Wie dem auch sei: Am vergangenen Montag habe ich, wie angekündigt, einen Essay für die Tagespost verfasst und warte nun auf die Veröffentlichung; ich denke bzw. hoffe, der Artikel könnte eine durchaus interessante Debatte anstoßen. Zum Treffen der AG Liturgie am Mittwoch bereitete ich, ähnlich wie ich es in der Woche zuvor bereits für die AG Neuevangelisierung gemacht hatte, einige Textbausteine für einen Beitrag zum Pastoralkonzept vor, und diese wurden - ohne große Diskussion - recht positiv aufgenommen, sicherlich auch deshalb, weil ich mich bemüht hatte, die Ergebnisse der vorigen Arbeitsgruppensitzung (von Ende Juni) zu berücksichtigen. Jedenfalls eine erfreuliche Erfahrung, dass es sich manchmal durchaus lohnt, seine Hausaufgaben zu machen. -- Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang aber noch etwas ganz anderes: Die Sitzung fand in St. Bernhard (Tegel-Süd) statt, und da sehr schönes Wetter war, ging ich dorthin zu Fuß und wählte dafür einen Weg, der ein Stück am Ufer des Tegeler Sees entlang führte. Als ich vom Borsigdamm kommend auf die Neheimer Straße stieß, ergab sich ein interessantes Bild: An der einen Straßenseite kleine, etwas in die Jahre gekommene Einfamilienhäuser, auf der anderen Straßenseite Plattenbauten. Gegenüber dem von Altbauten geprägten, fast kleinstädtisch anmutenden Alt-Tegel wirkt Tegel-Süd wirklich wie eine andere Welt, und dieser Kontrast war mir noch nie so stark aufgefallen. An diesem warmen, sonnigen Spätsommernachmittag sah man zwischen den hohen Wohnblöcken viele spielende Kinder, so gut wie alle mit Migrationshintergrund. Eigentlich ein ganz interessantes Pflaster für Neuevangelisierung, dachte ich unwillkürlich.
Am Donnerstag befasste ich mich mit der Endredaktion des Beitrags der AG Neuevangelisierung zum Pastoralkonzept sowie mit Vorbereitungen für die Tauffeier am Samstag, und danach hatte ich das Gefühl, in dieser Woche so viel geschafft zu haben, dass ich am Freitag getrost mal wieder zum "Omatag" mitgehen konnte (die Omas waren nämlich aus dem Urlaub zurück).
Bereits seit Anfang der Woche hatte ich mit dem Gedanken gespielt, einen kleinen, aber zutiefst sarkastischen Blogartikel über den Bürgermeister- und Stadtratswahlkampf in meinem Heimatstädtchen Nordenham zu verfassen, hatte aber angenommen, das hätte noch Zeit. Am Freitag stolperte ich jedoch über die Information, dass die niedersächsischen Kommunalwahlen zwei Wochen vor der Bundestagswahl angesetzt waren, und beschloss daher: Der Artikel muss heute noch raus. Und das schaffte ich auch tatsächlich, ohne mich deshalb davon abhalten zu lassen, zum "Omatag" mitzukommen. Der Artikel ging am Freitagabend um 18 Uhr online und wurde insbesondere in Nordenham selbst recht kontrovers aufgenommen: "Viele Worte, aber ohne jeglichen Inhalt", urteilte etwa der Admin der Facebook-Gruppe "Wir sind Nordenham"; auf Twitter wurde mir sogar "Hate Speech" vorgeworfen. Positive, also zustimmende Reaktionen gab es aber durchaus auch, und dann erzielte der SPD-Kandidat für die Nordenhamer Bürgermeisterwahl im ersten Wahlgang ein historisch schlechtes Ergebnis, aber auch der CDU-Kandidat verfehlte die absolute Mehrheit, sodass es nun in zwei Wochen, am Tag der Bundestagswahl, eine Stichwahl geben wird. Mit anderen Worten, mein Artikel bleibt weiterhin aktuell!
