während das Tochterkind in der Schule war, mit dem Jüngsten einmal mehr auf den Weg nach St. Joseph Tegel; wir zündeten eine Kerze an, und danach wollten wir eigentlich wieder eine kleine Lobpreisandacht abhalten. Ich hatte schon meine mobile Lautsprecherbox in Stellung gebracht und ein Lied zur Eröffnung (passend zum Tag "Die Engel im Himmel" von Miriam Buthmann) ausgewählt, da ging die Tür auf und es kamen Leute herein. "Wollen mitbeten, glaube ich", merkte mein Sohn an, aber ich war mir da nicht so sicher und wartete lieber erst mal ab. Tatsächlich kamen nämlich nicht nur ein paar zufällige Einzelpersonen herein, sondern eine recht große Schar KiTa-Kinder mit vier Betreuungspersonen. Ich fragte mich schon, ob ich im Wochenplan der Pfarrei etwas übersehen hätte, aber das war nicht der Fall: Es handelte sich lediglich um eine Probe der KiTa-Kinder für ihre Mitwirkung am Erntedankgottesdienst, der tags darauf als Vorabendmesse (am sehr frühen Abend, eigentlich eher Nachmittag) gefeiert werden sollte. Die Dame, die augenscheinlich die Gesamtleitung innehatte, kannte ich "von früher" als ehrenamtliche Küsterin in der Tegeler Pfarrei; ich fragte brav, ob mein Sohn und ich zuschauen dürften, und es wurde uns gewährt. Die Kinder probten zwei Lieder – "Komm, sag es allen weiter", eine klassische Spiritual-Nachdichtung aus der Frühzeit des NGL-Genres, und ein Erntedanklied auf die Melodie der "Vogelhochzeit" – sowie ein "Anspiel", eine sehr moralische, im Tonfall leicht märchenhaft anmutende Geschichte über einen reichen und einen armen Bauern. Inhaltlich habe ich dazu nichts Besonderes anzumerken, aber ich muss sagen, ich war überrascht bis befremdet, wie die zum größten Teil wohl drei bis vier, höchstens fünf Jahre alten Kinder gedrillt und herumkommandiert wurden. Ihnen selbst schien das nichts auszumachen, was darauf schließen lässt, dass sie es gewohnt sind; aber ich dachte mir dabei: Es hat schon seinen Grund, dass meine Kinder nicht in die KiTa gehen bzw. gegangen sind

Als die Probe beendet war und die Kinder mitsamt ihren Betreuungspersonen die Kirche wieder verlassen hatten, sagte mein Sohn zu mir: "Los, Papa!" Zunächst dachte ich, er meinte, wir sollten ebenfalls gehen, aber wie sich zeigte, meinte er in Wirklichkeit, ich solle "unsere" Lobpreismusik anmachen. Das tat ich dann auch, allerdings gestaltete ich die Lobpreisandacht aus Rücksicht auf die Tatsache, dass wir ja nun schon einige Zeit in der Kirche zugebracht hatten, etwas kürzer – mit nur einem von drei Psalm-Abschnitten und nur zwei statt drei Liedern. 

Symbolbild zum Thema "Lobpreis mit dem Stundenbuch"; kein aktuelles Foto, wie man an der Farbe der Stundenbücher erkennen kann. 

Spulen wir nun mal ein Stück vor zum Mittwoch, dem 4. Oktober – dem Gedenktag des Hl. Franz von Assisi. An diesem Tag gingen mein Jüngster und ich wieder, wie mittlerweile schon gewohnt, in Heiligensee in die Messe, die wieder von Pater Mephisto zelebriert wurde; zwar predigte er nicht, merkte aber in seinen Begrüßungsworten an, der Tagesheilige habe in einer Zeit gelebt und gewirkt, in der die Kirche "in keinem guten Zustand" gewesen sei, und das könne man wohl auch über die Gegenwart sagen. So gesehen habe die Kirche so viel Grund wie nur je, um die Fürsprache des Heiligen Franz zu bitten. Im Prinzip bin ich geneigt, ihm darin zuzustimmen, vermute allerdings, dass unsere Vorstellungen darüber, was sich in der Kirche ändern müsse, wohl doch recht weit auseinandergehen. 

Erntedankaltar in St. Marien Maternitas 

Schon während des Rosenkranzgebets, das hier der Messe vorauszugehen pflegt, hatte mein Jüngster einmal mehr Anstoß erregt. Wie üblich hatte er sich für uns Plätze in der ersten Reihe ausgesucht (was ich auch vernünftig finde, weil er so am meisten vom Geschehen am Altar mitbekommt), aber dann fiel ihm ein, dass er etwas trinken wollte, und seine Trinkflasche hatten wir im Kinderwagen gelassen, den wir im Eingangsbereich der Kirche abgestellt hatten. In der Hoffnung, für einen möglichst störungsfreien Ablauf sorgen zu können, ließ ich den Knaben nicht allein zum Wagen laufen, sondern begleitete ihn – aber das wurde nicht honoriert: Als wir hinten angekommen waren drehte sich – nein, nicht die Frau von letzter Woche, sondern diesmal ein noch nicht ganz so alter Mann um und merkte in indigniertem Tonfall an: "Dies ist ein Seniorengottesdienst mit Rosenkranz, wir bitten um etwas Andacht." Das erste, was mir dazu einfiel – "Für deine Andacht bist du doch wohl selbst verantwortlich, was hat das mit uns zu tun?" –, verkniff ich mir, aber dann bissen sich meine Gedanken an der Bezeichnung "Seniorengottesdienst" fest. Ich gestehe, ich könnte nicht beschwören, dass der Mann das wirklich gesagt hat, aber das war es, was ich gehört habe. Und das wirft ja nun eine interessante Grundsatzfrage auf: Sind Werktagsmessen, zumindest solche am Vormittag, exklusiv für Senioren da

Sehen wir mal davon ab, dass die 9:45-Uhr-Messe am Mittwoch in St. Marien Maternitas im Wochenplan der Pfarrei nicht als "Seniorengottesdienst" gekennzeichnet ist; wäre sie es, könnte man sich immer noch darauf berufen, dass solche Zielgruppenangaben bei Gottesdiensten eigentlich nie als exklusiv zu verstehen sind: Familiengottesdienste werden durchaus auch von alleinstehenden Personen besucht und Jugendgottesdienste von Menschen aller Altersgruppen. Das ist also nicht der Punkt. Zu fragen ist eher: Wenn Senioren meinen, die Werktagsmesse sei (wenn schon nicht exklusiv, so doch vorrangig) für sie da, inwieweit haben sie dann Recht mit dieser Einschätzung, und warum ist das so? 

