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Dienstag, 1. Mai 2018

God Gave Rock'n'Roll To You (IV)

Unlängst geriet ich in einer Facebook-Gruppe in eine Diskussion darüber, dass bzw. warum Sacropop - oder als christlich vermarktete Pop- und Rockmusik allgemein - oft so uncool sei. Tatsächlich ist das eine Frage, die mich seit kurz vor Mitte der 90er - also so ziemlich seit dem Ende meiner "ersten Fundi-Phase", wie ich sie im Rückblick gern augenzwinkernd nenne - immer mal wieder umtreibt. Wahrscheinlich kann man sogar sagen, der Eindruck, dass das so sei, habe durchaus das Seine zum Ende der besagten Phase beigetragen. Nun würde ich zwar sagen, dass beispielsweise im Bereich der charismatischen Lobpreismusik inzwischen ein ganz anderes Qualitätslevel erreicht worden ist, als es etwa vor 25 Jahren der Fall war, aber so ganz ausgestorben ist der Hang zum Gewollt-und-nicht-Gekonnten da durchaus nicht; gar nicht erst zu reden davon, dass einem gerade im "volkskirchlichen" Bereich auch heute noch so manche NGL-Schlager als angeblich "modern" und "jugendtauglich" aufgetischt werden, die vor 30 Jahren schon Scheiße waren. 

Über die Ursachen dieser Tendenz zur Uncoolness könnte man trefflich theoretisieren, aber ich habe nicht vor, das hier und jetzt zu tun. Vielmehr möchte ich eine nun auch schon fast 20 Jahre zurückliegende Begegnung mit gar nicht mal so uncooler christlicher Rock- und Popmusik zu Protokoll geben, an die mich die eingangs erwähnte Facebook-Diskussion erinnert hat. 

Es war wohl so ungefähr 1999; jedenfalls war es Sommer, ich fläzte faul im Innenhof des Hauptgebäudes der Humboldt-Uni herum, statt zu studieren, und Leute von einer christlichen Studenteninitiative - Campus für Christus, Jugend mit einer Mission oder so was Ähnliches - liefen da herum und suchten Freiwillige für eine Umfrage. Glaubst du, dass es einen Gott gibt? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Und so weiter. Kurz entschlossen machte ich da mit und gab auf alle Fragen mehr oder weniger agnostisch, mehr oder weniger pantheistisch angehauchte Antworten (ja, so einer war ich damals). Und als Dankeschön für meine Teilnahme an der Umfrage bekam ich eine Compilation-CD mit Songs verschiedener christlicher Bands und Solokünstler. Stilistisch relativ breit gefächert - größtenteils irgendwie Rock im weitesten Sinne, aber zum Teil mit unerwarteten Einschlägen in Richtung Ska, Country oder sogar TripHop. Was man damals halt so hörte. 

Überraschenderweise fand ich - obwohl ich in der Zusammenstellung der Compilation einen gewissen "Allen aktuellen Trends gleichzeitig hinterherhecheln"-Opportunismus ärgwöhnte - die meisten Songs gar nicht mal schlecht. Inzwischen ist die CD bei einem meiner Umzüge unter die Räder gekommen - wahrscheinlich fristet sie noch auf dem Grund irgendeiner unausgepackten Kiste ihr Dasein -, aber als ich mich nun daran erinnerte, stellte ich fest, dass ich von einem der Songs - dem, der mir damals am besten gefallen hatte - immer noch einige Gesangsfetzen und das Gitarrenriff im Ohr hatte, und zwar noch bevor ich nachschaute, ob es den Titel bei YouTube gibt. Ja, gibt es. 


Den Namen der Band - Audio Adrenaline - hatte ich mir nicht gemerkt, aber das Internet findet ja so ziemlich alles. Vom Sound her ziemlich nah dran an "säkularen" Alternative Rock-Bands der 90er Jahre wie Spin Doctors oder Ugly Kid Joe, etwas "cleaner" und erheblich weniger depressiv als die seinerzeitige Seattle-Grunge-Welle, aber allemal geeignet, von langhaarigen intellektuellen Außenseitern gutgefunden zu werden. Wie ich mich erinnere, fand ich es schon damals bemerkenswert, dass der Song - "My Chevette" - von allen Nummern der Compilation den am wenigsten eindeutig christlich (oder überhaupt religiös/spirituell) geprägten Text hatte. Stattdessen geht es in dem Text um ein altes Auto. Als einziges Indiz für einen christlichen Hintergrund fiel mir seinerzeit das Verspaar "I was the son of a preacher / and he was a rich poor man" auf. 

