Am Neujahrstag bis in die Puppen auszuschlafen, ist - so sollte man jedenfalls meinen - ein gesellschaftlich allgemein akzeptierter Brauch. So kamen meine Liebste und ich, nachdem wir am Silvesterabend zwar nicht allzu kräftig auf den Putz gehauen hatten, immerhin aber der allgemeinen Sitte entsprechend erst nach Anbruch des Neuen Jahres schlafen gegangen waren, tags darauf erst gegen Mittag aus dem Bett und dachten uns: So, jetzt erst mal schön frühstücken gehen. Die Frage, welches der beiden in der Nähe unserer Wohnung befindlichen Bäckerei-Cafés wir zu diesem Zweck aufsuchen wollten, erübrigte sich allerdings: Wie sich zeigte, waren beide geschlossen.
"Was nun?", fragte meine Liebste. "Mit der S-Bahn Richtung Innenstadt oder mit dem Bus nach Alt-Tegel?"
Ich war für Alt-Tegel. Da gibt es schließlich eine große Auswahl an Frühstückslokalen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass die alle am Neujahrstag geschlossen wären.
Waren sie auch nicht. Also, einige schon, aber eben nicht alle. In zweien hätte es bis 13:30 Uhr Frühstück gegeben, nun aber nicht mehr. In eines kam man ohne Reservierung nicht rein. Ein weiteres hatte "heute keine Küche". Und eine Bäckerei unweit der U-Bahn war erstens rappelvoll, und zweitens lagen in den Auslagen ca. 500 verschiedene Sorten Pfannkuchen (andernorts "Berliner" genannt) und ansonsten nichts. Schließlich fuhren wir mit der U-Bahn zum Naturkundemuseum und gingen dort zu Subway. Ob man das Essen, das man dort bekommt, als "Frühstück" bezeichnen kann, darüber mag man streiten, aber immerhin gab es Kaffee dazu.
Infolge dieser insgesamt mehr als zweistündigen Odyssee hatte ich heute morgen von vornherein keine Lust, aufzustehen. "Aber draußen gibt es Frühstück!", versuchte meine Liebste mich zu ermuntern. Ich blieb skeptisch. "Nach der traumatischen Erfahrung von gestern bezweifle ich die Existenz von Frühstück prinzipiell", erklärte ich. "Ich bin so zu sagen Frühstücks-Agnostiker."
Eigentlich erwähne ich diese ganze Anekdote allerdings nur, weil ich, als ich diesen Dialog auf Facebook postete, von einigen theologisch gebildeten Freunden so brillante Antworten erhielt, dass ich meinen Bloglesern diese auf keinen Fall vorenthalten will.
"Vielleicht ist das Frühstück ja auch nur ein Mythos; eine Legende, die uns eine tiefer liegende Wahrheit vermitteln will ..."
"Frühstück ist nur die Projektion unserer Sehnsucht nach Essen am Morgen."
"Die Frühstückslegende hat laut Forschung ihren Sitz im Leben in der Tradition des 'Frühen Vogels'. Der Überlieferung nach soll es früher in den Gärten der Menschen zum Ende der Nacht hin Würmer gegeben haben, auf die sich die Vögel gern und gierig gestürzt haben, um ihren Hunger zu stillen. Die neuere historische 'Friss oder Stirb'-Theologie hat herausgefunden, daß es diesen 'frühen Vogel' wohl gab, aber 'den Wurm' nicht. In späteren Handschriften wird folgendes tradiert: 'Da war gar keine Wurm!' (Vögelsang Lex.Bd. 3.)
Diese emotional sehr enttäuschungsgeladene Formulierung deutet darauf hin, daß die Projektion schon sehr weit voran geschritten war, und spricht sehr für den Wahrheitsgehalt dieses Ausspruchs.
Ergo: Gemeint war eigentlich das frühe Aufstehen, welches sich noch vor dem morgendlichen Latte Macchiato vollzog - Ach, Scheiß auf Theorien: ICH WILL JETZT NEN KAFFEE..."
You get the point, lieber Leser. Schließen wir versöhnlich:
"Seitdem ich frühstücke, bin ich ausgeglichener, auch wenn ich nicht jeden Tag ein Frühstück erfahre. Frühstücke gibt es. Frühstücksglaubender."
Na bitte: Geht doch! (Das war allerdings in Nordenham. Ich will hier schließlich keine unbezahlte Werbung für eine Bäckereikette machen, und bei Muttern ist das Frühstück sowieso am besten...) |
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