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Freitag, 7. Februar 2020

Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen löse ich die Kirchenkrise

"Im Laufe der Jahre hat sich die Selbstverständlichkeit des Glaubens immer weiter verflüchtigt" – das schreibt die Nordwest-Zeitung (in Gestalt von Svenja Gabriel-Jürgens, Volontärin im 2. Ausbildungsjahr), und fügt hinzu: "auch im oft als hoch-katholisch geltenden Cloppenburg." Tja. Ich habe zwar keine belastbaren empirischen Daten zur Hand, könnte mir aber vorstellen, dass es durchaus typisch für den rasanten Niedergang der Volkskirche ist, dass die Kirchenbindung großer Teile der Bevölkerung gerade dort besonders dramatisch wegbricht, wo sie lange Zeit als Selbstverständlichkeit behandelt worden ist. Was sich unschwer dadurch erklären ließe, dass man es dort über Jahrzehnte versäumt (sprich: nicht für nötig gehalten) hat, die Kirchenbindung "der Leute" auf ein solideres Fundament zu stellen als Gewohnheit und sozialen Konformitätsdruck. Und jetzt hat man den Salat. 

Aus diesem Grund haben sich, wie NWZ-Volontärin Svenja zu berichten weiß, "Mitglieder der Kirchengemeinde St. Andreas" in Cloppenburg "Gedanken gemacht" -- nämlich über die Frage: "Wie kann der Glaube bewahrt und dem Wohl der Menschen beitragen?" Ja, liebwerte Leser, der Satz steht tatsächlich wortwörtlich so in dem Artikel. Auch die Überschrift - "Was tun gegen die Glaubenskrise? Veranstaltungen in Cloppenburg sollen helfen" - mutet für mein Empfinden etwas tragikomisch an, aber es geht mir hier nicht darum, auf der Volontärin herumzuhacken. 

Anlass für ihren Bericht ist die Vorstellung einer Veranstaltungsreihe der St.-Andreas-Gemeinde, die sich so ziemlich durch das ganze Jahr 2020 ziehen soll und unter dem Motto "Memory – ein Jahr der Er-Innerung" steht. Na, ob das so ein gelungenes Motto ist? Ich höre im Geiste schon die Protestschreie von kfd, Maria Zwonull, Anna Selbdritt und wie sie alle heißen: "Was heißt denn hier Er-Innerung? Wieso nicht Sie-Innerung?" Tatsächlich glaube ich allerdings, die speziell im öffentlich-rechtlichen deutschen Kirchenjargon unausrottbar scheinende Marotte, Begriffe durch Bindestriche mehrdeutig und bedeutungsschwanger aussehen zu lassen, verfolgt in diesem Fall die Absicht, den Aspekt der Innerlichkeit zu betonen. Mit-Initiator Günter Kannen erklärt, es gehe "um die Frage, wie und wo wir Christen unserer Gotteshoffnung innewerden und wie und wo wir gemeinsam versuchen, im Leben zu entdecken, was uns Halt und Hoffnung gibt". Weiter heißt es in dem Artikel: 
"Auch der Verweis auf das bekannte Gesellschaftsspiel 'Memory', bei dem es darum geht, zwei zueinander passende Bilder zusammenzubringen, sei nicht zufällig gewählt. Im 'Jahr der Er-Innerung' geht es laut Organisatoren um die Verbindung der Lebenswirklichkeit mit dem überlieferten Glauben." 
Ächz. Ich könnte mich ja täuschen, vielleicht ist das Ganze total glaubensstarkund zugleich innovativ, aber dieses Vokabular beschwört bei mir eher Visionen von Batikhalstüchern, Kartoffeldruck-Wandzeitungen und Kerzenmeditationen herauf, von demselben esoterisch angehauchten moralistisch-therapeutischen Geraune, das sich seit mindestens vierzig Jahren wie eine zähe, klebrige Masse über die pastorale Praxis der Mainstream-Kirchen ausbreitet. Wen will man denn damit hinter dem Ofen hervorlocken? 

