"Wir wissen nicht mehr, wo wir sind, und steigen lieber aus /
Wir sind unterwegs und doch irgendwie zu Haus /
Ein Himmel voller Lichter wärmt die Herzen hier /
Ein Meer voll Attraktionen und dazwischen wir. /
Wir sind viele und wir sind zu zweit /
Wir sind big in Berlin tonight."
(Die Sterne, "Big in Berlin", 1999)
Eigentlich gehörte die sogenannte "Hamburger Schule" nie zu meinen bevorzugten Musikrichtungen, aber so langsam bin ich doch schwer beeindruckt von der Weisheit, die sich in diesem Genre verbirgt. Erst Kettcar und "Valerie und der Priester", jetzt Die Sterne und der Evangelische Kirchentag. Hier wie dort gilt: Auch über das obige Zitat hinaus passt der ganze Liedtext zum Anlass wie die Faust aufs Auge. Und schaut Euch unbedingt das Video an. Es ist großartig. Sänger Frank Spilker reitet als mit Lichterketten illuminierter Cowboy durch Berlin. Muss man gesehen haben.
Außerdem an dieser Stelle ein Hat-Tip ans ZDF, dessen Eröffnungsbericht zum 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag ich die Assoziation zu diesem Song letztlich verdanke. Der Beitrag trug nämlich den Titel "Wir sind viele".
Ansonsten bleibt mir eigentlich nur noch, auf einige lesenswerte Beiträge zum Kirchentag aus fremder Feder hinzuweisen:
- Josef Bordat beschrieb unter der Überschrift "Kirchentagsvorglühen" schon im Vorfeld ausgesprochen treffend, was von diesem Event zu erwarten sein würde.
- "Mary of Magdala" widmet sich in "Rettet die Jugend!" dem soeben erwähnten ZDF-Beitrag, genauer gesagt: jenem Teil des Beitrags, in dem es um das "Zentrum Jugend" am Anhalter Bahnhof ging, und kommt zu dem Schluss: Was die Jugendlichen da zeigen, das ist ein Hilfeschrei. Ein Schrei nach Gott, aus der Tiefe der spirituellen Verblödung.
- Sebastian Baer-Henney, evangelischer Pfarrer in Köln, präsentiert seinen persönlichen Rückblick auf den Kirchentag unter der Überschrift "Augen, die nicht weinen können". Darin schreibt er zwar "Was ich gesehen habe, ist durchaus gut. Es ist gut für die Menschen, die noch kirchlich sind. Es ist gut für die Menschen, die kirchlich sozialisiert wurden. [...] Unsere theologisch korrekten Antworten, unsere politisch korrekten Aussagen – all das ist richtig", macht sich aber gleichwohl Sorgen, dass die auf dem Kirchentag gepflegte "Binnenkirchlichkeit" immer weniger Relevanz für die "Außenwelt" habe. Unnötig zu erwähnen, dass ich in Vielem grundsätzlich anderer Meinung bin als Pfarrer Baer-Henney, aber gerade deshalb finde ich die Schlussfolgerungen, die er zieht, höchst interessant.
- Wie jemand, der sich in der "Binnenkirchlichkeit" des Kirchentags fühlt wie ein Fisch im Wasser, die Veranstaltung erlebt hat, kann man auf dem Blog Kirchengeschichten von Holger Pyka - auch er evangelischer Pfarrer - unter der Überschrift "Was vom Tage übrig bleibt?" bewundern. Einige Kritikpunkte führt auch er an, aber das positive Wir-Gefühl überwiegt. Es lohnt sich, den Artikel zur Kenntnis zu nehmen. Was mir beim Lesen durch den Kopf ging: Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wohltuend und fruchtbar Veranstaltungen sein können, bei denen Gleichgesinnte mehr oder weniger unter sich sind. Komisch nur, dass das bei Manchen als "sektiererisch" gilt und bei Anderen nicht.
- "Ist es jetzt mal gut mit dem Gendern?" fragt derweil Claudia Sperlich und setzt sich auf kreative Weise mit den vom Arbeitskreis "Lesben und Kirche" (LuK) verantworteten Kirchenliedtextverschlimmbesserungen im offiziellen Kirchentags-Liederbuch auseinander.
- Und abschließend noch einmal Josef Bordat, diesmal ganz sachlich-seriös, mit einem Kommentar in der Tagespost (bitte schnell lesen, ehe der Artikel hinter der Bezahlschranke verschwindet): "Mehr Kant als Luther".
Und nun aber genug von diesem Thema! Mein heimlicher Manager W. hat sich mal wieder zu Wort gemeldet: Er meint, ich sollte mich nicht so viel an der doofen und langweiligen p.c.-Fraktion abarbeiten, sondern lieber positive Alternativen aufzeigen. Deshalb geht's hier demnächst weiter mit der "Benedict Option"...
Der Text von Pfr. Pyka ist allerdings ziemlich gut.
AntwortenLöschen"Die Tragik des modernen Menschen ist nicht, dass er immer weniger über den Sinn des eigenen Lebens weiß, sondern dass ihn das immer weniger stört." (Václav Havel)
AntwortenLöschenDas könnte man über jedes Motto eines Kirchentages stellen.