Das unbestrittene Highlight der Woche war aber jedenfalls die Taufe meines Sohnes Gideon am Samstag. Wir hatten nur eine sehr überschaubare Zahl an Gästen aus Familie und Freundeskreis eingeladen; dazu gesellten sich einige der engagierten Ehrenamtlichen der Gemeinde, mit denen wir durch die Arbeit im Lokalausschuss, im Förderverein und durch verschiedene andere Aktivitäten in der Gemeinde regelmäßig in Kontakt stehen, und von der Ortsgruppe der Legio Mariae, die unmittelbar vor dem Taufgottesdienst ihre wöchentliche Rosenkranzandacht hatte, blieben auch ein paar Damen dabei. Ich denke, diese Beteiligung seitens der Gemeinde ist auch ein Indikator für die Wertschätzung, die uns und unserer Arbeit entgegengebracht wird. Insgesamt war es eine sehr schöne Feier, und ein bisschen weinen musste ich auch.
Was ansteht: Es ist die letzte Woche vor dem Urlaub, und wie es aussieht, ist es mir tatsächlich gelungen, sie von Terminen weitgehend freizuhalten; einmal abgesehen von der Lobpreisandacht am Dienstag, die diesmal auf das Fest der Kreuzerhöhung fällt. Wählen müssen wir wie gesagt auch noch; ansonsten können wir uns auf die Reisevorbereitungen konzentrieren, und vielleicht komme ich auch mal wieder ein bisschen mit meinen Buchrezensionen voran. Am Wochenende ist dann allerdings noch mal richtig was los. Am Samstag ist zunächst einmal Krabbelbrunch; wir haben eine Reihe von Familien, die wir zum Teil erst in den letzten vier Wochen kennengelernt haben, dazu eingeladen, und auch in den Vermeldungen der Pfarrei ist der Termin diesmal korrekt angegeben, also hoffen wir mal das Beste. Außerdem ist an diesem Samstag auch Marsch für das Leben; zur Kundgebung (13 Uhr vor dem Brandenburger Tor) werden meine Familie und ich es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schaffen, haben aber vor, spätestens zum Abschlussgottesdienst dazuzustoßen (und gegebenenfalls anschließend noch mit ein paar Leuten in einen Biergarten zu gehen. Vielleicht mag sich da ja der eine oder andere Leser anschließen). Obendrein ist auch noch Langer Tag der Stadtnatur - von Samstag um 13 Uhr bis Sonntag um 17 Uhr; es scheint mir aber fraglich, ob wir es schaffen werden, an irgendwelchen Aktionen zu diesem Anlass teilzunehmen. Schließlich wollen wir am Sonntag auch noch zur Eröffnung des Familienzentrums BilderKraft in unserer Straße, etwa auf halbem Wege zwischen unserem Zuhause und unserer Kirche. Ich berichtete schon davon: Mit dem Ehepaar, das diese Einrichtung betreibt, sind wir vor ein paar Wochen auf dem Rückweg von einer Lokalausschusssitzung ins Gespräch gekommen und haben sie seitdem noch mehrfach in der Nachbarschaft getroffen. Bin gespannt, was sich aus diesem Kontakt noch so entwickelt.
Zitat der Woche:
"Jenosse", sahre ick, "wieso wählst du eijentlich SPD - ?"Ick dachte, der Mann kippt mir vom Stuhl! "Donnerwetter", sacht er, "nu wähl ick schon ssweiunsswanssich Jahre lang diese Pachtei", sacht er, "aber warum det ick det due, det hak ma noch nie iebalecht! - Sieh mal", sachte der, "ick bin in mein Bessirk ssweita Schriftfiehra, un uff unse Sahlahmde is det imma so jemietlich; wir kenn nu schon die Kneipe, un det Bier is auch jut, un am erschten Mai, da machen wir denn 'n Ausfluch mit Kind und Kejel und den janzen Vaein... und denn ahms is Fackelssuch... es is alles so scheen einjeschaukelt", sacht er. "Wat brauchst du Jrundsätze", sacht er, "wenn du'n Apparat hast!" Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln - es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen Jemieseladen!
