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Mittwoch, 26. August 2015

That's Adoptianism, Patrick!

Eigentlich bin ich meinen Lesern ja noch die Fortsetzung meiner großen NGL-Evaluation schuldig, und keine Sorge, die ist auch bereits in Arbeit. Aber da der betreffende Artikel bis zu seiner Fertigstellung wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, muss ich einstweilen etwas Anderes zwischenschieben. Schon vor einigen Wochen forderte mein Kollege W. (der sich, seit er mich zu meinem blogtechnisch enorm erfolgreichen Ausflug zum Martin Luther Grave Rotation Event überredet hat, als meinen "Manager" betrachtet) mich nämlich auf, "mal einen Blogartikel über Conall und Donall" zu schreiben: "Die beiden verdienen mehr Ruhm!" Mit letzterer Einschätzung hat W. unbedingt Recht, daher habe ich dieser Aufforderung eigentlich schon längst nachkommen wollen (mein "Manager" wird bereits ungeduldig). Da trifft es sich günstig, dass ich gestern ein Leseerlebnis hatte, das mich spontan wieder an Conall und Donall erinnert hat und das ich folglich in diesem Zusammenhang auch gleich mit-thematisieren kann. Aber erst mal schön der Reihe nach. 

Conall und Donall sind die Protagonisten einer kleinen Cartoonreihe des insgesamt ausgesprochen sehenswerten YouTube-Kanals Lutheran Satire, auf den ich ursprünglich durch einen Tipp des geschätzten Bloggerkollegen  Peccator quidam aufmerksam wurde. Das Motto von Lutheran Satire lautet "Teach the faith by making fun of stuff" - ein Ansatz, mit dem ich mich prinzipiell schon mal sehr gut anfreunden kann. Hinter diesem YouTube-Kanal steckt ein US-amerikanischer Geistlicher, Pastor Hans Fiene von der River of Life Lutheran Church in Channahon/Illinois, einem Kleinstädchen nahe der Staatsgrenze zu Indiana, also so richtig schön in Heartland America. Pastor Fiene und seine Gemeinde gehören der Lutherischen Kirche der Missouri-Synode an, einer vor allem im Mittleren Westen der USA verbreiteten Glaubensgemeinschaft mit rund 2,2 Millionen getauften Mitgliedern - womit sie die zweitgrößte lutherische Kirche der USA ist; und offenbar ist sie theologisch bedeutend konservativer als viele andere lutherische Gemeinschaften. Die LC-MS lehnt die Frauenordination ab, bekennt sich zur Realpräsenz Christi in der Eucharistie und praktiziert die Säuglingstaufe. Gegründet wurde sie 1847 in Chicago als Zusammenschluss von lutherischen Gemeinden deutscher, speziell sächsischer Einwanderer; ihr erster Präses war Carl Friedrich Wilhelm Walther (1811-1887), der in einer Conall & Donall-Episode eine Hauptrolle spielt und in einer weiteren einen Gastauftritt hat.

In seinen satirischen Animations-Kurzfilmen nimmt Fiene allerlei Verschwörungstheorien über Apokryphen ("Shock! Horror! Jesus' Wife!"), die frühe Kirchengeschichte ("Super True Stories: Best. Conspiracy. Ever") oder vermeintliche mythologische Vorbilder für das Leben Jesu ("Horus Ruins Christmas") aufs Korn und veralbert den hasserfüllten Fanatismus der Westboro Baptist Church ebenso wie die Wohlfühlbotschaften von freikirchlichen Predigern, die christliche Verkündigung mit Motivationstraining verwechseln. Mit der Katholischen Kirche hat Pastor Fiene als Lutheraner natürlich auch so seine Reibungsflächen, und das kommt in einigen Videos auch deutlich zum Ausdruck; im Großen und Ganzen kann man bei Lutheran Satire jedoch vielfach feststellen, dass theologisch konservative Katholiken und ebensolche Lutheraner allemal mehr Gemeinsamkeiten miteinander haben als mit superliberalen Wischiwaschi-Wellness-Christen innerhalb ihrer eigenen Konfession.