Fangen wir mal ganz simpel an: Vom empirischen Befund her ist da offensichtlich was dran, und in dieser Kirche ganz besonders: Soweit ich es bisher beobachten konnte, geht da jeden Mittwoch dasselbe überschaubare Grüppchen älterer Leute zur Messe, mal sind es ein paar mehr, mal ein paar weniger, aber außer meinem Sohn und mir kommen keine neuen Leute hinzu, und außer uns ist niemand jünger als Mitte 60. Das mag ein Extrembeispiel sein, das auch mit der Lage der Kirche in einer beschaulichen Wohnsiedlung "hinter'm Wald" zu tun haben könnte – montags morgens in Herz Jesu Tegel sieht es nicht ganz so aus (und ehe jemand fragt, warum ich dann nicht lieber da hingehe: Würde ich vielleicht gern, schaffe ich aber zeitlich nicht, wenn ich vorher meine Tochter zur Schule bringen muss) –, aber eine gewisse Dominanz älterer Mitbürger ist sicherlich auch in urbaneren Gemeinden anzutreffen. Und mindestens ein Grund dafür liegt ja ziemlich auf der Hand: Die haben nun mal Zeit. Dass uns diese Erklärung so unmittelbar einleuchtend erscheint, verweist allerdings auf etwas, was zumindest ich zutiefst problematisch finde (auch wenn es im vorliegenden Kontext vielleicht ein bisschen zu weit führt): nämlich, wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, in einer Gesellschaft zu leben, in der die meisten Menschen wenn schon nicht buchstäblich von der Wiege bis zur Bahre, so doch für einen ziemlich großen Teil dazwischen von 8 bis 16 Uhr oder vielleicht von 9 bis 17 Uhr in Anstalten eingesperrt sind, ob diese Anstalt nun Kindergarten, Schule oder Arbeitsplatz heißt. Andererseits gibt es aber ja außer Rentnern durchaus noch andere Personengruppen, für die das nicht gilt – etwa Studenten, Arbeitslose, Freiberufler, Arbeitnehmer mit normabweichenden Arbeitszeiten (z.B. in der Gastronomie, aber auch in vielen sozialen Berufen) und schließlich Hausfrauen oder -männer mit noch nicht schulpflichtigen Kindern oder ohne. Dass man diese Personengruppen kaum in signifikantem Ausmaß in Werktagsmessen antrifft, mag sich zum Teil damit erklären lassen, dass es davon im Vergleich zu Rentnern einfach sehr viel weniger gibt, und dann natürlich damit, dass die heutigen Senioren in einer Zeit sozialisiert wurden, als die Kirchenbindung in der Gesellschaft noch erheblich stärker war als in den nachfolgenden Generationen. So zutreffend diese Erklärungsmuster sein mögen, sollte man dabei ein Problem nicht außer Acht lassen, nämlich das Problem der Milieuverengung. Wo eine bestimmte demographische Gruppe – hier also die Senioren – eine gewisse dominante Stellung innehat, da neigt sie dazu, ein Klima zu schaffen, das für andere Gruppen unattraktiv ist, oder vertreibt sie sogar aktiv. In manchen Kirchengemeinden betrifft das nicht nur die Werktags-, sondern auch die Sonntagsmessen. Und deshalb reagiere ich so allergisch, wenn sich in Kirchengemeinden kleine Zirkel bilden, die sich so verhalten, als gehöre die Kirche ihnen und sie hätten darüber zu bestimmen, wer hinein darf und wer nicht. 

Kongeniale Liedauswahl übrigens. 

Okay, Ende des Exkurses. Bis zum Beginn des Gemeindefrühstücks hatte ich mir für den Fall, dass sich noch jemand über meinen Sohn beschweren würde, eine dreistufige Erwiderung zurechtgelegt, die dann zwar nicht zum Einsatz kam, die ich hier aber trotzdem mal festhalten will – vielleicht haben ja auch mal andere Eltern Verwendung dafür: 

  1. Mein Sohn verhält sich lediglich altersgerecht. Vielleicht denken Sie mal darüber nach, ob Sie dasselbe auch von sich behaupten können. 
  2. Als Vater freue ich mich darüber, dass mein Sohn in seinem Alter schon Interesse und Freude daran zeigt, in der Kirche zu sein und den Gottesdienst im Rahmen seiner Möglichkeiten mitzufeiern. Ich möchte das gern weiterhin fördern. Das machen Sie mir mit Ihren Reaktionen nicht gerade leicht. 
  3. Ob Sie die Anwesenheit eines fröhlichen und lebhaften Kindes in der Kirche als Störung empfinden, ob Sie es ignorieren oder ob Sie sich darüber freuen, ist Ihre eigene Entscheidung. Wenn Sie sich dafür entscheiden, sich darüber zu ärgern, ist das Ihrer Andacht sicherlich nicht förderlich, aber das liegt nicht in der Verantwortung meines Sohnes und auch nicht in meiner. 

