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Samstag, 23. Juli 2016

"Business Class sind wir geflogen" - Aus meinem Pilgertagebuch, Teil 1

Prolog: Mittwoch, 20.07.2016 

Die perfekte Vorbereitung auf die Pilgerreise: Beichte und Abendmesse in der Unterkirche von St. Hedwig, anschließend holten meine Liebste und ich uns in der Sakristei einen Pilger- und einen Verlobungssegen von Dompfarrer Arduino Marra. 

Die Messe war sehr schön - nicht zuletzt auch dadurch, dass (unangekündigt) eine junge Pilgergruppe aus den USA hereinschneite, die auf der Durchreise nach Krakau zum Weltjugendtag war. Hochwürden Marra predigte daraufhin spontan zweisprachig - Deutsch und Spanisch, da, wie er selbst sagte, sein Englisch nicht so gut ist und die jungen US-Amerikaner (oder zumindest einige von ihnen) auch Spanisch verstanden. 

Die Tageslesung - die Berufung des Jeremia - war enorm motivierend, umso mehr, als Hochwürden Marra in seiner Predigt betonte: "Wir alle sind durch die Taufe zu Propheten berufen". Wohlan denn! 

Da aber nichts diesseits des Himmels gänzlich vollkommen ist, wurde als Danklied nach der Kommunion "Lied, das die Welt umkreist" von Wilhelm Willms und dem unvermeidlichen Peter Janssens gesungen. Ein selten bescheuerter Text... Allerdings muss ich gestehen, dass ich, wie ich es öfter mal tue, kurz vor Beginn der Messe bereits im Gotteslob herumgeblättert hatte, um zu schauen, was denn so alles gesungen werden würde, und also schon da auf "Lied, das die Welt umkreist" aufmerksam geworden war. Als ich es meiner Liebsten zeigte, meinte sie: "Das ist extra für uns, damit wir die deutsche Kirche so richtig vermissen, wenn wir über einen Monat weg sind." 
"Außer natürlich, wir treffen unterwegs so eine BDKJ-Klampfentruppe", merkte ich an - aber dann fiel mir ein: "Aber die sind zur Zeit wohl eher alle unterwegs nach Krakau." 
Und genau in DEM Moment kam die Pilgergruppe herein, die auf der Durchreise nach Krakau war... 


Anreisetag - Donnerstag, 21.07.2016 

Iberia-Flug von Berlin-Tegel nach Madrid. Frage: Gibt's bei dieser Billig-Airline gar kein Unterhaltungsprogramm? Antwort: Doch. Es besteht in dem stiernackigen Spanier, der vor dir Platz nimmt und sein ganzes nicht gerade unbeträchtliches Gewicht gegen deine Knie stemmt. 

-- Im Ernst: Es war gar nicht so leicht, mich in die engen Sitzreihen zu quetschen, und ich frage mich schon, wie ich es aushalten soll, drei Stunden lang derart eingekeilt zu sitzen - da hat die Airline ein Einsehen. Eine sehr freundliche Stewardess erscheint an unserem Platz und erklärt, in der Business Class seien noch zwei Plätze frei - und angesichts meiner Körpergröße würde man uns gestatten, nach dem Start dorthin umzusiedeln. 
Toll. Fühle mich ein bisschen wie Tebartz, äh nein: Overbeck

Rund drei Stunden später, Madrid: Noch ehe das Flugzeug in seiner Parkposition angekommen ist, stürmt eine Gruppe von Passagieren mitsamt Handgepäck von ganz hinten nach ganz vorn, was offensichtlich keinen anderen Zweck hat als den, beim Aussteigen die ersten zu sein. Wir lassen uns mehr Zeit, haben dementsprechend aber umso weniger Aufenthalt in Madrid: Obwohl wir unser Gate zum Weiterflug nach Bilbao mühelos finden und der Weg dorthin gar nicht weit ist, reicht die Zeit gerade für einen raschen Toilettenbesuch, da beginnt auch schon das Boarding. Wir sitzen nun natürlich wieder in der Holzklasse - aber das ist gar nicht so schlimm: Der Flug von Madrid nach Bilbao geht extrem flott - gerade habe ich noch den Drang niedergekämpft, am durch den Gang bollernden Servierwagen ein Sandwich zu kaufen, da wird auch schon angesagt, dass wir in wenigen Minuten landen. Na gut, so ein Inlandsflug besteht ja praktisch nur aus Start und Landung. 

