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Samstag, 23. Dezember 2023

Creative Minority Report Nr. 9

Es weihnachtet sehr in Siemensstadt und Haselhorst – und in Tegel natürlich auch! Aus diesem Anlass soll es im aktuellen Wochenbriefing wieder mehr um lokale Impressionen gehen, nachdem diese in den letzten Wochen etwas kurz gekommen sind; aber Leser von weiter her können beruhigt sein: Natürlich bin ich wie stets bestrebt, das, was ich vor Ort sehe und erlebe, als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für Betrachtungen zu nehmen, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung sind... 


Was bisher geschah 

Am 3. Advent war endlich wieder die ganze Familie gesund genug, dass wir zusammen in St. Joseph Siemensstadt zur Messe gehen konnten. Die Messe wurde zelebriert vom leitenden Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie, der die Predigt dazu nutzte, über die Erfindung der Weihnachtskrippe durch den Hl. Franz von Assisi vor 800 Jahren zu sprechen – passend dazu, dass es am Ende der Messe eine Krippensegnung gab (s. Abb. oben). Anschließend gab es noch Waffeln und Heißgetränke im Pfarrsaal. Am Montag hatten wir dann mal wieder "Omatag", nachdem der mehrere Wochen nacheinander aus unterschiedlichen Gründen ausgefallen war. Im Übrigen war die letzte Schulwoche vor den Ferien zu bewältigen, Weihnachtskarten an ferne Verwandte waren zu verschicken, und was der Festvorbereitungen mehr ist, weißte selber, Leser. Jetzt kann Weihnachten aber auch kommen! 


Was ansteht 

Am morgigen Sonntag ist volles Programm: erst 4. Advent, dann Heiligabend! Am Nachmittag ist Krippenspiel im Garten von St. Stephanus in Haselhorst; unser Tochterkind hat letztes Jahr einen Engel gespielt und möchte das auch diesmal wieder tun, und für unseren Jüngsten gibt es eventuell eine Rolle als Schaf – bei seinem Temperament dürfte die hauptsächliche Herausforderung allerdings darin bestehen, zu verhindern, dass er allen anderen die Schau spielt. Mir wurde bereits angekündigt, dass ich vielleicht den Part eines abweisenden Gastwirts übernehmen dürfe oder solle. Seien wir gespannt! Zur Christmette werden wir dann voraussichtlich wohl in St. Joseph Siemensstadt gehen. Am Weihnachtstag sind wir bei meinen Schwiegermüttern eingeladen, und an den folgenden Tagen stehen dann noch einige Besuche von Patentanten usw. an. Und dann ist das Kalenderjahr 2023 auch schon so gut wie rum! Termine nicht-privater und nicht-geselliger Art stehen erst nach Neujahr wieder an; hoffen wir mal, dass das so bleibt...! 


Sternsinger-Probleme zwischen Tegel und Siemensstadt 

Auf das Sternsinger-Vorbereitungstreffen in Siemensstadt, das ich vorige Woche nur kurz erwähnt habe, wollte ich noch ausführlicher eingehen. Dazu muss ich vorausschicken, dass mein Tochterkind hinsichtlich der Frage, ob sie bei den Sternsingern mitmachen wolle, von vornherein eine Skepsis an den Tag legte, die ich unverständlich und etwas verdrießlich fand. Schon dazu, zu dem Vorbereitungstreffen zu gehen, konnte ich sie nur überreden, indem ich ihr versicherte, das bedeute noch keine verbindliche Zusage, bei der Aktion mitmachen, sondern vielmehr eine Gelegenheit, sich zu entscheiden, ob sie Lust darauf habe. Auf dem Weg zu dem Treffen teilte sie mir mit, sie mache nur mit, wenn ich auch mitmache; das fand ich schmeichelhaft und erklärte, das könne man sicherlich so einrichten, dass ich als erwachsene Aufsichts- bzw. Begleitperson mit einer Sternsingergruppe mitginge. 