Tatsächlich verlief das Gemeindefrühstück sehr friedlich; einer der Anwesenden – der in den vergangenen Wochen mehrfach den Küster- und Lektorendienst ausgeübt hatte, diesmal jedoch nicht – lobte sogar, diesmal sei der Knabe aber brav gewesen. Ich konnte zwar keinen so großen Unterschied zu seinem Verhalten in den vorigen Wochen feststellen, bedankte mich aber trotzdem für die freundlichen Worte; der Junior setzte sich derweil unbefangen neben Pater Mephisto und begrüßte ihn mit einem fröhlichen "Hallo". 

Beim Tischgespräch tauchte auch die Frage auf, wer denn der neue Pfarrvikar sei, der am 1. Oktober seinen Dienst in dieser Pfarrei (mit einer 50%-Stelle) angetreten habe. Pater Mephisto verriet, es handle sich um einen Ordenspriester von der Gesellschaft der Afrikamissionare (auch "Weiße Väter"). Dieser Orden hat seit 1994 eine Niederlassung in Berlin, die sich seit 2004 in der Wildenowstraße im Wedding (gewissermaßen im Hinterhof der temporären Bischofskirche) befindet. Über den neuen ("halben") Pfarrvikar der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd war im Netz zu erfahren, dass er bis 2013 als Missionar in Tansania und danach im Provinzökonomat seines Ordens in Köln tätig war. Ich bin gespannt, wann ich ihm mal persönlich begegne. 


Aus meinem Wichtelbuch 

Am Samstag, dem 30. September – dem Gedenktag des Hl. Hieronymus – hatte ich eine verpflichtende Qualifikation für meine Tätigkeit als Gruppenleiter in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit zu erwerben: Es handelte sich um die "Basisschulung Prävention", und ja, gemeint ist die Prävention sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und/oder Schutzbefohlene. Wer im Erzbistum Berlin (in anderen Bistümern dürfte es ähnliche Regelungen geben) eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben will, in der er hauptsächlich oder schwerpunktmäßig mit Kindern und/oder Jugendlichen zu tun hat, ist verpflichtet, innerhalb des ersten Jahres dieser Tätigkeit eine solche Basisschulung zu absolvieren. 

Folglich finden diese Schulungen recht regelmäßig an verschiedenen Orten Berlins statt; im vorliegenden Fall war der Ort des Geschehens das Gemeindezentrum St. Markus im Spandauer Ortsteil Falkenhagener Feld, das seit Anfang des Jahres zur Großpfarrei St. Johannes der Täufer gehört, der "anderen" Spandauer Pfarrei, wenn man so will. Die Kirche St. Markus samt angeschlossenem Gemeindezentrum wurde 1975-77 erbaut und sieht für mein Empfinden teils so aus, als sei ein UFO in der Hochhaussiedlung gelandet, und teils wie ein Baha'i-Tempel

Wie dem auch sei: Die Schulung selbst, an der 17 Personen aus verschiedenen Pfarreien teilnahmen und die einschließlich Mittagessen gut fünf Stunden dauerte, fand ich gut und betrachte es als ausgesprochen sinnvoll, dass jeder, der in der Kinder- und Jugendarbeit tätig ist, so eine Schulung mitmacht. Unter anderem ging es darum, was für Verhaltensweisen als Grenzverletzung, als sexueller Übergriff und als strafbarer sexueller Missbrauch einzustufen sind und welche Maßnahmen man als Mitarbeiter ergreifen kann oder ggf. – den Präventionsrichtlinien des Erzbistums entsprechend – ergreifen muss, wenn man entsprechende Vorfälle beobachtet oder von ihnen erfährt. Ein Aha-Erlebnis gab es für mich beim Thema "Institutionelle Risiken" – will sagen: institutionelle Strukturen, die Missbrauch begünstigen bzw. die Prävention erschweren. Die konventionelle Weisheit der Synodalbewegten besagt ja, ein missbrauchsbegünstigender Faktor in der Kirche sei es, dass die Geistlichkeit zu viel Macht habe; in der Basisschulung Prävention war dagegen die Rede davon, dass "diffus strukturierte Institutionen unkontrollierte Freiräume erlauben", und der Lehrgangsleiter führte dazu aus, ein Problem sei es, dass viele Pfarrer zu wenig Leitungskompetenz und Leitungsverantwortung zeigten und die Dinge in ihrem Verantwortungsbereich einfach laufen ließen. Ich muss sagen, das leuchtet mir ein. 

Im Zusammenhang mit meiner Aussage von weiter oben, ich fände es "ausgesprochen sinnvoll, dass jeder, der in der Kinder- und Jugendarbeit tätig ist, so eine Schulung mitmacht", scheint es mir indessen erwähnenswert, dass ich verschiedenen Gesprächen entnommen habe, dass andere (nicht-kirchliche, aber auch evangelische) Jugendarbeits-Träger derartige Präventionsschulungen nicht verpflichtend vorschreiben, und zwar nicht einmal ihren hauptamtlichen Mitarbeitern. Darüber, wie das zu beurteilen ist, mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen; von meiner Seite nur soviel: So sauer es mir aufstößt, wenn Repräsentanten der institutionellen Kirche beim Thema Missbrauch mit dem Finger auf andere Institutionen zeigen, um von sich selbst abzulenken, so problematisch erscheint es andererseits, wenn das Problem sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige in der öffentlichen Wahrnehmung allzu ausschließlich auf die katholische Kirche eingeengt wird. 


Spandau oder Portugal 

Der 1. Oktober ist eigentlich der Gedenktag der Hl. Therese von Lisieux, dieser wurde heuer jedoch liturgisch vom Sonntag verdrängt – außer in Nordafrika, in beiden Zweigen des Karmeliterordens sowie bei den Comboni-Missionaren, denn da wird dieser Gedenktag als Fest gefeiert, das liturgisch höherrangig ist als ein einfacher Sonntag im Jahreskreis. Ein schönes Fallbeispiel dafür, dass die Grundordnung des Kirchenjahres ein gefundenes Fressen für Nerds ist. – Jedenfalls war es (offensichtlich) der erste Sonntag im Monat, und nachdem wir an dem beiden vorherigen Sonntagen jeweils nach der Heiligen Messe noch zum freikirchlichen Gottesdienst in der EFG The Rock Christuskirche gegangen waren, wollten wir das auch diesmal gern wieder so halten; allerdings ist, wie ich schon ein paarmal erwähnt habe, am ersten Sonntag im Monat der freikirchliche Gottesdienst vormittags, annähernd zeitgleich mit der Messe in St. Joseph Siemensstadt. Die Lösung für uns bestand darin, früh in St. Stephanus Haselhorst zur Messe zu gehen und direkt im Anschluss schräg über die Straße zum nächsten Gottesdienst. 

