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Samstag, 8. April 2023

Wie der Garten seine Saat sprießen lässt... (Jes 61,11)

Ich gestehe, ich erinnere mich immer wieder gern daran, wie vor Jahren mal eine konservativ-katholische Twitter-Nutzerin für meine Vorstellungen von einer christlichen Graswurzelrevolution die Bezeichnung "Guerilla Gardening for Jesus" ersann. Das war erkennbar spöttisch gemeint, aber egal: Ich fand's gut und irgendwie treffend – im metaphorischen, zu einem gewissen Grad aber durchaus auch im wortwörtlichen Sinne. Daran hat zweifellos eine Passage aus Rod Drehers Benedikt-Option entscheidenden Anteil, in der sich neben allerlei anderen praktischen Handlungsempfehlungen auch die Anregung findet, einen Garten anzulegen. Als ich anno 2019 in der Russisch-Orthodoxen Gemeinde in Krefeld eine Lesung aus der Benedikt-Option abhielt und der dortige Priester im Zuge der anschließend Diskussion den schönen Satz sagte "Jedes verkaufte Buch ist ein potentieller Kleingarten", hatte ich den Eindruck: Der Mann hat's verstanden. 

Was die metaphorische Ebene angeht, finde ich, dass ein Kleingarten ein sehr griffiges Bild für Graswurzelinitiativen ist: dafür, im Rahmen der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, so bescheiden sie auch sein mögen, aktiv zu werden, statt auf die große, institutionell abgesicherte und durchfinanzierte, gewissermaßen industriell seriengefertigte Gesamtlösung zu warten. Und was die wortwörtliche Seite betrifft, wird es erfahrenen "Huhn meets Ei"-Lesern schon aufgefallen sein, dass ein gewisses Interesse an Urban Gardening sich immer mal wieder in diesem Blog niederschlägt – auch und nicht zuletzt in Form von Überlegungen dazu, welche Rolle Gartenbauprojekte in der kirchlichen Gemeindearbeit spielen könnten. Übersichtlich zusammengefasst habe ich meine Überlegungen dazu einmal an einer eher obskuren Stelle meines Blogs, in einem Artikel über Imkerei und Insektenschutz in der Wesermarsch aus dem Jahr 2018: Da schrieb ich, ich sei 

schon länger der Meinung, Kirchengemeinden sollten, statt über "Bewahrung der Schöpfung" lediglich im Frauenkreis und womöglich noch in der Firmkatechese zu diskutieren, lieber einen Garten anlegen. Dass man dadurch endlich auch mal Leute, denen das Diskutieren nicht so liegt, die dafür aber praktisch veranlagt sind, für die Mitarbeit in der Pfarrei gewinnen könnte, wäre nur ein Vorteil unter vielen. Honig aus eigener Herstellung könnte ein Verkaufsschlager auf dem Pfarrfest (und darüber hinaus) sein, und "Wir bauen ein Insektenhotel" wäre sogar im Rahmen der Kinderkatechese ein machbares Projekt. [...] 

Und wohlgemerkt stellen die bis hierher genannten Punkte gewissermaßen nur die Minimallösung für, nennen wir's mal Urban Parish Gardening dar; also das, was praktisch immer und überall mit überschaubarem Aufwand realisierbar wäre. Für ein Kräuterbeet und/oder ein Beet mit insektenfreundlichen Wildblumen dürfte so ziemlich jede Pfarrgemeinde, selbst mitten in der Großstadt, irgendwo Platz haben, und falls nicht, kann man immerhin Kapuzinerkresse auf dem Balkon und/oder Pilze und Chicorée im Keller anbauen. Ein Insektenhotel passt an jede Häuserwand, und Bienenzucht soll, wie ich mir habe sagen lassen, in der Stadt sogar tendenziell besser funktionieren als in von landwirtschaftlicher Monokultur geprägten Gegenden, da es eine größere Bandbreite blühender Pflanzen gibt. 