Die Charaktere Conall und Donall, zwei frühmittelalterliche Bauerntölpel, die eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem früheren IRA-Aktivisten und jetzigen stellvertretenden nordirischen Ministerpräsidenten Martin McGuinness, sowie mit dem als Miles O'Brien in Star Trek - The Next Generation bekannt gewordenen Schauspieler Colm Meaney (oder einfach ganz allgemein eine typisch irische Physiognomie) aufweisen, erschienen erstmals am 14.03.2013 in dem Cartoon St. Patrick's Bad Analogies:

Hier lassen sie sich vom irischen Nationalheiligen die Dreifaltigkeit erläutern, wobei sie den Heiligen jedoch immer wieder dabei ertappen, dass die Anschauungsbeispiele, die er wählt, häretische Auffassungen implizieren. Erst als Patrick, bereits sichtlich genervt, die Trinitätsdefinition des so genannten Athanasianischen Glaubensbekenntnisses zitiert, sind Conall und Donall zufrieden.

St. Patrick's Bad Analogies hat es auf YouTube bislang auf knapp eine halbe Million Aufrufe gebracht und ist damit mit weitem Abstand das erfolgreichste aller Lutheran Satire-Videos. Kein Wunder also, dass Conall und Donall zu Serienhelden wurden: Am 03.11.2013 erschienen sie in Donall and Conall Meet the Mormon Missionaries, am 20.04.2014 folgte Donall and Conall Meet C.F.W. Walker und am 05.04.2015 schließlich- besonders empfehlenswert - Donall and Conall Meet Richard Dawkins. Ein running gag der Serie besteht darin, dass Conall und Donall unbeirrbar jeden ihrer diversen Gesprächspartner mit 'Patrick' ansprechen.

Das kann ganz schön ansteckend sein, und als mir unlängst auf Facebook ein Video mit dem Titel "Die Dreieinigkeit Gottes einfach erklärt" zu Gesicht kam, in dem bei 01:22 die drei Aggregatszustände von Wasser als Analogie für die Dreifaltigkeit angeboten wurden, entfuhr es mir wie von selbst: "That's Modalism, Patrick!" Damit aber nicht genug. Gestern schaute ich mir mal den oder das Blog eines evangelischen Theologiestudenten an, auf den ich auf Twitter aufmerksam geworden war. Der junge Mann hatte nämlich wesentlich dazu beigetragen, dass einer meiner jüngeren Blogartikel, in dem ich etwas enthemmt über "liberale" Protestanten rantete, wie man das heutzutage wohl nennt, auch bei den gemeinten Personen ankam - indem er den Artikel mit einem süffisanten Kommentar auf Twitter teilte: Er sei "fast neidisch", dass der Pastorin, an der ich meinen Ärger ausgelassen hatte, "ganze Blogbeiträge gewidmet" würden.

Neidisch?, dachte ich. Dem Manne kann geholfen werden!

-- Nein, im Ernst gesagt war das nicht meine primäre Motivation dafür, mir seinen Blog anzuschauen. Ich wollte mich einfach mal informieren, was der Herr Greifenstein für einer ist. Auf Twitter fiel er hauptsächlich dadurch auf, dass er massiv Stimmung gegen den künftigen sächsischen Landesbischof Carsten Rentzing machte, vor allem wegen dessen angeblicher "Homophobie". Auf seinem Blog fand ich aber auch mancherlei Anderes. Darunter auch Predigten; interessant, dass bei den Protestanten auch Studenten predigen dürfen, aber okay - ein Weihepriestertum haben sie ja nicht, also spricht aus ihrer Sicht wohl nicht viel dagegen. Unter den verbloggten Predigten entdeckte ich eine, die mit einem Zitat aus dem Roy-Orbison-Schmachtfetzen "Pretty Woman" überschrieben war: "Are you lonely just like me?" Der Titel machte mich irgendwie neugierig, also las ich mir die Predigt mal durch.

Die Perikope, um die es in der Predigt geht, ist Lukas 7, 36-50 - die Begegnung Jesu mit der Sünderin, wobei "Sünderin", wie die Predigt erläutert, hier als "Prostituierte" zu verstehen ist. Einleitend weist Stud. theol. Greifenstein darauf hin, dass die nachbiblische Tradition die Frau in dieser Bibelpassage mit Maria Magdalena gleichgesetzt hat, was ihn zu einem kleinen Exkurs über biblische Archetypen der Weiblichkeit (wenn man das so nennen kann und will) veranlasst: Auf der einen Seite stehe Maria, die Mutter Jesu, als Prototyp der "reinen Jungfrau, des keuschen Bauernmädels, des reinen Mädchens"; auf der anderen Seite Maria Magdalena als Prototyp der "gefallenen Frau, der femme fatale, der Sünderin": "Wir kennen aus den Geschichten, die wir jeden Tag hören, lesen und im Fernsehen schauen ja vor allem diese beiden Frauengeschichten". Dass er als Beispiel für die popularkulturelle Aufnahme des Motivs der reinen Jungfrau "My Fair Lady" und für das der gefallenen Frau eben "Pretty Woman" mit Julia Roberts und Richard Gere nennt, wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen und hinkt auf beiden Beinen, aber okay, Herr Greifenstein ist ja kein Filmkritiker. Sondern Theologe. Dass er mit seinem Pretty Woman-Vergleich wie auch mit der etwas schwülstig geratenen Ausmalung der Zärtlichkeit, mit der die Sünderin in dieser Bibelstelle Jesus berührt, Assoziationen weckt, die in Richtung populär-populistischer Spekulationen über eine Liebesbeziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena gehen, darüber will ich hier nicht viele Worte verlieren; das muss nicht unbedingt Absicht gewesen sein.