Die Messe in St. Stephanus hielt Padre Ricardo aus Mexiko, und ich war etwas überrascht, als er ankündigte, zwischen Tagesgebet und Gabenbereitung werde es einen Kinderwortgottesdienst im Pfarrsaal geben: Irgendwie hatte ich gedacht, Kinderwortgottesdienste gäbe es nur am Standort St. Joseph. Es waren aber ein paar Kinder aus dem neuen Erstkommunionkurs in der Messe und dazu noch ein paar weitere, insofern "lohnte es sich". Inhaltlich ging es um das Gleichnis von den Ungleichen Söhnen (Mt 21,28–32): Zunächst gab's eine recht originalgetreue Nacherzählung des biblischen Texts, dann eine Parallelerzählung aus dem Erfahrungsbereich heutiger Kinder (in der es, offenbar aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit, um eine Mutter mit zwei Töchtern ging), und zum Schluss wurde als weitere thematisch verwandte Erzählung auch noch das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (mit Illustrationen von Kees de Kort) präsentiert. War das nicht ein bisschen viel Stoff für einen Kinderwortgottesdienst, hätte man da nicht lieber mehrere draus machen sollen? – Na, noch hab ich leicht reden, ab demnächst darf ich selber zeigen, was ich in diesem Bereich drauf habe. 

Interessant war jedenfalls der Quervergleich mit der Kinderkatechese bei den Freikirchlern gegenüber, die übrigens von derjenigen Mitarbeiterin geleitet wurde, bei deren Hochzeitsfeier wir am vorigen Sonntag waren. "Wenn Jenny das macht, ist es immer super", erklärte mir ein Junge im mittleren Grundschulalter voller Überzeugung. Dass hier ungefähr doppelt so viele Kinder waren wie in der Messe in St. Stephanus, sei nur beiläufig bemerkt – das ist ja auch nur eine Momentaufnahme. Jedenfalls wurde in dieser Kinderkatechese ein Film gezeigt; darin ging es um einen Missionar, der mit Pick-up-Truck und Diaprojektor abgelegene Dörfer im Regenwald Nord-Thailands abklappert. Eines Tages versperrt ein großer umgestürzter Baum die einzige Straße, und er kommt nicht weiter. Einer der Dorfbewohner, die er zuvor zu evangelisieren versucht hat, rät ihm, er solle seinen Gott um Hilfe bitten – dann könne er gleich mal zeigen, was dieser Gott so drauf hat. – Wie es weitergeht, sei hier nicht verraten; den Film gibt's, wie ich im Nachhinein festgestellt habe, auch bei YouTube. Jedenfalls soll es sich um eine wahre Geschichte handeln, und die offenkundige Lehre daraus lautet, dass man auch dann auf Gott vertrauen soll, wenn es aussichtslos erscheint und wenn Gebete zunächst nicht erhört zu werden scheinen. Auf den Film folgte ein Gespräch zur "Ergebnissicherung", dann ein Gebet, und dann durften die Kinder im Garten spielen gehen. (Diese Möglichkeit hat man natürlich nicht überall und nicht bei jedem Wetter.) 

Jedenfalls konnte ich voller Eindrücke am Mittwochabend zu einem Treffen des Arbeitskreises Kinderwortgottesdienste in St. Joseph gehen. Das Treffen war leider etwas unterbesetzt – neben dem Pfarrvikar, dem Gemeindereferenten und mir fand sich nur ein weiteres Arbeitskreis-Mitglied ein, die beiden anderen hatten aus familiären Gründen kurzfristig abgesagt. Trotzdem verlief der Termin einigermaßen ertragreich. Ein Ergebnis war, dass ich schon am 15. Oktober – dem 28. Sonntag im Jahreskreis – erstmals einen Kinderwortgottesdienst mitgestalten darf, zusammen mit dem Gemeindereferenten, der bisher weitgehend allein für diese Aufgabe zuständig war. Ein weiteres Ergebnis war, dass es am 1. Advent einen Familiengottesdienst geben soll. 

Ein besonders bemerkenswerter Moment der Sitzung war es aus meiner Sicht, als die Frage nach der musikalischen Gestaltung des Familiengottesdienstes aufkam und ich die These wagte, nach 60 Jahren "Danke für diesen guten Morgen" sei es vielleicht doch mal an der Zeit, sich von dem Genre "Neues Geistliches Lied" (NGL) zu verabschieden. Ich blickte in ratlose Gesichter, und als mich dann ausgerechnet die studierte Relugionspödagogin im Raum (deren Beiträge ich ansonsten durchaus schätze, bitte nicht falsch verstehen!) ernsthaft fragte, wie man einen Gottesdienst denn sonst musikalisch so gestalten solle, dass sich auch Kinder und Jugendliche davon angesprochen fühlen, musste ich doch ein bisschen kichern. Ich entschuldigte mich sogleich dafür, erklärte aber, auch wenn mir bewusst sei, dass die Kirche in Jahrhunderten denkt, fände ich es auf etwas tragikomische Weise bezeichnend, dass ein Musikgenre, dessen Blütezeit 40-60 Jahre zurückliegt, in der katholischen Kirche immer noch weithin als der Goldstandard kinder- und jugendgemäßer Kirchenmusik gilt. Um zu demonstrieren, dass es durchaus Alternativen gibt, spielte ich auf meinem Handy ein paar Lobpreislieder für Kinder vor, wie sie beispielsweise beim JAM zum Einsatz kommen; und ich glaube, ich habe mittels dieser Intervention tatsächlich durchgesetzt, dass das Lied "Runtergekommen" von Daniel Kallauch in den Familiengottesdienst zum 1. Advent eingebaut wird. Und zwar mit den dazugehörigen Bewegungen. Mit meinen Wichteln werde ich das schon im Vorfeld einüben, und die können es dann den Erwachsenen beibringen. Ich freu mich drauf! 

