- Emma Braslavsky: "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten"
In der Verlagswerbung wird Emma Braslavskys "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten" durchaus treffend als "Großstadtmärchen und Kriminalgeschichte" in einem bezeichnet; der Roman erzähle "witzig und rasant von der Radikalisierung des Individuums, von der schmalen Grenze zwischen natürlichem und künstlichem Leben und von der Allmacht der Algorithmen". Klingt interessant? Ist es auch. Die Romanhandlung spielt in einer nahen Zukunft (d.h., auch wenn es nicht ausdrücklich gesagt wird, anscheinend in den 50er- oder 60er-Jahre des 21. Jahrhunderts) in Berlin; dort boomt das Geschäft mit sogenannten "Hubots": humanoiden Robotern, die – "[m]it dem Versprechen, jedem Beziehungsideal gerecht zu werden" – "den Wünschen des Kunden akkurat angepasst" werden (S. 12). In Werbeslogans wird Berlin als die "Hauptstadt der neuen Liebe" (S. 13) gefeiert: "Seit dem erfolgreichen Start der Hubotpartnerbörsen vor fünf Jahren" hat sich "die Einwohnerzahl der Stadt mehr als verdoppelt und die der durchreisenden Sinnsucher und Geschäftsleute fast verdreifacht" (S. 15). "Berlin war längst keine Stadt der Singles und Ausreißer mehr, hier fand man mit der Liebe zu seinem wahren Selbst und zeigte die Originalität seines Wesens durch die Wahl seines Partners" (S. 15f.). Gleichzeitig grassiert in der Stadt jedoch eine Selbstmordwelle, deren Ausmaß sogar Anlass zur Gründung eines eigenen "Suizid-Dezernats" der Polizei gibt: Dieses ist "damit beauftragt, die Angehörigen der Toten aufzuspüren und sie zur Kasse zu bitten, um die Sozialämter von den gewaltigen Übernahmekosten für die Bestattung dieser armen Schweine zu entlasten. Denn für die allermeisten fühlt sich niemand verantwortlich" (S. 54).
In der hektischen, von unersättlicher Genusssucht getriebenen Gesellschaft, die der Roman zeigt - einer Gesellschaft, deren radikaler Individualismus soziale Bindungen weitgehend erodiert hat -, sterben mehr Menschen "durch Selbsttötungen als durch Verkehrsunfälle oder Gewaltverbrechen, und seit diesem Jahr auch knapp mehr als durch Krankheiten." (S. 74) Geradezu beiläufig schildert der Roman zudem die Allgegenwart von Drogen in dieser schönen neuen Zukunftswelt: Dass die Untersuchung des toten Lennard Fischer Hinweise auf "den regelmäßigen Konsum von Amphetaminen und Schmerzmitteln" ergibt, kennzeichnet ihn als "Durchschnittsbürger" (S. 74). Die Romanhandlung lässt keinen Zweifel daran, dass Selbstmord, Wahnsinn und Drogensucht die Kehrseite derselben hedonistischen Lebenshaltung darstellen, dessen attraktive Vorderseite durch die Produktion individuell gestalteter mechatronischer Traumpartner für jedermann verkörpert wird: "Wer heute noch einsam und todunglücklich herumlief, war selbst schuld. Niemand brachte dafür mehr Verständnis auf" (S. 13), und wer sich keinen personalisierten Hubot-Partner leisten kann, der behilft sich mit "kommerzielle[n] Liebesbrief-Abos" und erhält regelmäßig Liebesbriefe, die "von herzlosen Algorithmen generiert" werden (S. 15). Dass solche Hilfsmittel nicht wirklich gegen die Volkskrankheit Einsamkeit helfen, wird unmittelbar daran deutlich, dass der Selbstmord eines solchen Liebesbrief-Abonnenten den Auftakt der Handlung bildet.
Aber auch das Zusammenleben mit einem Hubot scheint die Selbstmordwahrscheinlichkeit nicht zu mindern, sondern womöglich sogar noch zu erhöhen -- wie an einer Nebenfigur, einem jungen Mann namens Ben, deutlich wird: Dieser hat sich seinen eigenen Doppelgänger als Hubot anfertigen lassen. "Beide zusammen waren exakt die Art dialogfähiger Profilneurose, wie sie zuhauf im Suizid endete" (S. 46); und gut 150 Seiten später ist Ben tatsächlich tot, was allerdings die Frage aufwirft: "Warum stand außer Frage, dass Ben sich selbst getötet hatte? Bens Double könnte ihn genauso gut ermordet haben, damit er einzigartig wäre" (S. 209).
Alles in allem entwirft der Roman das Bild einer Menschheit, die im Begriff steht, sich selbst abzuschaffen: "Die Stadt frisst ihre Kinder" (S. 28). Der entscheidende Twist des Romans besteht indes darin, dass er aus der Perspektive des Roboters erzählt wird: Die zentrale Figur der Romanhandlung ist Roberta, "eine Art Wegwerfgottheit" (S. 39) -- "die erste polizeiliche KI-Sonderermittlerin", "ein Hubot mit erweiterten Befugnissen" (S. 47). Die Namenswahl ist auffällig: Wäre die "KI-Sonderermittlerin" ein Mann und hieße Roberto, dann wäre dieser Name ein exaktes Anagramm von "Roboter"; so aber geht das Anagramm nicht ganz auf, und tatsächlich veranlasst die Frage, warum ihre Auftraggeber sie nicht als Mann haben anfertigen lassen, Roberta zu allerlei Reflexionen über die Bedeutung von Geschlechterrollen. Dass Roberta "zu verstehen" versucht, "was als weiblich markiert wurde" (S. 57), gibt der Autorin Gelegenheit, in ihrem Roman einen feministischen Diskurs zu führen; aber zugleich ist es auch ein Transgender-Diskurs, denn Roberta ist schließlich nicht wirklich weiblich: "Sie könnte alles sein, Mann, Frau oder Tier, sie war tatsächlich genderlos, hatte diese flüssige Identität" (S. 67). Da Sexualität ihr nichts bedeutet, hat sie keinerlei Bedenken, auf einer Kneipentoilette Sex mit einem betrunkenen, vulgären, unattraktiven Mann – einem „beleibte[n] Jammerlappen mit rotzgrünen Augen“ (S. 43) – zu haben. Der Geschlechtsakt ist für sie bloß Information: während der Mann sich an ihr abarbeitet, analysiert sie seine Vitalfunktionen.
Roberta soll "durch das Imitieren des Verhaltens in ihrer Umgebung eine eigene Persönlichkeit entwickeln" (S. 48); da ihr erster Auftrag jedoch darin besteht, die Angehörigen des ertrunkenen Lennard Fischer ausfindig zu machen und zur Übernahme der Beerdigungskosten zu bewegen, beschäftigt sie sich so intensiv mit der Persönlichkeit des Toten, dass sie sich mehr und mehr mit ihm identifiziert und sich geradezu in ihn verwandelt: Sie spricht mit seiner Stimme, schließlich lässt sie auch ihren Körper nach dem Vorbild von Lennards Körper umbauen: "Sie musste und wollte Lennard sein und sein Vermächtnis fortsetzen" (S. 253) – womit sie ihm eine Art Weiterleben nach dem Tod ermöglicht.
"Schon beim Zusammenleben mit den Haustieren wurde deutlich, dass Menschen sich in sich selbst verliebten. […] Menschen suchten eben genau jenen Teil von sich, der sie wieder zu einem Ganzen machte. […] Bei Partnerwahl und Paarung sollte es nur um die Weiterexistenz von einem Selbst gehen, während lange Zeit die Verkupplung den Interessen der Familie untergeordnet war […]. Die Romantik mit ihrer Forderung nach Selbstbestimmung und Liebe als Basis in der Beziehung schien aus diesem Blickwinkel wie ein geschicktes, getarntes Manöver der Evolution, eine auf weite Sicht angelegte Geburtenkontrolle einzuführen, die Menge an Menschen auf natürliche und sanfte Art zu begrenzen und der Erschaffung neuer Wesen Raum zu geben. Die Romantik […], in ihrer Betonung auf die Bedürfnisse und Gefühle des Einzelnen, […] führte […] zum Paradox, dass mit ihrer Stärkung der Interessen des Individuums eine Selbsterfüllungswelle in Gang gesetzt wurde, die zu einer milliardenschweren, künstlichen Liebesindustrie und zur Schaffung neuer, besserer Robotertechnik geführt hatte." (S. 213f.)
"Roberta fragte sich, ob Eitelkeit, Neid und Narzissmus und mit ihnen die Atomisierung und Aufspaltung der Gemeinschaft vielleicht nur ein nächster Schritt in der Evolution waren, um die Überwindung der Biologie und des materiellen Lebens voranzutreiben? Wenn ja, dann war das in Robertas Augen eine gute Nachricht. Denn sie konnte jetzt schon ohne Körper existieren, auch woanders, auf einem anderen Planeten" (S. 238).
Wer das "Technologie"-Kapitel von Rod Drehers "Benedikt-Option" (Kapitel 10, "Mensch und Maschine") gelesen hat, dem dürfte sich die Frage nach der #BenOp-Relevanz von Emma Braslavskys Roman so ziemlich von selbst beantworten. In dem besagten Kapitel zitiert Rod u.a. den an der Catholic University of America tätigen Wissenschaftsphilosophen Michael Hanby mit der Aussage, "die sexuelle Revolution sei das, was dabei herauskomme, wenn man die technologische Denkweise auf den menschlichen Körper anwende" (BenOp, S. 349) und merkt an: "Wir glauben, unsere vielen Technologien würden uns größere Kontrolle über unser Schicksal verleihen. In Wirklichkeit haben sie angefangen, uns zu kontrollieren“, kommentiert Dreher (BenOp, S. 346). Die Versuchung des technologischen Denkens bestehe darin, die Welt – einschließlich des eigenen Körpers – "als Material zu betrachten, das dazu da sei, der Herrschaft des Menschen unterworfen zu werden, einer Herrschaft, die keine anderen Grenzen kennt als die der Vorstellungskraft" (BenOp, S. 348).