Na, wo sind wir hier wohl gelandet?
In Bilbao haben wir ziemlich unmittelbar Anschluss an einen Bus nach Donostia-San Sebastian. Während die Gegend um Madrid vom Flugzeug aus flach, öde und irgendwie verbrannt aussah, erinnert die Landschaft um Bilbao zunächst eher an ein deutsches Mittelgebirge. Auch vom Klima her, übrigens. Aber dann, gerade als wir gemeinsam auf dem iPhone meiner Liebsten das Psalmen-Album "Mit einem anderen Blick" von Miriam Buthmann hören, bietet sich ein erster Blick auf die Pyrenäen. Whoa

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe?
 Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
 Er lässt deinen Fuß nicht wanken; Er, der dich behütet, schläft nicht.
Nein, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.
 Der Herr ist dein Hüter, der Herr gibt dir Schatten; Er steht dir zur Seite.
Bei Tag wird dir die Sonne nicht schaden noch der Mond in der Nacht.
 Der Herr behüte dich vor allem Bösen, er behüte dein Leben.
Der Herr behüte dich, wenn du fortgehst und wiederkommst, von nun an bis in Ewigkeit.
(Psalm 121)

Nach gut eineinhalbstündiger Busfahrt erreichen wir Donostia-San Sebastian - übrigens, was wir bisher nicht gewusst hatten, aktuell Kulturhauptstadt Europas (zusammen mit Breslau). Die Stadt - oder das, was wir aus dem Bus heraus und auf dem Fußweg vom Busbahnhof zur Haltestelle der baskischen Bimmelbahn davon sehen - versprüht den morbiden Charme vergangener Größe: 



Ein völliges Rätsel sind mir die Fußgängerampeln in San Sebastian. Sie scheinen eher zur Dekoration zu dienen - jedenfalls zeigen sie immer Rot. Die Einheimischen lassen sich jedoch nicht sonderlich davon beeindrucken. -- Man trifft hier auch durchaus auf einige Rucksacktouristen, aber ob es sich dabei um Jakobspilger handelt, bleibt ungewiss. Wenn ja, ist es wahrschinlicher, dass sie auf dem Camino del Norte unterwegs sind - der führt nämlich, anders als der Camino Frances, auf den wir wollen, direkt durch San Sebastian. 

Mit der baskischen Bimmelbahn ging's weiter... 
Unsere nächste Station nach Donostia-San Sebastian ist Hendaye, unmittelbar hinter der französischen Grenze, aber immer noch im Baskenland - wo selbst die Schornsteine der Häuser aussehen wie Marienstatuen. In Hendaye haben wir direkten Anschluss an einen Zug der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF nach Bayonne. Die SNCF-Bahn ist auf jeden Fall schon mal ein gutes Stück komfortabler als die bisher genutzten Verkehrsmittel an diesem Tag. 

In Bayonne haben wir eine gute Stunde Aufenthalt und nutzen diese Zeit, um a) einzukaufen und b) die mittelalterliche Kirche Saint-Esprit zu besuchen, die direkt gegenüber vom Bahnhof liegt. 

Blick vom Bahnhof in Bayonne auf die Kirche Saint-Esprit. 
Auf der Rückseite der mittelalterlichen Basilika befindet sich allerdings eine Bar
Reliquienschrein der Hl. Irene 


Hl. Antonius von Padua
Hl. Therese von Lisieux. Vor dieser Figur legte während unseres Aufenthalts  übrigens ein vermutlich obdachloser Mann zwei Schokoladenkekse ab. 
Der Bahnhof von Bayonne war übrigens, wie sich zeigte, voll mit Pilgern - und der (sehr kleine) Zug, der von dort nach St. Jean Pied-de-Port fuhr, erst recht. Ist aber ja auch kein Wunder, denn was sollte man sonst in diesem Kaff wollen? 

Im Ernst: St. Jean Pied-de-Port, wo wir gegen 19:30 Uhr und somit nach rund vierzehneinhalb Stunden Anreise endlich ankommen, ist ein ausgesprochen hübscher Ort. Dennoch dürfte sich da kaum mal jemand hinverirren, der nicht die Absicht hat, von dort aus auf den Jakobsweg zu gehen. 

Die Pilgerscharen fallen in St. Jean Pied-de-Port ein... 


Während die anderen Pilger aus dem Zug sich alsbald auf allerlei Herbergen verteilen, finden wir eine, die zu diesem Zeitpunkt komplett leer ist. Der Herbergsvater erkennt mich scharfsichtig als Jakobsweg-Neuling und gibt mir einige Wandertipps mit auf den Weg, die mich eher verunsichern. Meine Schuhe seien zu fest bzw. zu hochgeschlossen, das sei nicht gut für den Knöchel. Zumindest soll ich sie nicht bis obenhin zuschnüren. Ich soll reichlich Wasser mitnehmen und regelmäßig, am besten alle zehn Minuten, ein paar Schluck trinken. Und solange ich bergauf gehe, soll ich nicht stehen bleiben. Lustiger Ratschlag, denn die erste Etappe des Camino Frances geht insgesamt 16 Kilometer bergauf, davon die ersten acht Kilometer ununterbrochen. 

In der Herberge
Die Herberge ist insgesamt ganz okay, bietet allerdings leider kein Abendessen an. Also wandern wir noch ein wenig durch die Stadt und finden ein Lokal, wo es leckeres, wenn auch nicht unbedingt preisgünstiges Essen gibt. Genehmige mir einen "Baskischen Burger", dazu baskischen Rotwein, und stelle fest, dass sich bis jetzt alles noch so ziemlich wie ein normaler Urlaub anfühlt. Was sich ab dem folgenden Tag aber wohl ändern dürfte... 


(Fortsetzung folgt!) 



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