Tja, Leser: Ich hatte
zwar gerade erst meine alte Heimatgemeinde St. Willehad
Nordenham/Butjadingen/Stadland am Wickel, aber es gibt tatsächlich
noch mehr von dort zu berichten: Unlängst, nämlich am Montag, dem
26.11., fand im Pfarrzentrum von St. Willehad eine
Informationsveranstaltung zum Thema „Sexueller Missbrauch in der
katholischer Kirche“ statt. „Angesichts der Brisanz des Themas
war die Resonanz überschaubar“, berichtet Jens Milde in der Nordwest-Zeitung. „Gerade einmal acht Besucher kamen zu der Veranstaltung.“
Dieser überschaubaren Runde teilte Pfarrer Karl
Jasbinschek u.a. mit, gemäß den Präventionsrichtlinien der
katholischen Kirche sei
„jede Gemeinde verpflichtet, ein
eigenes Schutzkonzept zu entwickeln. In St. Willehad wird ein solches
Konzept gerade erarbeitet.“ Ehrlich gesagt wundert es mich, dass
das erst jetzt geschieht. In anderen mir bekannten Pfarreien gibt es
solche Schutzkonzepte schon seit Jahren. Aber in Nordenham gehen die
Uhren offenbar anders.
Derweil hatten die Teilnehmer der
Diskussionsveranstaltung allerdings ohnehin ihre eigenen
Vorstellungen zur Prävention sexuellen Missbrauchs in der Kirche:
Laut NWZ-Bericht waren sie „mehrheitlich der Meinung, dass das
Zölibat nicht mehr zeitgemäß ist.“ Die Mehrheit von acht
Personen, wohlgemerkt, also fünf bis sieben Personen, eine stolze
Zahl. Nun gut, Spaß beiseite: Ich zweifle nicht unbedingt daran,
dass sich auch dann eine Mehrheit der Veranstaltungsteilnehmer in
diesem Sinne geäußert hätte, wenn die Veranstaltung besser besucht
gewesen wäre. Dass eine Abschaffung des Zölibats ein probates
Mittel zur Eindämmung sexuellen Missbrauchs durch Priester sei, ist
zwar eine Auffassung, die ausgesprochen bizarre Vorstellungen über
die menschliche Sexualität voraussetzt, aber um das zu bemerken,
müsste man erst einmal darüber nachdenken, und wer tut das schon?
Wenn als „Argument“ gegen irgend etwas vorgebracht wird, das in
Frage stehende Irgendwas sei „nicht mehr zeitgemäß“, hat sich
jedwede sachliche Auseinandersetzung von vornherein erledigt.
Zugegeben: Die Annahme, der Zölibat sei „nicht
mehr zeitgemäß“, entsteht nahezu zwangsläufig, wenn man über
Jahrzehnte hinweg immer wieder Forderungen nach seiner Abschaffung zu
hören bekommt, aber so gut wie nie ein Plädoyer für seine
Beibehaltung. Die geistliche Dimension des Zölibats – wie es
unlängst ein Freund auf Facebook formulierte: „Ehelosigkeit nicht
als Freiheit VON etwas, sondern als eschatologische, endzeitliche
Offenheit auf die 'Hochzeit des Lammes' hin“ – wird selbst
innerhalb der Kirche immer weniger verstanden, aber das ist ja auch
kein Wunder, wenn's den Leuten niemand erklärt. So meint auch
Pfarrer Jasbinschek, „die Symbolkraft des Verzichts sei für viele
Gemeindemitglieder heute kaum noch nachvollziehbar“. Ah ja. Hat er
denn mal versucht, sie ihnen begreiflich zu machen? Mein Eindruck
ist, dass diesen Versuch kaum mal jemand unternimmt – man könnt'
ja für „konservativ“ oder Schlimmeres gehalten werden. Da sagt
ein Pfarrer dann lieber etwas Unverfängliches wie etwa, „dass er
keine Notwendigkeit sieht, am Pflichtzölibat festzuhalten, auch wenn
es für ihn persönlich bindend sei“.
Der NWZ-Artikel wurde u.a. in einer Facebook-Gruppe
mit dem Namen „Du kommst aus Nordenham, wenn...“ geteilt, und
auch da äußerte eine Kommentatorin prompt, die katholische Kirche
solle „endlich mal vom Zölibat Abschied nehmen“; warum sie
dieser Meinung war, wusste sie auf Nachfrage nicht zu erläutern.