Was die im engeren Sinne theologischen Aussagen der Predigt angeht, sorgt der Satz "Denn nicht aus Großzügigkeit hat Gott die Welt geschaffen, sondern aus Sehnsucht seiner Liebe Raum und Gestalt zu geben" bei mir zunächst einmal für eine hochgezogene Augenbraue. Was vielleicht daran liegt, dass ich katholisch bin. Im Katechismus der Katholischen Kirche liest man nämlich schon im Prolog, unter Nr. 1 (!):
"Gott ist in sich unendlich vollkommen und glücklich. In einem aus reiner Güte gefassten Ratschluss hat er den Menschen aus freiem Willen erschaffen". 
Nun gut: Ob das nun wirklich ein Widerspruch ist oder ob ich da bloß mit meinem Laienverstand einen sehe, das zu beurteilen überlasse ich getrost den Fachtheologen. Und wenn es ein Widerspruch ist, kann man immer noch sagen, dass es Herrn Greifenstein als Studenten der evangelischen Theologie nicht zu kümmern braucht, was im katholischen Katechismus steht. Aber die Predigt geht ja noch weiter:
"Aber so viel hat Jesus von Gott verstanden, soviel seines Geistes waltet in ihm, dass wir ihn seinen Sohn nennen" - 
That`s Adoptianism, Patrick!

Halten wir (uns) fest: Da wird in einer Predigt in einer evangelischen Kirche - am 16. August 2015 in Andenhausen - einfach mal so en passant die Gottheit Christi geleugnet, und die Gemeinde lässt das durchgehen. Jedenfalls nehme ich an: Hätten die Andenhausener Protestanten ihren jungen Gastprediger mit Gebetbüchern beworfen, würde man bestimmt etwas auf Google News dazu finden. Auch im Blog gibt es keine Kommentare zu dieser Predigt.

Genau besehen hat - und jetzt versuche ich mich tatsächlich mal im Theologisieren - dieses Bestreiten der Gottheit Christi ja auch Konsequenzen für die oben kurz angerissene Frage, ob Gott die Welt und den Menschen aus Güte oder aus Sehnsucht - zugespitzt könnte man sagen: aus Freiheit oder aus Notwendigkeit - geschaffen habe. Wenn wir sagen, Gott sei Liebe, dann drängt sich natürlich der Gedanke auf, das Liebe ein Gegenüber braucht. Wenn Gott aber vor der Erschaffung der Welt allein war, wen hat Er dann geliebt? Das Dogma der Dreifaltigkeit Gottes gibt auf diese Frage eine Antwort, indem es ausdrückt, "dass es in dem einen und unteilbaren Gott das Phänomen des Dialogs, des Zueinander von Wort und Liebe gibt" (Joseph Ratzinger, Einführung in das Christentum. Neuausgabe 2000, S. 170). Verwirft man den Glauben an die Trinität, dann muss Gott wohl die Welt und den Menschen erschaffen, weil Er sonst niemanden hat, um "seiner Liebe Raum und Gestalt zu geben"...

Sicherlich ist - auch das kann man von Conall und Donall lernen - das Mysterium Gottes letztlich einfach zu groß, um es widerspruchsfrei in Worte zu fassen. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., zitiert in seiner Einführung in das Christentum (S. 161) den Abbé Saint-Cyran mit der Aussage, "der Glaube bestehe in einer Reihe von Gegensätzen, welche durch die Gnade zusammengehalten werden". Dennoch wird man wohl sagen dürfen: Wenn in einer evangelischen Predigt im Jahre 2015 eine Irrlehre verkündet wird, die das Konzil von Nizäa (das, sagt mir wenn ich mich irre, die evangelischen Kirchen doch wohl auch anerkennen) schon fast 1700 Jahre zuvor verworfen hat, dann ist das ein augenfälliger Beleg für die Wahrheit eines Bonmots von Chesterton, demzufolge neue Ideen in Wirklichkeit meist alte Irrtümer seien...