Dass der Verlauf des Vorbereitungstreffens sie dann aber darin bestärkte, nicht mitmachen zu wollen, kann ich ihr, wenn ich ehrlich bin, nicht verübeln. – Wie erkläre ich das, ohne den Verantwortlichen allzu schmerzhaft auf die Füße zu treten? 

Sagen wir mal so: Es fing damit an, dass die Idee, ein Kind zu diesem Vorbereitungstreffen zu bringen, das sich noch nicht entschieden hat, ob es mitmachen will, offensichtlich nicht eingeplant war. Wahrscheinlich ist das nicht nur – aber tendenziell schon auch – ein Kirchending: Ich habe in letzter Zeit häufiger festgestellt, dass die Auffassung, man könne (oder solle!) ein sechsjähriges Kind selbst entscheiden lassen, was es will und was nicht, gar nicht so verbreitet ist. Im vorliegenden Fall kam erschwerend hinzu, dass alle anderen anwesenden Kinder schon mindestens einmal beim Sternsingen mitgemacht hatten. Diese Konstellation war in mehrfacher Hinsicht ungünstig, aber bleiben wir vorläufig mal bei dem Punkt, dass mit einer gewissen Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wurde, alle Kinder, die zum Vorbereitungstreffen antraten, würden auch bei der Sternsingeraktion dabei sein. Durch diese Erwartung fühlte sich meine Tochter – verständlicherweise, wie ich finde – unter Druck gesetzt, und für mich als Vater war es auch eine blöde Situation, da es nun so aussehen konnte, als hätte ich sie unter falschen Voraussetzungen hierher gelockt. 

Nun gut, letztendlich muss ich wohl einräumen, dass ich mich über den Charakter dieser Veranstaltung geirrt hatte: Es handelte sich definitiv nicht um eine Werbe- und Informationsveranstaltung für die Teilnahme an der Sternsingeraktion. Zu diesem Zweck war sie offenkundig nicht nur nicht geeignet, sondern auch gar nicht gedacht. Was mich jedoch wundert, ist, dass es eine solche nicht gab – meinetwegen eine oder zwei Wochen vor diesem Termin, bei dem es offenbar nur noch darum gehen sollte, mit denen, die sich bereits zum Mitmachen entschieden hatten, organisatorische Fragen zu klären. Okay, es waren ungefähr fünf Kinder da, die schon Erfahrung im Sternsingen hatten und wieder mitmachen wollten, und es war die Rede davon, dass es wohl noch zwei oder drei weitere Kinder in der Gemeinde gäbe, die mitmachen würden, auch wenn sie nicht zum Vorbereitungstreffen erschienen waren. Andererseits war aber auch die Rede davon, dass man eigentlich mehr Kinder gebrauchen könnte. Da frage ich mich nun: Was stellen sich die Organisatoren vor, wo diese zusätzlichen Kinder herkommen sollen? 

Meine persönliche Einschätzung ist, dass es sich hier um ein typisch "post-volkskirchliches" Problem handelt. Das System Volkskirche hat sich allzu lange darauf verlassen, dass die Leute, wenn man sie braucht, einfach "da sind" bzw. von allein kommen und ihre Motivation selbst mitbringen. Nun sehen die Mitarbeiter zwar schon seit Jahrzehnten, dass das so nicht (mehr) funktioniert, aber es vollzieht offenbar kaum mal jemand den Schritt von dieser Erfahrung zu der Konsequenz, dass man etwas anders machen müsste. Vielfach fehlt es da wohl auch einfach an Kreativität und Experimentierfreude. Man lässt in den Vermeldungen ansagen, dass für diese oder jene Aufgabe Helfer benötigt werden, und wenn sich darauf niemand meldet, wirft man die Hände in die Luft und fragt rhetorisch: "Ja, was sollen wir denn sonst machen?" 