Hat man – wie es bei einigen Kirchengrundstücken der Fall ist, die ich kenne – größere Flächen zur Verfügung ergäben sich noch ganz andere Möglichkeiten, von regelrechten Gemüsebeeten über einen Gartenteich bis hin zu Kleintierhaltung: Hühner, Kaninchen... Ziegen... warum nicht? – Ein Problem an der ganzen Geschichte, das ich ebenfalls schon mehrfach angesprochen habe, ist indes: Ich kann mir zwar so allerlei vorstellen, aber praktisch habe ich überhaupt keine Ahnung vom Gärtnern. Nun gut, man muss ja auch nicht alles selber machen, und darüber zu bloggen kann ja auch ein guter Weg sein, Andere dazu zu motivieren, das zu verwirklichen, was man selbst nicht schafft – auf diesen Gedanken komme ich noch zurück. Gleichwohl denke ich mir immer mal wieder, schöner wär's doch, auch mal selbst in dieser Richtung aktiv zu werden. Gerade auch mit den Kindern. Und dafür wäre ein gewisses praxisorientiertes Wissen dann schon sehr hilfreich. Natürlich gibt es dafür Bücher, und im Zuge der Aufbauarbeit für das Projekt Autonome Pfarrbibliothek sind mir durchaus einige Bücher in die Hände gefallen, die in dieser Hinsicht vielversprechend aussehen. Was mir in meiner Sammlung indes noch fehlt, ist ein Buch, das die spirituellen Aspekte des Gärtnerns in den Fokus rückt. Kurzzeitig dachte ich mal, in dieser Hinsicht fündig geworden zu sein in Gestalt eines Buches, das mein Bruder (neben anderen Büchern) für das Büchereiprojekt gespendet hat: "Ein Garten liegt verschwiegen" von Mely Kiyak. Leider hat dieses Buch diese Erwartungen ganz und gar nicht erfüllt. Nicht nur in dieser, sondern auch in praktisch jeder anderen Hinsicht ist dieses Buch derart beleidigend schlecht, dass ich es der Autorin persönlich übel nehme. – Nun bin ich aber kürzlich auf eine Neuerscheinung aufmerksam geworden, von der ich den Eindruck habe, sie könnte möglicherweise genau das Buch sein, auf das ich gewartet habe. 

Das Buch trägt den schönen Titel "A Garden Catechism – 100 Plants in Christian Tradition and How to Grow Them"; verfasst wurde es von Margaret Rose Realy, einer Oblatin des Benediktinerordens; und von der Existenz dieses Buches erfahren habe ich durch eine Rezension von Simcha Fisher

Über die Autorin des Buches schreibt sie (Übersetzung von mir): 

"Ich habe das Glück, Margaret eine Freundin nennen zu dürfen, und so ist sie die Person  die ich immer um Rat frage, wenn in meinem Garten etwas Unbekanntes aus der Erde sprießt und ich nicht weiß, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Sie weiß immer, was das ist. Ich frage sie auch um Rat, wenn ich an meinem Zaun eine Ranke des Rundblättrigen Baumwürgers entdecke und nicht weiß, wie ich diesen Eindringling loswerden kann, oder wenn meine Schwertlilien nicht mehr blühen und ich das Gefühl habe, ich sollte da etwas unternehmen, mir aber nicht sicher bin, wann und wie. Ich frage sie, ob meine Apfelsämlinge noch zu retten sind, ob es zu spät ist, Flieder einzupflanzen, und ob es sich lohnt, die Samen der Ringelblumen aufzuheben, die ich aus einer Laune heraus bei Wal-Mart gekauft habe. Margaret weiß immer die Antwort!" 

Rundblättriger Baumwürger. Allein schon. 

