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Sonntag, 17. April 2016

Du willst es doch auch (nicht)!

Im 7. Kapitel der postsynodalen Exhortation Amoris Laetitia, betitelt "Die Erziehung der Kinder stärken", widmet Papst Franziskus ein ganzes Unterkapitel, bestehend aus den Abschnitten Nr. 280-286, dem Thema "Ja zur Sexualerziehung". Gleich einleitend heißt es da mit Bezug auf das Konzilsdokument Gravissimum educationis (über die christliche Erziehung):
"280. Das Zweite Vatikanische Konzil sprach von der Notwendigkeit, die Kinder und Jugendlichen »durch eine positive und kluge Geschlechtserziehung« zu unterweisen, die »den jeweiligen Altersstufen« angepasst ist und die »Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft« verwertet. Wir müssten uns fragen, ob unsere Erziehungseinrichtungen diese Herausforderung angenommen haben."
Tja. 

Unlängst zeigte mir meine Liebste, die an einer Gesamtschule Biologie unterrichtet, ein schmales Taschenbuch, das sie aus der Schule mitgebracht hatte - es habe dort ausgelegen, vermutlich habe ein Kollege oder eine Kollegin es für den Unterricht verwendet bzw. an die Schüler verteilt. Das Heft trug den Titel First Love - Safety First, und sein Inhalt bestand größtenteils aus einem Comic im Manga-Stil. Allerdings war es nicht, wie ein richtiges Manga, von hinten nach vorn zu lesen, und die Hauptcharaktere hießen auch nicht Yuki oder Chihiro oder so, sondern Lena, Colin, Paula und Stefan. Immer wieder unterbrochen wurde die Handlung des Comics durch Infoseiten zu Themen wie Pubertät, Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaft und Verhütungsmittel. Hinsichtlich der inhaltlichen Tendenz dieser Infoseiten (wie auch der Comic-Handlung selbst) brauchte man sich angesichts des Umstands, dass das Heft vom Präservativhersteller Condomi herausgegeben wurde, keine Illusionen zu machen. 


Aber werfen wir zuerst einmal einen Blick ins Vorwort:
"Hallo!
Vielleicht hast du ja schon deine ersten Erfahrungen in Sachen Liebe gemacht. Auch wenn das noch nicht der Fall war - irgendwann trifft's auch dich! In diesem Comic findest du eine Menge Infos über die erste Liebe, deinen Körper, Verhütung, Sexualität - und auch darüber, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen." 
-- Verantwortung übernehmen? Das klingt ja gut! Seien wir also gespannt und steigen direkt ein in die Handlung des Comics: Lena ist heimlich verliebt in ihren besten Freund Colin - der sie zwar durchgängig mit "Süße" anredet, ansonsten aber wesentlich mehr an Paula interessiert scheint, die bereits recht ausgeprägte weibliche Rundungen aufweist, während Lenas Figur noch vergleichsweise kindlich ist. Als Colin Lena jedoch zu einem Campingausflug an den Baggersee einlädt, hofft sie auf eine Gelegenheit, ihm ihre Liebe zu gestehen. -- An dieser Stelle setzt der erste "Infoteil" des Hefts an, und zwar mit Anmerkungen dazu, wie sich der Körper während der Pubertät verändert. Nicht ungeschickt wird an Lenas Selbstzweifel wegen ihrer wenig entwickelten Körperformen angeknüpft: 
"So wie Lena geht's vielen Jugendlichen in der Pubertät: Man vergleicht sich und seine körperlichen Veränderungen mit denen der anderen. Da denkt man als Mädchen oft: 'Die hat schon mehr Busen als ich, obwohl sie viel jünger ist.' Und natürlich gibt's auch viele junge Mädchen, die für ihr Alter schon viel Busen haben und sich deswegen unsicher fühlen. Bei den Jungs dagegen kommen eher Fragen auf wie: 'Wieso hat der schon einen Bart - und ich hab immer noch ein Gesicht wie ein kleiner Junge?' [Moment mal: Und was ist mit Schwanzvergleich in der Hallenbaddusche? - Aber lassen wir das.] Nicht selten hat man bei solchen Vergleichen das Gefühl, dass andere schon weiter sind als man selbst. Darunter kann das Selbstbewusstsein leiden. Sollte es aber nicht!" 
Interessanterweise würde der Papst bis hierhin wohl sogar noch mitgehen. So schreibt er in Amoris Laetitia Nr. 285:
"Jenseits der verständlichen Schwierigkeiten, die jeder erleben mag, muss man helfen, den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er geschaffen wurde […]. Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen." 
Der zuletzt zitierte Satz deutet allerdings schon an, dass es Papst Franziskus in diesem Abschnitt seines Schreibens weniger um Unterschiede im Tempo der körperlichen Entwicklung in der Pubertät geht als vielmehr um die Annahme der eigenen Geschlechtsidentität. Hier muss man bedenken, dass das Heftchen First Love - Safety First! bereits 2006 erschienen ist und somit volle zehn Jahre älter ist als Amoris Laetitia. Dass vor zehn Jahren das Gender Mainstreaming noch längst nicht so weit fortgeschritten war wie heute, merkt man dem Heft deutlich an: Die Texte darin gehen durchweg von zwei eindeutig unterscheidbaren und voneinander abgrenzbaren Geschlechtern aus; Transsexualität und sogar Homosexualität werden nirgends auch nur ansatzweise thematisiert. 