Gerade beim Thema Sternsingen denke ich, es dürfte eigentlich gar nicht so schwierig sein, auf eine Art für diese Aktion zu werben, die Kindern, die da noch nie mitgemacht haben und keine genaue Vorstellung davon haben, wie das abläuft, den Eindruck vermitteln würde: Das macht bestimmt Spaß, da will ich mitmachen. Man müsste es halt nur erst mal wollen. Ich finde es ziemlich schade bis ärgerlich, dass diese Chance verpasst wurde. 

Derweil hat meine Familie, was das Thema Sternsinger angeht, noch ein ganz anderes Problem: Wenn wir nicht zu den Sternsingern gehen, wie kommen die Sternsinger dann zu uns? Die Sternsinger aus Siemensstadt machen natürlicherweise keine Hausbesuche in Tegel, und ich sehe ehrlich gesagt nicht kommen, dass wir eine Sternsingergruppe der Tegeler Pfarrei zu uns nach Hause "bestellen". Wenn unsere Kinder aber nicht erleben, wie die Sternsinger zu uns an die Tür kommen, wie sollen sie dann dazu angeregt und ermutigt werden, in Zukunft selbst bei so einer Aktion mitzumachen? – Ich denke, das mindeste, was wir tun können und sollten, ist, uns so einen von einem Geistlichen unseres Vertrauens "vor-gesegneten" Türaufkleber zu besorgen und im Hausflur unsere eigene Wohnungstür-Segnungs-Andacht zu veranstalten. Auf mittlere Sicht hätte ich aber nicht übel Lust, mit unseren eigenen und noch ein paar Kindern befreundeter Familien eine eigene, guerillamäßige Sternsingertruppe aufzubauen, die nach guter alter Sitte um die Häuser zieht, wie andere Kinder es zu Halloween tun. 

Ja, ja, ich weiß: Das kann man nicht machen™️, weil das Kindermissionswerk sich das Sternsingen hat urheberrechtlich schützen lassen. Da habe ich mich schon vor Jahren drüber aufgeregt. Ehrlich gesagt habe ich erhebliche Zweifel an der Legitimität dieses Urheberrechtsanspruchs. Das Sternsingen ist ein seit Jahrhunderten belegter Brauch, der übrigens zum Weltkulturerbe gehört; hingegen wurde die "Aktion Dreikönigssingen" des Päpstlichen Missionswerkes der Kinder (wie es damals noch hieß) erst 1959 ins Leben gerufen. Überhaupt ist mir schleierhaft, wie jemand auf die Idee kommen kann, ein Urheberrecht für traditionelles Brauchtum zu beanspruchen, und damit auch noch durchkommen kann. Meines Wissens hat noch nicht einmal Coca Cola den Versuch unternommen, Urheberrechtsansprüche für den Weihnachtsmann geltend zu machen.  – Das ist, so hoffe ich, nicht bloß ein "pet peeve" von mir. Gerade unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" sollte man sich als gläubiger Katholik mehr denn je ernsthafte Gedanken darüber machen, ob man dem Kindermissionswerk – von dem man wohl behaupten darf, dass es tendenziell für die Idee einer postreligiösen NGO-Kirche steht – die Monopolisierung und Instrumentalisierung des Sternsingens durchgehen lassen will und kann. 

Dieser Türaufkleber hat seine Dienstzeit 
offenkundig übererfüllt und sollte dringend mal – im doppelten Wortsinne – "abgelöst" werden.


Aus meinem Wichtelbuch 

Aber mal zurück zur chronologischen Reihenfolge: Am Tag nach dem Sternsinger-Vorbereitungstreffen stand nämlich die Weihnachtsfeier der Katholischen Pfadfinder Haselhorst an, und da sollte auch die Wichtelgruppe mit dabei sein, die den Pfadfindern ja gewissermaßen lose assoziiert ist. Meine Co-Leiterin teilte mir indes am Samstagmorgen mit, ihre Tochter sei krank und sie werde daher nicht kommen, aber ich machte mich mit meinen Kindern trotzdem auf den Weg – während meine Liebste sich, obwohl krankgeschrieben, darum kümmern musste, rechtzeitig zum Notenschluss des Abiturjahrgangs noch einen Stoß Klausuren zu korrigieren. 