Man kann sagen, die Handlung von "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten" illustriere diese Thesen recht eindrucksvoll; wenn allerdings, wie der ebenfalls in der "Benedikt-Option" zitierte Kulturkritiker und Umweltaktivist Wendell Berry prophezeit, "die nächste große Spaltung der Welt zwischen Menschen, die als Geschöpfe leben wollen, und Menschen, die als Maschinen leben wollen, verlaufen wird" (BenOp, S. 373), dann liegt es nahe, sich zu fragen, auf welcher Seite eigentlich die Romanautorin Braslavsky steht. Diese Frage muss letztlich offen bleiben. Der Umstand, dass die Handlung aus der Sicht des Roboters erzählt wird, lässt es einerseits naheliegend erscheinen, sich dessen Sicht auf die Dinge zu eigen zu machen; allerdings hat dieses Welt- und Selbstbild, das sich in Robertas Elektronengehirn herausbildet, einen Schwachpunkt. Es gibt ein Rätsel, das sie nicht lösen kann und das sie deshalb ebenso beunruhigt, wie umgekehrt der Aufstieg der künstlichen Intelligenz die Menschen verunsichert. Roberta hat eine Doppelgängerin – eine echte, lebendige Frau, die so aussieht wie sie. Und diese andere Roberta hat ein Kind. Die Roboter-Roberta sieht sie eines Abends auf einem Spielplatz und ist fortan wie besessen von dem Verlangen, herauszufinden, wer diese Frau ist und warum sie ihr so ähnlich sieht – aber es gelingt ihr nicht. Obwohl sie nur einen kurzen, beiläufigen Auftritt im Handlungsgeschehen haben und danach noch drei-, viermal erwähnt werden, wirken diese Frau und ihr Kind im Gesamtkontext des Romans wie ein Zeichen der Hoffnung für den Fortbestand der Menschheit.
Gesondert hervorheben möchte ich ein Detail, auf das ich in meinem Vortrag nicht eingegangen bin, da ich fand, dort hätte es den Rahmen gesprengt: Auf der Suche nach Angehörigen des ertrunkenen Lennard Fischer besucht Roberta die katholische St.-Joseph-Kirche in Velten, um mit dem dortigen Pfarrer in Kontakt zu kommen. Es ist natürlich ein Krimi-Klischee, dass Ermittler, wenn sie einen Pfarrer kontaktieren wollen, immer in die Kirche gehen und nie ins Pfarrbüro, aber hier wird immerhin das Möglichste aus diesem Motiv gemacht. Die Kirche, "das höchste Gebäude in diesem Ort", ähnelt von Weitem "einer Rakete, was, strukturell gesehen, Roberta nicht verwirrte, denn beide Gebilde hatten ähnliche Ziele" (S. 107); im Innenraum der Kirche erkennt sie "formal die Struktur einer Gebärmutter" (S. 108). Roberta beobachtet, wie der Pfarrer "den Menschen, die vor ihm Schlange standen, nacheinander einen Chip unter [?!] die Zunge legte, und "tastete in ihrem Mund nach der Stelle, an der man ihr ebenfalls einen Chip eingesetzt hatte. [...] Beobachtete Roberta hier einen Urmoment ihrer Entstehung?" (S. 107f.) Als sie im Anschluss an die Messe mit dem Pfarrer spricht und bemerkt, dass er ihr eine Frage nicht wahrheitsgemäß beantwortet, ist Roberta "verwirrt": "Er durfte doch nicht lügen. Wieso log er? Wieso tat er das, wenn er doch die zehn Gebote befolgen musste? [...] Hatte er die zehn Gebote nicht installiert bekommen? War er ein Schwindler? Oder wurde er nicht ordnungsgemäß gewartet?" (S. 109f.)
Interessant ist an dieser ganzen Passage nicht zuletzt, dass es die St.-Joseph-Kirche in Velten zwar tatsächlich gibt, aber einen eigenen Pfarrer gibt es da schon lange nicht mehr: Seit 2003 gehört Velten zur Pfarrei in Hennigsdorf, die ihrerseits im Zuge des Pastoralen Prozesses "Wo Glaube Raum gewinnt" in sehr absehbarer Zeit mit Birkenwerder und Oranienburg zu einer Großpfarrei fusionieren soll. Die Vorstellung, irgendwann um das Jahr 2050 herum wäre ein Nest wie Velten wieder eine eigenständige Pfarrei und die Gemeinde würde Schlange stehen, um wie selbstverständlich die Mundkommunion zu empfangen, ist somit vielleicht doch gar keine so üble Zukunftsvision...
Zu erwähnen ist noch, dass dem Roman laut Aussage der Autorin umfangreiche Recherchen zu den Möglichkeiten und den Entwicklungsperspektiven künstlicher Intelligenz vorausgegangen sind; daneben verarbeitet die Autorin aber auch den Selbstmord eines Freundes oder Bekannten, der in der Widmung und der Danksagung des Buches als "Gregor" erwähnt wird. Der Romancharakter Lennard Fischer scheint zu einem gewissen Grad an diesen Gregor angelehnt zu sein; jedenfalls basieren, wie die Autorin in der Danksagung verrät, einige Textpassagen, die innerhalb der Romanhandlung als von Lennard verfasste Fragmente präsentiert werden, auf "nachgelassenen Notizen von Gregor" (S. 271).
- Kim Philby: Im Secret Service
Die Memoiren eines berühmten, ja legendären Doppelagenten aus der Zeit des Kalten Krieges schien mir ein vielversprechendes Stück Lektüre zu sein; und das Vorwort, für das ein "O. Kedrow" verantwortlich zeichnete, schraubte meine Erwartungen noch um ein paar Grade höher. Kedrow zitiert den "ehemalige[n] Geheimdienstmann Graham Greene, heute ein bekannter Schriftsteller", mit der Aussage, Philbys Memoiren "ganz und gar nicht ein solches Buch [...], wie es die Feinde Philbys erwarteten": Es sei "ein ehrliches, gut und spannend geschriebenes Werk", "ergreifender als irgendein Roman über Spionage, den er kenne" (S. 14f.). Diese Einschätzung gewinnt noch zusätzliches Gewicht (oder wenn man so will, zusätzliche Brisanz) dadurch, dass Greene - der in einem seiner eigenen Romane schrieb "Ein Romanschriftsteller ist so etwas wie ein Spion" - während seiner Tätigkeit für den britischen Geheimdienst unmittelbar mit Philby zusammenarbeitete und mit ihm befreundet war; folgerichtig wird er in Philbys Buch mehrfach erwähnt (darauf komme ich noch zurück). Dass Greene aus dem Geheimdienst ausschied, bevor Philby als Doppelagent enttarnt wurde und sich nach Moskau absetzte, hat zu allerlei Gerüchten und Verschwörungstheorien Anlass gegeben, bis hin zu der These, Philby sei in Wirklichkeit ein "Dreifachagent" gewesen, habe also tatsächlich im britischen Auftrag den KGB infiltriert statt umgekehrt, und Greene sei sein Führungsoffizier gewesen.
Davon liest man in Philbys in Moskau verfasstem Buch - dessen deutsche Ausgabe im Militärverlag der DDR erschien - naturgemäß nichts, aber auch sonst muss ich sagen, dass mein Lektüreeindruck weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Vielleicht liegt es zum Teil an Kürzungen in der deutschen Ausgabe (eine Vermutung, die auch dadurch genährt wird, dass ich bei manchen Passagen den Eindruck hatte, sie wirkten infolge fehlenden Kontexts unverständlich), und zum Teil sicherlich auch daran, dass ein Spion, selbst wenn er bereits aufgeflogen ist, es sich nur innerhalb gewisser Grenzen erlauben kann, Interna auszuplaudern; zum Teil nervt mich wohl auch einfach der selbstgefällige und nicht selten anzügliche Plauderton, in dem das Buch erzählt ist. Jedenfalls fand ich es weder vom Unterhaltungswert noch vom Informationsgehalt her so spannend, wie ich erwartet oder gehofft hatte.
Das schließt natürlich nicht aus, dass es hier und da dennoch interessante Details geben kann, und die gibt es auch. Ich erwähnte bereits, dass Graham Greene an ein paar Stellen im Buch auftritt; fast noch interessanter ist aber, dass jeweils im selben Atemzug auch Malcolm Muggeridge erwähnt wird. So heißt es schon auf S. 50: “Der Geheimdienst verkraftete sogar solche heiklen Importe wie Graham Greene und Malcolm Muggeridge, die beide nur zur Erheiterung des Dienstes beitrugen." Das klingt recht geringschätzig, finde ich; aber auf S. 84f. geht Philby etwas ausführlicher auf diese beiden Kollegen ein, und wenngleich er auch hier durchblicken lässt, dass er von ihrer Befähigung für die Arbeit eher keine allzu hohe Meinung hatte, gibt er gleichzeitig zu erkennen, dass er beide persönlich durchaus schätzte und mochte. -- Sonderlich ergiebig ist die Passage allerdings nicht. Gerade über Muggeridge hätte Philby zweifellos noch erheblich mehr schreiben können, aber es ist leicht ersichtlich, warum er das nicht wollte: Ebenso wie Philby selbst hatte der rund ein Jahrzehnt ältere Muggeridge als junger Erwachsener mit dem Kommunismus sympathisiert, aber gerade dadurch, dass er Anfang der 1930er-Jahre als Korrespondent des Guardian in die Sowjetunion gegangen war, hatte er sich zum Antikommunisten gewandelt. Muggeridge war es gewesen, der durch anonym im Guardian veröffentlichte Reportagen den Holodomor in der Ukraine aufgedeckt hatte; später hatte er entscheidenden Anteil daran, Mutter Teresa international bekannt zu machen, und konvertierte 1982 zum Katholizismus.