– Übrigens hatte ich ja in der Vorschau auf diesen Artikel angekündigt, etwas zum neu erschienenen zweiten Pfarrbrief der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland schreiben zu wollen, aber das verschiebe ich aus Platzgründen doch lieber auf das nächste Wochenbriefing; es gibt nämlich noch...: 


Neues aus Synodalien 

Am 5. Oktober, dem Gedenktag der Hl. Faustyna Kowalska, überraschte häretisch.de, das Zentralorgan des postchristlichen deutschen Synodalkatholizismus, seine Facebook-Fans mit einer pompös aufgeputzten Neuigkeit "in eigener Sache" – in der es bis zum Ende des dritten Absatzes dauerte, bis man erfuhr, worin die Neuigkeit eigentlich bestand, aber darüber sollte ich wohl nicht spotten, ich bin ja auch nicht gerade bekannt dafür, schnell zum Punkt zu kommen. 

Am Anfang der Bekanntmachung steht jedenfalls die Feststellung "schon das deutsche Reformprojekt Synodaler Weg" habe "gezeigt, dass das Interesse an kirchlichen Themen noch immer groß ist – und zwar auch oder gerade [!] über den deutschen Sprachraum hinaus": "Von den USA bis nach Australien, in Spanien oder Frankreich und natürlich auch im Vatikan hat man aufmerksam nach Deutschland geschaut, als hier Bischöfe gemeinsam mit dem Dachverband der katholischen Laien, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Themen wie den Zölibat, die Möglichkeit der Frauenweihe oder die kirchliche Sexualmoral diskutiert und Reformvorschläge erarbeitet haben", nun ja, aufmerksam, das mag wohl sein. Und nun? 

"Nun steht uns mit der Weltsynode zum Thema 'Synodalität' in Rom ein noch größeres kirchliches Ereignis bevor: 375 Bischöfe und Laien, Frauen und Männer aus allen Winkeln der Erde kommen zusammen, um über Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung zu sprechen – und damit über die zukünftige Gestalt der katholischen Kirche insgesamt. Dabei prallen nicht nur unterschiedliche Positionen und Welten, sondern auch Sprachen aufeinander." So ähnlich wie beim Turmbau zu Babel, könnte man sagen. Und diesem Zustand will das Portal häretisch.de, man höre und staune, sein eigenes, hausgemachtes Pfingstwunder entgegensetzen – womit wir endlich zum konkreten Gegenstand dieser Mitteilung kommen: Um "möglichst vielen kirchlich interessierten Menschen Zugang zu Informationen rund um die Synode – und darüber hinaus – zu verschaffen",  berichtet häretisch.de "[a]b sofort [...] zusätzlich auf Englisch. Damit wollen wir auch international zur Meinungsbildung bei kirchlichen, aber auch politischen und gesellschaftlichen Fragen beitragen." Also, da hab ich ja erst mal herzlich gelacht – und mich sodann daran erinnert, wie Björn Odendahl, der als häretisch.de-Redaktionsleiter seinen Namen unter dieses Rundschreiben gesetzt hat, es schon einmal geschafft hat, dem Bonner Portal internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das war Ende 2015, und damals wurde ein von Odendahl verfasster Beitrag für die "Standpunkt"-Rubrik des Portals sogar einer Entgegnung im einflussreichen US-amerikanischen Magazin First Things gewürdigt. Der Beitrag hieß "Romantische, arme Kirche" und gibt geradezu exemplarisch zu erkennen, wie Leute wie Odendahl ticken; u.a. führt er darin den Umstand, dass die Kirche in Afrika besonders stark wächst, darauf zurück, dass "die Menschen sozial abgehängt sind und oft nichts anderes haben als ihren Glauben" und dass "der Bildungsstand durchschnittlich auf einem niedrigeren Niveau ist". Im Ernst. First Things-Autor Leroy Huizenga attestierte Odendahl daraufhin "sanften Rassismus" und beurteilte den Artikel insgesamt als "das beklommene Wimmern einer verdorrten kulturellen und institutionellen Form des Christentums, die noch nicht gemerkt hat, dass sie besiegt ist". Zu diesem Urteil kam Huizenga seinerzeit ganz ohne die Hilfe einer englischsprachigen häretisch.de-Ausgabe, er versteht nämlich Deutsch. Man darf gespannt auf die Reaktionen sein, die häretisch.de zukünftig aus dem nicht-deutschsprachigen Raum zuteil werden. 

"Themen gibt es genug"; das ist wohl kaum zu bestreiten, aber bezeichnend ist es doch, an was für ein Themenspentrum Odendahl hier vorrangig denkt: Dieses reicht "von der Debatte über den assistierten Suizid" – ob er damit wohl den assistierten Suizid der institutionellen Kirche in Deutschland meint? 'Tschuldigung, wenn das geschmacklos 'rüberkommt, aber das war meine erste, spontane Assoziation an dieser Stelle – "über die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Deutschland und dem Rest der (kirchlichen) Welt bis hin zum Krieg in der Ukraine." 

Es wird aber noch schräger: Die Inhalte des Portals werden nämlich "mit Hilfe eines in das Redaktionssystem implementierten und auf künstliche Intelligenz (KI) basierendem Onlinedienstes übersetzt" – was natürlich billiger ist, als wenn man die Texte von echten, dafür qualifizierten Menschen übersetzen ließe, und schneller geht's obendrein; aber andererseits: Hätte man sich den Aufwand dann nicht gleich ganz sparen können? Mit Google Translate werden die erhofften nicht-deutschsprachigen Leser ja wohl selbst umgehen können. 