Außer uns waren schätzungsweise fünf Kinder und eine entsprechende Anzahl Erwachsener bei dieser Weihnachtsfeier, und es mag sein, dass ich vom Sternsinger-Vorbereitungstreffen am Vortag her noch etwas übellaubig war, aber jedenfalls stellte ich schon wieder fest, dass diese Veranstaltung nicht so ganz das war, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Okay, ganz ehrlich gesagt hatte ich keine genaue Vorstellung gehabt, was mich und meine Kinder da erwartete. Aber um einen großen Tisch herumzusitzen, Tee zu trinken und Plätzchen zu mümmeln, dabei einen Jahresrückblick in Film- bzw. Diaschau-Format anschauen, Aktivitäten fürs kommende Jahr zu besprechen und zwischendurch ein paar Lieder zu singen, ist dann wohl doch ein Veranstaltungsformat, das ich eher bei einer Vereinsfeier für Erwachsene erwartet hätte. Noch ehrlicher gesagt glaube ich, dass das selbst für Erwachsene langweilig ist, nur sind Erwachsene es in der Regel eher gewohnt, sich zu langweilen, und tolerieren so etwas daher leichter. Für Kinder ist so etwas jedenfalls gar nichts, und ich muss sagen, ich bin nicht wenig stolz auf meine Kinder, dass sie dabei so brav blieben. 

Auch hier gilt wohlgemerkt wieder: Ich will eigentlich niemandem auf die Füße treten. Mir ist klar, wie schwierig es ist, in der Vorweihnachtszeit, in der so gut wie jeder ohnehin schon viel zu viele Termine zu haben scheint, überhaupt eine Veranstaltung auf die Beine stellen, zu der dann tatsächlich ein paar Leute kommen; und allein unter diesem Aspekt kann man die Weihnachtsfeier der Haselhorster Pfadfinder schon als Erfolg bezeichnen. Dennoch, und gerade in dem Wissen, wie schwer es die kirchliche Jugendarbeit angesichts der Konkurrenz von Ganztagsschule, Sportvereinen und elektronischen Medien hat, denke ich, es wäre ratsam, ein bisschen mehr Wert darauf zu legen, dass die paar Leute, die zu den Veranstaltungen kommen, da dann auch Spaß haben. Dann kommen sie nämlich beim nächsten Mal wieder und bringen im günstigsten Fall sogar noch jemanden mit. – Ich glaube auch gar nicht, dass das unbedingt so viel mehr Aufwand erfordern würde; sondern, siehe oben, vor allem mehr Kreativität und Experimentierfreude. – Aber ich habe gut reden; schließlich habe ich mich auch nicht an der Vorbereitung und Gestaltung dieser Weihnachtsfeier beteiligt, was man angesichts meiner Position als Wichtelgruppenleiter durchaus von mir hätte erwarten können. Okay, ich habe die bequeme Ausrede, dass ich krank war. Immerhin, fürs nächste Jahr habe ich schon ein paar Ideen. 

Wenn hier nun insgesamt der Eindruck entsteht, ich hätte ganz schön viel zu meckern, möchte ich betonen, dass meine Kritik nicht einzelnen Personen und ihrem Engagement gilt, sondern der Unbeweglichkeit volkskirchlicher Strukturen und Gewohnheiten. Erst kürzlich habe ich hervorgehoben, dass die Situation in der Gemeinde St. Joseph Siemensstadt/St. Stephanus Haselhorst in dieser Hinsicht bedeutend besser sei als in anderen Gemeinden, die ich kenne; und dabei bleibe ich auch. Mag es, wie oben beklagt, so sein, dass man, wenn man sich in der Gemeinde engagieren will, seine Motivation selbst mitbringen muss; aber das ist wenigstens erwünscht, anders als in gewissen anderen Gemeinden, wo es als Vorwurf und Belästigung aufgefasst wird, wenn jemand zu viel Motivation mitbringt

Symbolbild: Wenn die Volkskirche eine Bäckerei wäre. 

