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Samstag, 25. Januar 2025

Die 3 K der Woche (9): Kinder, Kirche, Katastrophenstimmung

Schon wieder Samstag, schon wieder Wochenbriefing-Zeit! Zu eurer Beruhigung, Leser, eins gleich vorweg: Die als drittes K in der Überschrift angesprochene Katastrophenstimmung herrscht nicht etwa bei uns zu Hause; dieses Stichwort bezieht sich vielmehr auf die allgemeine Stimmungslage in Teilen der Öffentlichkeit nach den ersten Tagen der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps. Aber dazu später; erst mal sind einige ganz andere Themen dran. Tatsächlich freue ich mich, sagen zu können, dass dieses Wochenbriefing eine deutlich größere Themenvielfalt zu bieten hat als die vorangegangenen... aber seht selbst! 

Unser Jüngster möchte zu Protokoll geben, er hätte dieses Luce-Bild ja gern in den Originalfarben ausgemalt, "aber es gab nur Blau". 

Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Das erste Treffen des Arbeitskreises Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt im Kalenderjahr 2025 fand vorletzten Freitag statt, hätte also eigentlich noch in den Berichtszeitraum des vorigen Wochenbriefings gehört – aber das war sozusagen "schon voll". Zu berichten gibt es jedenfalls einiges von diesem Treffen, denn wir hatten ein straffes Programm: Der gesamte Zeitraum bis Ostern war zu planen, mit drei Kinderwortgottesdiensten und einen Kinderkreuzweg. Der erste KiWoGo des Jahres soll bereits morgen, am 3. Sonntag im Jahreskreis, stattfinden, und ob man's glaubt oder nicht, ungefähr eine Stunde bevor ich zum Arbeitskreistreffen aufbrach, hatte ich eine zündende Idee für die Gestaltung – allerdings nicht zum Evangelium (Lukas 1,1-4; 4,14-21), sondern zur 2. Lesung: 1. Korinther 12,12-31a, der eine Leib und die vielen Glieder. Die Idee, die ich dazu hatte, war vom JAM inspiriert – vom JAM lernen heißt siegen lernen, sagte ich mir. Kurz gesagt lief meine Idee darauf hinaus, mit den Kindern Spiele wie Schubkarrenrennen oder Slalomlauf mit verbundenen Augen zu spielen, um den Gedanken zu verdeutlichen, dass jedes Glied des Leibes seine eigene Aufgabe hat, die nicht ohne Weiteres von einem anderen Glied übernommen werden kann. Anschließend, so dachte ich mir, könnte man noch mit den Kindern darüber sprechen, was ihre besonderen Fähigkeiten sind, und davon ausgehend müsste man dann dazu überleiten, was Paulus über die verschiedenen Gnadengaben in der christlichen Gemeinde sagt. – Ich war beinahe überrascht, dass dieser Vorschlag im Arbeitskreis recht problemlos akzeptiert wurde; ich hätte mit skeptischeren Reaktionen gerechnet, da es im volkskirchlichen Normalbetrieb wohl nicht gerade üblich ist, Bewegungsspiele in die Kinderkatechese zu integrieren. Aber dafür bin ich ja in diesem Arbeitskreis: um Dinge anders zu machen, als man es gewohnt wird. Ich bin gespannt, wie sich die Idee in der Praxis bewährt, und werde natürlich berichten. 

Als weitere KiWoGo-Termine im Zeitraum bis Ostern sind der 8. Sonntag im Jahreskreis und der 4. Sonntag der Fastenzeit angesetzt; an letzterem Termin ist das Evangelium vom Verlorenen Sohn (Lukas 15,1-3.11-32) dran, das ist natürlich ein Klassiker der Kinderkatechese und daher mehr oder weniger ein Selbstläufer, aber immerhin konnte ich einen Liedvorschlag in die Planung einbringen: Auf den drei Kinder-Lobpreis-CDs, die ich beim Advents-Flohmarkt in der Gemeinde auf dem Weg erstanden habe, finden sich nämlich ganze drei Lieder (also eins pro CD), die zu diesem Evangelium passen. "Offene Arme" von Johannes Falk erzählt praktisch das gesamte Gleichnis vom Verlorenen Sohn nach, "Schnell, schnell, schnell" von Armin Knothe konzentriert sich auf den Schluss, präziser gesagt auf die Reaktion des Vaters auf die Heimkehr des Sohnes, und "Der Himmel feiert" von Peter Menger bezieht sich gar nicht explizit auf diese biblische Erzählung, passt aber assoziativ zum Thema. Nachdem ich meinen Teamkollegen alle drei Lieder kurz vorgespielt hatte, einigten wir uns auf das letztgenannte – unter anderem, weil der Gemeindereferent fand, es eigne sich gut als Übergang zum Eucharistischen Teil der Messe, aber auch, weil es das kürzeste der drei Lieder ist. 