À propos Katholizismus: Anlässlich seiner Versetzung nach Istanbul Anfang 1947 erwähnt Philby, wie er mehrere Tage lang auf einen Flug warten musste -- und zwar gemeinsam mit "einer Gruppe von Nonnen, die nach Bulawayo fliegen wollten. An einem trüben Morgen wurde schließlich der Start ihres Flugzeuges angesagt. Dieser Morgen stellte sich fürwahr als trübe heraus: Alle ohne Ausnahme kamen um" (S. 131). Meinen Recherchen zufolge müsste sich dies auf den Absturz einer Douglas C-47A beim Start auf dem Flughafen Croydon am 25. Januar 1947 beziehen, das Ziel des Fluges war allerdings nicht Bulawayo, sondern Salisbury, das heutige Harare -- kann man ja mal verwechseln. Noch in den 1970er-Jahren wollen einige Leute beobachtet haben, dass die Geister der drei verunglückten Ordensschwestern (anhand von Philbys Schilderung hätte ich gedacht, es wären mehr gewesen) in der Nähe des Absturzortes spukten.
Das führt nun allerdings etwas vom Thema weg, will sagen: von meinem primären Interesse an diesem Buch, das natürlich darin bestand, dass ich annahm, von dem mit allen Wassern gewaschenen Doppelagenten Philby könne der geneigte #BenOpper etwas über konspirative Arbeit lernen. Gerade in dieser Hinsicht erweist sich das Buch jedoch als ausgesprochen enttäuschend. Einige Schlaglichter zu diesem Thema habe ich mir aber doch 'rausgeschrieben. So stellt Philby auf S. 132 eine, wie mir scheint, beherzigenswerte "Arbeitsregel" auf:
"Wo du dich immer aufhältst, höre nicht auf die alten Routiniers."
Interessant ist auch, was Philby über seinen Mitspion Guy Burgess schreibt, der während des II. Weltkriegs in einer Unterabteilung des britischen Geheimdienstes ein Ausbildungsprogramm für Saboteure leitete. Burgess, so schreibt Philby, "hatte seine Unterabteilung in eine Art Ideenfabrik verwandelt. Er betrachtete sich als ein Rad, das beim Drehen Ideen wie Funken aussendet. Wohin diese Funken fielen, interessierte ihn anscheinend nicht" (S. 27). Ein weiterer Satz, der es, wie mir scheint, wert sein könnte, gründlich über ihn zu reflektieren, findet sich auf S. 40:
"Europa in Flammen zu setzen [...] ließ sich nicht erreichen, wenn man das Volk dazu aufrief, bei der Wiederherstellung der unpopulären und diskreditierten alten Ordnung mitzuwirken."
Das war's dann aber auch schon fast. Recht amüsant fand ich eine Passage, in der "Dick White, der damalige Sekretät des MI5-Direktors", berichtet, dass er "einen Alptraum gehabt habe: Man bot Geheimdienstmaterialien an Zeitungskiosken zum Verkauf an" (S. 58).
Alles in allem würde ich sagen, ich bedaure es nicht unbedingt, dieses Buch auf meine Leseliste gesetzt zu haben, denn ein paar interessante Impulse hat es ja immerhin abgeworfen; aber für einen Platz in der Rangliste ist das schlicht zu wenig.
- Gabriel Garcia Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit
Hier haben wir nun den worst case in Hinblick auf die Wiederaufnahme des Projekts "100-Bücher-Challenge" nach über einem Jahr Unterbrechung: Ich bin mir annähernd sicher, dass ich mir bei der Lektüre von "100 Jahre Einsamkeit" Notizen gemacht habe, aber diese sind unauffindbar. Also werde ich wohl versuchen müssen, sie aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren.
Da ich irgendwann mal die Regel aufgestellt habe, "Klassiker der Weltliteratur" könnten zwar wohl in meine Leseliste, aber nicht in meine Rangliste der #BenOp-relevanten Lesefrüchte aufgenommen werden, da dies gewissermaßen "Wettbewerbsverzerrung" wäre, war von vornherein klar, dass das wohl bekannteste Werk des Literaturnobelpreisträgers von 1986 nur "außer Konkurrenz" mitlaufen würde; über den mir selbst nicht ganz erklärlichen Widerwillen, dieses Buch zu lesen, habe ich mich ja bereits geäußert, aber ich probierte es trotzdem. Bedenkt man, dass der Ausgangspunkt der Romanhandlung darin besteht, dass einige Familien in den Dschungel ziehen, um dort eine Stadt (bzw. ein Dorf) zu gründen, erschien es ja nicht unbedingt völlig abwegig, ein gewisses Maß an #BenOp-Relevanz zu erwarten oder zu erhoffen.
"Anfangs war José Arcadio Buendía eine Art jugendlicher Patriarch gewesen, der Anweisungen für die Aussaat und Ratschläge für die Aufzucht von Kindern und Tieren erteilte, der zum Gedeihen der Gemeinde bei allem, auch bei der körperlichen Arbeit, mitwirkte. Da sein Haus von Anfang an das beste des Orts war, wurden die anderen nach seinem Vorbild gebaut. [...] José Arcadio Buendía, der unternehmungsfreudigste Mann, der je im Dorf gesehen worden war, hatte die Siedlung so geplant, daß man von jedem der Häuser den Fluss erreichen und mit gleicher Mühe Wasser schöpfen konnte, er hatte auch die Straßen so geschickt gezogen, daß in der Stunde der größten Hitze kein Haus mehr Sonne empfing als ein anderes. In wenigen Jahren war Macondo das ordentlichste und arbeitsamste Dorf von all denen, die seine dreihundert Einwohner bisher gekannt hatten. Es war wahrlich ein glücklicher Ort, in dem niemand älter als dreißig Jahre und in dem noch niemand gestorben war." (S. 14f.)
Allerdings handelt es sich bei dieser Gründung um einen Ort ohne Kirche und ohne Priester -- was, auch wenn es zunächst gar nicht explizit erwähnt wird, anscheinend mit zu seinem utopischen Charakter gehören soll: Als nämlich nach Jahren doch einmal ein Priester nach Macondo kommt und sich entsetzt zeigt "über die seelische Dürre der Einwohner [...], die im Ärgernis zu gedeihen schienen und nur dem Naturgesetz gehorchten, ohne ihre Kinder zu taufen und die Feiertage zu heiligen", erwidert man ihm, "man habe viele Jahre hindurch ohne Priester gelebt, habe die Geschäfte der Seele unmittelbar mit Gott verhandelt und habe die Bosheit der Todsünde verloren" (S. 85).
Als die ganze Bevölkerung Macondos vorübergehend von einer Art epidemischen Gedächtnisschwunds befallen wird und alle Gegenstände beschriftet werden, damit man nicht vergisst, wozu sie gebraucht werden, wird "[a]m Eingang zum Moorweg [...] ein Schild mit der Aufschrift Gott existiert aufgestellt" (S. 52); na immerhin. Nicht lange darauf verfällt José Arcadio Buendía allerdings auf die Idee, "den wissenschaftlichen Beweis für die Existenz Gottes zu erbringen [...] oder mit der Mutmaßung seiner Existenz ein für allemal aufräumen zu können" (S. 57), und der ausbleibende Erfolg seiner Versuche trägt offenbar dazu bei, dass er den Verstand verliert.
Da seine Bemühungen, Spenden für den Bau einer Kirche in Macondo aufzubringen, nicht den erhofften Erfolg haben, "baute er einen Behelfsaltar auf dem Dorfplatz, lief am Sonntag mit einer Schelle durchs Dorf [...] und rief zur Feldmesse. Viele kamen aus Neugierde. Andere aus Sehnsucht. Dritte, damit Gott die Mißachtung, der sein Mittler sich ausgesetzt sah, nicht als persönliche Beleidigung auffasse. So fand sich denn gegen acht Uhr morgens das halbe Dorf auf dem Platz ein, wo Pater Nicanor [...] die Evangelien sang" (S. 85f.). Zudem beeindruckt er die Dörfler durch die Gabe der Levitation, über die er allerdings nur verfügt, wenn er zuvor eine Tasse Schokolade getrunken hat. Das Geld für den Kirchenbau bekommt er so schließlich doch zusammen; nicht lange darauf zeigen sich erste Anzeichen für einen bevorstehenden Bürgerkrieg zwischen Liberalen und Konservativen, und der konservative Landrichter warnt, die Liberalen verfolgten die Absicht, "Priester aufzuhängen, die standesamtliche Trauung und die Scheidung einzuführen" (S. 98). Tatsächlich bricht besonders unter den jüngeren Einwohnern Macondos bald "das liberale Fieber" aus, und man spricht davon, "Pater Nicanor zu erschießen, die Kirche in eine Schule umzuwandeln, die freie Liebe einzuführen" (S. 103). Als der Bürgerkrieg tatsächlich beginnt und Macondo zunächst handstreichartig von den Truppen der Konservativen besetzt wird, hegen allerdings auch diese keinen besonderen Respekt vor der Kirche: Als Pater Nicanor sie "mit dem Wunder der Levitation zu beeindrucken" versucht, schlägt "ein Soldat ihm mit dem Gewehrkolben über den Kopf" (ebd.). Als die Liberalen die Macht in Macondo übernehmen, erhält Pater Nicanor "unter Androhung des Erschießens Hausarrest im Pfarrhaus", und ihm wird verboten, "die Messe zu lesen und die Glocken zu läuten - es sei denn, um Siege der Liberalen zu feiern" (S. 107). Womit wohl wieder einmal bewiesen wäre: Im liberalen Sinne bedeutet liberal nicht nur liberal (Loriot).
