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Donnerstag, 23. November 2023

Eine Klarstellung aus Vechta

Davon, wie kontrovers die Reaktionen auf meinen am vergangenen Montag veröffentlichten Artikel über den Neuzugang im Seelsorgeteam der Pfarrei St. Willehad in meinem Heimatstädtchen Nordenham ausfallen würden, bekam ich schon einen Vorgeschmack, bevor der Artikel überhaupt online ging; denn schon mit der Ankündigung in meinem jüngsten Wochenbriefing, ich würde mir diesen Fall "etwas genauer ansehen", handelte ich mir einen anonymen Kommentar ein, der es in sich hatte. "Schmutzkampagnen wo man hinschaut", lautete die Diagnose des Kommentarschreibers: "So geht aktive Christenverfolgung, innerhalb der Kirche wohlgemerkt". Er (oder sie?) zog gar Parallelen zur Absetzung des texanischen Bischofs Strickland, warf die Frage auf, ob etwa "Blogwarte" (clevere Wortschöpfung, doch doch) "die persönlichen Kontakte von M. Kenkel überwachen und ihn bei 'Verstößen' an den Bischof verpfeifen" wollten, und zeigte sich im Übrigen überzeugt: "Die Vorwürfe gegen M. Kenkel, waren und sind nicht zutreffend." 

Nun haben solche Abwehrreaktionen – besonders wenn sie schon laut werden, bevor ich mich überhaupt inhaltlich zur Sache geäußert habe – es so an sich, dass sie mich eher in der Vermutung bestärken, auf der richtigen Spur zu sein. Gerade beim Stichwort "Schmutzkampagne" kommt mir immer der Satz Tucholskys in den Sinn, in Deutschland gelte "derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht"; nicht selten drängt sich mir der Eindruck auf, das gelte im kirchlichen Milieu in besonderem Maße. 

– Und in Nordenham erst recht, möchte ich hinzufügen. In diesem Städtchen kennt ja bekanntlich jeder jeden, und so war ich nicht übermäßig überrascht, dass sich in einer Nordenham-Gruppe auf Facebook, in der ich meinen Blogartikel verlinkt hatte, eine frühere Schulfreundin meiner Schwester zu Wort meldete. "[W]as möchtest du damit erreichen?", wollte sie von mir wissen. "Hattest du Akteneinsicht? Kennst du die Fakten oder vermutest du nur?" – Also sorry, ich habe lediglich öffentlich zugängliche Informationen zusammengetragen; meine Quellen habe ich benannt und im Interesse der Überprüfbarkeit verlinkt. Das kleine Einmaleins der Recherche. Kurz gesagt, ich habe die Hausaufgaben gemacht, die eigentlich die lokale Presse hätte machen sollen. Aber die fühlt sich offenbar nicht zuständig. 

St. Willehad mit Pfarrzentrum, von hinten gesehen (Aufnahme von 2018)

Aus diesem Grund stellte ich am Dienstag – was ich, selbstkritisch angemerkt, vielleicht schon ein, zwei Tage früher hätte tun können, aber im Ergebnis hätte das wohl keinen wesentlichen Unterschied gemacht – per E-Mail eine Anfrage an die Abteilung Seelsorge-Pastoral des Bischöflich Münsterschen Offizialats in Vechta, nämlich zu der Frage, ob die Auflagen, unter denen Bischof Genn Pfarrer Kenkel die Weiterbeschäftigung als Pfarrer in Lindern gestattet hätte, wenn er auf diese Amt nicht verzichtet hätte, auch für seine neue Tätigkeit in Nordenham, Butjadingen und Stadland gelten – und wenn nein, warum nicht. Mit der Informationspolitik des BMO Vechta hatte ich schon bei früherer Gelegenheit – konkret: im Zuge der Auseinandersetzungen um den Amtsverzicht von Pfarrer Torsten Jortzick Ende 2015 –  durchaus positive Erfahrungen gemacht: Der damalige Leiter der Abteilung Seelsorge-Pastoral, Monsignore Bernd Winter, hat seinerzeit sogar persönlich und namentlich Kommentare auf meinem Blog hinterlassen. Auch diesmal wurde ich nicht enttäuscht: Am Mittwoch, also gestern, erhielt ich eine Antwort vom Pressesprecher des BMO Vechta, Philipp Ebert (der dieses Amt übrigens seit ca. eineinhalb Jahren innehat und zuvor Redakteur bei der OM-Mediengruppe in Cloppenburg und Vechta war): Als Reaktion auf verschiedene Presseberichte zur Personalie Kenkel sei eine Pressemitteilung des BMO in Vorbereitung, und er werde mich auf die Empfängerliste setzen. 