Währenddessen in Tegel: Weihnachtsgrüße aus St. Klara 

Als ich einen an mich adressierten Brief der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd im Briefkasten vorfand, war mein erster Gedanke, die Pfarrei wolle mir Hausverbot in ihren Kirchen erteilen oder mir zumindest das Abhalten spontaner Lobpreisandachten ("Beten mit Musik") untersagen. Mein nächster Gedanke war, das Pfarrbüro sei der Meinung, ich hätte noch einen Schlüssel für Gemeinderäume, den ich langsam mal zurückgeben solle (habe ich aber nicht), oder wolle mich daran erinnern, dass noch irgendwelche Sachen von mir in Schränken oder Pappkartons im Gemeindehaus von Herz Jesu herumstehen, die ich da mal wegschaffen solle (das könnte durchaus sein). Tatsächlich war's aber nicht dergleichen: Der Briefumschlag enthielt bloß das Faltblatt mit Weihnachtsgrüßen, das alljährlich an alle Gemeindemitglieder versandt wird. Und Gemeindemitglied bin ich wohl noch, auch wenn ich mich anlässlich der jüngsten Pfarrei- und Gemeinderatswahlen ins Wählerverzeichnis von St. Joseph Siemensstadt/St. Stephanus Haselhorst habe eintragen lassen. 

Im Hintergrund andere (erfreulichere) Weihnachtspost. 

Und was steht nun also drin in diesem Weihnachtsgruß-Faltblatt? Fangen wir mal an mit einem Satz, der da seit Jahren im Wesentlichen unverändert drinsteht und über den ich mich schon aufgeregt habe, als ich selbst noch in dieser Pfarrei aktiv war

"Wir grüßen besonders alle, die wenig Kontakt zu uns haben, unseren Dienst aber nicht zuletzt durch ihre Kirchensteuer regelmäßig unterstützen". 

IM. ERNST. Sorry, aber das ist dermaßen armselig, da kann ich nicht mal Witze drüber machen. Man kann von Glück sagen, dass wohl bei den meisten der so angesprochenen Adressaten der Flyer ungelesen im Altpapier landen wird, denn sonst müsste man damit rechnen, dass ein nicht gerade kleiner Teil der Leser angesichts dieses Satzes denken würde: "Ach, stimmt ja, ich sollte endlich mal aus der Kirche austreten." --- 

Und was hat der Flyer sonst noch so zu bieten? Zunächst einmal wird der geneigte Leser darüber informiert, dass die vier Pfarreien, die letztes Jahr um diese Zeit noch den "Pastoralen Raum Reinickendorf-Süd" bildeten, "[s]eit dem 1.1.2023 [...] eine neue Großpfarrei" bilden, "für die wir die heilige Klara von Assisi (1193/94-1253), eine Gefährtin des hl. Franziskus und selbstbewusste Frau, als Patronin gewählt haben". Das mit der selbstbewussten Frau ist natürlich ganz doll wichtig. Die Namensfindungsdebatte für die neue Großpfarrei fiel noch in die Zeit, als ich in Herz Jesu Tegel im Pfarrgemeinderat war (und ich weiß noch, dass ich mich damals einigermaßen befremdet fragte, ob es im Zusammenhang mit der Pfarreienfusion keine dringlicheren Fragen zu diskutieren gebe als diese), und da wurde in den Gremien großer Wert darauf gelegt, dass die Pfarrei nach einer weiblichen Heiligen benannt werden solle, schließlich gelte es, Frauen in der Kirche sichtbar zu machen. Na ja, das Übliche halt. 