Nach nochmaligem Anhören würde ich nun behaupten, dass man durchaus auch noch anderen Textstellen eine gewisse metaphorische Qualität zuerkennen kann, die auf eine tiefere Bedeutungsebene verweisen; beispielsweise: 
"He never promised us
it would be a gentle ride
he never had a problem though
keeping it on the narrow road." 
Get it? -- So oder so ist die zuerst zitierte Textstelle von durchaus zentraler Bedeutung für das Verständnis des Songs. Tatsächlich war der Vater des Sängers Mark Stuart Missionar - unter anderem auf Haiti - und hatte als solcher nie viel Geld; im wörtlichen Sinne handelt der Songtext davon, wie der Vater seiner Familie stolz sein neues (wohl gebraucht gekauftes) Auto präsentiert, das nach allen "weltlichen" Maßstäben schlichtweg eine Schrottkarre ist. Im Rückblick urteilt das lyrische Ich, sinngemäß: 
"Na klar war es eine Schrottkarre -- aber hey, es war UNSER AUTO! Und jetzt ist es eine coole Kindheitserinnerung." 
Und das ist ja schon an und für sich, auch ohne irgendwelche Meta-Ebenen, eine beachtliche Message. Nicht zuletzt unter BenOp-Gesichtspunkten. Im achten Kapitel von Rod Drehers "Benedikt-Option" ermahnt der Autor seine Leser, sie müssten sich darauf gefasst machen, als entschiedene Christen in der post-christlichen Gesellschaft "ärmer und marginalisierter" zu sein, als sie es ohne die unbedingte Treue zu ihrem Glaubensbekenntnis sein könnten. Das ist eine Aussicht, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, gerade wenn man Kinder hat oder zukünftig welche zu haben beabsichtigt. Umso besser und wichtiger, vor Augen gehalten zu bekommen, dass es nicht unbedingt viel Geld braucht, um seinen Kindern eine glückliche Kindheit zu bereiten. Dass das so ist, weiß ich übrigens auch aus eigener Erfahrung. Und schließlich - und auch das wird in der "Benedikt-Option" explizit thematisiert - sollte gerade eine christliche Kindererziehung dazu geeignet sein, den Kindern nicht nur auf einer theoretischen Ebene beizubringen, sondern auch ganz praktisch die Erfahrung zu vermitteln, dass es Dinge gibt, die viel wertvoller sind als Geld. Oder 'n schicket Auto.  

À propos "Benedikt-Option": Ein Teil meiner Leserschaft wird bereits mitbekommen haben, dass Rod Drehers Buch seit Neuestem auch auf Deutsch vorliegt - erschienen im fe-Medienverlag und übersetzt von, ahem, mir. Außer beim Verlag selbst ist das Buch auch bei allen einschlägigen Online-Buchhändlern bestellbar; wie mir seitens des Verlags versichert wurde, sollte es in wenigen Tagen dann auch endlich lieferbar sein. Also, liebe Leser: Holt es Euch - und lasst mich wissen, was Ihr darüber denkt! 



2 Kommentare:

  1. http://orthodoxpop.de/blog/2017/11/23/warum-pop-gottesdienste-wie-freshx-zur-uncoolness-verdammt-sind/
    Hier ist das Problem mit Pop@Kirche:
    Die Produktzyklen von musikorientierten Subkulturen im Freien Westen sind mittlerweile so hochfrequent, dass heutzutage jede Debutanten-Generation von sich extrem relevant findenden Jung-Pastoren (z.B. FreshX) von den auf der popkulturellen Überholspur lebenden Zielgruppe der TwentySomething-Checkern der Szene für ihre bei Realisierung schon wieder vollkommen überholten Gottesdienst-Stile nur noch mitleidig belächelt werden.

    Mein Rat für „kulturrelevante“ Gemeinden:
    Konzentriert Euch auf die kritische Auseinandersetzung mit den geistigen und philosophischen Strömungen Eurer Zeit, die haben deutlich längere Lebenszyklen. Bringt Euren eigenen jungen Checkern Apologetik und christliche Worldview-Analyse bei und lasst sie mit diesen Werkzeugen dann öffentlich die angesagte Popkultur ihrer eigenen Generation analysieren.

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    1. Nur wollen wir halt auch Spaß haben.

      (Um die Dinge mal ohne Umschweife so zu sagen, wie es ist.)

      Und bevor das moralische Gericht losgeht: "auch", und "auf legitime Weise" - aber ja, wir wollen auch Spaß haben. (Selber, nicht um der Draußenstehenden willen. Daß wir die mit popkulturellen Anbiederungen im Zweifel nicht erreichen können, ist klar.)

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