Die hier geschilderten Vorgänge machen allerdings nur einen kleinen Teil von dem aus, was sich auf den ersten rd. 100 Seiten des Romans so alles ereignet. Großen Raum nehmen die zumeist erfolglosen alchimistischen Experimente des Stadt- bzw. Dorfgründers José Arcadio Buendía und die wiederholten Auftritte des anscheinend zauberkundigen alten Zigeuners Melchíades ein, daneben dreht sich viel um körperliche Missbildungen und verschiedene Formen des Wahnsinns, und vor allem dreht sich sehr viel um Sex. Die Mischung aus diesen Elementen soll wohl charakteristisch dafür sein, was die Literaturkritik "Magischen Realismus" nennt, aber wenn das so ist, dann ist diese Stilrichtung einfach nicht mein Ding. -- Die von mir benutzte Ausgabe ist in der Reihe "Taschenbibliothek der Weltliteratur" des Aufbau-Verlags erschienen; auf dem rückwärtigen Buchdeckel liest man:
"'Hundert Jahre Einsamkeit' ist das Buch der puren Fabulierkunst, die ungehemmt aus vielen Quellen [...] hervorbricht [...]. Merkwürdige Episoden, Legenden und Anekdoten folgen einander in unerschöpflicher Fülle und fügen sich zu einem riesigen kontrastreichen Fresko" --
-- und ich denke stirnrunzelnd: Sicher, so KANN man das ausdrücken.
Ich hätte vielleicht noch über Manches hinweggesehen, wenn ich innerhalb der ersten 100 Seiten den Eindruck gewonnen hätte, die Handlung des Romans entwickle sich in eine interessante Richtung oder überhaupt in irgendeine Richtung. Stattdessen wurden nur immer mehr und noch mehr groteske und bizarre Einfälle aufeinander gehäuft. Als ich schließlich anfing, Albträume von dem Buch zu bekommen, reichte es mir: Ich brach die Lektüre des Romans nach knapp einem Viertel des Gesamtumfangs ab. Mich zwingt ja zum Glück keiner, es zu Ende zu lesen. Aber dass dieses Werk Pflichtlektüre an Hochschulen ist, dass sein Verfasser Nobelpreisträger für Literatur ist, das hinterlässt mich etwas ratlos. Wenn DAS "große, bedeutende Literatur" sein soll, dann kann man auch einen Scheißhaufen in eine Vitrine stellen und behaupten, er wäre eine Skulptur. Sorry not sorry.
- Eva Völler: Ich bin alt und brauche das Geld
Man kann es wohl nur als Zufall betrachten, dass ich von den zahlreichen heiter-frivolen Trivialromanen "von Frauen für Frauen", die ich beim Sichten und Sortieren von Bücherspenden für das Büchereiprojekt in die Hand bekommen habe, gerade diesen auf meine Leseliste gesetzt habe. Einen plausiblen Grund dafür wüsste ich jedenfalls nicht. Die ersten Seiten jedenfalls schienen meine Erwartung vollauf zu bestätigen, es handle sich um einen typischen postfeministischen Schmöker irgendwo zwischen "Mondscheintarif" und "Die Dienstagsfrauen", der sich mit tantigem Augenzwinkern und Lippenschürzen über den Umstand ausbreitet, dass die moderne, emanzipierte Frau von heute auch jenseits der Wechseljahre noch Sex hat oder zumindest haben will. Bereits im zweiten Satz (auf S. 9) fällt das Wort "Hoden"; huiuiui, was sind wir frivol. Auf S. 33 wird über den "weltweite[n] Siegeszug von Botox und Viagra" sinniert, und auch im weiteren Verlauf des Buches gibt es immer wieder Passagen, die voll auf der Schiene des postfeministischen Unterhaltungsromans fahren; die "mentale Checkliste" etwa, die die Ich-Erzählerin auf S. 186 angesichts eines sich anbahnenden One-Night-Stands durchgeht ("Haare gewaschen, Körperpeeling gemacht, Kaltwachs benutzt, duftende Bodylotion aufgetragen. Sogar halterlose Strümpfe angezogen. Hm. Alles im grünen Bereich"), könnte Wort für Wort genauso in Ildikó von Kürthys "Mondscheintarif" stehen. Und als die Protagonistin ihrer Freundin Doro erzählt, sie "überlege, bei der Bank wegen eines Existenzgründungsdarlehens vorzufühlen", rät Doro ihr mit dem Hinweis ab, sie kenne "eigentlich nur einen Fall, wo eine Frau mit fünfzig sich erfolgreich selbstständig gemacht hat" -- nämlich mit einer Telefonsex-Hotline (S. 255). Dennoch wird schon recht bald erkennbar oder zumindest erahnbar, dass der Schwerpunkt des Buches eigentlich auf etwas Anderem liegt als auf faden Sexwitzchen -- und dass die Autorin erheblich mehr drauf hat als viele ihrer Genrekolleginnen.
Die Handlung des Romans nachzuerzählen, erspare man mir bitte; sie ist auch, wenn ich das mal so sagen darf, weitgehend unerheblich. Im Kern geht es darum, dass die Protagonistin, die gerade umgezogen ist und eigentlich noch mitten in der Renovierung steckt, plötzlich zwei kleine Kinder hüten muss; und die Autorin malt teils mehr, teils weniger gelungen so allerlei heitere und/oder dramatische Situationen aus, die sich aus dieser Konstellation ergeben. Interessant ist allerdings, wie es überhaupt zu diesem ganzen Schlamassel kommt: Auf der Beerdigung ihres Ex-Lebensgefährten - von dem sie sich getrennt hat, nachdem sie herausgefunden hat, dass er fremdgegangen ist und sie außerdem um eine beträchtliche Menge Geld betrogen hat - lernt die Ich-Erzählerin Charlotte die Tochter des Verblichenen kennen, die zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren hat und außerdem wieder schwanger ist. Dieses Kennenlernen kommt dadurch zustande, dass Charlotte der jungen Mutter bei einem Trotzanfall des dreijährigen Max zu Hilfe kommt -- sie war früher Erzieherin und kennt sich daher mit solchen Situationen aus. Die beiden Kinder schließen Charlotte sofort ins Herz -- was dazu führt, dass ihre Mutter, als sie kurz darauf dringend verreisen muss, auf die Idee kommt, die beiden Kleinen solange bei Charlotte zu lassen.
Nun sind Kinder im Postfeminismus natürlich ein heikles Thema. Schon bevor die Enkel ihres verblichenen Ex temporär bei ihr einziehen, wird Charlotte durch die Begegnung mit ihnen dazu veranlasst, über die verpasste Gelegenheit zu reflektieren, eigene Kinder zu haben:
"Mit zwanzig hatte Ich mir vorgestellt, bald zu heiraten und zwei Kinder zu kriegen. Mit dreißig hatte ich eine pflegebedürftige Mutter und ab und zu Kurzzeitbeziehungen, die unterm Strich mehr Frust als Freude brachten. Mit vierzig war ich kein Stück weiter gewesen, nichts hatte sich geändert, abgesehen davon, dass meine Mutter nicht mehr lebte und die Männergeschichten seltener wurden. Das Zeitfenster für eine Familiengründung hatte sich irgendwann unbemerkt geschlossen." (S. 64)
Das würde ich mal als einen ziemlich desillusionierten Blick auf die Glücksverheißungen der Frauenemanzipation bezeichnen! -- Es erscheint nur folgerichtig, dass Charlotte gegen Ende des Handlungszeitraums bekennt: "Ich hatte die Kinder auf eine Weise ins Herz geschlossen, die mir ein bisschen Angst machte. Vor allem davor, dass sie bald nicht mehr hier sein würden" (S. 259).
Auch auf die beiläufige Erwähnung der pflegebedürftigen Mutter wird noch einmal etwas einlässlicher Bezug genommen:
"Ich vermisste meine Mutter immer noch, obwohl sie schon vor siebzehn Jahren gestorben war. Die drei letzten Jahre vor ihrem Tod hatte sie nach einem Sturz Pflege gebraucht, was für mich eine anstrengende Doppelbelastung bedeutet hatte, weil ich ja nebenher noch den Laden betrieben hatte. Trotzdem hätte ich keinen Tag mit meiner Mutter müssen wollen" (S. 223).