Was nun das Buch betrifft, so stellt es – wie der Untertitel bereits zu erkennen gibt, 100 Pflanzen (von Blumen und Gräsern über Kräuter und Pflanzen mit essbaren Früchten bis hin zu Bäumen und Büschen) vor, die in der christlichen Tradition eine spezifische Bedeutung haben, und kombiniert praktische Anleitungen und Tipps dazu, wie man diese Pflanzen in seinem Garten kultiviert, mit Hintergrundwissen zu ihrer Symbolik und Geschichte. Damit nicht genug, bietet das Buch sogar Anregungen für das Anlegen von "Gebetsgärten" zu verschiedenen Themen (z.B. Kreuzweg, Rosenkranz, Herz Jesu...). Was mich übrigens daran erinnert, was ich schon anno 2018 über den von einem Förderverein angelegten Klostergarten in Bokelesch im Saterland recherchiert habe, der vier "Themenbeete [...] mit Pflanzen, die typischerweise in Klostergärten wuchsen" umfasst: einen Küchengarten, einen "Mariengarten" und zwei Heilpflanzengärten, dazu die Nachbildung eines historischen Brunnens. Würde ich mir ja gern mal ansehen; wenn ich z.B. mal im Urlaub zuerst meine Mutter und dann meine Schwester besuche, läge Bokelesch fast auf dem Weg. Wobei ich selbstkritisch anmerken möchte, dass ich es in all der Zeit, seit ich angefangen habe, mich für dieses Thema zu interessieren, noch nicht einmal geschafft habe, das Urban-Gardening-Projekt der Herz-Jesu-Priester in Prenzlauer Berg anzusehen  obwohl ich dorthin gerade mal eine halbe Stinde mit S-Bahn und Tram bräuchte. –Sehr wohl angesehen habe ich mir hingegen mal den Christlichen Garten in den Gärten der Welt in Berlin-Marzahn, aber den fand ich eher läppisch, #sorrynotsorry

Aber mal zurück zu Margaret Rose Realys "A Garden Catechism"! "Das Buch", resümiert Simcha Fisher, "würde sich hervorragend als Geschenk für jemanden eignen, der gerade erst mit dem Gärtnern anfängt und etwas Ermutigung gebrauchen kann"; das hört sich ja schon mal gut an – also falls jemand ein Geburtstagsgeschenk für mich sucht, ich mein ja nur... Doch, so fährt sie fort, auch erfahrene und fähige Gärtner, die nach Anregungen für neue Projekte suchen, "werden das umfangreiche Wissen, das auf diesen Seiten versammelt ist, zu schätzen wissen": "Die einzigartige Kombination aus Gartenbau-Kenntnissen, spiritueller Tiefe und kulturhistorischen Hintergründen ist geradezu eine Garantie dafür, dass fast jeder, der dieses Buch zur Hand nimmt, noch etwas Neues lernt." 

Eine Frage, die sich mir bei alledem stellt, lautet: Gäbe es wohl einen Verlag, der interessiert sein könnte, dieses Buch auf Deutsch herauszubringen? Bei wem könnte das ins Verlagsprogramm passen? Und wem könnte man zutrauen, es zu übersetzen? (Es müsste wohl jemand sein, der von Botanik und Gartenbau erheblich mehr versteht als, beispielsweise, ich.) 

Und was ich von Euch, liebe Leser, noch gern wissen möchte: Habt Ihr einen Garten? Zu Hause oder in einer Kleingartensiedlung? Hat Eure örtliche Kirchengemeinde einen Garten? Gibt es da einen Arbeitskreis für Gartenpflege, arbeitet Ihr da mit oder könntet Ihr Euch vorstellen, da mitzuarbeiten, oder – wenn es keinen gibt – einen zu gründen? 

Schreibt's mir ins Kommentarfeld! 



2 Kommentare:

  1. Gute Idee, aber bitte keine Ziegen. Ziegen fressen alles ab, was irgendwie aufwachsen will.

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  2. Ein paar Anmerkungen:
    Ich halte die Idee, größere, brachliegende (bzw. "langweilige") Flächen auf kirchlichen Liegenschaften als Gemeinschaftsgärten zu nutzen, für sehr, sehr gut. Hier gibt es "Krautgärten" diverser Art auf Gemeindeflächen, wo den Leuten lediglich Wasser und Beetreihen zur Verfügung gestellt werden. Das Angebot wird gerne und rege genützt, der Andrang war zumindest vor ein paar Jahren noch unbeschreiblich.
    Die Leute kommen ins Gespräch, MÜSSEN interagieren, und wenn man ein "niedrigschwelliges" kirchliches Angebot machen will, setze man ein paarmal pro Woche eine/n als solche/n klar erkennbare/n sympathische/n Amtsträger/in, idealerweise mit ein wenig Pflanzenkenntnis, da rein.

    Es wäre allerdings das Ende jeglicher geschniegelter Rasenkanten und properer Grünflächen ("Betreten verboten!"), das müsste man in Kauf nehmen.

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