(Kurt Tucholsky, "Ein älterer, aber leicht besoffener Herr", 1930)
Linktipps:
Vor gut einer Woche, nämlich am 3. September, ist die vom Bischof von Regensburg, Rudolf Voderholzer, verantwortete Website "Synodale Beiträge" online gegangen, die in der aktuellen innerkirchlichen Debatte in Deutschland ein Forum für Positionen bieten will und soll, die im Katholischen Reformprozesses Synodaler Weg (KRSW) eher marginalisiert werden -- kurz gesagt also rechtgläubig katholische Positionen. Kein Wunder, dass der "Launch" dieser Website bei den üblichen Verdächtigen allerlei Heulen und Zähneklappern ausgelöst hat. Ich denke, es wird sich lohnen, die "Synodalen Beiträge" im Auge zu behalten; es ist somit gut möglich, dass zukünftig noch weitere Texte, die auf dieser Plattform erscheinen, in meinen Linktipps auftauchen. Beginnen möchte ich aber mit einem Beitrag von Bernhard Meuser, der auf den 1. März 2021 datiert ist, bis zum Start der Website aber unveröffentlicht war. Dieser Text versteht sich als Beitrag zum Synodalforum IV "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" und befasst sich mit der konfliktträchtigen Frage nach der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Im vergangenen Frühjahr hieß es in dieser Angelegenheit zwar "Roma locuta", aber für die synodalbewegte deutsche Funktionärskirche ist die causa damit noch lange nicht finita. Wundern muss man sich darüber eigentlich nicht: In der säkularen Gesellschaft hat sich die Auffassung, selbstverständlich seien gleichgeschlechtliche Beziehungen als gleichwertig mit solchen zwischen Mann und Frau zu betrachten und zu behandeln, so umfassend und nachdrücklich durchgesetzt, dass man es kaum noch wagen kann, ihr zu widersprechen; und natürlich gehören die Leute, die in den kirchlichen Gremien und Verbänden sitzen, auch zur säkularen Gesellschaft. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Wenn die Kirche die Katechese vernachlässigt, katechisiert die säkulare Kultur die Kirchenmitglieder in ihrem Sinne. Und dann haben wir den Salat.
Die Folge ist, dass man sich heute selbst innerhalb der Kirche schon ziemlich warm anziehen muss, wenn man die katholische Lehre zur menschlichen Sexualität verteidigen will. (Nebenbei bemerkt finde ich es eher unglücklich, dass diesbezüglich zumeist die Bezeichnung "Sexualmoral" verwendet wird; einmal, weil "Moral" - wohl nicht nur in meinen Ohren - von vornherein rigide und altjüngferlich klingt, dann aber auch und vor allem, weil ich der Überzeugung bin, dass es in der katholischen Lehre zur menschlichen Sexualität um mehr geht als um bloße Moral, nämlich um Anthropologie: um eine Antwort auf die Frage "Was ist der Mensch?".) Aber Bernhard Meuser wagt es, und er macht es, wie ich finde, sehr gut. Er wählt dazu einen bemerkenswerten Ansatz: So bejaht er das in jüngerer Zeit oft gehörte Argument, in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gebe es Elemente, die auch die Kirche als an sich gut und schätzenswert anerkennen könne und müsse ("Auch hier gibt es Menschen, die einander Nähe und Vertrauen schenken und in tief empfundener Liebe einander verbunden sind"), erklärt aber, diese Elemente gehörten eher der Kategorie "Freundschaft" zu. Er räumt ein und beklagt, die Kirche habe sich "[a]llzu oft in der Geschichte [...] an der Ausgrenzung und Diffamierung von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung beteiligt"; und er stellt fest, "dass die Frage nach dem angemessenen Umgang mit Sexualität eine neue, tiefe und ehrliche Auseinandersetzung in unserer Kirche braucht" -- dies zeige "[g]erade der Skandal um den sexuellen Missbrauch". Der Vorstellung, die Kirche könne ihre bisherige Lehre zur Sexualität quasi per Mehrheitsbeschluss verwerfen und durch eine neue, "zeitgemäßere" ersetzen, erteilt er jedoch eine klare Absage:
"Die Kirche ist keine Einrichtung, die aus sich heraus definieren könnte, was gut und böse, was richtig und falsch ist. Was sie weiß, weiß sie aus der Natur der Dinge und aus den Offenbarungen Gottes".