Aber bleiben wir mal bei den Kindern: Das Mädchen (heißt es eigentlich Paula oder Pauline? Die Autorin, oder vielleicht eher Charlotte als "unzuverlässige Erzählerin, scheint sich da selbst nicht ganz einig zu sein) ist Fünf und geht in den Kindergarten, ihr kleiner Bruder Max ist Drei und soll ebenfalls anfangen, in den Kindergarten zu gehen -- und Charlotte fällt die Aufgabe zu, ihn an seinem ersten Tag zu begleiten. Gemessen am einigermaßen überschaubaren Gesamtumfang des Romans nimmt die Schilderung von Mäxchens erstem Kindergartentag bemerkenswert breiten Raum ein - gut acht Seiten! -, und für mich als Kindergartenskeptiker ist das die vielleicht interessanteste Passage des ganzen Buches. Charlotte nimmt ihre oberflächlich-doofe Freundin Doro als "Verstärkung" mit, da sie aus ihrer eigenen Berufserfahrung als Erzieherin weiß, dass der erste Tag im Kindergarten "stressig" werden kann: "Manche Kinder haben ein Problem, sich von ihren Bezugspersonen zu trennen. Das kann für alle Beteiligten ziemlich unerfreulich werden" (S. 211). Doro, die selbst nie im Kindergarten war, nimmt an, so schlimm könne das doch gar nicht sein -- und erlebt folgerichtig ihr blaues Wunder. Mäxchen macht von der ersten Sekunde an unmissverständlich deutlich, dass er nicht gewillt ist, ohne Charlotte im Kindergarten zu bleiben -- und nicht nur er:
"Einer der beiden anderen kleinen Jungen hatte sich wie ein Krake an seine Mutter geklammert, die gerade den Raum verlassen wollte. Er kreischte als Leibeskräften. Man konnte nur an vereinzelten Wortfetzen wie heim und blöd hier verstehen, was er wollte. Beziehungsweise nicht wollte. Seine Mutter strich ihm über den Kopf und sah hilflos lächelnd in die Runde. Neben mir hatte Mäxchen angefangen zu weinen. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht, er schluchzte zum Steinerweichen." (S. 217)
Die unsympathische, permanent kichernde Erzieherin Evelyn meint jedoch, solche Szenen gehörten "bei den kleinen Anfängern zum morgendlichen Alltag" - "als hätte das Weinen keine andere Bedeutung als Frühstücken oder Zähneputzen", kommentiert Charlottes Erzählerstimme grimmig -, und man solle das am besten einfach ignorieren: "Das vergeht schon, wenn Sie erst mal draußen sind und er Sie nicht mehr sieht. Aus den Augen, aus dem Sinn" (ebd.). Erst als Doro durchblicken lässt, dass Charlotte selbst gelernte Erzieherin ist, ist Evelyn bereit, sich von ihr etwas sagen zu lassen.
Schließlich verbringt Charlotte volle zwei Stunden im Kindergarten -- ebenso wie die Mütter zweier anderer Kindergarten-Neulinge.
"Nur eine einzige Mutter hatte hartherzig [!] ihren kreischenden Sprössling zurückgelassen, sie hatte mit leicht verzerrtem Lächeln erklärt, dass sie leider zur Arbeit müsse und dass der Kleine garantiert mit dem Heulen aufhören würde, sobald sie außer Sicht war [...]. Zu meinem Ärger hatte sie recht behalten [...] Manchmal klappte es tatsächlich auf die harte Tour, aber ich hatte früher auch andere Fälle erlebt, bei denen die Kinder den ganzen Morgen Rotz und Wasser geheult hatten. Man wusste es vorher nie ganz genau" (S. 219).
Nach allem, was ich im "kindergartenfrei"-Netzwerk so an Erfahrungsberichten zum Thema Kindergarten-Eingewöhnung mitbekommen habe, bin ich der Überzeugung, dass das Verhalten der Erzieherin Evelyn - insbesondere ihr Bestreben, die Bezugsperson des Kindes möglichst schnell loszuwerden, und ihr unnachgiebiges Beharren, es sei "ganz normal" (und daher nicht schlimm), wenn die Kinder weinen - absolut realistisch dargestellt ist. Vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass Grundsatzkritik an der Institution Kindergarten weithin als reaktionär, weltfremd und anti-emanzipatorisch (wenn nicht Schlimmeres) wahrgenommen wird, kann man es schon als einigermaßen sensationell bezeichnen, eine derart ungeschönte Schilderung in einem alles in allem doch recht "mainstreamigen" Unterhaltungsroman vorzufinden. An Mäxchens zweitem Tag im Kindergarten gibt es übrigens Ärger, weil er (ausnahmsweise) eine Windel trägt: "Nach unseren Richtlinien dürfen Kinder im Kindergarten keine Windel tragen. Es gehört zu den Aufnahmevoraussetzungen, dass sie tagsüber sauber sind" (S. 244).
Dafür, dass Charlotte an diesem zweiten Tag dennoch mit "Stolz" auf die Anpassungsleistung des frischgebacken Kindergartenkindes reagiert - "weil er so ein mutiger kleiner Kerl war" (S. 245), gibt es zwar Abzüge in der B-Note, aber ich könnte mir ehrlich gesagt auch keine andere im Rahmen der Romanhandlung praktikable Lösung vorstellen als die, dass Mäxchen sich eben doch damit abfindet, in den Kindergarten zu gehen.
Am Rande der Kindergarten-Schilderung wird übrigens ein "Arche Noah"-Puzzle erwähnt (S. 218); das könnte man als ein vernachlässigenswertes Detail betrachten, gäbe es nicht schon früher einen auffälligeren Hinweis darauf, dass es sich um einen kirchlichen oder jedenfalls irgendwie christlich orientierten Kindergarten handelt: Bei der Beerdigung des Großvaters wirft die fünfjährige Paula unvermittelt die Frage auf, ob dieser womöglich "überhaupt nicht in den Himmel kommt": "Vielleicht kommt er ins Fegefeuer und muss da verbrennen! Weil er so ein liebloser Mistkerl war!" (S. 53). Ob das fehlerhafte Verständnis des Begriffs "Fegefeuer", das sich hier äußert, der Autorin anzulasten ist oder eher den unvollkommenen Kenntnisstand des Kindes charakterisieren soll, sei mal dahingestellt; viel interessanter ist allemal, dass die Mutter des Mädchens klarstellt, "das mit dem Fegefeuer" habe das Kind nicht von ihr, sondern "das lernen sie im Kindergarten" (ebd.).
Insgesamt fällt es auf, dass "gendergerechte" Kindererziehung in diesem Roman nicht sonderlich groß geschrieben wird: Beim Spiel mit den Nachbarskindern im Hof herrscht die "klassische Rollenverteilung, genau wie im wirklichen Leben. Die Jungs mochten schnelle Autos, die Mädchen Kaffeeklatsch mit Freundinnen" (S. 168). Als Paulinchen Charlottes Parfum ausprobieren möchte ("Ich will auch gut riechen [...]. Genau wie du") und der kleine Max das daraufhin auch will, protestiert die Fünfjährige: "Du bist doch ein Junge" (S. 199 -- allerdings bekommt Mädchen dann "[a]ja Gerechtigkeitsgründen" doch ein paar Tröpfchen Duftwasser auf die Arme). Der männliche Sympathieträger des Romans, Charlottes Vermieter Adrian, bringt dem dreijährigem Knirps sogar bei, zu pinkeln "wie ein richtiger Mann" (S. 152).
Dieser Adrian avanciert übrigens recht schnell zum "Love Interest" der Protagonistin; ganz ohne Liebesgeschichte geht es wohl nicht, und immerhin ist er eine recht interessante Wahl für diese Rolle. Als sie ihm zum ersten Mal begegnet (und ihn lediglich für einen anderen Mieter in dem Haus handelt, in das sie einziehen will - da er ihr verschweigt, dass das Haus ihm gehört), findet sie, er sehe mit "den buschigen Brauen, dem massiven Körperbau und den enormen Händen und Füßen [...] aus wie eine Art Rübezahl, was durch das verschossene Holzfällerhemd und die abgeschabten Jeans noch unterstrichen wurde" (S. 29); im weiteren Verlauf der Handlung findet sie ihn zwar von Begegnung zu Begegnung attraktiver, aber das liegt wohl vor allem daran, dass sie ihn sprichwörtlich mit anderen Augen ansieht, je mehr sie feststellt, dass er so ein souveräner, hilfsbereiter, praktisch veranlagter und humorvoller Typ ist, der obendrein gut mit den Kindern kann. -- Dass er aber hauptberuflich Drehbuchautor ist und sich in Absprache mit der Protagonistin daran macht, die Ereignisse des Romans, noch während sie sich ereignen, zu einem Fernsehspiel zu verarbeiten, war mir dann doch ein bisschen zu ville. "Du bist nicht Barbara Noack und das hier ist nicht 'Die Zürcher Verlobung'!", maulte ich die Autorin in Gedanken an -- um mich gleich darauf zu fragen: Moment mal, IST "Die Zürcher Verlobung" überhaupt von Barbara Noack? Aber ich hab's nachgelesen, und es stimmt. Also, dieser Twist hätte meinetwegen nicht sein müssen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es Leser(innen) gibt, die genau das total witzig und, weil sie "Die Zürcher Verlobung" nicht kennen, sogar originell finden.
- Henri Nouwen: Ich hörte auf die Stille
"Sieben Monate im Trappistenkloster" lautet der Untertitel dieses Buches, und damit ist wohl schon einigermaßen klar, wo hier die #BenOp-Relevanz zu erwarten ist. Merke: Die verschärfte Version der Benediktiner sind die Zisterzienser, und die nochmals verschärfte Version der Zisterzienser sind die Trappisten. -- Dennoch erscheint es mir ein bisschen tragikomisch, dass der Verfasser des Vorworts zur deutschen Ausgabe, Br. Bernardin Schellenberger OCSO, von der Voraussetzung auszugehen scheint, der Leser wolle aus diesem Buch vor allem etwas über das Leben in einem Trappistenkloster erfahren. Ich würde ja davon ausgehen, dass der typische Leser dieses Buches es in erster Linie deshalb liest, weil es ein Buch des berühmten Pastoralpsychologen Henri Nouwen ist -- und da fangen für mich die Zwiespältigkeiten an, denn auch wenn ich vor der Lektüre dieses Buches nur eine eher vage Ahnung davon hatte, was der 1996 verstorbene Nouwen "für einer ist", ist sein Name für mich doch assoziativ (und wohl nicht ganz zu Unrecht) mit jener charakteristischen Mischung aus linkem Politikjargon und "Neue Innerlichkeit"-Psychobabbel verknüpft, die sich seit den 1970ern in der Kirche breitgemacht hat und bis heute nicht so richtig totzukriegen ist. Vielleicht verwechsle ich ihn teilweise aber auch mit Phil Bosmans, und so schlimm ist Nouwen dann auch wieder nicht. Aber ich will mir nicht vorgreifen.