Tatsächlich ist diese Pressemitteilung heute Mittag bei mir eingegangen; sie beginnt mit der Feststellung, in "verschiedenen Veröffentlichungen" seien "Darstellungen und Behauptungen bezüglich eines kirchenrechtlichen Verfahrens gegen Pfr. K. zitiert und referiert worden [...], die so nicht unwidersprochen stehen bleiben können". So erklärt der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings

"dass Pfr. K. entgegen anderslautenden Behauptungen weiterhin nur unter klaren Verhaltensanforderungen als Seelsorger tätig ist. Die in den Dekreten von Bischof Felix formulierten Auflagen hat Offizial und Weihbischof Theising für den weiteren Einsatz von Pfr. K. uneingeschränkt übernommen. Demnach darf Pfr. K. bis Ende 2026 keine weiblichen Einzelpersonen unter 27 Jahren in seiner Wohnung empfangen oder im Rahmen anderer Verabredungen (Essenseinladungen, Ausflüge etc.) treffen. Auch eine Begleitung von Pilgerreisen und sonstigen religiösen Veranstaltungen ist nur zusammen mit anderen erwachsenen Personen möglich. Außerdem muss Pfr. K. weiterhin eine Beratung aufsuchen. Die regelmäßige Teilnahme wird durch die Interventionsstelle des Bistums Münster nachgehalten." 

Dass es sowohl in den Pfarrnachrichten von St. Willehad als auch in der Nordwest-Zeitung (den Bericht der Kreiszeitung Wesermarsch habe ich, wie ich gestehen muss, nicht gelesen) hieß, der Bischof von Münster habe "alle Dekrete gegenüber Pfarrer Kenkel zurückgenommen", muss man somit als mindestens irreführend bezeichnen. "Die Berichterstattung der vergangenen Tage hat den Eindruck erweckt, die Auflagen seien aufgehoben und alle Verfahren seien abgeschlossen", merkt auch Peter Frings an. "Das ist nicht richtig." 

Aus der Pressemitteilung des BMO Vechta geht auch hervor, dass das Bistum Münster "[n]ach Abschluss der kirchenrechtlichen Voruntersuchung [...] den Sachverhalt im Mai 2023 an die zuständige Kommission im Vatikan weitergeleitet" hat und das diese erst kürzlich entschieden hat, 

"dass gegenüber dem Priester in der Angelegenheit ein Strafdekret zu erlassen sei. Der Inhalt dieses Dekrets wird derzeit erarbeitet. Pfr. K. wurde darüber noch nicht unterrichtet. Dies erfolgt umgehend. Aber aufgrund der Presseberichterstattung wird auf diesen aktuellen Sachstand hingewiesen." 

Ein anderer wichtiger Aspekt der Pressemitteilung ist die Klarstellung, dass "im Zusammenhang mit der Beurlaubung von Pfr. K. im Jahr 2022 und 2023" keineswegs vom "Vorwurf des sexuellen Missbrauchs" die Rede gewesen sei, sondern stets ausschließlich "von Vorwürfen grenzverletzenden Verhaltens". Zu dieser Differenzierung möchte ich noch einmal zitieren, was ich bereits in meinem Artikel vom Montag schrieb: 

"Da ich [...] erst kürzlich an einer Schulung zur Prävention sexualisierter Gewalt teilgenommen habe, ist mir sehr bewusst, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen "grenzverletzendem Verhalten" und strafrechtlich relevantem Missbrauch gibt." 