Aufbauend auf dieser Klarstellung trifft Bernhard Meuser zwei wesentliche Festlegungen, an denen die Debatte über die sogenannte kirchliche Sexualmoral schlechterdings nicht vorbeidiskutieren könne:
- Aus der Heiligen Schrift und der "frühe[n], apostolische[n] und seither fortbestehende[n] Tradition" ergebe sich unmissverständlich, "dass ausgelebte Sexualität letztlich nur in die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gehört".
- Dass "Schrift und Überlieferung [...] konsequent nicht die Neigung, wohl aber praktizierte Homosexualität als 'Sünde'" beurteilen, könne "nicht einfach wegerklärt werden", denn "nirgendwo in Schrift, Überlieferung und lehramtlichen Äußerungen findet sich eine positive Wertung gleichgeschlechtlicher sexueller Praxis."
Auf die Website mit dem ein bisschen arg postironisch-semicoolen Namen "Mr. Jugendarbeit" bin ich, wie sollte es anders sein, über Theóradár, den alten Westgotenhäuptling, aufmerksam geworden. Dass ich das Thema des Artikels interessant finde, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung. Also schauen wir doch mal rein! Der Artikel präsentiert sich als Antwort auf eine "Anfrage aus der MRJ Community", was sich allem Anschein nach auf eine geschlossene Facebook-Gruppe bezieht. Die Anfrage lautet:
"Hallo Mr. Jugendarbeit Team: Wir wollen eine Jugendarbeit neu starten. Wie gründe ich einen Teenkreis? Was gebt ihr uns für Tipps? Wie sollen wir starten? Was sollen wir starten in der heutigen Zeit? Habt ihr Ressourcen-Tipps um ein Team auszubilden? Danke für eure Rückmeldung!"
Die Rückmeldung beginnt dann wie folgt: "Wir sind begeistert, dass ihr eine Jugendarbeit starten möchtet! [...] Es ist genial zu sehen, wie viele Gedanken ihr euch schon macht. Das zeigt euer Herz für Jugendarbeit." Dieser überkandidelte, BRAVO-mäßige Tonfall hätte mich beinahe veranlasst, den Artikel in die virtuelle Tonne zu kloppen, aber das wäre doch schade gewesen. Denn schon kurz darauf kriegt das "Mr. Jugendarbeit Team" sich stilistisch einigermaßen ein, und dann wird's inhaltlich durchaus interessant. Eine Kernaussage des Artikels, die mir sehr bedenkenswert erscheint, lautet, dass es bei Jugendarbeit "in erster Linie und vor allem um Beziehungsarbeit" geht: "d.h. sie beginnt dort, wo wir in Beziehung mit den Jugendlichen leben, ohne ein festes Programm":
"Wenn ich auf die Straße gehe und den Kontakt zu Teens suche, soll es darum gehen Beziehung aufzubauen und zu leben. [...] Und indem ich den Teens da begegne wo sie sind, und einen Raum schaffe, wo sie einfach sein dürfen, mache ich Jugendarbeit. Allein die Beziehung zu Jugendlichen ist Jugendarbeit."
Das bedeutet aber durchaus nicht, dass die inhaltliche Seite der Jugendarbeit unwichtig wäre:
"Das Programm ergänzt und bereichert die Beziehungsarbeit, die schon vorhanden ist. [...] Während wir mit den Jugendlichen in Beziehungen unterwegs sind, kristallisiert sich auch heraus, wie eine programmatische Jugendarbeit aussehen kann."