Man sollte allerdings wohl die Möglichkeit einkalkulieren, dass die häretisch.de-Redaktion und ihre Fans gar nicht auf die Idee kommen, dass eine KI-gestützte Übersetzung als billig und schlampig wahrgenommen könnte, sondern meinen, gerade damit voll auf der Höhe der Zeit zu sein. Die Begeisterung der synodalbewegten Strukturkatholiken für das Thema "Künstliche Intelligenz" ist ja schon ein bisschen auffällig. Manch einer wird sich vielleicht erinnern, wie die Facebook-Seite des Bistums Essen in der diesjährigen Karwoche KI-generierte Bilder präsentierte, die zeigen sollten, wie Stationen der Passion Christi "heute aussehen könnten"; oder auch daran, dass Bischof Bätzing in seiner Pfingstpredigt den KI-basierten Chatbot ChatGPT als Positivbeispiel für die Segnungen des technischen Fortschritts erwähnte. Es fällt nicht schwer, sich auszumalen, was für Schlüsse man daraus ziehen könnte, wenn man zu Verschwörungstheorien neigt; aber tatsächlich ist es wohl viel banaler: Man möchte nun mal um jeden Preis als modern, zeitgemäß und fortschrittlich wahrgenommen werden, und weil KI nun mal gerade der heißeste Scheiß ist, hängt man sich eben mit fliegenden Fahnen an diesen Trend dran. Was natürlich auch mit einem gewissen Mangel an natürlicher Intelligenz zu tun hat. 


Aus dem Stundenbuch 
Wie glücklich und gesegnet sind alle, die den Herrn lieben und tun, wie der Herr im Evangelium sagt: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele und deinen Nächsten wie dich selbst" (Mt 22,37.39). Lasst uns also Gott lieben und ihn mit reinem Herzen und reinem Geist anbeten; denn das verlangt er mehr als alles und sagt: "Die wahren Beter beten den Vater im Geist und in der Wahrheit an" (Joh 4,23). Alle, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist der Wahrheit anbeten. Lasst uns Tag und Nacht Lob und Gebet an ihn richten und sprechen: "Vater im Himmel"; denn so sollen wir allezeit beten und darin nicht nachlassen. 
Darüber hinaus lasst uns Frucht hervorbringen, die unsere Umkehr zeigt. Wir wollen unseren Nächsten lieben wie uns selbst, Liebe und Demut hegen und Almosen geben, denn sie reinigen unsere Seele vom Schmutz der Sünde. Alles, was die Menschen in dieser Welt zurücklassen, verlieren sie. Doch den Lohn für die Liebe und die Almosen, die sie gegeben haben, nehmen sie mit sich. Für sie werden sie vom Herrn Ehre und gerechte Vergeltung empfangen. 
Im irdischen Sinne sollen wir nicht weise und klug sein, sondern einfältig, demütig und rein. Niemals sollen wir verlangen, über anderen zu stehen; lieber wollen wir um Gottes willen Knechte und Untergebene aller Menschen sein. Über allen, die so handeln, und darin beharrlich sind, wird der Heilige Geist ruhen und ihnen Wohnung und Bleibe schaffen. Sie werden Kinder des Vaters im Himmel sein, dessen Werke sie tun. Sie sind Bräutigam, Bruder und Mutter unseres Herrn Jesus Christus. 
(Franz von Assisi, Brief an alle Gläubigen) 

 

Ohrwurm der Woche 

Foyer des Arts: Schimmliges Brot 


Dieses Stück widme ich dem Inhalt der in der Schule verbummelten und einige Tage später in der Fundsachenkiste wieder aufgetauchten Frühstücksbox meiner Tochter. 


Preview auf Nr. 51 

Spandau oder Portugal: Erstkommunion-Katechese über die Messe in der Messe +++ Ein Blick in den neuen Pfarrbrief, jetzt aber wirklich +++ Was ich gerade lese: Bruce Low, "Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand" / Joan Aiken, "Rabenspaß in der Regenwassergasse" +++ weitere Themen stehen noch nicht fest +++ 


12 Kommentare:

  1. In unserer Gemeinde war letzten Sonntag Familiengottesdienst. Die Messe verlief ruhig und vollkommen störungsfrei. Das mag auch daran liegen, dass keine (!) Familie mit kleinen Kindern anwesend war. Es war dann wohl ein sog. Senioren Gottesdienst, selbst der Familienchor hatte ein geschätztes Durchschnittsalter von 65 aufwärts. Das Thema quengelnde Kinder und genervte Senioren hat sich eigentlich, von Ausnahmen abgesehen, dann wohl erledigt. Zumindest mittelfristig.

    AntwortenLöschen
  2. Das Motto: Unser "Kreis junger Familien" erreicht das Rentenalter.

    Zum Thema St. Markus: Die Kirche wurde von Architekt Hans Schädel entworfen (der auch der Architekt der Gedenkkirche Maria, Regina Martyrum war). Nahezu baugleich sind St. Dominicus in der Gropiusstadt und Zu den heiligen Märtyrern von Afrika in Lichtenrade. Die Berliner nennen diese Kirchen "St. Melitta".

    AntwortenLöschen
  3. Nachtrag zum Thema "Prävention / Maßnahmen und Schulungen": Zustimmung. Z. B. im ganzen Bereich "Sport" (Jugend, Breitensport, Leistungssport) hält man sich für mein Empfinden äußerst bedeckt.

    AntwortenLöschen
  4. Sicher ein gesamtgesellschaftliches Thema, wenn eine Gesellschaft so überaltert ist wie die deutsche - da wird dann das, was vor 40-50 Jahren hip war, hochgehalten und zelebriert, weil die Alterskohorte, die das als hip empfand, so groß ist und so lange an Schaltstellen sitzt, und sei es im Pfarrgemeinderat.