Einige Leserreaktionen auf Facebook haben allerdings deutlich gemacht, dass dieser Unterschied durchaus nicht von allen Lesern gesehen und verstanden wird. Aus diesem Grund bemängelte die weiter oben schon einmal zitierte Kommentarschreiberin: 

"Die Kommentare der Menschen zeigen, dass viele gar nicht richtig verstehen, was du schreibst. Du stellst es aber nicht richtig." 

Nun, das ist ein offenkundig unlogischer Vorwurf. Wenn ich etwas Falsches geschrieben hätte, dann müsste ich das richtigstellen. Wenn Leute das, was ich geschrieben habe, falsch verstehen, dann könnte ich lediglich darauf verweisen, dass ich das, was sie verstanden zu haben meinen, gar nicht geschrieben habe – aber wenn sie das beim ersten Mal nicht verstanden haben, warum sollten sie es dann beim zweiten Mal tun? Tatsächlich habe ich in der einen oder anderen Facebook-Gruppendiskussion sehr wohl versucht, die gröbsten Missverständnisse richtigzustellen – und prompt Dresche dafür bezogen. Konkretes Beispiel: Als jemand meinte, man müsse dafür Sorge tragen, diesen Geistlichen von Kindern fernzuhalten, wandte ich ein, in Bezug auf Kinder werde ihm gar nichts vorgeworfen, es gehe vielmehr um grenzverletzendes Verhalten gegenüber jungen Frauen. Prompt wurde mir vorgeworfen, ich fände übergriffiges Verhalten gegenüber jungen Frauen "okay". – Es ist hoffnungslos, Leute. Die Sozialen Medien sind voll von Leuten, die nicht in der Lage sind, sinnerfassend zu lesen. Wollte man stets darauf Rücksicht nehmen, dass die womöglich etwas in den falschen Hals kriegen könnten, könnte man überhaupt nichts mehr schreiben

Bei alledem, und in dem festen Bewusstsein, dass alles Weitere, was ich in dieser Angelegenheit schreibe, ebenfalls missverstanden werden kann und wird, muss ich doch sagen, dass ich – wie Matthias Claudius es formuliert haben würde"begehre, nicht schuld daran zu sein", wenn man P. Kenkel nun weitaus schlimmerer Vergehen verdächtigt oder bezichtigt, als er tatsächlich begangen hat. Ich will ihm persönlich überhaupt nichts Böses; ich kenne den Mann schließlich gar nicht, und darüber, was ihm nun konkret vorgeworfen wurde oder wird, weiß ich nicht mehr und nichts Genaueres als das, was aus den von mir zitierten Quellen hervorgeht. Nebenbei bemerkt dokumentieren die Kommentare meines Stammlesers Imrahil unter meinem Artikel vom Montag, dass man auf der Basis der dort zusammengetragenen Fakten sehr wohl auch zu einem wohlwollenden Urteil über Pfarrer Kenkel gelangen kann. Über einen Punkt müssen dann aber doch noch ein paar kritische Worte verloren werden, nämlich dazu, was P. Kenkel dem Bericht der NWZ zufolge über seine "Beziehung mit einer Frau" gesagt hat, mit der er "gegen das Zölibat verstoßen" habe. Sollte sich diese Bemerkung auf denselben Vorgang beziehen, der zu der Anzeige gegen ihn geführt hat? Versucht er demnach, das, was ihm als grenzverletzendes Verhalten vorgeworfen wird, als einvernehmliche Beziehung darzustellen? Das fragt sich auch der Interventionsbeauftragte Frings und merkt dazu an, sollte diese "Behauptung von Pfr. K. [...] tatsächlich von ihm so getätigt worden sein", sei dies "ein Unding" und "für die betroffene Frau eine Zumutung": Von Einvernehmlichkeit könne nach der ihm bekannten Faktenlage "keine Rede sein", so Frings. 


4 Kommentare:

  1. "handelte ich mir einen anonymen Kommentar ein, der es in sich hatte."