Bevor es mit Lenas und Colins Ausflug an den Baggersee weitergeht, folgen noch allerlei Informationen darüber, was in der Pubertät so alles mit dem weiblichen und dem männlichen Körper passiert (einschließlich Schemazeichnungen), sowie "Wichtige Facts rund um die Periode" - wozu die denkwürdigen Sätze gehören: "Während [des] Eisprungs kann die Eizelle durch einen männlichen Samen befruchtet werden. Sollte das passieren, ist man schwanger." Allerhand! Doch dazu später mehr - erst einmal zurück zum Comic.  

Beim Campen am Baggersee ist zu Lenas großer Enttäuschung auch Paula mit von der Partie. Gegen sie glaubt Lena bei Colin keine Chance zu haben und sondert sich von ihren Freunden ab, woraufhin ein fremder Junge - Stefan - sie anspricht. Er zeltet mit seinen Kumpels ebenfalls in der Nähe, und am Abend gesellt sich Lena zu dieser Gruppe, da sie es nicht erträgt, Colin und Paula zusammen zu sehen. Stefan gibt ihr Bier zu trinken - normalerweise, so wird der Leser informiert, trinkt Lena keinen Alkohol -; und als sie einigermaßen angetrunken ist, lässt sie sich von Stefan küssen (und denkt dabei "Hoffentlich sieht Colin das!"). Schließlich lässt sie sich sogar von Stefan in sein Zelt locken: "Weißt du, was wahnsinnig schön wäre? Wenn du heute bei mir bleibst und morgen in meinen Armen wach wirst..." 

Das ist Paula. Paula weiß total bescheid. Sei (nicht) wie Paula! 
Wem nicht von allein klar ist, worauf das hinausläuft, dem hilft der nächste Infoteil auf die Sprünge: Der beginnt nämlich mit einer Übersicht über verschiedene Verhütungsmethoden, jeweils mit Erläuterungen zur Anwendung, "Pearl-Index" und Nebenwirkungen. Aufgeführt werden Kondom, Pille, Depot-Spritze, Hormon-Implantat, Spirale, Vaginalring, Verhütungspflaster, Diaphragma und Sterilisation (!). "Kein Wort von Enthaltsamkeit oder NFP oder so etwas!", ereiferte sich meine Liebste. Ich zuckte mit den Achseln. "Natürlich nicht. Enthaltsamkeit, das gibt's doch gar nicht. Das ist doch nur so ein Aberglaube. - Und NFP, also ehrlich mal - glaubst du, irgendwo außerhalb der Katholischen Kirche erfährt man irgendwas über NFP?" 

(Ich gebe zu, ich habe da ein bisschen übertrieben. Informationen über NFP bekommt man sehr wohl auch aus nichtkatholischen Quellen. Allerdings wird diese Methode dort eher als Mittel zur gezielten Schwangerschaftsplanung angepriesen als zur Verhütung. Was natürlich zwei Seiten derselben Medaille sind, aber schon diese Feststellung ist heutzutage wohl Manchem ein Dorn im Auge.) 