    AntwortenLöschen
  5. Die Gesellschaft ist nicht überaltert, sonderen entjüngt. Dass viele Menschen ein hohes Alter erleben, ist ein Segen. "Überaltert" enthält den unterschwelligen Vorwurf, dass sie so viele sind und dass darin das Problem liegt. Gut, dass wir so viele jüngere Zuwanderer haben, die als Pflegepersonen tätig sind und Rentenbeiträge zahlen.

    AntwortenLöschen
  6. Hach ja, der Seniorengottesdienst mit Rosenkranz. Würde ich Dir nicht glauben, dann würde es mir wirklich schwer fallen zu glauben, daß alte Menschen so sehr etwas gegen Kinder haben können. Die freuen sich doch, wenn sie welche sehen und die jungen Leute mit ihnen was zu tun haben wollen... Was also ist los?

    1. Die berüchtigte ganz unkorrellierte Laus, die über die Leber gelaufen ist? Mag sein.

    2. Man hat selber nie geschafft, Kinder zu bekommen, oder man hat, aber die haben keine Lust, einen mit Enkeln zu beglücken, oder die haben das, aber jetzt haben sie keine Lust einen zu besuchen, oder nicht jedes Wochenende zu besuchen, und jetzt sieht man da das Kind fröhlich sein und fühlt sich zu-kurz-gekommen? Vielleicht auch das. Wäre freilich mit Verlaub ein nennenswerter Charakterfehler. Man muß gönnen können.
    3. Man hat in Kasuistik nicht aufgepaßt und weiß nicht, daß man, wenn man am Werktag freiwillig da ist, die Ablenkung beim Gottesdienst auch nicht beichten braucht, mal davon abgesehen, daß man die unfreiwillige Ablenkung sowieso nicht beichten braucht? Und jetzt ärgert man sich, weil das Kind das veranlaßt, was man für eine Sünde hält? Könnte sogar sein.
    4. "Wenn ihr schon kommen wollt, dann setzt euch halt gefälligst hinten hin?" Ja nun, aber die vordere Bank war doch frei. Dann setzt euch halt selber ganz nach vorne, wenn ihr nicht wollt, daß sich jemand vor euch setzt. (Sogar ohne Kind habe ich schon Blicke abbekommen, als ich mich verspätet in die zweitvorderste Reihe gesetzt habe und jetzt mein Kopf vor irgendjemandes Augen war. Ich hätte mich auch ganz hinten hingesetzt, die Kirche ist nicht sehr groß, aber wie so oft: ganz links sitzt wer, ganz rechts sitzt wer, in der Mitte wäre frei aber... und auf den Vorraum hinterm Absperrgitter oder den Stehplatz seitlich hatte ich keine Lust, wenn an sich ausreichend Platz ist, ich geb's ja zu...)
    5. Aber das wahrscheinlichste wohl ist auch nicht sehr schmeichelhaft: das wäre nämlich, daß sie gar nichts gegen den Buben haben. Sondern gegen den Vater. Genauer, dagegen, daß ein Vater einer Familie mit Kindern zu einem solchen Zeitpunkt nicht auf einem Acker, in einer Fabrik oder wenigstens einem Büro schuftet. Die Verwechslung von katholischer Moral mit spießbürgerlichem Normmenschentum (den Ausdruck "Normmensch" habe ich von Christl Sittenauer, dankeschön) ist ja leider weit verbreitet, und wahrscheinlich besonders bei Leuten in deren Alter: da in ihrer Jugend das Religiössein nun einmal noch (bzw. wieder, als Schockreaktion nach dem Nazizusammenbruch) das Normale war, die Ausbrecher in aller Regel auch aus dem Praktizieren der Religion ausbrachen und sie selber konservativ genug waren dabeizubleiben, mia samma Christn, bei uns gibt's sowas net (um nicht unbefugt zu berlinern).

    Und warum sollte der Rosenkranz (wenn er hier betont wird) besonders gegen die Anwesenheit von Kindern sprechen? *Wenn überhaupt* würde doch umgekehrt ein Schuh daraus werden: der Rosenkranz ist "Volksbrevier", das, was die Kinder sind, hat mal jemand einen "Katechumenat nach der Taufe" genannt, und in der Alten Kirche durfte zum Offizium *jeder* rein, die *Messe* war exklusiv, nicht umgekehrt...

    AntwortenLöschen
  7. Aber ja, die Alten haben halt nunmal Zeit, und (und der Teil ist *nicht* despektierlich gemeint) halt auch noch einmal die spezielle Motivation, jetzt noch einmal gründlich zu "büffeln", da das "Examen" unausweigerlich näherrückt... und in der Großstadt kann es dann eben Messen um 10 Uhr geben, was zugegeben (10 Uhr Sommerzeit = 9 Uhr Normalzeit) sogar die traditionelle Uhrzeit für die Tagesmesse ist (an Festen, aber welcher Tag ist kein Fest). Wo es weniger Kirchen gibt, ist meine Meinung, daß sich die Meßzeit *eigentlich* an den Bedürfnissen der Arbeiter, und zwar der vereinzelten, die kommen, orientieren sollte, *trotz* des größeren Interesses bei den Rentnern. Das müßte man freilich auch erstmal begründen, aber trotzdem.

    (Egoistisch ist es allerdings nicht wirklich, oder höchstens in bezug auf ein zukünftiges, hoffentliches, besseres Selbst, nicht auf das jetzige: Klar ist, daß die eigentlich traditionellere und für die, die es schaffen, wohl auch spirituell *noch* ergiebigere Uhrzeit am *Vormittag* ist, und da könnte ich mit Gleitzeit die 10 Uhr oder 11 Uhr an, nicht allen, aber vielen Tagen weitaus einfacher schaffen als 8 Uhr oder gar 7 Uhr...)