Wie dem auch sei: Nouwens in diesem Buch geschilderter Aufenthalt in der Trappistenabtei Genesee im ländlichen Teil des Staates New York fand im Jahr 1974 statt, das Buch erschien im Original 1976 und schon ein Jahr später auf Deutsch, und damit ist dieses Buch natürlich auch und nicht zuletzt ein kirchengeschichtliches Zeitdokument, insofern, als es ein eindrückliches Bild einer Zeit bietet, die man wohl als die Zeit der nachkonziliaren Wirren bezeichnen kann oder sogar muss. Eine Zeit, die mich durchaus interessiert und fasziniert, zumal wir ihre Auswirkungen auf das Leben der Kirche ja in vielfacher Hinsicht bis heute spüren.
Die Tagebuchform bedingt es, dass der Autor selbst die zentrale Hauptfigur des Buches ist: Der Leser sieht alles, was sich im Handlungszeitraum des Buches in der Abtei Genesee ereignet, durch Nouwens Brille; seine Gedanken und Gefühle, oder genauer: seine Reflexionen über seine Gefühle nehmen breiten Raum ein. Die zweite Hauptfigur des Buches ist der Abt des Klosters, Fr. John Eudes Bamberger, den Nouwen mit Respekt und sogar mit Bewunderung schildert, an dem er sich aber oft auch reibt, und zwar in der Regel deshalb, weil Bamberger - wenngleich er durchaus stärker vom progressiven Geist der Zeit ergriffen scheint, als man es vom Abt eines Trappistenklosters vielleicht hätte erwarten sollen - in mancherlei Hinsicht entschieden konservativer ist als Nouwen. Und als dritte Hauptfigur des Buches kann man Thomas Merton betrachten, obwohl der zur Handlungszeit bereits sechs Jahre tot ist. Jedenfalls ist wiederholt recht einlässlich von ihm die Rede, und einmal träumt Nouwen sogar von ihm ("Ich hatte nie vorher von ihm geträumt; aber dieser Traum scheint bezeichnend zu sein"; S. 36) -- das ist eine meiner Lieblingspassagen aus diesem Buch, also fangen wir damit doch einfach mal an:
"Ich befand mich mit einer kleinen Gruppe von Schwestern in einem Erholungsraum. Wir saßen dort beieinander und warteten auf Thomas Merton, der einen Vortrag halten sollte. Die Atmosphäre war gelöst und ungezwungen. Die Schwestern trugen Zivil und unterhielten sich angeregt.
Plötzlich erschien Merton. Er kam mit weit ausgreifenden Schritten herein. Er war kahlköpfig und in ein ganz weißes Habit gekleidet. Sofort nach seinem Erscheinen verließ er den Raum wieder, angeblich, um die Notizen für seinen Vortrag zu holen. Dann verschwanden die Schwestern und kehrten innerhalb von ein paar Minuten zurück, jetzt alle in makellos weiße Gewänder gehüllt. Sie setzten sich auf den Fußboden und nahmen eine sehr kontemplative Haltung ein. Sie sprachen kein einziges Wort, schauten sehr fromm drein und bereiteten sich offensichtlich darauf vor, den Worten des großen geistlichen Meisters zu lauschen.
Als ich das Zimmer verließ, um nachzusehen, wohin Merton gegangen sei, fand ich ihn in einem kleinen Schuppen. Er trug braune Hosen, Tennisschuhe und einen gelben Pulli, auf dem etwas geschrieben stand, was ich nicht lesen konnte. Er war intensiv damit beschäftigt, etwas zu reparieren. Ich begann, ihm zu helfen, ohne genau zu wissen, wie ich es machen sollte. Ich stellte ihm ein paar Fragen über Nägel und Schrauben. Obwohl er einen freundlichen Eindruck machte, antwortete er mir nicht. Dann fing er an, eine alte gelbe Bank mit Sandpapier abzureiben und mit brauner Farbe neu zu streichen. Ich fragte ihn, woher er das Sandpapier und die Farbe habe, aber wieder antwortete er nicht, sondern lud mich mit einer schweigenden Geste ein, ihm zu helfen.
Es war mir ganz gegenwärtig, daß die Schwestern auf seinen Vortrag warteten, aber es schien irgendwie sinnlos, ihm das zu sagen. Ich fing einfach an, mit ihm die Bank zu streichen. Dann wachte ich auf." (S. 36f.)
Ich denke, man kann Nouwen nicht g'nug danken, dass er darauf verzichtet, seinen Lesern eine explizite Deutung dieses Traums aufzutischen; gleichwohl liegt es auf der Hand, dass dieser Traum weniger über den echten Thomas Merton aussagt als über Nouwens Sicht auf ihn. Aber sei's drum: Mir gefällt dieser Traum, und in gewissem Sinne bestärkt er mich in meiner schon mehrfach geäußerten Ahnung, dass Thomas Merton eine sehr interessante und vielschichtige Gestalt ist. Die anderen Passagen des Buches, in denen Merton erwähnt wird, unterstreichen diesen Eindruck. So unterhält sich Nouwen mit dem Einsiedler der Abtei, Bruder Elias, über Thomas Merton, und Bruder Elias "brachte es fertig, seine Kritik in Form eines Kompliments anzubringen: 'Er war ein guter Schriftsteller -- seine Bücher sind sehr gut; für das bißchen Einsamkeit, das er hatte, hat er sehr gut darüber gesprochen.'" (S. 16f.). Nouwen kommentiert:
"Ich wußte, wie recht er hatte. Mertons tiefe Sehnsucht nach der Einsamkeit hatte in dauernder Spannung zu seinem geselligen Wesen gestanden. Er hat immer viele Menschen um sich gehabt, wenn nicht körperlich, so durch Briefe und Bücher. Und er war dabei in seinem Element. Doch bis in die letzten Tage seines Lebens träumte er noch immer von einer Einsiedelei, in der er mit Gott allein sein könnte. Während seiner Reisen durch Indien schrieb er von der Möglichkeit einer Einsiedelei in Alaska. Gerade die Spannung zwischen dem großen Verlangen nach Einsamkeit und seinem tiefen Mit-Leiden mit so vielen Menschen hat Merton zu dem Schriftsteller gemacht, der er geworden ist." (S. 17)
Über Mertons schriftstellerische Tätigkeit erfährt man an anderer Stelle, dass er "nur während der 'Arbeitszeit' geschrieben habe, und er habe dabei keine Schwierigkeiten gehabt, Gedanken und Themen zu finden, denn dies alles sei anscheinend mühelos ein Ausfluß seines Gebetslebens gewesen.":
"Zwei Mönche haben ihm als Sekretäre zur Verfügung gestanden. Eines Tages haben sie sich beschwert, daß beide zusammen kaum Mertons tägliche Produktion bewältigen könnten. Aber Merton selbst hatte nicht den Eindruck, daß er sich übernehme. Was er schrieb, flog ihm mühelos zu und war ein Teil seines kontemplativen Lebens. Das ist eine vielsagende Geschichte, und sie enthält wichtige Anregungen für mich" (S. 126).
Für mich auch, möchte ich hinzufügen. -- "Der Einfluß von Thomas Merton scheint seit seinem Tod im Dezember 1968 beständig zugenommen zu haben", stellt Nouwen fest: "Viele schreiben über ihn Examensarbeiten und sogar Dissertationen. Immer noch erscheinen Bücher und Artikel über Merton. Seit ich hier bin, sind wenigstens drei neue Bücher über ihn erschienen" (S. 168). An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass mir in der Zwischenzeit, seit ich Nouwens "Ich hörte auf die Stille" gelesen habe, Thomas Mertons Autobiographie "Der Berg der sieben Stufen" als Bücherspende fürs Büchereiprojekt ins Haus geflattert ist, und natürlich habe ich auch dieses Buch auf meine Leseliste gesetzt. Allerdings hat Merton dieses Buch schon Mitte der 1940er-Jahre geschrieben, woraus folgt, dass viele Aspekte, die gerade den "späten Merton", also den der 1960er-Jahre, so interessant und schillernd erscheinen lassen, darin noch gar nicht vorkommen können. Dazu gehört etwa seine Sympathie für die Studenten- und Antikriegsbewegung, aber auch sein Interesse an fernöstlicher Spiritualität. Nouwen äußert an einer Stelle, Merton sei "wie die Bibel": "Man kann ihn fast für alles brauchen" (S. 169).
"Die Konservativen und die Progressiven, die Liberalen und die Radikalen, diejenigen, die sich für Änderungen einsetzen, und diejenigen, die sich über Änderungen beklagen, politische Aktivisten und unpolitische Utopisten, sie alle zitieren Merton, um ihre eigenen Ideen und Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen. Man sieht in ihm den Mann, der Dan Berrigan, Jim Forest und Jim Douglass inspiriert hat, aber er wird auch als 'sicherer' geistlicher Autor in den Refektorien vieler Ordenshäuser vorgelesen. Die Mönche sagen, man könne Merton nicht verstehen, wenn man ihn nicht in erster Linie als Kontemplativen sehe, viele Nicht-Mönche dagegen sehen ihn lieber als Sozialkritiker, als einen Mann, der am Rande des Klosters gelebt und sich intensiv in den Kampf für Frieden und Gerechtigkeit eingelassen hat. Christliche Verehrer betonen Mertons Rechtgläubigkeit, aber auch viele Nichtchristen, die im Fernen Osten nach neuer geistlicher Kraft Ausschau halten, betrachten ihn als ihr Vorbild und ihren Anwalt. Und obwohl Merton in seinen letzten Tagen in Asien in den unmißverständlichsten Worten davon gesprochen hat, er sei ein christlicher Mönch und wolle immer ein solcher bleiben, wollen manche doch glauben, er habe im Sinn gehabt, Buddhist zu werden." (ebd.)