"Aber Teenagern die Spirale empfehlen", grummelte meine Liebste weiter. Nun ja, streng genommen tut die Broschüre das nicht, sondern erwähnt lediglich, dass es sie gibt - und räumt dabei ein, dass sie "für junge Mädchen nicht besonders gut geeignet" sei. Zum Thema Sterilisation heißt es: "Weil man sie nicht mehr rückgängig machen kann, ist die Sterilisation nur für Frauen und Männer geeignet, die schon Kinder haben und/oder keine Kinder mehr möchten!" Muss einem ja mal gesagt werden. Also, im Grunde hat meine Liebste schon Recht: Wenn da schon im Interesse der Vollständigkeit auch solche Verhütungsmethoden aufgeführt werden, die nicht einmal die Macher der Broschüre guten Gewissens jungen Mädchen empfehlen wollen, dann wäre es nur recht und billig gewesen, auch ein paar Worte über NFP zu verlieren. Daneben fällt es auf, dass im Abschnitt über die Anti-Baby-Pille bis auf den vagen Hinweis, sie sei "für Raucherinnen eher nicht" geeignet (aber Rauchen gilt unter Teenagern ja neuerdings sowieso als uncool, hab ich mir sagen lassen), keinerlei Nebenwirkungen aufgeführt werden. Vermutlich wäre es allzu abtörnend gewesen, an dieser Stelle über Migräne, Depressionen, Gewichtszunahme, Thrombose, Herzinfarkt oder Brustkrebs zu sprechen. -- Vor allem aber ist der Sponsor der Publikation nun mal ein Kondomhersteller, und daher wird noch einmal eigens hervorgehoben: "Nur das Kondom schützt vor einer Schwangerschaft und vor gefährlichen Geschlechtskrankheiten!!!" Folgerichtig enthält der Infoteil auch eine ganzseitige Anleitung zum richtigen Überziehen eines Kondoms - einschließlich Hinweisen zur Entsorgung ("Benutzte Kondome gehören nicht in die Toilette, sondern - in Papier eingewickelt - in den Mülleimer"). 

Hören wir auch hierzu Papst Franziskus:
"Die Sexualerziehung bietet Information, jedoch ohne zu vergessen, dass die Kinder und die Jugendlichen nicht die volle Reife erlangt haben. Die Information muss im geeigneten Moment kommen und in einer Weise, die der Phase ihres Lebens angepasst ist. Es ist nicht dienlich, sie mit Daten zu übersättigen, ohne die Entwicklung eines kritischen Empfindens zu fördern gegenüber einem Überhandnehmen von Vorschlägen, gegenüber der außer Kontrolle geratenen Pornographie und der Überladung mit Stimulierungen, welche die Geschlechtlichkeit verkrüppeln lassen können. Die Jugendlichen müssen bemerken können, dass sie mit Botschaften bombardiert werden, die nicht ihr Wohl und ihre Reifung anstreben. Man muss ihnen helfen, die positiven Einflüsse zu erkennen und zu suchen, während sie sich zugleich von all dem distanzieren, was ihre Liebesfähigkeit entstellt." (AL 281) 
Was geht derweil in Stefans Zelt vor sich? Na was wohl! Der Knabe verliert keine Zeit, der durch ungewohnten Alkoholkonsum praktisch willenlosen Lena an die Wäsche zu gehen - und sie denkt: "Ist das schön... Selbst Colin ist mir grad total egal..." Als Stefan unverhohlen erklärt "Ich will mit dir schlafen", erschrickt sie aber doch: "Was sag ich denn jetzt?! Ich hab doch noch nie...!" Letztlich stellt dies aber ebensowenig ein Hindernis dar wie die Tatsache, dass Stefan keine "Gummis dabei" hat: "Ich versprech dir, ich pass auf, ok?" - Klar, denn: "Stefan ist so lieb und einfühlsam..." Ja, sicher

Am nächsten Morgen macht Lena sich Vorwürfe. Warum? Etwa, weil sie sich von einem wildfremden Typen hat abschleppen lassen, um den Jungen, in den sie eigentlich verliebt ist, eifersüchtig zu machen - und weil sie diesem Stinkstiefel dann auch gleich ihre Jungfräulichkeit geopfert hat? Nun, nicht direkt, denn: "Der Sex war ja ganz schön." Aber: "Ohne Gummi...! Oh Gott, jetzt bin ich bestimmt schwanger... und ich weiß nicht mal, ob Stefan 'ne ansteckende Krankheit hat!" Könnte ja sein, speziell wenn er derartige Aktionen öfter durchzieht. -- Aber will die Broschüre ihren pubertierenden Lesern ernsthaft beibringen, wenn Aufreißerkönig Stefan ein Kondom benutzt hätte, wäre alles in Butter? -- Ja, offensichtlich will sie genau das. Das war dann auch genau der Punkt, an dem meine Liebste ernsthaft erwog, ob sie einen Schreikrampf bekommen sollte. 