Anders ausgedrückt: Es geht darum, mit der Beziehungsarbeit anzufangen und von da aus die inhaltliche Arbeit zu entwickeln. Dazu, wie das funktionieren kann, gibt der Artikel einige Fingerzeige, verlinkt darüber hinaus auf weitere Artikel der eigenen Website und führt auch Buchtipps an. Wenngleich die Verwendung von Gender-Doppelpunkten mich eher abstößt, ist mein Gesamteindruck positiv: Mir scheint, es könnte sich als lohnend erweisen, diese Seite im Auge zu behalten.
Nicht uninteressant ist bei alledem natürlich, wer eigentlich hinter "Mr. Jugendarbeit" steckt bzw. in welcher Ecke von Gottes großem Zoo diese Leute zu verorten sind. Die FAQ-Rubrik der Seite hält sich diesbezüglich eher bedeckt: Man sei ein "unabhängiges Hilfswerk [...], das sich sowohl der evangelischen Allianz als auch der Ökumene zuortet"; zur Frage der theologischen Ausrichtung heißt es schlicht: "Falls du das nicänische Glaubensbekenntnis kennst: da passen wir theologisch rein." Das finde ich ja fast schon ein bisschen frech, wenn auch auf eine nicht unbedingt unsympathische Weise. Als ich noch naiver und unerfahrener war, hätte ich vielleicht gedacht und gesagt, der Verweis auf das Nicaeno-Constantinopolitanum sage letztlich nicht mehr aus als "Wir sind halt im weitesten Sinne christlich"; aber in dem Wissen, dass es heutzutage eine Vielzahl von Gruppierungen und Einzelpersonen gibt, die sich als "christlich" bezeichnen, obwohl es um ihre Zustimmung zu den Glaubensaussagen des nicänischen Credos eher nicht so gut bestellt ist, bin ich geneigt, zu dieser Selbst-Einordnung von "Mr. Jugendarbeit" zu sagen: Das ist ja schon mal was.
Es ist schon eine Weile her, dass dem Thema "Stadtteilsanierung in Nordenham-Einswarden" ein paar Blogartikel gewidmet habe. Gibt's da überhaupt nichts Neues? -- Doch, durchaus, aber während der Corona-Krise habe ich ein bisschen den Anschluss an die aktuellen Entwicklungen verloren. Glücklicherweise gibt's aber ja meinen ortsansässigen Bloggerkollegen Peter, der auf "Blogwarden - Das Stadtteil-Blog" die Lage im Sanierungsgebiet aufmerksamer und vor allem kritischer betrachtet als die lokale Presse.
Also zur Sache: Eine Schlüsselstellung beim Thema Stadtteilentwicklung in Einswarden hat die im bayerischen Pullach ansässige Immobilienfirma Nordwohnen inne, die Mitte 2016 einen erheblichen Bestand an Wohnimmobilien im Stadtteil von der Firma Vonovia übernommen hat. Um wie viele Wohneinheiten es sich konkret handelt, kann man bestimmt irgendwo nachlesen, ich habe mir bisher aber noch nicht die Mühe gemacht. Zumindest ein Teil dieser Immobilien war zu diesem Zeitpunkt in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand. Nachzuerzählen, wie sich die Situation im Stadtteil seither entwickelt hat, würde hier den Rahmen sprengen, aber die neuesten Entwicklungen, von denen auf "Blogwarden" berichtet wird, lassen aufhorchen: Mitte Juni 2021 bekamen einige Mieter unerwartete Post von der Immobilienabteilung der Raiffeisen- und Volksbanken Varel-Nordenham; darin "wurden den Mietparteien kurzfristig die Besichtigung ihrer Wohnungen angekündigt". Einige der betroffenen Mieter wandten sich daraufhin an ihre Hausverwaltung, um zu erfahren, was es mit diesen Besichtigungsterminen auf sich habe, aber die Hausverwaltung wusste von nichts. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre in der Situation dieser Mieter gewesen, wird mir ganz anders.