Als ein härterer Brocken erwies sich das Evangelium vom 8. Sonntag im Jahreskreis, Lukas 6,39-45: Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus der "Feldrede", dem Lukas-Pendant zur Bergpredigt, der mehrere kurze Gleichnisse umfasst. Relativ leicht einig wurden wir uns darüber, dass die Verse 43-45 (Stichwort: Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten) am besten für eine kindgerechte Gestaltung eignen: Meine spontane Idee dazu war, man könnte zum Einstieg ein Spiel spielen, bei dem es darum geht, Bäume und Früchte einander zuzuordnen – da gibt es doch bestimmt naturkundliche Lernspiele, die man z.B. in der Bücherei finden könnte. Aber natürlich bliebe da immer noch die Frage, wie man die Kurve zur katechetischen Ausdeutung kriegt. Wir hatten zwar allerlei Ideen dazu, aber im Zuge der Diskussion darüber wurde schnell deutlich, wie sehr gerade die Passage über gute und schlechte Früchte die Gefahr einer moralisierenden Auslegung birgt. Mein Standpunkt, moralisierende Tendenzen seien in der Kinderkatechese unbedingt zu vermeiden, fand teamintern keine ungeteilte Zustimmung, und ich muss gestehen, dass es mir auch nicht in befriedigendem Maße gelang, diesen Standpunkt argumentativ zu vertreten, gerade gegen den Einwand, der christliche Glaube stelle doch unbestreitbar auch moralische Ansprüche an uns. Das nehme ich mir aus diesem Teamtreffen also mal als Hausaufgabe mit: besser und differenzierter darlegen zu können, was ich unter moralisierenden Tendenzen in der Kinderkatechese verstehe und warum ich meine, dass man sie unbedingt vermeiden sollte. 

Das Konzept für den KiWoGo zum 8. Sonntag im Jahreskreis blieb also einigermaßen unfertig, aber es ist ja zum Glück noch etwas Zeit bis dahin. Was den Kinderkreuzweg angeht, einigten wir uns zunächst einmal darauf, ihn von dem ursprünglich angepeilten Termin – am Dienstag in der Karwoche – um eine Woche vorzuverlegen, weil dann noch keine Ferien sind und wir nicht befürchten müssen, dass uns ein großer Teil unser Zielgruppe entgeht, weil er über Ostern zu den Großeltern nach Polen fährt. Ja, auch sowas muss man in der Gemeindearbeit bedenken...


Trommeln in der Nacht 

Am Samstag gab im Kulturzentrum WABE im Ernst-Thälmann-Park die Trommelgruppe FriedDrums ein Jubiläumskonzert anlässlich ihres 25jährigen Bestehens. Hervorgegangen ist diese Gruppe aus einem Trommelkurs, den ein Lehrer am Erich-Fried-Gymnasium in Berlin-Friedrichshain angeboten hatte; daher auch der Name der Gruppe, die also mitnichten "frittierte Trommeln" bedeutet. Meine Liebste war damals Schülerin an diesem Gymnasium und spielte ungefähr ein Schulhalbjahr lang in der Trommelgruppe, danach passte es nicht mehr in ihren Stundenplan. Man könnte sagen, das ist eins von zahlreichen Fallbeispielen dafür, dass meine Liebste und ich uns, bevor wir uns kennenlernten, jahrelang ständig mehr oder weniger "knapp verpasst" haben, denn ein paar Jahre später lernte ich einige Mitglieder der Band, die sich inzwischen über den Status eines Schulprojekts hinausentwickelt hatte (das Fried-Gymnasium wurde zum Ende des Schuljahres 2005/06 geschlossen), in einer Kneipe kennen und freundete mich mit ihnen an – besonders mit einem von ihnen, der, wie sich zeigte, gewissermaßen mein Nachbar war: Er wohnte an der schräg gegenüberliegenden Straßenecke, und manchmal klingelte ich einfach aufs Geratewohl bei ihm – oder er rief, wenn er mich die Straße entlang gehen sah, aus dem Fenster: 

"Tobi! Was machst du gerade?" 
"Öh, nichts Besonderes." 
"Dann komm rauf!" 

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. – Besagter Nachbar spielte außer bei den FriedDrums auch in einer Ska-/Dancehall-Band namens Ragga Gagga Gang und hatte noch diverse weitere musikalische Projekte, ein paarmal traten er und ich auch zusammen – unter dem Namen "Tobi und dieser andere da, der mit dem Hut" (das war nicht meine Idee!) – mit einem Kleinkunstprogramm auf. Später, als er schon nicht mehr an der besagten Straßenecke wohnte, vermittelte er mir gelegentliche DJ-Einsätze in einer Bar, in der er kellnerte. All dies trug dazu bei, dass ich in dieser Zeit auch die meisten anderen Mitglieder der FriedDrums mehr oder weniger gut kannte und mir einige ihrer Auftritte anhörte. Das war zwar nun schon über ein Jahrzehnt her, aber jedenfalls fanden meine Liebste und ich, zusammen hätten wir mehr als genug Gründe, uns das 25jährige Jubiläumskonzert der FriedDrums nicht entgehen zu lassen. Und wir sagten uns, den Kindern würde es bestimmt auch gefallen. 

Letztere Einschätzung erwies sich schon bald als richtig: Außer unseren fanden sich noch etliche weitere Kinder in der WABE ein – einige davon waren offenbar Kinder von Bandmitgliedern –, und bevor das Konzert losging, spielten sie ausgelassen im Zuschauerraum Fangen und/oder Verstecken. Als das Konzert dann losging, versammelten sich die Kinder am Bühnenrand; zum Stillsitzen oder –stehen war die Musik indes kaum geeignet, und so legte insbesondere unser Jüngster einige beeindruckende Tanzeinlagen aufs Parkett. 