Im Übrigen weist der Flyer auf die Termine der Weihnachtsgottesdienste in allen Kirchen der Pfarrei hin, wirbt für die Sternsingeraktion und führt die Adressen der Kirchen und des Pfarrbüros sowie die Kontaktdaten der "Mitarbeiter/innen der Pfarrei" auf. "In allen kirchlichen Fragen von Taufe, Trauung und Beerdigung über Erstkommunion und Firmung bis zum Einzelgespräch sind wir gerne ihre Ansprechpartner", heißt es in vollendeter Dienstleistungsmentalität. Und sonst? Vielleicht noch sowas wie ein geistlicher Impuls zum Weihnachtsfest? Ja, doch, den gibt's: 

"Viele Menschen sehnen sich gerade an diesem Fest nach Frieden und Geborgenheit. 

Gott will in Jesus in unsere zerstrittene Welt kommen und uns zum Frieden ermutigen." 

Das, geschätzter und verehrter Leser, ist alles. Man kann diesen Flyer drehen und wenden wie man will, es flattert keine andere Botschaft zum Weihnachtsfest heraus. Mehr als eine vage Ermutigung zum Frieden fällt den "Mitarbeiter/innen der Pfarrei" zum Festmysterium der Geburt des Herrn nicht ein. Ich fürchte indes, das ist weniger charakteristisch für diese eine Pfarrei als vielmehr typisch für den post-volkskirchlichen Mainstream der Kirche in Deutschland. Es ist das Bild einer Kirche, die ihre Botschaft und ihren Auftrag komplett vergessen hat und die infolgedessen auch kein Mensch mehr braucht. Diese Gestalt "von Kirche", wie es oft so unschön heißt, hat fertig


Neues aus Synodalien: Erlaubt der Vatikan jetzt doch "Segensfeiern für Paare, die sich lieben"? 

Nein. 

Okay, das ist jetzt vielleicht doch eine zu knappe Antwort. Wer's genauer wissen will, dem empfehle ich die Pressemitteilung der Initiative Neuer Anfang vom 18.12.; und wem die nun wiederum zu lang ist, dem ist vielleicht mit ein paar komprimierten Kernaussagen geholfen: 

Das Schreiben "Fiducia supplicans" der Glaubenskongregation revidiert oder relativiert die Lehre der katholischen Kirche zum Ehesakrament und zur Bewertung von Homosexualität nicht, im Gegenteil, es bestätigt sie ausdrücklich. Es ergänzt die doktrinäre Perspektive jedoch um eine pastorale: Der Arzt ist für die Kranken da und nicht für die Gesunden (vgl. Mk 2,17), die Kirche hat die Aufgabe und Pflicht, auch und gerade den Menschen, die in irregulären Verhältnissen (oder, altmodisch ausgedrückt "in Sünde") leben, Zuwendung und Beistand zu bieten, und diese Zuwendung und dieser Beistand kann unter Umständen auch die Form eines Segens annehmen, vorausgesetzt, es herrscht Klarheit darüber, dass damit nicht die Sünde gutgeheißen bzw. die betreffende Person in ihrer Sünde bestärkt wird. Das, was der Schismatische Weg unter dem Schlagwort "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" verfochten und gefordert hat, wird in "Fiducia supplicans" explizit abgelehnt: Wie man unter Nr. 38 lesen kann, "soll man die Segnung von Paaren, die sich in einer irregulären Situation befinden, weder fördern noch ein Ritual dafür vorsehen". 

Dass nun die einschlägigen Qualitätsmedien, aber z.B. auch Irme Stetter-Karp und das Erzbistum Hamburg bezüglich der Aussagen des Schreibens der Glaubenskongregation das glatte Gegenteil von dem behaupten, was tatsächlich drinsteht, lässt nur zwei mögliche Schlüsse zu: Entweder diese Leute haben eine Lesekompetenz, mit der sie nicht einmal die MSA-Prüfung im Fach Deutsch bestehen würden, oder sie lügen. Was von beidem die wahrscheinlichere Erklärung ist, mag jeder selbst erwägen. 

