Als ich vor ein paar Tagen über die Abschiedspredigt von Matthias Marx als Pfarrer in Eppelborn stolperte, dachte ich zunächst nicht, dass da mehr als eine skurrile kleine Randnotiz rauszuholen wäre. Inzwischen haben mich allerdings einige Zuschriften von Leserseite davon überzeugt, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen. Immerhin geht es hier um das Bistum Trier, wo die (bislang) radikalste pastorale Flächensanierung Deutschlands ihre Schatten voraus wirft: Bis 2020 soll die Zahl der Pfarreien in der ältesten Diözese Deutschlands von jetzt 887 auf 35 (!) reduziert werden. Und irgendwie - wenngleich mir nicht ansatzweise klar ist, wie genau - soll auch der "Erkundungsprozess", in dem der bisherige Eppelborner Pfarrer ja eine Rolle zu spielen haben wird, der Vorbereitung dieser durchgreifenden Strukturreform dienen.
Informiert man sich aus öffentlich zugänglichen Quellen über die Personalie Matthias Marx, stößt man schnell auf allerlei Skurriles. So zum Beispiel auf den Umstand, dass der Geistliche neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit seit 2002 ein Teppichmuseum leitet. Präziser gesagt, das Jean-Lurçat-Museum Eppelborn, dessen Exponate einer von Marx gegründeten Stiftung gehören. Diesem Museum wird sich Matthias Marx wohl auch zukünftig, wenn er das Amt des Gemeindepfarrers von Eppelborn gegen das abenteuerliche Leben eines "Erkunders" im Dienste des Bistums Trier eingetauscht haben wird, weiterhin widmen. Aber die viel interessantere Frage - außer vielleicht für passionierte Tapisserie-Connaisseure - ist ja: Was hat es jetzt eigentlich wirklich mit diesem "Erkunder"-Job auf sich? Darüber äußerte sich Pfarrer Marx selbst in einem am 27. Januar ausgestrahlten Beitrag für die Sendereihe "Lebenszeichen" auf SR2 KulturRadio:
"Wir sind in einer Erkundungsphase, und in wenigen Wochen wird Bischof Stephan Ackermann zehn Erkunder-Teams aussenden. Jedes Team besteht aus drei Personen, gemischt aus kirchlichen Berufen und der Caritas. Das ist eine vollkommen neue Vorgehensweise in unserem Bistum [...]. [D]ie Erkunder wollen im Auftrag des Bischofs nichts anderes als hingehen und hinhören. Natürlich klingt das etwas naiv oder einfältig – aber genau das ist die Haltung, auf die sich das Bistum Trier festgelegt hat."
Toll. Es folgen die üblichen pastoraltheologischen Floskeln - "dem Gegenüber, dem anderen Menschen, [...] so begegnen [...], wie er, wie sie ist [...]; [...] auf Augenhöhe [...] und ohne eine andere Absicht, als eben diesen Mitmensch zu verstehen" -, und dann heißt es:
"Weil ich zu den Erkundern gehören darf, bin ich voller Vorfreude und Spannung, denn es erwartet uns ein Abenteuer des Heiligen Geistes."
Aber mindestens.
"Was wird geschehen, wenn wir Drei, Ingeborg, Michael und ich, aufrichtig interessiert Erkundigungen einziehen über lebendige Erfahrungen, also Zeichen von Leben, und Einschätzungen, auf die wir selber nie gekommen wären? Was wird geschehen, wenn wir mit offener Neugier hören dürfen, was Gott selbst in anderen Menschen an Visionen, Hoffnungen, aber auch an kritischer Sicht hat wachsen lassen?"
Ja, was wird da wohl geschehen? Und wenn es für Matthias Marx so eine abenteuerliche Aussicht ist, Menschen aufgeschlossen zuzuhören, was hat er denn dann ein Vierteljahrhundert lang als Gemeindepfarrer gemacht? Oder als Teppichmuseumsdirektor? Egal, kommen wir zum Schluss des Radiobeitrags:
"Der große Mut, also der Freimut, mit dem Bischof Stephan die Synode riskiert hat, setzt sich heute fort in der mutigen Erwartung, dass tatsächlich Gottes Heiliger Geist das gestalten wird, was wir mit unseren eigenen Absichten eher verderben würden."
Okay, also zumindest den letzten Nebensatz glaube ich sofort. Was an dieser Passage sonst noch auffällt: In einem öffentlichkeitswirksam platzierten Beitrag den eigenen Vorgesetzten über den grünen Klee zu loben, ist der Karriere sicherlich nicht abträglich. Wer nun meint, diese Lobhudelei auf Bischof Ackermann sei ein bisschen dick aufgetragen und ergo irgendwie peinlich, dem sei gesagt: DAS IST NOCH GAR NICHTS.
Pfarrer Marx hat - so wurde mir versichert - normalerweise nicht die Angewohnheit, seine Predigten in gedruckter Form oder als Video- oder Audioaufzeichnung weiterzuverwerten; vor einigen Monaten wurde aber doch mal eine Predigt von ihm als Beiblatt zum Pfarrbrief veröffentlicht, und das war seine Predigt zum 26. Dezember vergangenen Jahres. Landläufig gilt dieser Tag als zweiter Weihnachtsfeiertag, liturgisch ist es aber das Fest des Hl. Stephanus, des ersten Märtyrers der Kirchengeschichte. Somit ist dieser Tag - wie Pfarrer Marx messerscharf bemerkte - der Namenstag von Bischof Ackermann, weshalb er es (so wörtlich!) "außerordentlich angemessen" fand, seine Predigt zu einer Laudatio auf den "Hirten der Trierer Kirche" zu gestalten. Im Ernst.