Kurz und gut, das Konzert war klasse, wenn auch sehr laut; was den geselligen Aspekt anging, stellte ich fest, dass ich sowohl in der Band (deren Besetzung von Stück zu Stück variierte; meist standen so 10-12 Leute auf der Bühne, wieviele Bandmitglieder es insgesamt waren, könnte ich nicht sagen) als auch im Publikum so einige Leute "von früher" wiedererkannte, wenngleich ich mich nur ungefähr bei der Hälfte davon an ihre Namen erinnerte; nicht wenige von ihnen erkannten mich auch ihrerseits nach so langer Zeit wieder und begrüßten mich zum Teil ausgesprochen herzlich. Ein bisschen war das ja wie eine Reise in die Vergangenheit, aber gleichzeitig habe ich auch Lust bekommen, öfter zu solchen Veranstaltungen zu gehen. Gerade auch mit den Kindern. 


Predigtnotizen 

Obwohl wir nach dem FriedDrums-Konzert außerordentlich spät ins Bett gekommen waren, schafften wir es am Sonntag recht problemlos, rechtzeitig aufzustehen, um in Ruhe zu frühstücken und dann nach Siemensstadt zur Messe zu fahren. Diese wurde vom Spandauer Krankenhausseelsorger zelebriert, sodass ich gleich mal den Guten Vorsatz zum neuen (Kirchen-)Jahr einüben konnte, diesem Geistlichen mehr Wohlwollen entgegenzubringen als bisher. Fangen wir daher mal damit an, was mir an seiner Predigt gut gefallen hat: Es war, soweit ich mich erinnere, das erste Mal, dass ich eine Predigt von ihm gehört habe, die tatsächlich die Auslegung eines Schrifttexts vom jeweiligen Sonntag als Ausgangspunkt hatte – in diesem Fall die 2. Lesung: 1. Korinther 12,4-11, der eine Geist und die verschiedenen Gnadengaben. Das fand ich nicht zuletzt auch deshalb interessant, weil die 2. Lesung vom nächsten Sonntag, um die es in unserem Kinderwortgottesdienst gehen soll, direkt daran anknüpft. "Wir alle sind begabt", stellte der Priester einleitend fest. "Wir alle sind talentiert. Es gibt keinen unter uns und keine unter uns, die kein Talent hätte, die nichts könnte. Wir alle können etwas, daran dürfen wir glauben, das ist die gute Nachricht, die uns Paulus heute deutlich macht." Dass Paulus nicht von irgendwelchen Fähigkeiten und Begabungen spricht, sondern von Charismen, die dem geistlichen Auftrag der Gemeinde dienen sollen, hätte man ruhig etwas deutlicher herausstellen können, aber es ist durchaus nicht so, dass er das gar nicht angesprochen hätte: "In der Kirche geht es nicht darum, dass ich die Nase vorn habe oder dass es mir besonders gut geht, sondern die Gabe, die ich bekommen habe von Gott, die darf anderen zur Freude und zum Heil werden." Sodann ordnete er die Lesung in den Gesamtzusammenhang der Korintherbriefe ein, hob hervor, dass der Apostel die Gemeinde in Korinth immer wieder zur Einheit ermahnen und Spaltungstendenzen bekämpfen musste. Vor diesem Hintergrund interpretierte der Prediger die Worte des Apostels über die verschiedenen Gnadengaben, die alle aus demselben Geist hervorgehen, als ein Bekenntnis zu "Einheit in Vielfalt", um's mal schlagwortartig zu formulieren. Gut gefiel mir dabei insbesondere der Satz "Die Kirche ist kein Ort vordergründiger Nützlichkeit und schon gar kein Ort weltlichen Erfolgs". 

Was ich aber doch kritisieren muss: Ich betrachte es als eine absolute Unsitte, wenn ein Zelebrant meint, der Messe einen thematischen "roten Faden" geben zu können oder zu müssen, indem er bestimmte Kernbegriffe, die zum Inhalt seiner Predigt in Beziehung stehen, in die liturgischen Texte einfügt. Also zum Beispiel im Postsanctus: "Du bist der Quell aller Heiligkeit, aller guten Begabungen und Fähigkeiten"; im Anamnesegebet: "Wir danken Dir, dass Du uns alle berufen hast, vor Dir zu stehen und Dir mit unseren Begabungen und Talenten zu dienen"; im Embolismus: "Gib Frieden und Eintracht in unseren Tagen [...] und bewahre uns vor Verwirrung, Spaltung und Sünde"; und in der Überleitung vom Vaterunser zum Friedensgruß: "Herr Jesus Christus, starker Gott, Friedensfürst, du Garant unserer Einheit, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Lebendigkeit, Begabungen, Einheit und Frieden." In dieser geballten Penetranz kenne ich das nicht einmal vom Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd, der so etwas in der Art durchaus auch gern mal macht. Für mich ist das ein Indiz dafür, dass leider allzu viele Priester mehr oder weniger bewusst der Auffassung sind, das wichtigste an der Heiligen Messe sei das, was sie der Gemeinde zu sagen haben. 

Zum Ausgleich dafür, dass das Evangelium vom Tag – die Hochzeit zu Kana (Johannes 2,1-11) – in der Predigt überhaupt nicht erwähnt wurde, möchte ich hier übrigens noch einen kleinen Impuls von Dorothy Day anfügen. In der November-Ausgabe 1947 der Zeitung "Catholic Worker" schrieb sie, in Zeiten, in denen das Geld vorn und hinten nicht reiche, füge sie ihren Gebeten gern den Satz hinzu "Maria, unsere Mutter, sie haben keinen Wein." Das sei eines ihrer liebsten Gebete, erläuterte sie: "unsere Mutter zu bitten, den Herrn zu erinnern, dass wir es nötig haben, vom Geist erwärmt, aufgemuntert, getröstet und ermutigt zu werden." 