    AntwortenLöschen
  8. Welcher Tag ist kein Fest? Gruß vom Nerd: Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind liturgische "Feste" selten, es gibt werktags gebotene und nicht gebotene "Gedenktage" der Heiligen ("memoria"), Tage ohne "memoria" sind "feria"; Näheres siehe z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Calendarium_Romanum_Generale.

    Dem KingBear empfehle ich https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liturgische_Rangordnung (aus meiner "Feder"), das ist für den Zusammenhang präziser als der verlinkte Artikel "Grundordnung des Kirchenjahres".

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Egidius, nehmen Sie's mir nicht übel, aber diesen Kommentar hätten Sie sich sparen können.

      1. "Welcher Tag ist kein Fest" war von mir eine eingeklammerte Nebenbemerkung.

      2. Sie bezog zu meiner Abschweifung darüber, daß *eigentlich* 10 Uhr Sommerzeit (= 9 Uhr Normalzeit) tatsächlich die traditionelle Meßzeit *wäre*, *obwohl* sich das heute nur Klöster und Großstädte erlauben können, weil die anderen meiner Meinung nach solche Meßzeiten haben sollten, wo man auch arbeiten kann dazu. Das war der Punkt.

      3. Darauf dann ganz kurz die Erklärung, die ausgeführt so geheißen hätte: "Die seit vielen Jahrhunderten nicht mehr praktisch verwirklichte, in den Rubriken aber noch länger weitertradierte Regel sieht die Messen nach der Terz vor, und zwar an Sonntagen und Festen, aber das schließt ja bekanntlich quasi alle Tage ein". Auf Grund der Art der Argumentationsführung (wenn man doch einmal eine beiläufige Bemerkung machen könnte, ohne deren Berechtigung ausführlich begründen zu müssen...) ist hier also nicht der neue, sondern der alte Festkalender gemeint.

      4. Vor allem aber hat das Kirchenvolk in ungewohnter Einmütigkeit entscheiden, daß es die seltsame neue Sprachregelung, nur die Zweitklaßfeste Feste zu nennen, ziemlich peripher tangiert, weil diese sachlich nunmal solche auch *sind* (im früheren Sinn von Festen von duplex major abwärts), trotz der ebenfalls sehr komischen Entscheidung, nicht einmal für die Gottesmutter dort ein Gloria zu singen. In diesem Sinn hat selbst im neuen Ritus der laufende Oktober nur 9 Tage, die in Deutschland weder Sonntage noch Feste sind, darunter den Nationalfeiertag (abzüglich noch lokalerer Feste). (Die nicht gebotenen Gedenktage sind mithin genau das: Feste, die nicht gefeiert werden brauchen, aber wenn sie gefeiert werden Feste sind. Was ehrlich gesagt der normale Werktagsmeßbesucher für gewöhnlich wünscht, deswegen habe ich sie da mitgezählt.)

      Löschen
  9. Na, wenn KingBear einen Nerd kitzelt, dann rührt der sich. Ich finde es positiv, dass der inflationäre Gebrauch von "Festen" vorüber ist (inclusive der liturgischewn Akrobatik einer mehrfachen Kommemoration der weichenden Heiligen). Das kommt den wirklichen Festen zugute. (Bedauerlich nur für manche in den Klöstern, wo es ab Duplex aufwärts abends Extrabier auf der Rekreation gab.)

    Vermutlich stimmen Sie mit mir überein, dass ich Wert darauf lege, dass das "Gloria" an Hochfesten der Gottesmutter vielleicht zur Zierde "für die Gottesmutter" gesungen wird, aber nichtsdestrotrotz die Verherrlichung Gott, des Vaters, und seines eingeborenen Sohnes zum Ausdruck bringt. (Nicht einmal der Heilige Geist wird erwähnt.)

    Letzter Punkt: Ansprechende Messfeiern werktags abends gibt es in der Nähe von Spandau und Tegel in Charlottenburg Nord bei den Karmelitinnen, dienstags und freitags nach der Vesper. Was allerdings geschieht, wenn da demnächst vermehrt Väter mit Kleinkindern auflaufen, vermag ich nicht abzuschätzen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Werter Egidius,

      nun, ich bin wahrscheinlich mehr partyaffin als Sie, und die allermeisten Katholiken auch. Aber darüber sind ja prinzipiell mehrere Meinungen möglich, auch wenn das, ich wiederhole mich, nicht das Thema war.

      Aber daß Sie von Leuten fordern, sich in streng bürokratischer und fünfmal abgeklopfter Form oder gar nicht zu äußern, indem Sie nämlich mit scheinheiligem „wir sind uns doch einig daß“ zwischen den Zeilen insinuieren, der unschuldige Diskussionsgegner habe Götzendienst begangen, ist, mit Verlaub, abstoßend.

      (Und selbstverständlich verherrlicht das Gloria auch den Heiligen Geist. Sogar explizit, lesen Sie es mal durch.)

      Löschen
    2. 1 : 0 für Sie! Da habe ich doch tatsächlich die Schlussdoxologie des Gloria übersehen. Und das, obwohl ich ein paar Stunden vorher noch das lateinische Gloria im Gottesdienst mitgesungen habe. *Schäm!*

      "Partyaffin" in Ihrem Sinne bin ich vielleicht nicht, aber als Rheinländer "karnevalsaffin". Und da singen wir: "Denn nur einmal im Jahr ist Karneval!" Diese Einmaligkeit macht imO das Fest zu dem, was es ist. Was passiert, wenn jeden Tag Weihnachten wäre, hat Heinrich Böll in "Nicht nur zur Weihnachtszeit" pointiert illustriert. Soviel noch zur Häufung von "Festen" in der Liturgie.

      Es sei denn, Sie denken an das NGL "Unser Leben sei ein Fest an diesem Morgen und jeden Tag". Aber jetzt höre ich auf, um dem Hausherren hier sein "EOD" zu ersparen.

      Löschen