Begreiflicherweise lösten diese Vorgänge Spekulationen aus, "ob die Häuser still und heimlich den Besitzer gewechselt hätten" und nun etwa "die Raiffeisen und Volksbanken Varel-Nordenham als neuer Eigentümer sich einen Überblick über ihre erworbenen Liegenschaften verschaffen wollten". Jetzt, ein paar Monate später, "tauchen auf Immobilien-Portalen im Internet die ersten Verkaufsanzeigen von diversen Objekten aus Einswarden auf", und Blogger Peter zieht daraus den Schluss, dass die Firma Nordwohnen "nun einen Teil ihres Bestandes an Privatanleger veräußern will" und die Raiffeisen- und Volksbanken als Dienstleister mit dem Verkauf beauftragt hat. Ich frage mich da zwar nun, für was für Privatanleger diese doch ziemlich in die Jahre gekommenen Mietshäuser in einem Problemstadtteil in strukturschwacher Umgebung eigentlich attraktiv sein sollen, aber anscheinend gibt es durchaus Interessenten: Mindestens zwei der Objekte sind schon wieder aus den Verkaufsanzeigen der Immobilienportale verschwunden, was darauf schließen lässt, dass sie bereits Käufer gefunden haben. Es bleibt spannend...
Zum nicht besonders nördlichen Firmensitz der Nordwohnen sei übrigens noch angemerkt, dass in Pullach bis 2019 auch die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes saß. Aber daraus eine Verschwörungstheorie stricken zu wollen, ist vielleicht doch ein bisschen arg weit hergeholt.
Wiederum ein Artikel, über den ich eher zufällig auf Twitter stolperte; im Kern eine Buchrezension zu Erik J. Larsons "The Myth of Artificial Intelligence: Why Computers Can't Think the Way We Do". Es geht darin um die Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz -- genauer gesagt, wie Larsons Buchtitel bereits recht deutlich zu erkennen gibt, vor allem um die Grenzen.
Auf eine meinem Laienverständnis gemäße Weise vereinfacht ausgedrückt, kann man sagen, die Idee der "künstlichen Intelligenz" geht davon aus, es müsse möglich sein, die Arbeitsprozesse, die im menschlichen Gehirn ablaufen, wenn es denkt, in Form von Algorithmen auszudrücken -- und dann könne auch ein Computer diese Prozesse ausführen, ergo "denken". Und tatsächlich hört und liest man ja so allerlei über staunenswerte Fortschritte bei der Entwicklung dieser Art von "künstlicher Intelligenz". Buchautor Erik J. Larson - ein Informatiker, der sich seit rund zwei Jahrzehnten mit der Entwicklung lernfähiger Maschinen befasst -, argumentiert jedoch, die Art von "Denken", die man einem Computer beibringen könne, unterscheide sich grundlegend von echtem menschlichen Denken. Und zwar deshalb, weil menschliches Denken sich durch Eigenschaften und Fertigkeiten auszeichnet, die sich gerade nicht in Algorithmen "übersetzen" lassen.
Das betrifft beispielsweise die menschliche Fähigkeit zur Intuition, aber auch zu einer Form der Hypothesenbildung, die in der Kognitionswissenschaft Abduktion genannt wird und die es ermöglicht, überraschende Fakten anders zu interpretieren, als der Kontext es nahezulegen scheint. Als Beispiel hierfür verweist Larson auf Edgar Allan Poes Kriminalerzählung "Der Doppelmord in der Rue Morgue", in der die Auflösung des Kriminalfalls darin besteht, dass es eigentlich gar kein Kriminalfall ist -- weil die beiden vermeintlich ermordeten Frauen keinem Mörder zum Opfer gefallen sind, sondern einem Tier (wir erinnern uns: der Orang-Utan). Auf so eine Lösung wäre ein Computer laut Larson nie gekommen, weil die Lösung gewissermaßen außerhalb der Parameter der Aufgabenstellung lag.