K wie Klara: Neues aus Reinickendorf-Süd 

Am Dienstag hielt der leitende Pfarrer der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd bei der Kolpingsfamilie von St. Rita einen Vortrag über die Hölle. Da wäre ich eigentlich gern hingegangen, um drüber zu bloggen, aber meine Liebste meinte, Stoff zum Bloggen hätte ich doch wohl auch so genug, und irgendwie hatte sie damit ja Recht. So richtig Zeit hatte ich außerdem auch nicht dafür. Dafür ging ich aber am Mittwoch mit dem Jüngsten in St. Marien Maternitas in die Messe, die von demselben Geistlichen zelebriert wurde. Sowohl während der Messe als auch beim anschließenden Frühstück ließ dieser mal wieder einige Äußerungen fallen, die im Prinzip kommentarwürdig wären, aber die hebe ich mir lieber für ein andermal auf; viel erwähnenswerter finde ich es nämlich, dass mein Jüngster nach der Messe schnurstracks auf den Pfarrer, der, noch im Messgewand, vor der Tür die Gemeindemitglieder einzeln begrüßte, zumarschierte und verkündete: "Ich will neben dir sitzen!" Und siehe da, beim Frühstück setzte sich der Pfarrer, nachdem er sich umgezogen hatte, tatsächlich neben meinen Sohn, der zeitweilig recht angeregt mit ihm plauderte. 

Im Übrigen habe ich am Dienstag mal wieder in Herz Jesu Tegel nach dem Rechten geschaut, die heruntergebrannten Opferlichter an den Statuen des Hl. Josef und des Hl. Antonius (beides Heilige, die mir sehr am Herzen liegen) durch neue ersetzt und mir einen Überblick über die im Windfang ausgelegten Schriften verschafft. Ich erwähne es immer wieder gern: Da hängt immer noch ein Zettel an der Wand, der es untersagt, dort ohne Absprache mit dem Pfarrer oder dem Pfarrbüro Schriften auszulegen, und auf diesem Zettel werde ich namentlich erwähnt...! Jedenfalls war ich einigermaßen amüsiert, dort trotz dieser Mahnung einen Stapel Faltblätter vorzufinden, die – vermutlich mit Absicht – falschherum gefaltet waren, mit der Innenseite nach außen, sodass man sie erst öffnen musste, um festzustellen, dass es sich um Flyer des Arbeitskreises "Christen in der AfD" (kurz "ChrAfD""sie möchten gerne 'Kraft' ausgesprochen werden", habe ich mal eine Referentin des "Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrums" Apabiz e.V. sagen hören) handelt. Wer der Pfarrei wohl dieses Ei ins Nest gelegt hat...? – Zwei Tage später waren die Flyer jedenfalls verschwunden, was mich nicht besonders wunderte, aber ich hatte mir rechtzeitig ein Exemplar mitgenommen. Was da zur christlichen Identität Europas drinsteht, ist mir teilweise etwas zu martialisch (etwa wenn an Tours und Poitiers, Lepanto und Wien erinnert wird) und zu sehr von Freund-Feind-Rhetorik geprägt, aber ganz und gar verkehrt finde ich die Aussagen des Flyers nun auch nicht gerade. Was da zum Unterschied zwischen "dem christlichen Auftrag von der Bewahrung der Schöpfung" und dem Katastrophismus radikaler Klimaaktivisten gesagt wird, ist sogar nicht allzu weit entfernt von Dingen, die ich selbst mal zu diesem Thema geschrieben habe. – Das veranlasst mich nun allerdings nicht etwa dazu, die AfD zu wählen oder anderen dazu zu raten, das zu tun. Man muss wohl auch davon ausgehen, dass die "Christen in der AfD" parteiintern eine ziemliche Randgruppe sind; im Ganzen hat die AfD mit dem christlichen Glauben wohl nicht mehr am Hut als, sagen wir mal, die FDP. 


Auf der anderen Straßenseite 

Zu den Themen, für die im vorigen Wochenbriefing kein Platz war, gehört es, dass die "Jungschar am Mittwoch", kurz JAM, in der EFG The Rock Christuskirche in Haselhorst aus der Weihnachts- bzw. Neujahrspause zurück ist; und es gibt dort eine Neuerung im Ablauf, über die ich ein paar kritische Worte verlieren möchte. Nach einer gleitenden Ankunftszeit von ca. einer halben Stunde, während der die Kinder spielen, malen oder basteln können, gibt es jetzt eine gemeinsame Begrüßung für alle, einschließlich der Eltern; das finde ich soweit gut, zumal dieser Begrüßungsteil auch zwei bis drei Lobpreislieder enthält. Danach folgt die Einteilung nach Altersgruppen ("Kids" von ca. 6-12 Jahren; "Minis" unter 6 Jahren; Eltern). Vom Prinzip her ähnelt dieser Ablauf dem der Sonntagsgottesdienste in dieser Gemeinde, mit dem Unterschied, dass beim JAM nicht die Erwachsenen, sondern die "Kids" im großen Saal bleiben und dass es ausdrücklich nicht erwünscht ist, dass Eltern mit nach oben in den "Mini-Raum" gehen; die sollen vielmehr ins Elterncafé gehen. – Dass es beim JAM ein Programm für Grundschulkinder, eins für Vorschulkinder und dann eben das Elterncafé gibt, ist an sich natürlich nicht neu; allerdings hatte ich, als vorige Woche der neue Ablauf erläutert wurde, den Eindruck, dieser ziele vor allem auf eine konsequentere Trennung von Kindern und Eltern ab, und das finde ich natürlich nicht so nett. Andeutungsweise war zu vernehmen, diese Maßnahme solle nicht zuletzt den Eltern zugute kommen, die dadurch ungestört am Elterncafé teilnehmen könnten; aber #sorrynotsorry, das Elterncafé ist einfach nicht so mein Ding, das Programm für die "Kids" interessiert mich wesentlich mehr – vor allem, weil ich dort etwas für meine eigene Tätigkeit im Bereich Kinderkatechese lernen kann, ehrlich gesagt aber auch, weil ich eine gewisse Kontrolle darüber haben möchte, was meiner Tochter da vermittelt wird. Unter anderem – aber nicht nur – deshalb, weil wir nun mal einer anderen Glaubensrichtung angehören. Und wenn ich das Gefühl bekomme, diese Kontrolle solle mir verwehrt werden, werde ich misstrauisch. 