Nun ja, immerhin wird gezeigt, dass Stefan sich, nachdem er bei Lena sein Ziel erreicht hat, ihr gegenüber plötzlich gleichgültig bis abweisend verhält und dass sie darüber betrübt ist. Papst Franziskus zitiert in Amoris Laetitia Nr. 284 Erich Fromms Kunst des Liebens: "Die sexuelle Anziehung »schafft zwar im Augenblick die Illusion der Vereinigung, aber ohne Liebe bleiben nach dieser 'Vereinigung' Fremde zurück, die genauso weit voneinander entfernt sind wie vorher«." Insgesamt erscheint das im Rahmen der Comic-Handlung aber nebensächlich im Vergleich zu den sehr viel handfesteren Sorgen um die möglichen Folgen ungeschützten Geschlechtsverkehrs. -- Während Stefan sich nun offensichtlich Paula als nächstes Opfer erkoren hat, besinnt sich Lena, dass Colin ja nicht nur ihr heimlicher Schwarm, sondern auch ihr bester Freund ist, und erzählt ihm, was für Dummheiten sie gemacht hat. Er reagiert pragmatisch und schlägt ihr vor, sie am nächsten Tag nach der Schule zum Frauenarzt zu begleiten. 

-- Kaum sitzt Lena im Sprechzimmer der Frauenärztin gegenüber ("Die ist aber nett"), wird die Handlung erneut durch einen Infoteil unterbrochen. Diesmal geht es um Geschlechtskrankheiten - und wieder hagelt es Informationen über Informationen: Blasenentzündung, Chlamydien, Feigwarzen, Hepatitis B und C, Herpes genitalis, Mykoplasmen, Pilzinfektion der äußeren Geschlechtsorgane, Syphilis, Gonorrhö, Ulcus molle... Will man angesichts dieses Grauens wirklich noch Sex haben? - Na klar, wenn ein Kondom einen doch vor alledem bewahren kann. Dem Thema HIV/Aids ist eine Extraseite gewidmet, und auch diese gipfelt selbstverständlich in der fettgedruckten Ermahnung: "Immer Kondome beim Sex benutzen!" 

Hingegen ist das Thema "Ungewollt schwanger - was nun?" bereits im Infoteil vor der Sexszene abgehandelt worden:
"Wenn man sie richtig anwendet, sind viele Verhütungsmethoden ziemlich sicher [...]. Aber trotzdem kann es manchen [!] Mädchen und Frauen passieren, dass sie ungewollt schwanger werden. Ein positiver Schwangerschaftstest ist in diesem Fall natürlich immer ein großer Schock.Und viele der Betroffenen wissen nicht weiter, denn ein Kind bedeutet eine Riesenverantwortung und krempelt das eigene Leben ordentlich um. Letztendlich muss natürlich [!] jede Frau für sich selbst entscheiden, ob sie das Kind haben möchte oder nicht."
-- Das Bemerkenswerteste an dieser Aussage ist wohl, dass die Möglichkeit, dass eine ungewollt Schwangere sich für ihr Kind entscheiden könnte, ausdrücklich in Erwägung gezogen wird. Schön ist auch, dass das Heft einige Informationen zum "normalen Verlauf einer Schwangerschaft" bietet; darin erfährt man sogar, dass bereits in der 5. Schwangerschaftswoche "das Herz des Kindes [!] zu schlagen" beginnt und dass das Ungeborene schon ab der 7. Woche auf Reize von außen reagiert. Da erscheint es dann schon einigermaßen folgerichtig, dass Abtreibung explizit nur als "letzte[r] Ausweg" bezeichnet wird. Gleichzeitig fällt es auf, dass die Broschüre, verglichen mit ihrer sonstigen Informationsfülle, beim Thema Abtreibung ausgesprochen wortkarg ist. Hingewiesen wird auf die Beratungspflicht, die 12-Wochen-Frist sowie darauf, dass man die Kosten für eine Abtreibung in der Regel selbst tragen muss; aber darüber, was bei einer Abtreibung eigentlich passiert, schweigt das Heft sich aus. Wer die Angaben zum "Verlauf einer normalen Schwangerschaft" aufmerksam gelesen hat, könnte freilich von allein zu dem Schluss kommen, dass das ungeborene Kind, sobald es einmal zu leben begonnen hat, nicht einfach 'weggezaubert' werden kann und dass eine Schwangerschaft somit in jedem Fall damit endet, dass die Mutter ein Kind zur Welt bringt - wenn kein lebendes, dann ein totes. Aber diese gedankliche Verbindung herzustellen, wird durch die Knappheit des Infokastens zum Thema Abtreibung (und seine optische Trennung vom sonstigen Text) eher behindert als gefördert.