    Der Kommentar stammt von mir, ich hatte nur vergessen diesen mit meinem Namen zu veröffentlichen. Sorry! Ich wohne im Bistum Münster bin 63 Jahre alt männlich und mein Name ist wirklich Gerd. Ja, mein Kommentar hat es in sich und nein, ich kommentiere nicht grundsätzlich mit Schaum vor dem Mund. Vorab: Ich kenne einige Priester aus der Karl-Leisner-Jugend und bin mit einem sehr gut befreundet. M. Kenkel habe ich vor ca.15 Jahren mal sporadisch kennengelernt aber danach nicht mehr getroffen. Wie komme ich auf Blogwart und Schmutzkampagne? Nun, wenn man z.B. erlebt hat, wie Besucher einer "alten Messe" denunziert und zum Rapport bestellt werden, weil angeblich während der "tödlichen Pandemie" die Masken nicht korrekt über die Nase gezogen waren oder Abstände nicht eingehalten wurden, dann sind die o.g. Begriffe nicht ganz so weit weg von der Realität. Das hat erstmal nichts mit der Kausa Kenkel zu tun, aber das ist der alltägliche Wahnisnn gegen konservative denkenden Katholiken. Was mir auffällt und auch ein Grund für meinen Kommentar war, ist die Tatsache, dass Missbrauchsvorwürfe und sexuelle Übergriffen ausschliesslich, oder sagen wir zu 98%, den Weg in die Medien finden, wenn katholische Geistliche daran beteiligt sind. Das führt dann in Regelungen die mit gesundem Menschenverstand kaum noch zu ertragen sind.
    "Demnach darf Pfr. K. bis Ende 2026 keine weiblichen Einzelpersonen unter 27 Jahren in seiner Wohnung empfangen oder im Rahmen anderer Verabredungen (Essenseinladungen, Ausflüge etc.) treffen.
    Was soll der Sch....? Bis Ende 2026 keine weibliche Einzelpersonen unter 27 Jahren? Und wenn sie 28 Jahre alt sind....?
    Wenn ein Priester mir sagt, dass er nicht mehr alleine mit einen Messdiener oder Messdienrin in der Sakristei zusammen ist, dann ist er auch das Opfer von Schmutzkampagnen die über die katholischen Priester ausgekübelt werden. Wenn diese dann noch einen römischen Kragen zu Alltagbekleidung zählen, ist ratsam bei drei auf einen Baum zu klettern um nicht selber als Täter indentifiziert zu werden.


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  2. Ich bin etwas erstaunt, dass offenbar allein eigene negative Erfahrungen als eher konservativer Kirchenmensch Sie dazu bringen, den Pfarrer zu verteidigen, weil die Kirchenleitung ihn wegen seines konkreten Fehlverhaltens maßregelt. Aber eben nicht wegen seiner konservativen Ausrichtung. Soweit ich das weiß, wurde er in seinem Dienst weitgehend geschätzt, selbst wenn es auch schon mal Gegenwind liberaler Kreise gab.

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    1. Na ja, von einem "Gegenwind" liberaler Kreise kann nun offensichtlich nicht mehr die Rede sein. Ich würde das eher als Orkan bezeichnen. Natürlich sind es hauptsächlich konservative katholische Priester, die ins Visier der liberalen Modernisten geraten sind. Wenn alle Vorwürfe gegen jeden Missbrauch z.B. in den Familien, Schulen, Sportvereinen ect mit der gleichen Vehemenz geführt würden, wie es gegen katholische Geistliche geschieht, wäre die Gesellschaft mit nichts anderem mehr beschäftigt.

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    2. Woher wissen Sie das, gerd, dass es vornehmlich konservative katholische Priester sind, die des sexuellen Missbrauchs bezichtigt wurden oder werden?
      Das scheint mir keineswegs stichhaltig zu sein.
      Ich halte es vielmehr für naheliegend, dass Sie selbst auf Grund persönlich erfahrener massiver Kränkungen durch liberale Kirchenmitglieder solches auch bei öffentlichen Fällen herbeireden.
      Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass Sie oftmals eben auf unliebsame eigene Erfahringen verweisen.
      Letztere will ich keinesfalls in Abrede stellen noch gar bagatellisieren - aber das alles bringt Sie eben auch persönlich nicht weiter.

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