Ob sich das Konzept in der Praxis bewährt, bleibt ohnehin noch abzuwarten. Beim ersten JAM in diesem Jahr – bei dem ich mit den Kindern allein war, weil meine Liebste noch krank war – musste ich erst mal den Jüngsten nach oben zu den "Minis" begleiten, blieb dann zwar nicht dort, aber zurück in den Saal, wo inzwischen das "Kids"-Programm begonnen hatte, traute ich mich auch nicht mehr und aufs Elterncafé hatte ich, wie gesagt, keine Lust; also blieb ich bis zum Abendessen im Foyer und schrieb an meinen diversen Artikeln. Am Mittwoch darauf herrschte beim JAM Mitarbeitermangel, was dazu führte, dass es einen gemeinsamen katechetischen Teil für "Kids" und "Minis" gab. Unser Jüngster wollte nun aber, dass seine Mami bei ihm blieb und nicht zum Elterncafé ging, und ich blieb kurzerhand ebenfalls im Saal, ohne dass jemand Einspruch erhob. So kam ich in den Genuss einer Nacherzählung des 2. Kapitels des Buches Daniel, leider dargeboten von der schon mehrfach erwähnten älteren Frau, von deren Eignung für diese Aufgabe ich nicht so recht überzeugt bin. (So alt, wie sie 'rüberkommt, ist sie übrigens gar nicht, aber jedenfalls deutlich älter als die anderen JAM-Mitarbeiter.) – Nächste Woche wird dann wohl Daniel 3 drankommen, die Jünglinge im Feuerofen; bin mal gespannt, wer das macht und ob es methodisch etwas interessanter sein wird als eine reine Nacherzählung. 


Bluesky-Update: Wehklagen in Wokistan 

Also, Freunde: Mein im vorigen Wochenbriefing artikulierter Aufruf "Kommt vorbei bei Bluesky" hat, wie mir scheint, keine besonders üppigen Früchte getragen – jedenfalls ist meine Followerzahl seither kaum gewachsen (von 8 auf 10), und persönlich oder virtuell Bekannte habe ich in diesem Netzwerk auch noch keine entdeckt, die nicht auch schon vor einer Woche dort gewesen wären. Zugegeben, ich finde es durchaus verständlich, wenn man sich dem Klima, das auf Bluesky herrscht, nicht aussetzen möchte; aber genau darum ging's mir ja bei meinem Aufruf: dass ich durchaus Chancen sehe, dieses Klima zu verändern, da ja, wie gesagt, bislang insgesamt noch nicht so richtig viel los ist auf dieser Plattform. 

Ich jedenfalls habe auf dem Bildschirm meines Mobilgeräts die App formerly known as Twitter und die Bluesky-App direkt nebeneinander abgelegt und wechsle gern und oft zwischen ihnen hin und her; und ich darf sagen, unter dem Aspekt von audiatur et altera pars ist das schon sehr erhellend. Gerade jetzt in den ersten Tagen der zweiten Trump-Präsidentschaft. Während auf X – d.h. bei den Accounts, denen ich dort folge – die positiven oder jedenfalls einigermaßen wohlwollenden Reaktionen auf Trumps Amtseinführung und erste Amtshandlungen tendenziell überwiegen, herrscht auf Bluesky Weltuntergangsstimmung. Und zwar volles Rohr. Von Elon Musks angeblichem Hitlergruß will ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst anfangen, das ist mir zu albern; aber die Vorstellung, man erlebe gerade live den Beginn einer neuen Ära des Faschismus mit, findet auch in vielfältigen anderen Formen Ausdruck: Da liest man Äußerungen wie "Aus dem Herz der Demokratie in den USA ist das Herz der Finsternis geworden" oder "Wir werden den Rest unseres Lebens damit verbringen aktiv & ohne Unterlass gegen Faschismus zu kämpfen. [...] Bildet Banden, engagiert Euch, spendet, falls ihr könnt!". Und es wird gemahnt: "Ihr müsst euch eure Aufmerksamkeit und eure Wut und Verzweiflung gut einteilen in den nächsten Jahren, sonst werdet ihr aufgerieben." (Zur Einordnung sel gesagt, dass ich auf Bluesky bislang fast ausschließlich Accounts aus dem kirchlichen bzw. theologischen Bereich folge; die schreiben so etwas nicht unbedingt selber, verbreiten es aber weiter.) – Aufschlussreich scheint mir übrigens, bei welchen Themen bzw. Politikfeldern die Wellen der Trump-Panik am höchsten aufbranden. Man könnte ja denken, Migration läge da ganz vorn, zumal die Ankündigung eines knallharten Durchgreifens gegen illegale Einwanderung Trumps eigener Einschätzung zufolge sein wichtigstes Wahlkampfthema war. Das rangiert aber, soweit ich sehe, bei der progressiven Theologenbubble auf Bluesky nur unter "ferner liefen"; auch das Klima ist nicht annähernd so ein großes Thema, wie man hätte denken sollen; mit weitem Abstand vorne liegt hingegen die Gender- und vor allem die Transgender-Politik. An zweiter Stelle liegt, meiner Wahrnehmung zufolge, die Verflechtung der Trump-Regierung mit Technologie-Magnaten wie v.a. natürlich Elon Musk, aber auch Jeff Bezos und, zur Überraschung Vieler, neuerdings auch Mark Zuckerberg; und dann kommt erst mal eine ganze Weile gar nichts. Da mag nun jeder seine eigenen Schlüsse draus ziehen. 