"Und die einzige Beratungsstelle, die da erwähnt wird, ist ausgerechnet pro familia", merkte meine Liebste indigniert an. - "Klar", erwiderte ich. "Gibt es etwa auch noch andere? Ich kenne keine - außer solche komischen, die einem einreden wollen, dass man keinen Sex haben soll, oder wenn doch, dass man dann auch Kinder bekommen soll."

Im Ernst gesprochen ist es natürlich sehr verständlich, dass eine Aufklärungsbroschüre für Teenager ihre Leser nicht dazu ermutigen will, Kinder zu bekommen. Dennoch gibt es zu denken, wenn Sexualerziehung den Eindruck vermittelt, der Umstand, dass Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft führen kann, sei ein zu vermeidendes Übel. Papst Franziskus schreibt:
"Häufig konzentriert sich die Sexualerziehung auf die Einladung, sich zu 'hüten', und für einen 'sicheren Sex' zu sorgen. Diese Ausdrücke vermitteln eine negative Haltung gegenüber dem natürlichen Zeugungszweck der Geschlechtlichkeit, als sei ein eventuelles Kind ein Feind, vor dem man sich schützen muss. So wird anstatt einer Annahme die narzisstische Aggressivität gefördert." (AL 283) 
-- Kehren wir zurück zur Comic-Handlung: Zwei Tage nach dem Besuch bei der Frauenärztin bekommt Lena ihre Periode und ist erleichtert, dass sie demnach nicht schwanger ist - "Die Pille danach hat also gewirkt". -- Über die "Pille danach" hat das Heft seine Leser bereits in der Info-Rubrik "Was kann man tun, wenn man glaubt, schwanger zu sein?" informiert - wenn auch nicht darüber, wie genau dieses Medikament eigentlich wirkt, so doch immerhin darüber, dass es innerhalb von 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden muss, dass die Wirkung umso sicherer ist, je weniger Zeit zwischen Geschlechtsverkehr und Einnahme verstreicht, und dass es "nur für Notfälle gedacht" ist und "niemals als regelmäßiges Verhütungsmittel benutzt werden" sollte. -- Lena jedenfalls ist happy, dass die Hormonkeule sie von ihrer größten Sorge befreit hat; von der Möglichkeit, dass sie sich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt haben könnte, ist keine Rede mehr. Sie ruft Colin an, um ihm die gute Nachricht mitzuteilen; am Nachmittag besucht er sie und bringt ihr "ein großes Sortiment an verschiedenen Kondomen" mit: "Damit du lange Zeit welche hast. Und nicht mehr so'n Mist wie letztes Wochenende baust!" Merke: Das nächste Date Rape kommt bestimmt. Und schließlich fand sie's "ja ganz schön". Und mit den tollen Kondomen von Colin wird's in Zukunft bestimmt noch schöner: "Puh, da hat mir Colin ja ein Riesensortiment an Gummis mitgebracht", teilt Lena dem Leser auf der letzten Infoseite des Hefts mit. "In den verschiedensten Farben, mit und ohne Geschmack, mit Noppen und Rillen, extra groß, extra feucht, extra dünn und gefühlsintensiv, extra reißfest und und und... Ist schon der Wahnsinn, wie viele Sorten es gibt. Da ist wirklich für jeden was dabei!" Schon frappierend, wie unverhohlen der Sponsor der Publikation hier seine Produktpalette anpreist. Dass Lena auf dem dazugehörigen Bild besonders kindlich aussieht, scheint den Herausgebern keine Kopfschmerzen zu bereiten.