Nun könnte man natürlich sagen: Wenn ein Computer nicht so denken kann wie Poes Meisterdetektiv Dupin -- so what? Die meisten Menschen können schließlich auch nicht so denken wie Dupin, that's the whole point of the story! Viel gravierender ist daher, dass Computer, wie Larson überzeugend darlegt, auch prinzipiell unfähig zum Erlernen einer kognitiven Technik sind, die auf Englisch "common sense" heißt; im deutschen Sprachgebrauch entspricht dem wohl am ehesten der Ausdruck "gesunder Menschenverstand". Diese Bezeichnung ist allerdings, wie mir scheint, in den letzten zwei bis drei Generationen zumehmend in Verruf geraten -- auf die übliche Art: Es sei diskriminierend, von "gesundem Menschenverstand" zu sprechen; das sei nur ein Konstrukt, um Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern und zugleich zu zementieren; und so weiter. Ich persönlich habe ja den Verdacht, wenn in einer Gesellschaft bestimmte Begriffe zweifelhaft werden, lässt das darauf schließen, dass die so bezeichneten Sachen selbst im Schwinden begriffen sind oder zumindest ihre Selbstverständlichkeit eingebüßt haben. Aber dazu später.
Jedenfalls kann man unter der Bezeichnung "Common sense" eine durchaus komplexe Kombination aus Intuition und Erfahrungswissen verstehen, die es es Menschen beispielsweise ermöglicht, Aussagen, die dem Wortlaut nach eigentlich mehrdeutig sind, dennoch eindeutig (und zwar richtig) zu verstehen, ohne darüber erst nachdenken zu müssen. Ein Beispiel, das der Philosoph John Haugeland hierfür anführt, ist der Satz "Ich habe die Regenjacke in der Badewanne liegen gelassen, weil sie noch nass ist". In den meisten Fällen, so meint der Rezensent Hasselberger, wird die Mehrdeutigkeit des Satzes - dass das "sie" im Nebensatz sich ebenso auf die Badewanne wie auf die Regenjacke beziehen könnte - einem Menschen gar nicht auffallen, weil er einfach weiß, dass nur eine der möglichen Bedeutungen des Satzes Sinn ergibt. Und genau diese Fähigkeit besitzt "künstliche Intelligenz" nicht. Das mag banal erscheinen, hat aber weitreichende Konsequenzen.
Wenn sich bei alledem der Eindruck aufdrängt, es habe ja durchaus auch etwas Beruhigendes, dass die sogenannte künstliche Intelligenz doch nicht so viel kann, wie man uns oft glauben machen will, dann bin ich geneigt zu sagen: Ja, schon; aber es hat auch etwas Beunruhigendes. Unter anderem deshalb, weil die Idee, man könne Maschinen dazu bringen, so zu funktionieren wie das menschliche Gehirn, die (falsche) Voraussetzung impliziert, das menschliche Gehirn funktioniere im Prinzip wie eine Maschine -- eine Annahme, die sich bis ins Zeitalter der sogenannten Aufklärung zurückverfolgen lässt. Die Gefahr, die in dieser falschen Voraussetzung steckt, besteht darin, dass sie dazu (ver-)führen kann, nicht die Maschinen menschenähnlicher, sondern umgekehrt die Menschen maschinenähnlicher zu machen. Beispielsweise durch ein Bildungssystem, das durch die konsequente Missachtung der nicht algorithmusförmigen Aspekte des menschlichen Geistes dazu beiträgt, dass die Menschen (und zwar gerade die innerhalb dieses Bildungssystems erfolgreichen, also formal hoch gebildeten Menschen) immer dümmer werden.
Ohrwurm der Woche: Pearl Jam, "Elderly Woman Behind the Counter in a Small Town" (1993)
Ein Song vom zweiten Pearl Jam-Studioalbum "Vs.". Das erste Album der Band, "Ten" (1991), hat mich seinerzeit umgehauen; ich glaube, es hat sogar noch größeren unmittelbaren Eindruck auf mich gemacht als "Nevermind" von Nirvana. Im direkten Vergleich riss mich das zweite Album schon deutlich weniger vom Hocker, wenngleich ich die vage Ahnung habe, würde ich heute beide Platten zum ersten Mal hören, käme ich womöglich zu dem Ergebnis, die zweite sei die bessere. -- Rückblickend muss man wohl konstatieren, dass Pearl Jam durch den enormen Erfolg ihres Debütalbums und überhaupt durch den ganzen Seattle-Grunge-Hype der frühen '90er so überrumpelt und auch so gestresst waren, dass sie in der Folgezeit konsequent darauf hin arbeiteten, einen Großteil ihrer Fans wieder zu verlieren. Und was soll ich sagen: Bei mir hat's geklappt. Ich erinnere mich noch gut, wie ich die Presseankündigungen für das lächerlich überambitionierte, "experimentelle" dritte Album "Vitalogy" las und dachte "Wollt ihr mich verarschen?". Ich habe dieses Album bis heute nicht gehört und auch keins der späteren von Pearl Jam.