Übrigens habe ich den Erlass mit dem Titel "Defending Women from Gender Ideology Extremism and Restoring Biological Truth to the Federal Government" im Wortlaut gelesen und, da lehne ich mich jetzt mal weit aus dem Fenster, ich finde ihn durch und durch vernünftig. Aber nein, schallt es mir auf Bluesky entgegen, das ist menschenverachtend, reaktionär und brandgefährlich, deswegen werden Menschen sterben! – Auf diese Einschätzung komme ich noch zurück; werfen wir aber zunächst noch einen Blick auf Wortmeldungen, die von der Befürchtung geprägt sind, in Deutschland erwarteten uns ähnliche Zustände, wenn nach dem Februar der Merz kommt (seid gewarnt, Leser: Den Spruch werde ich in den kommenden Wochen noch öfter bringen). "[D]ie USA treiben die staatliche Auslöschung von trans* Personen voran, und ihr könnt sicher sein, dass dieselben Kräfte schon längst hier am Werk sind", liest man da zum Beispiel; und: "Für queere, besonders trans* Personen, geht es bei der #Bundestagswahl2025 um alles – um Leben und Tod". – Was ist von dieser "Leben und Tod"-Rhetorik zu halten? Nun, ganz grundsätzlich sind die Ängste von Menschen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Angst kann tatsächlich tödlich sein, damit ist nicht zu spaßen. Aber sind dann nicht eher die Leute das Problem, die solche grotesk überzogenen Ängste schüren und verbreiten? Befürchtet wird z.B., die nächste Bundesregierung könnte Pubertätsblocker verbieten. Das als eine Frage von "Leben und Tod" darzustellen, bedeutet nichts Geringeres, als Minderjährigen einzureden, wenn sie keine Pubertätsblocker bekommen könnten, wäre das ein Grund, sich umzubringen. Ich möchte hinzufügen: Mir ist es völlig unbegreiflich, wie ein vernünftiger, klar denkender Mensch nicht für ein Verbot von Pubertätsblockern sein könnte. 

Das geht nun aber natürlich eigentlich weit über den Rahmen der Fragestellung "Was ist denn so bei Bluesky los?" hinaus, daher mal was anderes: Mit welcher Selbstverständlichkeit die Bluesky-Bubble davon ausgeht, es sei in der derzeitigen Situation "the right thing to do", bei X (vormals Twitter) auszusteigen, zeigt sich exemplarisch in einem Beitrag von Philipp Greifenstein, der die Deutsche Bischofskonferenz dafür kritisiert, dass sie diesen Schritt noch nicht vollzogen hat. Greifenstein rechnet vor, zuletzt habe der X-Account der DBK mit zehn Beiträgen nur insgesamt 1.947 Accounts erreicht, also im Durchschnitt 195 Accounts pro Beitrag, und folgert: "Wenn man schon kein Rückgrat hat, dann vielleicht mal mit einfacher Mathematik versuchen?" – Nun, sagen wir so: Darin, dass es nicht gerade zu den Stärken der Deutschen Bischofskonferenz gehört, Rückgrat zu zeigen, würde ich dem Greifenstein ja durchaus zustimmen, aber die Vorstellung, es würde Rückgrat beweisen, sich aus einem bedeutenden Segment der digitalen Öffentlichkeit zurückzuziehen, finde ich dann ja doch eher tragikomisch. – Auf das Argument, von der Reichweite her lohne sich ein X-Account für die DBK ja ohnehin nicht, erwidert indes ein anderer Vertreter der progressiven Theologenbubble: "Hast du deren youtube gesehen? 100 views sind für die quasi gute Zahlen ;). Ich finds abgefahren wie man Geld für PR kriegen kann und so versagt." Und das zumindest ist ja nun mal wirklich fein beobachtet


Geistlicher Impuls der Woche 

Um Zions willen werde ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel.

Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit und alle Könige deine Herrlichkeit. Man ruft dich mit einem neuen Namen, den der Mund des Herrn für dich bestimmt. Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des Herrn, zu einem königlichen Kopfschmuck in der Hand deines Gottes.

Nicht länger nennt man dich "Verlassene" und dein Land nicht mehr "Verwüstung", sondern du wirst heißen: "Ich habe Gefallen an dir" und dein Land wird "Vermählte" genannt. Denn der Herr hat an dir Gefallen und dein Land wird vermählt.

Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.