-- Aber à propos Ofen: Zu der Beteuerung Günter Kannens, es gehe nicht um eine "Nostalgieveranstaltung, die 'gute alte Zeiten' beschwört", steht es in einem gewissen Spannungsverhältnis, dass die Veranstaltungsreihe teilweise in Zusammenarbeit mit dem Museumsdorf Cloppenburg konzipiert wurde. Na klar, das Museumsdorf Cloppenburg, wer kennt es nicht. Zumindest wer wie ich im Oldenburger Land aufgewachsen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mal einen Schulausflug dorthin mitgemacht haben, wenn nicht mehrere. Und nun findet dort beispielsweise am 27. Februar ein Kamingespräch zum Thema "Religion und Glaube in vorindustrieller Zeit und im 21. Jahrhundert" statt; damit aber nicht genug: 
"An der sinnlichen Erfahrung der christlichen Botschaft können Interessierte am 14. August im Backhaus und Brauhaus im Museumsdorf teilnehmen. Neben dem Brotbacken findet eine Agapefeier statt." 
Beinahe hätte ich "christliche Brotschaft" gelesen. (Bildquelle: Pixabay
Da spare ich mir nun jedweden eigenen Kommentar und zitiere stattdessen lieber Christian Schmitt ("Bewußt aus den Quellen leben: Katechese", in:  Hanns-Gregor Nissing/Andreas Süß [Hg.], Nightfever. Theologische Grundlegungen. München: Pneuma 2013, S. 153-163):
"Es wird immer noch ganz viel Brot gebacken in der Eucharistiekatechese und immer noch zu wenig von der realen und substantialen Gegenwart desHerrn gesprochen, der unter den eucharistischen Gestalten die Gemeinschaft seiner Kirche aufbaut. Es wird das Symbol in seinem menschlichen Gehalt erschlossen [...]. Aber das Entscheidende, wofür die Tischgemeinschaft ein Symbol ist, darf nicht unterbelichtet oder weggelassen werden. Was sonst herauskommt, ist [...] ein rein horizontaler Vorgang: Brot ist zum Essen da, und beim Herstellungsvorgang sowie beim Verzehr entsteht, wenn es gut geht, Gemeinschaft. [...] Was wirklich deutlich werden muß, ist, daß die Gabe des Brotes nicht nur dem irdischen Leben dient, sondern Symbol für die Hingabe Jesu Christi an uns als Speise zum ewigen Leben. Das ist nicht unmöglich. Es müßte nur gemacht werden.“ (S. 156)
Aber Backen und Brauen ist noch nicht alles, was die Cloppenburger an sinnlichen Erfahrungen im Programm haben: 
"In den Monaten Mai, Juni und Juli sollen bei Prozessionen und beim Pilgern der Glauben 'erlaufen' bzw. 'erfahren' werden. Beginn ist am 3. Mai mit einer meditativen Fahrradprozession" ---- 
Nein, ich mag darüber nicht einmal mehr Witze machen. Ich finde es nur noch traurig, diesen ganzen fehlgeleiteten Aktionismus, mit dem man die Grube, in der man sitzt, nur immer tiefer schaufelt. Weil man merkt, dass einem die Felle wegschwimmen, und denkt, man müsste irgend etwas dagegen tun, aber es fällt einem schlichtweg nichts anderes ein als noch mehr von dem, was man schon immer gemacht hat. Leute, ich hätte einen Vorschlag. Vielleicht solltet ihr mal damit anfangen, in Erwägung zu ziehen, dass es diesen Gott, von dem bei euch zumindest hin und wieder mal die Rede ist, womöglich wirklich gibt. "Wirklich" in dem Sinne, dass Er in der Welt und im Leben von Menschen WIRKT. Und dass die Kirche Ihm gehört und nicht euch. Und dann setzt ihr euch vielleicht mal still hin und fragt Ihn - gern zum Beispiel in der Eucharistischen Anbetung -, was Er eigentlich von euch und von Seiner Kirche will. Vielleicht wärt ihr überrascht von der Antwort, die ihr bekommt. Und das wäre doch schön mal ein guter Anfang. 

Ach ja, eins noch:
"Am 8. November wird in der St.-Josefs-Kirche zum Mahl in der Tradition der Gemeinschaft St. Edigio eingeladen. Die Veranstaltung richtet sich besonders an Menschen, die es schwer haben" -- 
und trifft das nicht auf uns alle zu, irgendwie? 


3 Kommentare:

  1. Wir sollten nicht vergessen, dass Gott gerade seine Kirche renoviert. Diese Entkernung kann noch einige Zeit dauern.

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  2. Ich bin der Ansicht dein letzter Satz trifft den tieferen Grund der Krise!
    Der Bloggerkollege Annuntiator hat heute folgendes gepostet https://annuntiator.blogspot.com/2020/02/das-leid-ist-ein-thermometer-fur-das.html es geht um das Leid und die seltsame Erfahrung dass der liebe Gott den seinen, im Wortsinn, voll einschenkt, sprich gerade die Frommen, die Beter eigentlich die Kreuzträger sind, oder wie es im modernen Jargon heißt "Menschen die es schwer haben!"
    Das ist alles nichts Neues, neu ist allerdings dass man flächendeckend Christen, besonders Katholiken als die versteht, die den anderen helfen, sollen, können müssen, (man lese da zu vergangene Hirtenbriefe und Spendaufrufe und lausche textverstehend ortsüblichen Fürbitten) das ist alles gut gemeint, aber der Subtext von all dem ist "also wenn du selber zu denen gehörst, denen geholfen werden muss, dann gehörst du nicht zu uns!" und das ist der gemeinsame Nenner beider Fraktionen der Modernisten, wie der Konservativen, wobei die Konservativen die Not auf das mangelnde Beten zurück führen, die anderen auf das System. (Holzschnittartig ich weiß).
    Defacto führt eine solche Grundhaltung dazu, dass man mit dem Kreuzopfer und besonderes dessen Frucht, nämlich der Erlösung nichts mehr anfangen kann, weil so tolle Leute wie wir, die helfen doch dem lieben Gott, und ganz praktisch, wenn ich helfe muss mir nicht geholfen werden!
    Dass diese ganze Helferei den Beigeschmack eines klassischen Helfersyndroms hat, dürfte das ganze Problem eher verschärfen

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  3. Der Paradigmenwechsel begann, als sich der Priester vom Herrn weg zum Volk gewandt hat. Als der Mensch im Mittelpunkt der Eucharistie gerückt wurde, blieb ihm nichts anderes übrig als hilfsbereit zu sein. Es ist alles andere als holzschnitzartig den Konservativen "vorzuwerfen" sie würden es am mangelnden Gebet fest machen. Genau das entspricht der Realität. Wenn man sich vom Herrn weg bewegt und nicht mehr mit ihm spricht, dann schwindet der Glaube um den wir "ohne Unterlass beten sollen".

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