Würden Sie diesem Mädchen bunte Kondome mit Geschmack, Noppen und Rillen schenken? 
Zitieren wir an dieser Stelle abermals Amoris Laetitia:
"Eine Sexualerziehung, die ein gewisses Schamgefühl hütet, ist ein unermesslicher Wert [...]. Es ist eine natürliche Verteidigung des Menschen, der seine Innerlichkeit schützt und vermeidet, zu einem bloßen Objekt zu werden. Ohne Schamhaftigkeit können wir die Zuneigung und die Sexualität zu Formen von Besessenheit herabwürdigen, die uns nur auf den Geschlechtsakt konzentrieren, auf Krankhaftigkeiten, die unsere Liebesfähigkeit entstellen, und auf verschiedene Formen sexueller Gewalt, die uns dazu führen, unmenschlich behandelt zu werden oder andere zu schädigen." (AL 282) 
Der Rest der Comic-Handlung ist schnell erzählt: Als Lena es endlich wagt, Colin ein Liebesgeständnis zu machen, reagiert dieser erst einmal verwirrt und ergreift die Flucht. "Hab ich jetzt meinen besten Freund verloren???", sorgt sich Lena, aber am nächsten Schultag gibt es dann doch ein Happy End für sie und Colin - das übrigens punktgenau mit Lenas Tagtraum vom Beginn des 1. Kapitels übereinstimmt, was Autorin Stefanie Wollgarten bestimmt für ein ganz raffiniertes kompositorisches Stilmittel hielt. 

-- Was sollen wir nun hierzu sagen? Erinnern wir uns noch einmal an das Vorwort, in dem es hieß: "In diesem Comic findest du eine Menge Infos über die erste Liebe [...] und auch darüber, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen." 60 Seiten später lautet der Befund: Mit "Liebe" meinen die Macher des Hefts "Sex", und mit "Verantwortung" meinen sie "ein Kondom benutzen". That's all, folks. Da bietet ja jeder durchschnittliche BRAVO-Fotoroman mehr moralische Orientierung für die geplagte Teenagerseele! (Was mich übrigens daran erinnert, dass ich darüber - also über BRAVO-Foto-Love-Storys - auch mal etwas schreiben wollte. Na, kommt noch.) -- Wie schreibt Papst Franziskus so treffend: 
"Es ist schwierig, in einer Zeit, in der die Geschlechtlichkeit dazu neigt, banalisiert zu werden und zu verarmen, eine Sexualerziehung zu planen. Sie könnte nur im Rahmen einer Erziehung zur Liebe, zum gegenseitigen Sich-Schenken verstanden werden." (AL 280) 
Wenn man bedenkt, dass dieses Condomi-Comic offenkundig als Material im schulischen Sexualkundeunterricht eingesetzt wurde und wird; wenn man weiterhin bedenkt, dass es schon zehn Jahre alt ist und es inzwischen, auch dank einschlägiger "Bildungspläne", sicherlich noch ganz andere Materialien für den schulischen Sexualkundeunterricht gibt; dann kann man bei dem Gedanken, früher oder später selbst Kinder im schulpflichtigen Alter zu haben, einigermaßen ins Grübeln kommen. Wird es möglich sein, die eigene, außerschulische Sexualerziehung so einzurichten, dass man der Schule immer einen Schritt voraus ist? Oder wäre Auswanderung in ein Land, in dem Homeschooling legal ist, doch die bessere Lösung? -- Lassen wir diese Frage erst einmal im Raum stehen - und erteilen abschließend noch einmal Papst Franziskus das Wort: 
"Es ist unverantwortlich, die Jugendlichen einzuladen, mit ihrem Körper und ihren Begierden zu spielen, als hätten sie die Reife, die Werte, die gegenseitige Verpflichtung und die Ziele, die der Ehe eigen sind. Auf diese Weise ermutigt man sie leichtsinnig, den anderen Menschen als Objekt von Kompensationsversuchen eigener Mängel oder großer Beschränkungen zu gebrauchen. Es ist hingegen wichtig, ihnen einen Weg aufzuzeigen zu verschiedenen Ausdrucksformen der Liebe, zur gegenseitigen Fürsorge, zur respektvollen Zärtlichkeit, zu einer Kommunikation mit reichem Sinngehalt. Denn all das bereitet auf ein ganzheitliches und großherziges Sich-Schenken vor, das nach einer öffentlichen Verpflichtung seinen Ausdruck findet in der körperlichen Hingabe. So wird die geschlechtliche Vereinigung als Zeichen einer allumfassenden Verbindlichkeit erscheinen, die durch den ganzen vorangegangenen Weg bereichert ist." (AL 283) 


1 Kommentar:

  1. Der Manga-Stil ist ja schon eh oft genug, gelinde gesagt, grenzwertig: Übergroße Augen, dito Köpfe, Stupsnäschen, kurze Röckchen, lange Beinchen... die Aussage ist: Sex hat vor der körperlichen Reife zu beginnen.
    Ürgs.

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