(Jesaja 62,1-5; 1. Lesung vom vergangenen Sonntag) 


Ohrwurm der Woche 

Take That: Back for Good 

Dieser Ohrwurm verdankt sich in erster Linie der Erinnerung an das im Abschnitt "Trommeln in der Nacht" beiläufig erwähnte Kleinkunstprogramm, das ich vor Jahren mit meinem damaligen Nachbarn ausgeheckt habe – denn dieses enthielt auch eine Parodie auf ebendieses Lied: In unserer Textversion, die wir ungefähr in der Zeitspanne dichteten, die das Lied dauert, ging es um einen Kneipengast, der kurz vor Feierabend die Barkeeperin zu überreden versucht, ihm noch ein letztes Bier zu geben, und der Titel lautete "Beck's und gut"

Aber Parodie hin oder her: Aus heutiger Sicht bin ich durchaus der Meinung, dass Take That, innerhalb der Grenzen ihres Genres natürlich, wirklich gute Musik gemacht haben. Jedenfalls spielten sie in einer ganz anderen Liga als die anderen Boygroups, die es damals so gab. Etwas später kamen dann die Backstreet Boys, und ja, die waren ebenfalls besser, als man es damals hätte zugeben mögen.


Vorschau / Ausblick 

Heute Nachmittag hatten die Haselhorster Pfadfinder ihr erstes Stammestreffen in diesem Kalenderjahr, und bei Redaktionsschluss stand noch nicht fest, ob ich da mit unserer Großen hingehen würde: Andererseits hatten nämlich meine Schwiegermütter eigentlich schon seit Wochen geplant, mal am Wochenende mit den Kindern ins Museum zu gehen, was schon mehrmals aus verschiedenen Gründen verschoben werden musste. Heute Abend ist jedenfalls Community Networking Night im Baumhaus, und ich hoffe, dass wir es dorthin schaffen, unabhängig davon, was wir vorher machen. Morgen ist dann wie gesagt KiWoGo, und dann folgt die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Winterferien. Schauen wir mal, was uns die so bringt... 


11 Kommentare:

  1. Was die Liturgie angeht, bin ich ja eher konservativ und sehr zugänglich für die Ästhetik der geprägten Formen und Abläufe. Dennoch ist z.B. das Hochgebet kein Wort für Wort sakrosankter Text, der wie eine Zauberformel zu absolvieren ist, wenn der "Zauber wirken soll". Es verträgt durchaus (einzelne) aktuelle Zutaten und Bezüge zu anderen Teilen der aktuellen Liturgie. (Das macht die Liturgie sogar selbst etwa an Weihnachten.) Wenn ein Zelebrant das sparsam und überlegt macht, halte ich das durchaus für eine "ars celebrandi".

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    1. Nein, das will ich nicht, dass jeder Zelebrant die vorgegebenen, sehr sorgfältig formulierten und dem jeweiligen Fest auch angepassten liturgischen Messtexte nach eigenem Gusto ergänzt oder abändert.

      Wo kämen wir da hin?

      Zur Willkür und zu einem Tohuwabohu und "anderskatholischen" Anarchie.

      Nicht mein Fall und deshalb nicht mit mir!

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  2. Ja, wohin kämen wir? Das würde mich jetzt wirklich interessieren.

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    1. Ich gab ja bereits die Antwort, was da zumindest am Ende steht, wenn der Respekt und der Gehorsam vor dem vom Herrn persönlich eingesetzten kirchlichen Lehramt fehlt, welches ja auch die für jeden Geistlichen verbindlichen gottesdienstlichen Texte beauftragt und verantwortet.
      Keineswegs sind das deshalb magische "Zauberformeln", so ein Unsinn. Aber auch gerade die einheitlich-verbindlichen Texte dienen bislang dem einheitlichen Sinn und Konsens der Gläubigen.

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    2. Ich sehe es ganz genauso, dass es eine Frage des Respekts und vor allem des Gehorsams gegenüber dem Lehramt ist und eigenmächtige Änderungen nicht stattfinden sollten. Es ärgert mich jedes Mal sehr, aus verschiedenen Gründen, auch wenn ich die grundsätzliche gute Absicht verstehe. Wenn ich versuche, die Gebete innerlich mit dem Priester mitzubeten, wirft es mich ziemlich raus, wenn auf einmal Sachen geändert oder eingefügt werden und das stört meine Andacht und Sammlung schon sehr. Da würde ich mir ganz schlicht Rücksichtnahme wünschen für alle, die nicht nur dem Priester beim Beten zuhören wollen sondern mit ihm mitbeten möchten. Oder wenn, das klappt aber nicht an allen Tagen/Sonntagen, ich mich innerlich sammle, die Augen schließe und dann „dort“ bin, auf Golgotha und sich das Kreuzesopfer vor mir ereignet und ich ergriffen bin von dem, was dort geschieht, was Jesus für uns tut... dann bete ich die Gebete des Priesters bei der Hl, Messe zwar nicht Wort für Wort in Gedanken mit, aber sie klingen im Hintergrund mit und helfen mir, tiefer ins Gebet zu finden. Das geht am besten bei Priestern, die nichts am Text ändern und, wie soll man sagen, einfach in Anbetung und Ehrfurcht und Liebe Gott dem Vater das Opfer seines Sohnes darbringen, denn das versuche ich in diesem Moment auch. Die Hl. Messe ist ja die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers, ich würde mir also wünschen, dass mir und anderen Gläubigen keine unnötigen Hindernisse in den Weg gelegt werden, diese Vergegenwärtigung innerlich mitzuvollziehen. Denn ich denke andersherum nicht, dass sich jemand in seiner Andacht gestört fühlt, wenn an den Gebeten der Hl. Messe nichts geändert wird, auf jeden Fall hat mir das noch nie jemand erzählt. Es mag sein, dass Menschen sich irgendwann langweilen, weil sie die Texte praktisch auswendig können (obwohl es ja durchaus einige Auswahlmöglichkeiten gibt, z.B. beim Hochgebet oder bei den Liedern). Aber dann würde ich sie einladen, mehr in die Tiefe zu gehen und die Schönheit dieser Worte neu zu entdecken. Denn sie sind schön. Das ist mir vor einer Weile wieder aufgefallen, als ich das erste Mal seit längerem wieder in einer Hl. Messe auf Englisch war. Es gab für jeden ein Buch, um die Gebete (und die Antworten des Volkes) mitlesen zu können. Da habe ich wirklich gestaunt, denn ohne den Gewöhnungseffekt wie im Deutschen ist mir wieder völlig neu aufgefallen, wie wunderschön und tief diese Texte sind. Wenn man sie nicht schon so oft gehört hätte, dass man sich etwas zu sehr daran gewöhnt hat, man müsste ergriffen sein von ihnen und könnte durch sie fühlen, dass man es in der Hl. Messe mit einem unfassbaren Wunder und Geheimnis zu tun hat, das uns ganz und gar im Innersten erfassen und verändern kann. Die Eucharistie ist wirklich die Quelle und der Höhepunkt des christlichen Lebens und Liebe und liebevoller Gehorsam sind die einzigen wahren Antworten auf das, was der Herr dort für uns getan hat und immer noch tut, jeden Tag...