Nun sagen viele glaubenstreue Katholiken, es sei doch absehbar gewesen, dass dieses Schreiben öffentlich lautstark fehlinterpretiert werden würde, von den einen absichtlich, von den anderen aus purer Doofheit; und weil das vorauszusehen gewesen sei, sei es unklug gewesen, ein solches Schreiben zu verfassen und zu veröffentlichen. Aber wie man meinem Blog zweifellos vielfach anmerkt, halte ich grundsätzlich nicht sehr viel von der Auffassung, man dürfe etwas Richtiges nicht sagen, weil es jemand in den falschen Hals kriegen könnte. 

Ich gebe zu, ich habe "Fiducia supplicans" im Wortlaut noch nicht vollständig gelesen, aber die Abschnitte, die ich gelesen habe, fand ich gut. Ja, okay, ich fand auch "Amoris Laetitia" im Großen und Ganzen gut, mit Einschränkungen, wozu z.B. diese eine Fußnote da gehörte. Ich bin gewiss nicht Papst Franziskus' größter Fan, aber erst recht bin ich kein Fan von Leuten, die partout und bei jeder Gelegenheit päpstlicher als der Papst sein wollen. – In einer öffentlichen Diskussion auf Facebook habe ich eine Einschätzung zu "Fiducia supplicans" gelesen, die ich zur Einordnung wertvoll finde und darum gern hier zitiere: 
"Es ist eigentlich die ausgewogene Pastoral, die ich mir wünsche. Sie sagt klipp und klar: Eine Ehe kann es nur zwischen Mann und Frau geben. Sie ist unauflöslich und unersetzbar. Somit darf kein Segen den Anschein erwecken, dass es sich um eine Quasi-Anerkennung einer Verbindung außerhalb das Sakramentes handelt. Gleichzeitig wird jedoch anerkannt, dass es Lebenslagen gibt, die das Kirchenrecht gar nicht individuell berücksichtigen kann, dass es den Wunsch nach göttlichem Segen gibt, und dass es auch in irregulären Verbindungen Aspekte gibt, die allein eine Ehe zwar nicht rechtfertigen, jedoch als Elemente, die auch eine Ehe untermauern, auch in anderen Verbindungen als heilig und wahr betrachtet werden. 
Es ist also quasi das 'Lumen Gentium' der Sexualmoral: Anerkennung echter und heiliger Wahrheiten in anderen Religionen (respektive hier: in anderen Partnerschaften) ohne diese selbst als vollkommen und gottgewollt anzuerkennen. Es war bei LG richtig, dann kann die Vorgehensweise hier nicht falsch sein. 
Diese Handreichung erkennt die Realität an ohne die Lehre in Zweifel zu ziehen. Das ist Barmherzigkeit." 
(Marcel Schimmelpfennig) 
Derweil habe ich durchaus zur Kenntnis genommen, dass es theologische Einwände gegen die Argumentation von "Fiducia supplicans" gibt, insbesondere was die Unterscheidung von liturgischen und nicht-liturgischen Formen des Segens betrifft. Dazu muss ich gestehen, dass ich schlichtweg nicht genug von Theologie und Dogmengeschichte verstehe, um einschätzen zu können, wie valide diese Einwände sind; und ohne es etwa bös' zu meinen, möchte ich unterstellen, dass dies den meisten meiner Leser ebenso gehen dürfte. Nachvollziehbar, überzeugend und ausgewogen erscheint mir indes, was der norwegische Bischof Erik Varden zu "Fiducia supplicans" anmerkt; hier nachzulesen in englischer Sprache. 


Geistlicher Impuls der Woche 
Meine Seele preist die Größe des Herrn
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron 
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben 
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen, 
das er unsern Vätern verheißen hat, 
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. 