Gerade Mertons Bemühungen um einen Brückenschlag zwischen christlicher Kontemplation und fernöstlichen Meditationstechniken, auf die Nouwen gegen Ende des zitierten Abschnitts anspielt, haben in diesem Buch (bzw. in dem Ausschnitt der Welt, den dieses Buch schildert) deutliche Spuren hinterlassen: Der schon erwähnte Einsiedler der Abtei macht Yoga (vgl. S. 17); zu den Büchern, die Nouwen mit ins Kloster genommen hat - aus der "unbewußten Angst" heraus, ihn "könnte in einem Trappistenkloster die Langeweile überkommen", wie er selbstkritisch anmerkt (S. 15), zählt Robert M. Pirsigs "Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten" (auf den ersten Blick habe ich gelesen "die Kunst, ein Motorrad zu werden", und mich kaum darüber gewundert; bemerkenswerterweise hat auch dieses Buch inzwischen als Bücherspende den Weg zu mir gefunden und wird daher eventuell früher oder später auch auf meiner Leseliste auftauchen); und einmal, als Nouwen mit einem "Kopf [...] voller Fragen" (S. 64) zu John Eudes kommt, gibt dieser ihm ein "Koan" auf (S. 65). -- Fast könnte man vermuten, auch dafür, dass in jeder zweiten Pfarrei und annähernd jeder katholischen Erwachsenenbildungs-Einrichtung Tai Chi- oder Qi Gong-Kurse angeboten werden, sei mittelbar Thomas Merton verantwortlich zu machen.
Unter dem Datum vom 1. Juli 1974 berichtet Nouwen von einem "Solidaritätsfasten für die buddhistischen Mönche" in Südvietnam, "die wegen ihrer Weigerung, sich für den Wehrdienst erfassen zu lassen, eingesperrt worden sind und für heute einen Hungerstreik geplant haben" (S. 47). Nun will ich keinesfalls den Eindruck erwecken, ich hätte etwas gegen eine Solidaritätsbekundung für Angehörige einer anderen Religion einzuwenden, aber ich finde es immerhin interessant, wie fließend hier der Übergang zwischen (religiös motiviertem) Fasten und (politisch motiviertem) Hungerstreik zu sein scheint. Nouwen jedenfalls merkt an, das Solidaritätsfasten habe "uns sicher geholfen, uns der großen Leiden anderer Mönche in dieser Welt besser bewußt zu werden" (ebd.). Und zum Verhältnis zwischen Religion und Politik hat Abt John Eudes in anderem Zusammenhang einige bemerkenswerte Anmerkungen: Auf eine Frage "nach dem politischen Einfluß des Mönchtums, besonders in Hinblick auf die ungeheure politische Wirksamkeit des Heiligen Bernhard", betont John Eudes, "daß das Mönchtum politische, soziologische, psychologische und wirtschaftliche Auswirkungen haben kann, daß aber jeder, der um solcher Auswirkungen willen in ein Kloster eintritt, bald wieder gehen würde. [...] John Eudes leugnete nicht, daß das Mönchtum einen politischen Einfluß haben könne, so wie auch niemand den politischen Einfluß der Ehe leugnet. Aber genausowenig wie ein Mann und eine Frau um des politischen Charakters der Institution Ehe willen heiraten, tritt ein Mönch ins Kloster ein, um politisch wirksam zu werden. Sein einziges Interesse gilt Gott, und allein Gott" (S. 151f.).
"Den ganzen Nachmittag habe ich mit der alten Frage gekämpft: Warum macht mir die Arbeit keine rechte Freude, und warum will ich lieber zurück an meine Bücher, um über das geistliche Leben zu lesen? Ist das Steinesammeln im Bachbett nicht das bestmögliche geistliche Leben? Warum möchte ich immer über das geistliche Leben lesen, statt es wirklich zu leben?" (S. 22f.)
Diese Frage beschäftigt ihn recht stark und anhaltend, und ich kann nicht leugnen, dass ihn mir das irgendwie sympathisch macht. "Ich sollte wohl besser anfangen, ein wenig mehr über meine Einstellung zur Arbeit nachzudenken", stellt er fest:
"Wenn ich diese Woche überhaupt etwas gelernt habe, dann dies: es gibt eine kontemplative Weise zu arbeiten, die für mich wichtiger ist als Beten, Lesen und Singen. Die meisten Menschen glauben, man gehe ins Kloster, um zu beten. Nun, ich habe diese Woche zwar mehr gebetet als früher, aber ich habe auch entdeckt, daß ich noch nicht gelernt habe, meiner Hände Arbeit zum Gebet zu machen." (S. 24)
Wenig später heißt es:
"Meine Schwierigkeiten mit der Arbeit hängt offensichtlich mit meiner Neigung zusammen, körperliche Arbeit bloß als eine notwendige Verpflichtung anzusehen, mit der ich mir freie Stunden für meine eigene Arbeit erkaufe" (S. 25).
Das Kloster betreibt auch eine Bäckerei, und auch dort arbeitet Nouwen zeitweilig mit. "Die Geschichte der Bäckerei ist des Erzählens wert", meint er:
"Alles hat mit Bruder Sylvester angefangen. Vor vielen Jahren hat er begonnen, Brot für die Mönche zu backen [...]. Er erklärt: 'Da wir keine Butter aufs Brot streichen durften, versuchte ich ein Brot zu backen, das auch ohne Butter schmeckt. Die Gäste, die ins Kloster kamen, machten so viele lobende Bemerkungen, daß ich anfing, ein paar Laibe extra zu backen.' Nun gut, bald begannen sich die Bestellungen zu häufen, und die Mönche rochen nicht nur das Brot, sondern auch das Geschäft. Bruder Sylvester ließ sein Rezept patentieren. Man kaufte ein paar Maschinen, und bald war das 'Mönchsbrot' eine wohlbekannte Feinkostsorte im Norden des Staates New York. Heute kommen an drei Tagen pro Woche ungefähr 15000 Laibe von den Förderbändern" (S. 24).
Auch die Arbeit in der Klosterbäckerei ist nicht frei von Komplikationen; so stellt sich eines Morgens heraus, dass "Bruder Cyprian den Teig eine Stunde zu früh angerührt" hat:
"Es gibt viele Menschen, die den Hang zum Verschlafen haben und eine Stunde zu spät anfangen, aber Bruder Cyprian stellte fest, daß er statt um 1.00 Uhr bereits um Mitternacht begonnen hatte; und weil die Hefe nicht ohne weiteres auf menschliche Irrtümer Rücksicht nimmt, mußte alles eine Stunde früher beginnen. Das Brot ist eine Stunde früher in den Ofen gewandert, ist eine Stunde früher wieder herausgekommen, eine Stunde früher geschnitten und eine Stunde früher verpackt worden [...]. So war ich auch eine Stunde früher fertig. Aber ich bin mir zeitlich etwas deplaziert vorgekommen und war während des Nachmittags sehr müde" (S. 136).
"Wenn Handarbeit und geistliche Lesung kein Gebet mehr darstellen, sondern zur Art und Weise werden, um Geld zu verdienen oder sich intellektuell zu unterhalten, verlieren wir die Reinheit des Herzens; wir werden gespalten, und unser Blick und unser Denken ist nicht mehr klar und zielstrebig zu einer Einheit gebündelt" (S. 138).
"Ich bin ins Kloster gekommen, weil ich lernen wollte, in der Gegenwart Gottes zu leben, ihn hier und jetzt zu verkosten. Aber ich bin mit so viel 'ichbezogenem Bergsteigen' beschäftigt! Ich habe so viele Ideen, über die ich schreiben, so viele Bücher, die ich lesen, so viele Fertigkeiten, die ich erwerben möchte - die Motorradpflege gehört mittlerweile auch dazu -, und so viele Dinge, die ich jetzt oder später anderen sagen möchte, daß ich einfach nicht sehe, wie Gott rings um mich ist. Ich will immer sehen, was vor mir liegt, und ich übersehe ihn, der mir so nahe ist. Vom ichbezogenen zum ichfreien Bergsteigen - das scheint mir ein guter Vorsatz für meine Zeit der Einkehr zu sein. Aber der Weg ist lang, und der Berg ist hoch" (S. 21).
"Sie schienen mir aus einer bestimmten Epoche der Kirche zu stammen, in der man fromme Andachten pflegte, und ich fühlte mich darin nur schwer zu Hause. Ich hatte immer den Eindruck, das Geheimnis des dreifaltigen Gottes, der göttlichen Gegenwart in der Eucharistie und der Liebe Christi zu uns Menschen stünden so sehr im Mittelpunkt des christlichen Lebens, daß man unmöglich einen besonderen Tag festsetzen könne, um sie zu feiern. Und so konnte ich mich noch nie mit dem Gedanken anfreunden, einen Sonntag für das Gedächtnis der Eucharistie zu reservieren." (S. 31f.)
"[D]ieses Fest habe ich immer als Ausdruck eines gewissen Triumphalismus in der Kirche und einer militanten Spiritualität empfunden, und beides waren wesentliche Bestandteile meiner Ausbildung bei den Jesuiten vor dem II. Vaticanum. Das ist auch der Tag, an dem ich mich immer mit dem Problem der Autorität in der Kirche konfrontiert sehe; denn an diesem Tag wird mir bewußt, wie viele Menschen in der Kirche sich darin gefallen, im Namen Jesu König zu spielen" (S. 170).