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    3. Wir kämen bspw. dahin, dass ein Priester am Gedenktag der hl. Hildegard von Bingen in der Hl. Messe jedes Mal, wenn er das Wort „Segen“ sagen müsste, stattdessen „Grünkraft“ sagt, weil das in ihren Schriften vorkommt und er den Begriff gut findet.

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    4. Danke für Ihre wertvollen Ausführungen. Sie sind ein sehr schönes Glaubenszeugnis, das ich wie Sie empfinde, ohne 3s so treffend ausdrücken zu können.

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  3. Mit manchem rennen Sie bei mir offene Türen ein. Die Texte, ihre Geschichte und die Entwicklung der gesamten Messliturgie kenne ich ziemlich gut, und ich habe mich im Rahmen meines nachberuflichen Hobbies ziemlich gründlich damit beschäftigt. Der Priester (oder Bischof) ahmt das Geschehen beim letzten Abendmahl nicht (mimetisch) nach, sondern spricht das Hochgebet gedenkend (anamnetisch); auf das lobpreisende Gedenken folgen Bitten um Gemeinschaft mit dem Herrn und Teilhabe an seinem Erlösungswerk durch den Heiligen Geist. Die Hochgebete bringen die Heilsgeschichte zur Sprache: die erlösende Tat Jesu, die Gemeinschaft der Heiligen und die Teilhabe daran durch die Eucharistie, die gläubige Gemeinde und die tätige Liebe. Dazu stehen (wie gesagt: "sparsame") Zutaten des Zelebranten nicht im Widerspruch, und ich glaube nicht, dass Jesus von uns verlangt, wortwörtlich bestimmte Texte zu rezitieren. (Solche Zutaten habe ich von Priestern aller Hierarchiestufen und von Bischöfen wiederholt gehört. Und umgekehrt habe ich als Messdiener vor der Liturgiereform von Priestern gehört, die nicht mehr zelebrieren konnten aus lauter neurotischer Angst, etwas falsch auszusprechen und damit eine schwere Sünde zu begehen.)

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    1. Für eigene Gedanken, Auslegungen und Interpretationen des gottesdienstvorstehenden Priesters bieten mMn vor allem die Predigt und mittlerweile sog. "Impulse" mehr als genug Freiheit.
      Uns wache Gläubige auch noch in den an sich textlich vorgeschriebenen Gebeten mit eigenen persönl. Hinzufügungen zu traktieren, kann zumindest von manchen Gottesdienstteilnehmern als übergriffiger Versuch einer Indoktrination und somit geistlichem Missbrauch gewertet werden.
      Man kann sich dem, wenn es einem zu "bunt" wird, eigentlich auf Dauer nur durch Fernbleiben und Wechsel der Gemeinde entziehen.

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  4. Sorry, das Vorhergehende ist auch von mir, ich hatte zu Anfang nur vergessen, meinen "Egidius" hinzuschreiben. Vielleicht kann der Hausherr das noch nachtragen? Danke!

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  5. „Can. 846 — § 1. Bei der Feier der Sakramente sind die von der zuständigen Autorität gebilligten liturgischen Bücher getreu zu beachten; deshalb darf niemand dabei eigenmächtig etwas hinzufügen, weglassen oder ändern.“

    https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch4.htm

    Es ist nicht böse gemeint und ich verstehe Ihre Ausführungen zu dem Thema, aber für mich klingt das schon so, dass die Kirche erwartet, dass die Texte wortwörtlich gesprochen werden. Wenn es bspw. eine andere Stelle im kanonischem Recht oder einem anderen offiziellen Dokument gibt, wo hervorgeht, dass es nicht so ist und dass z.B. sparsame Zugaben zur Liturgie erlaubt oder sogar erwünscht sind, würde ich mich freuen, wenn Sie die Quellenangabe mit uns teilen, denn es interessiert mich wirklich und ich wäre froh, mich während der Hl. Messe nicht länger innerlich ärgern zu müssen. :-)

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