Einleitend erinnerte Pfarrer Marx daran, dass Bischof Ackermann 2010 zum "Beauftragte[n] [...] für die gesamte Missbrauchsgeschichte der katholischen Kirche in Deutschland" ernannt worden war: "Die anderen Bischöfe haben ihn, den damals jüngsten" - einen Jüngling von noch nicht ganz 47 Jahren! - "gebeten, das im Namen der Bischofskonferenz auf sich zu nehmen, also den Kopf hinzuhalten vor der Öffentlichkeit". Das sei ja, meinte Pfarrer Marx, ein "Martyrium" gewesen - womit sich der Bischof, so legt es der Kontext nahe, wohl des Beispiels seines Namenspatrons würdig erwiesen habe: "Wir haben einen Hirten, der heute oft genug so da steht wie es eben im Evangelium seines heiligen Patrons Stephanus hieß: wie unter Anklage und wie vor Gericht gestellt."
Aber sicher.
An anderer Stelle derselben Predigt heißt es über Ackermann: "Der Bischof wie ein Anführer, wie ein Mose seiner Trierer Kirche." Ich denke mir das nicht aus! Und weiter:
"Als Dechant [...] hatte ich mit dem Bischof natürlich auch mehr zu tun als vorher, und ich habe ihn erlebt als einen inspirierenden, tatkräftigen und überaus mutigen Mann. [...] Er hat eine Gabe, mit den Menschen zu reden und er nimmt das an, was sie sagen. Wir haben einen Hirten, der dem Bistum vorangeht. Der in dem ihm eigenen Freimut spricht."Man fragt sich: Hat dieser Mensch eigentlich überhaupt kein Schamgefühl? Und vor allem: Matthias Marx ist (oder wird im laufenden Kalenderjahr) 64 Jahre alt -- WAS hat der eigentlich noch VOR bis zu seinem Ruhestand? Die Ernennung zum "Erkunder" hatte er zum Zeitpunkt dieser Predigt bereits in der Tasche; er erwähnt es mit ähnlichen Worten wie einen Monat später in dem Radiobeitrag. Worauf also legt er es mit seiner - gelinde gesagt - Charmeoffensive NOCH an?
Die Frage muss bis auf Weiteres offen bleiben, aber es fällt auf, dass Pfarrer Marx seine Gemeinde zum Ende der Predigt hin wiederholt beschwört, Bischof Ackermann in Hinblick auf die anstehenden Reformen im Bistum zu vertrauen. Sich nicht von "Scheingefechten" und "Fake-News" beeindrucken zu lassen.
"Halten Sie sich an den Bischof. Das ist übrigens auch eine Einstellung, die zu einem gesunden Katholiken gehört, der noch weiß, was das apostolische Amt bedeutet. [...] Bitte halten Sie sich an gute und gesunde lnformationen. Bitte fragen Sie nach: Wie ist das gemeint, was kommt da wirklich auf uns zu? Damit das, was tatsächlich auf uns zukommt, nicht auf einmal so vom Himmel fällt. Und bitte trauen Sie unserem Bischof Stephan."Was diesen flammenden Appell so brisant macht, ist just der Umstand, dass im Bistum Trier auch noch rund ein halbes Jahr nach dieser Predigt weitgehende Unklarheit über den konkreten Weg zu den geplanten 35 "Pfarreien der Zukunft" herrscht - und Bischof Ackermann allem Anschein nach wenig Anstalten macht, diesem Zustand abzuhelfen. Man kann nicht einmal erkennen, dass er sich darum bemüht, für seinen Reformkurs zu werben -- weder bei den Laien noch beim Presbyterium. In seinem diesjährigen Fastenhirtenbrief, der sich theoretisch dafür angeboten hätte, wird der Raumgliederungsplan mit keinem Wort erwähnt, und auch in der Chrisammesse wartete die versammelte Priesterschaft vergebens auf eine (er)klärende Stellungnahme ihres Oberhirten.
Übrigens zeigt ein Blick in den Kalender, dass 2020 gar nicht mehr so weit weg ist, wie der Klang der Jahreszahl es vermuten lassen könnte. Man fragt sich, ob die Pastoralstrategen des Bistums Trier einen revolutionären Geheimplan zur durchgreifenden Neugestaltung der Pfarreistrukturen in der Schublade haben und mit Sperenzien wie dem "Erkundungsprozess" bloß davon ablenken wollen -- oder ob sie in Wirklichkeit völlig planlos sind und mit Sperenzien wie dem "Erkundungsprozess" bloß davon ablenken wollen. Und zumindest ich bin mir keineswegs sicher, welches dieser Szenarien das beunruhigendere ist.
"Halten Sie sich an den Bischof. Das ist übrigens auch eine Einstellung, die zu einem gesunden Katholiken gehört, der noch weiß, was das apostolische Amt bedeutet."
AntwortenLöschenMal abgesehen davon, dass auch "kranke" Katholiken durchaus noch Ahnung vom apostolischen Amt eines Bischofs haben können, (während meiner gerade überstandenen Gürtelrose, hatte ich zu keiner Zeit Zweifel an der Aufgabe unseres Bischofs), stellt sich wohl eher die Frage, wo und wann solche Bischöfe noch gefunden werden können. Aber diese Fragen stellen sich die Marx dieser Welt wohl nicht mehr. Der Name Marx kann in diesen Zeiten einen mystischen Anstrich bekommen. Fällt nur mir das auf?