Allerdings war das noch ein vergleichsweise harmloser Kommentar. Bei
anderen Facebook-Nutzern löste die Kombination der Begriffe „Kirche“
und „Missbrauch“ offenkundig noch ganz andere Pawlowsche Reflexe
aus: „Die Kirche will Kinder vor Missbrauch schützen ? Na der war
ja mal richtig gut“, schrieb einer, und eine andere: „Die Kirche
naja da sind sie ja in den 'richtigen Händen'“. Eine weitere
Diskussionsteilnehmerin warf die Frage in die Runde:
„War nicht ein Fall von paar Jahren, das grade in Nordenham Pfarrer würde beschuldigt das er Kinder genötigt hat??“
...was einer von denen, die sich zuvor bereits zu
Wort gemeldet hatten, mit einem lakonischen „jo“ beantwortete.
Nun ist Nordenham eine ziemlich kleine Stadt, und da
der Kontext der Diskussion nahe legte, es sei ein katholischer
Pfarrer gemeint, schränkte sich der Kreis derer, auf die diese
Anschuldigung sich beziehen könnte, ganz erheblich ein: Rechnet man
ein paar Geistliche nicht mit, die jeweils für eine kurze
Übergangszeit als Pfarradministratoren in St. Willehad eingesetzt
wurden, dann gab es in den letzten ca. 30 Jahren nur vier katholische
Pfarrer in Nordenham, und die kenne ich alle persönlich. Letzteres
ist natürlich kein Beweis für ihre Unschuld, aber es sollte mich
doch sehr wundern, wenn ich von derartigen Anschuldigungen gegen sie,
so es denn welche gäbe, nie etwas gehört hätte. Gerade im Zuge der heftigen Konflikte innerhalb der Gemeinde, die es in den letzten
Jahren gegeben hat, hätte das Thema doch wohl irgendwo auftauchen
müssen. Und meines Wissens sind auch gegen keinen dieser vier
Geistlichen irgendwelche Maßnahmen seitens des Bistums verhängt
worden, wie sie für den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen typisch
wären (z.B. Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen).
Folglich schalteten meine Liebste und ich uns in die
Facebook-Debatte ein, um Genaueres über diese angeblichen
Anschuldigungen zu erfragen. Offenbar wusste aber niemand Genaueres.
Okay, ich kenne Nordenham aus eigener Erfahrung gut genug, um eine
Vorstellung davon zu haben, wie sich da Gerüchte verselbständigen.
Also bemühte ich mich, mit Hilfe von Onkel Google selbst
herauszufinden, was an der Sache dran war. Es dauerte nicht lange,
bis ich fündig wurde.
Tatsächlich waren in Nordenham vor ein paar Jahren
mindestens drei minderjährige Jungen in einem kirchlichen Kontext
Opfer von mehrfachem und teilweise schwerem sexuellen Missbrauch
geworden; der Täter, der im Frühjahr 2013 vom Landgericht Oldenburg zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde, war allerdings kein Pfarrer,
sondern war lediglich nebenberuflich – auf Minijob-Basis – als
Kirchenmusiker tätig.
In der evangelischen Kirchengemeinde.
Tja, so entstehen Gerüchte.
Eine der Wortführerinnen in der besagten
Facebook-Diskussion kommentierte die Richtigstellung mit dem geradezu
klassischen Satz:
„Ehrlich mir is das sowas von egal ob kath. oder evangelisch...find beides scheisse...ehrliche meinung...“
Tja, was soll man da noch sagen. Angesichts solcher
argumentativer Glanzleistungen bin ich fast geneigt, der Behauptung
Glauben zu schenken, der Baufinanzierungsskandal um das DiözesaneZentrum St. Nikolaus in Limburg habe seinerzeit auch zu
überdurchschnittlich vielen Austritten aus der evangelischen Kirche
geführt...
(P.S.: Nicht vergessen -- noch bis zum 31.01.2019 kann an der Fragebogenaktion zur Erstellung eines Lokalen Pastoralplans für St. Willehad teilgenommen werden!!)
(P.S.: Nicht vergessen -- noch bis zum 31.01.2019 kann an der Fragebogenaktion zur Erstellung eines Lokalen Pastoralplans für St. Willehad teilgenommen werden!!)
Ach, das tröstet mich ja darüber, daß mir kürzlich von einem sich katholisch findenden Kommentator auf kathnet (!) erklärt wurde, Zölibat sei ungesund und daher nicht gottgewollt (für Fasten gelte das nämliche).
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