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Montag, 6. Juli 2015

Igitt - die knutschen!

Zum Welttag des Kusses muss ich, bevor ich mich wieder umfangreicheren Aufgaben zuwende, mal einen kleinen Schnellschuss aus der Hüfte feuern: Wie ich über die einschlägigen Sozialen Netzwerke verfolgt habe, gab es in den letzten Tagen erhebliche Aufregung über einen Artikel auf der Website von Radio Vatikan (der inzwischen entfernt wurde, aber hier trotzdem noch zu sehen ist - das Internet vergisst nichts): Unter der Überschrift "Kirchliche Sexualmoral ist in Bewegung" wurde da ein Interview der österreichischen Wochenzeitung Die Furche mit dem  Moraltheologen Martin Lintner OSM referiert. - Ärgerlich fand ich den Artikel durchaus auch - schon allein, weil bereits die Überschrift geeignet ist, verbreitete Vorurteile darüber zu verfestigen, dass die (bisherige) Sexualmoral der Katholischen Kirche "vorgestrig", wo nicht gar "mittelalterlich" sei und dringend der "Modernisierung" bedürfe - und dann auch, weil sie im Vorfeld der Bischofssynode zu Ehe und Familie suggeriert, diese Modernisierung stehe unmittelbar bevor. 

Befremdlich fand (und finde) ich es jedoch, dass die zu erwartende Kritik von konservativer Seite sich weit weniger am Text des Artikels entzündete als an dem Agenturfoto, mit dem Radio Vatikan den Artikel schmückte. Während der Vatikanist Edward Pentin sich in einem Tweet über den "uncritical article on Vatican Radio" noch zurückhaltend-ironisch äußerte ("remarkable choice of photo"), donnerte Publizist Mathias von Gersdorff auf seinem Blog: "Radio Vatikan bebilderte den Text mit einem schamlosen Foto, das niemals in einem katholischen Nachrichtendienst erscheinen dürfte." Und nachdem Radio Vatikan den Artikel zurückgezogen hat, frohlockt kath.net heute, ausgerechnet am Tag des Kusses: "Radio Vatikan musste Gay-Foto von Website entfernen". Vom Inhalt des Artikels, der an dem Bild noch mit dranhing, ist überhaupt keine Rede mehr. Über das Foto schrieb kath.net
"Das von der AFP gekaufte Foto zeigt zwei lesbische Frauen beim Zungenkuss." 
Ernsthaft?? - Hier nochmal der Link zum Originalartikel

Man muss schon sehr genau hinschauen, um die Zunge der einen jungen Dame zwischen ihren Lippen hervorlugen zu sehen. (Das hat wohl auch kath.net inzwischen eingesehen und den "Zungenkuss" im Text durch einen schlichten "Kuss" ersetzt.) Mit etwas weniger Willen zur Empörung könnte man in dem Bild auch einfach zwei junge Mädchen sehen, die sich zur Begrüßung ein Küsschen geben - für mein Empfinden durchaus kein ungewöhnlicher Anblick. Dass das Ganze irgend etwas mit Homosexualität zu tun haben könnte, wird letztlich nur durch das Regenbogen-Armband des einen Mädchens angedeutet. 

Zugegeben: Das Bild muss einem nicht gefallen. Man kann es unangemessen finden. Man kann kritisch hinterfragen, was die Verantwortlichen bei Radio Vatikan damit bezwecken wollten, diesen Artikel gerade mit diesem Bild zu schmücken. Aber sich lautstark über das Foto zu erregen und es als "schamlos" zu verschreien, ist kontraproduktiv. Das ist zu nichts Anderem gut als dazu, Diejenigen in ihrer Auffassung zu bestärken, die schon immer der Meinung waren, Katholiken - konservative Katholiken zumal - seien prüde, verklemmt, ja leibfeindlich - und "homophob" sowieso. Ein positives Bild von der katholischen Sexualmoral vermittelt man mit solchen Reaktionen gewiss nicht. 

Schon gar nicht am Welttag des Kusses. 


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