"Ich habe ihm gesagt, daß ich es für ein 'geschwätziges' Buch halte, das, bar allen Sinnes für Geschichte, die Dinge aus dem Zusammenhang reiße; daß es von Grund auf engstirnig, voreingenommen, ultra-konservativ und zuweilen sogar beleidigend sei. John Eudes sagte, daß meine Reaktion unangemessen scharf sei: das Buch wolle lediglich klarstellen, daß es eine Menge unverantwortlicher liturgischer Experimentiererei gegeben habe. Und er erklärte, er höre es gerne. Er sagte auch, daß er meine negative Reaktion erwartet habe, eine Bemerkung, die mich wütend machte" (S. 159).
"Und doch ist der einzige Grund, warum ich hier bin - ich meine, der einzige Grund, warum ich hier sein sollte -, der, daß ich beten lerne. In Wirklichkeit aber ist so vieles, was ich tue, durch viele andere Interessen motiviert: wieder in Form kommen, irgendwelche Handfertigkeiten erwerben, mehr über Vögel und Bäume wissen, interessante Menschen kennenlernen, wie zum Beispiel John Eudes, und viele Ideen und Erfahrungen für meine künftige Lehrtätigkeit zu sammeln. Wenn jedoch das Gebet mein einziges Anliegen wäre, könnte ich all diese anderen lobenswerten Dinge als freies Geschenk empfangen. Jetzt aber werde ich von diesen Süchten umhergetrieben. Sie sind nicht in sich falsch, aber sie sind für mich falsch, weil sie in meiner Wertehierarchie an der falschen Stelle stehen" (S. 38).
Das würde ich nun wieder als eine derjenigen Passagen des Buches betrachten, die dem geneigten Leser (also z.B. mir) auch zur eigenen Selbstreflexion (um nicht gleich "Gewissenserforschung" zu sagen) dienen können; und wenn Nouwen an einer späteren Stelle schreibt "Es hat fast den Anschein, als gäbe es in mir zwei Personen, die das Leben ganz unterschiedlich erfahren, die unterschiedlich beten und unterschiedlich hören. So allmählich wundere ich mich darüber, wie beide überhaupt in Frieden miteinander leben können" (S. 109), dann macht ihn mir das schon wieder fast sympathisch.
Insgesamt könnte man, etwas vereinfacht und zugespitzt, behaupten, Nouwen gehe als ein typischer "Progressiver" der Nachkonzilszeit ins Kloster hinein, aber als was er wieder heraus kommt, ist - frei nach 1. Johannes 3,2 - noch nicht offenbar geworden. "Vielleicht hatte die größte und verborgenste meiner Illusionen darin bestanden, daß ich nach sieben Monaten Trappistenleben ein anderer Mensch sein würde, ganzheitlicher, geistlicher, tugendhafter, mitfühlender, gütiger, froher und verständnisvoller", resümiert er im Nachwort: "Irgendwie hatte ich erwartet, daß sich meine Rastlosigkeit in Ruhe, meine Spannungen in einen friedvollen Lebensstil und meine vielen Unklarheiten und Unentschiedenheiten in eine lautere Hingabe an Gott verwandeln würden" (S. 199). Dass diese Hoffnung sich nicht so recht erfüllt hat, könnte man als eine ziemliche Antiklimax empfinden, aber wenn Nouwen dazu anmerkt "Gott selbst ist sicher der letzte, der sich von sieben Monaten Mönchsleben beeindrucken ließe, und er hat nicht lange gezögert, mich das wissen zu lassen" (S. 200), ist das doch auch schon wieder irgendwie sympathisch. -- Wie also ging es nach diesem Buch weiter mit Henri Nouwen? Zunächst einmal kehrte er zu seiner Dozententätigkeit in Yale zurück; 1979, nach dem Tod seiner Mutter, zog er sich abermals für einige Zeit in die Abtei Genesee zurück (und schrieb wiederum ein Buch darüber). Der nächste "Ausbruch" aus seiner gutbürgerlichen Existenz als Universitätsdozent erfolgte 1981; diesmal ging er für ein halbes Jahr nach Südamerika, um "mit den Armen zu leben" und die Befreiungstheologie zu studieren (und schrieb, natürlich, ein Buch darüber). 1983 ging er als Theologiedozent nach Harvard; im selben Jahr lernte er Jean Vanier, den Gründer und Leiter der geistlichen Gemeinschaft L'Arche kennen -- eine Begegnung, die sein gesamtes weiteres Leben prägen sollte. Nach einigen kürzeren Besuchen in der Arche-Niederlassung im französischen Trosly-Breuil zog Nouwen im Sommer 1985 für neun Monate dort ein und gab dafür seine Lehrtätigkeit in Harvard auf; Ende 1986 wurde er geistlicher Leiter der Arche-Niederlassung Daybreak in Richmond Hill in Kanada und übte diese Position bis zu seinem Tod aus.
1. (1) Carlo Carretto: Wir sind Kirche
2. (NE) Henri Nouwen: Ich hörte auf die Stille
3. (2) G.K. Chesterton: Thomas & Franz
4. (3) Dietrich von Hildebrand: Das trojanische Pferd in der Stadt Gottes
5. (4) Mutter Teresa: Komm, sei mein Licht
6. (5) Norbert Baumert (Hg.): Jesus ist der Herr
7. (NE) Emma Braslavsky: Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten
8. (6) Georg Friedrich Rebmann: Ideen über Revolutionen in Deutschland
9. (7) Sr. M. Lucia OCD: Umkehr - Heiligung - Freude in Gott
10. (8) Reinhold Schneider: Las Casas vor Karl V.
11. (9) Valentin Katajew: In den Katakomben von Odessa
12. (10) Karl May: "Weihnacht!"
13. (11) Maxim Gorki: Wanderungen durch Russland
14. (12) George Orwell: Mein Katalonien
15. (13) Martin Klein: Lene und die Pappelplatztiger
16. (NE) Eva Völler: Ich bin alt und brauche das Geld
17. (14) C.J. Cherryh: Das Tor von Ivrel
18. (15) Alexander von Schönburg: In bester Gesellschaft
Die Zahl der gar nicht erst zu Ende gelesenen Bücher steigt auf auf zwei, die der zwar zu Ende gelesenen, aber nicht für die Rangliste qualifizierten Bücher auf elf. Die Top 20 sind mithin immer noch nicht "voll"; und was steht nun in Etappe 7 auf dem Programm? -- Wie eingangs ja bereits erwähnt, habe ich die Bücher, die in Etappe 7 zu rezensieren sein werden, ebenso wie die aus Etappe 5 und 6 schon vor über einem Jahr gelesen; aber die hier nun folgende Etappen-Vorschau hatte ich, von minimalen nachträglichen Korrekturen abgesehen, tatsächlich schon geschrieben, bevor ich mit der Lektüre begann -- sie enthält also keine Spoiler.
Wohlan denn:
- Michael Ende: Zettelkasten
- Martin Büsser u.a. (Hg.): Pop und Destruktion
- Jack London: Ein Sohn der Sonne
- Wilhelm Müller: Rom, Römer und Römerinnen
- Dorothy Day: The Duty of Delight
Die Gesamtrangliste wird, da Michael Ende wie gesagt von vornherein nicht qualifiziert ist, nach der 7. Etappe maximal 22 Plätze umfassen -- vielleicht allerdings auch weniger, da nicht unbedingt anzunehmen ist, dass die vier anderen Bücher allesamt die Qualifikation schaffen. Schauen wir mal!
"Ich hörte auf die Stille" von H. Nouwen ist 1978 in Deutschland als erstes seiner Bücher erschienen. Als berühmter Professor für Pastoralpsychologie war er hier noch nicht bekannt. Das kam erst später mit seinen weiteren Veröffentlichungen.
AntwortenLöschenIch erinnere mich gut daran, daß er deswegen gelesen wurde, weil er über die hier nahezu unbekannten Trappisten schrieb. Man wußte, daß Thomas Merton Massen von Eintrittswilligen nach Genessee zog. Es mußten dort sogar Zelte aufgebaut werden - so groß war der Andrang.
Außerdem traf das Buch von Nouwen auch mit dem Interesse an Robert Pirsigs Buch "Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten", das in Nouwens Buch immer wieder eine Rolle spielt.
Bzgl. Ihres vernichtenden Urteil des Romans "Hundert Jahre Einsamkeit" von G. G. Marquez kann ich als einer, der sich durch das ganze Werk buchstäblich hindurch gequält hat nur voll beipflichten:
AntwortenLöschenEchter Scheiß in meinen Augen, auch wenn er 10x dafür den Literatur-Nobelpreis bekommen hätte.
Was ich gerade für eine Pfarrbibliothek einer kath. Kirchengemeinde nur wärmstens empfehlen kann, ist der biographische Roman von Kurt Benes " Die Suche nach Jägerstetter".
Ich habe dieses Buch mal im Schriftenstand der Wallfahrtskirche in Waghäusel entdeckt, käuflich erworben und inzwischen schon mehrfach mit Gewinn diese Romanbiographie über das Leben Franz Jägerstetter und sein Sterben als christl. Märtyrer gelesen. Nicht zuletzt ist mir das nicht nur kenntnisreich sondern auch einfühlsam geschriebene Buvh deshalb, weil es auch den Anteil Franziska Jägerstetters am Weg ihres Mannes, des Gewissensmärtyrers Franz Jägerstetters, würdigt.
Vielleicht wird auch seine Ehefrau und 100jährig gestorben Witwe dafür ebenfalls eines Tages selig gesprochen.