Die frühen Sachen mag ich trotzdem immer noch. "Elderly Woman Behind the Counter in a Small Town" zeichnet sich schon allein durch seinen Titel als untypisches Stück aus, genauer: durch die Länge des Titels, und das ganz bewusst. Typischerweise bestanden die Titel von Grunge-Songs aus einem oder zwei kurzen, gern einsilbigen Wörtern, und da machen auch die Tracklists der ersten beiden Pearl Jam-Alben keine Ausnahme: "Once", "Even Flow", "Alive", "Black", "Porch", "Go", "Animal", 'Daughter" ... you get the idea. Demgegenüber klingt "Elderly Woman Behind the Counter in a Small Town" wie der Titel eines Gemäldes, und in gewissem Sinne, würde ich sagen, klingt tatsächlich der ganze Song wie ein Gemälde. Ich mag den Song. Insbesondere die Verse "I changed by not changing at all / small town predicts my fate" empfinde ich, selbst aus einer Kleinstadt kommend, als profund.
Aus der Lesehore:
Viele Wogen und schwere Brandung ringsum, doch wir fürchten nicht, dass wir untergehn; denn wir stehn auf dem Felsen. Mag das Meer toben, es kann den Felsen nicht zerstören. Mögen sich die Wogen türmen, sie können das Schiff Jesu nicht verschlingen. Sag mir: Was sollten wir fürchten? Die Schrecken der Welt verachte ich, und ihre Annehmlichkeiten verlache ich. Armut fürchte ich nicht, und Reichtum begehre ich nicht. Ich fürchte nicht zu sterben und wünsche nicht zu leben, es sei denn zu eurem Nutzen. Darum denke ich an die Gegenwart und mahne euch: Habt Zuversicht.
(Hl. Johannes Chrysostomus, Homilie vor seiner Verbannung)
Zur anstehenden Bundestagswahl:
AntwortenLöschenEin langfristiges Problem der Union ist, dass ihr bzgl. ihres eigentlichen Anspruchs als VOLKS-Partei der christlich-wertkonservative Markenkern abhanden gekommen ist, verschämt versteckt wird bzw. leichtfertig aufgegeben bzw. verraten wurde.
Dafür haben allerdings icht zuletzt auch die beiden Großkirchen eine erhebliche Mitverantwortung zu tragen:
Warum sollten sich als christlich bezeichnende politische Parteien ausgerechnet christlicher als die christlichen Kirchen sein, bei denen seit längerem ganz vieles im Fluss ist, bis hin zum unmissverständlichen Bekenntnis und praktischem Eintreten für das Lebensrecht Ungeborener?
Jedenfalls:
Mit hauptsächlich bis nur noch Klientelpolitik für die Wohlhabenden und gar die Reichen, deren Interessen traditionell bereits von der FDP vertreten werden, wird man unionsseitig immer mehr potentielle wertkonservative Wähler und Wählergruppen gerade aus der leistungs- und opferbereiten Mittelschicht verlieren, deren Interessen einstmals gerade die Unionsparteien vertraten.
Trotz allem haben wir wieder CDU gewählt - im Bewusstsein, dass die Unionsparteien diesmal mit icht geringer Wahrscheinlichkeit auf die Oppositionsbänke müssen.
LöschenDann sollten sie allerdings möglichst stark sein.
Der Tagespost-Artikel ist der apokalyptische?
AntwortenLöschen(Mein Musikvorschlag dazu wäre "The Unforgiven" in der Apocalyptica-Fassung...)