Ohrwurm der Woche 

Vanessa Bell Armstrong & Daryl Coley: Comfort Ye My People 

Das 1992 erschienene Album "Handel's Messiah – A Soulful Celebration" habe ich, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, schon Mitte der 90er in der Musikabteilung der Stadtbücherei Nordenham entdeckt, und die Begeisterung für dieses Werk hat mich seither nie mehr losgelassen. Mir ist bewusst, dass eine bestimmte Sorte von Händel-Puristen und/oder fundamentalistischen Verfechtern der sogenannten "historischen Aufführungspraxis" das Projekt, Stücke aus dem "Messias" im Stil unterschiedlicher Genres afroamerikanischer Popularmusik, von traditionellen Trommelchören bis hin zu HipHop und House, zu interpretieren, geradezu als Blasphemie empfinden wird; aber da gehe ich mal lässig drüber hinweg und verschone meine Leser im Gegenzug auch damit, was ich als Arbeiterkind über die Trennung von "U- und E-Musik" als Mittel zur Aufrechterhaltung von Klassenunterschieden denke. Stattdessen streue ich hier lieber eine kleine Anekdote ein: Ich war mal bei meiner Schwester und meinem Schwager zu Besuch und hatte die "Handel's Messiah – A Soulful Celebration"-CD im Gepäck, und als sich eines Abends noch ein weiterer Gast einfand, nämlich ein junger Mann, der Kirchenmusik studierte, legte ich die Scheibe auf, weil ich neugierig war, was er davon halten würde. Meine Schwester fand die Musik schräg, aber der Kirchenmusikstudent meinte schon während der Ouvertüre, das sei eine durchaus legitime Interpretation. – Das hier ausgewählten Stück "Comfort Ye My People" (Text: Jesaja 40,1-3) würde ich als einigermaßen kompromissfähig betrachten, denn es ist – verglichen mit einigen anderen Stücken des Albums – nicht allzu weit von der Originalkomposition entfernt. Und es ist schön weihnachtlich. Finde ich. 



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2 Kommentare:

  1. :-) das war heute das erste Mal, dass ich in deinem Blog auf den Ohrwurm der Woche geklickt habe - wissend, dass wir häufig nicht den selben Musikgeschmack haben. Bei "irgendwas-das-Händel-zum-Ursprung-hat" konnte ich nicht widerstehen ;-). Wirklich ganz interessant. Vielleicht höre ich da sogar mal mehr davon an ;-)

    Ansonsten danke für die praktischen Tipps immer wieder zwischendurch -z.B.das Töpfchen-Trainings-Buch.

    Viele Grüße - und bald frohe Weihnachten!

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  2. Erlaubt der Vatikan jetzt doch "Segensfeiern für Paare, die sich lieben"? Nein.

    Na denn. Warum einige Bischöfe in der Weltkirche scharfe Kritik an der Erklärung üben und die Segnungen für ihre Diözesen kategorisch ablehnen, bleibt dann wohl erstmal ein Geheimnis. Es könnte ja sein, dass diese Bischöfe oder ein Kardinal Müller nicht in der Lage sind FS sinnerfassend zu lesen. Das widerum bezweifle ich stark. Immerhin hat z.B. Kardinal Müller eine Professur in Dogmatik und war selber mal Vorsitzender der Glaubenskonkregation. Ich zitiere mal einen Satz aus seiner Stellungnahme, die ich im übrigen leicht verständlich ganz gelesen habe: .... Der Priester, der diese Verbindungen segnet, stellt sie mit seinen Gesten als einen Weg zum Schöpfer dar.
    Deshalb begeht er eine sakrilegische und blasphemische Tat gegen den Plan des Schöpfers und gegen den Tod Christi für uns (damit wir den Plan des Schöpfers zur Vollendung bringen können)....."
    Leicht verständlich oder?
    Frohe Weihnachten!

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