4 Kommentare:

  1. That`s Alarmism, Patrick!

    Kein Grund zur Aufregung, die Predigt des Greifensteiners ist vollkommen rechtgläubig, an keiner Stelle hat er "die Gottheit Christi geleugnet".
    Das ist ein rein hermeneutisches Problem, ein typischer Suchfund ("wer suchet, der findet"): Wer Häresien in einem Text oder Beispiel finden möchte und mit der Hermeneutik des Häresienfinders heran geht, findet auch welche. Eine in der Kirchengeschichte millionenfach erprobte Technik.

    Was ich nicht verstehe ist, dass du nicht verstehst, dass der gezeigte Satireclip genau diese Technik auf den Arm nimmt.

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    1. Einen launigen und pointierten Kommentar weiß ich immer zu schätzen - insofern: danke. Die bloße *Behauptung*, die angesprochene Predigt sei "vollkommen rechtgläubig" und leugne nicht die Gottheit Christi, kann mich allerdings nicht überzeugen. (Ich bin, wie gesagt, kein Theologe.)

      P.S.: Das mit dem "Suchfund" ist eine Unterstellung. Eine, die in Anbetracht der Vorgeschichte zugegebenermaßen nahe liegt, aber trotzdem.

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    2. Der Satireclip kritisiert diese Technik nicht, sondern wendet sie an. Bei den Ärzten heißt es "primum nil nocere"; man wird von einem Prediger erwarten dürfen, daß er erstmal keine Häresie verzählt.

      Im Detail:

      >>"Aber so viel hat Jesus von Gott verstanden, soviel seines Geistes waltet in ihm, dass wir ihn seinen Sohn nennen"

      ist Adoptianismus oder wird zumindest notwendigerweise so verstanden. Ja, im Heiland waltet Gottes Geist und Er hat (in seiner menschlichen Natur) auch "einiges von Gott verstanden", insofern möchte ich die Möglichkeit nicht *ganz* ausschließen, daß ein beide Augen zudrückender Zensor es mit "ad haeresim pertinens" bewenden lassen könnte - aber das, ich denke wir sind uns einig, sind Feinheiten.

      Interessanter weil uneindeutiger ist die erste Aussage:

      "Denn nicht aus Großzügigkeit hat Gott die Welt geschaffen, sondern aus Sehnsucht seiner Liebe Raum und Gestalt zu geben."

      Die erste nota, die das von mir bekommen würde, wäre "Herabwürdigung einer Tugend" - in unserer schönen katholischen Moral ist die Großzügigkeit nämlich etwas Gutes und nicht etwas Schlechtes! Auch wenn es dem modernen Menschen zehnmal nicht paßt, daß Leute oder eben auch der Herrgott selbst großzügig gegenüber ihm sind, auch wenn der moderne Mensch zehnmal lieber Leiden aushält, als sich vorwerfen zu müssen, jemand habe ihn großzügig behandelt - Großzügigkeit ist was Gutes, Punkt. Da muß man gegensteuern.

      Die zweite nota wäre "falsch" (sententia erronea): wenn wir unter Großzügigkeit (wie landläufig üblich) verstehen, daß jemand einem anderen etwas Gutes tut, ohne daß er es ihm schulden würde, dann hat uns Gott nun einmal präzise aus Großzügigkeit erschaffen, ergo ist die Aussage "Gott hat uns nicht aus Großzügigkeit erschaffen sondern" eine falsche Aussage.

      Das alte Problem des Nichts-außer-Theologie (auf englisch nenne ich das immer "nothing-butism"). Dadurch wird's halt falsch.

      Häresie? Wenn dann unabsichtlich. Die Aussage, Gott hat uns bewegt durch den Überschuß seiner Liebe erschaffen (obwohl Er sich selber schon *genügen* würde, aber lieber ist's Ihm halt doch, Er hat noch Geschöpfe - um's mal salopp zu formulieren) ist schließlich gut katholisch.

      Statt "nicht nur A, sondern auch (und ich betone das jetzt besonders) B" "keineswegs A, sondern nur B" zu sagen scheint mir eher ein unter Theologen verbreiteter Sprachfehler zu sein als daß es ernsthaft häretisch gemeint wäre ;-) ;-)

      Und nun ist "Gott hat frei von äußerem Zwang und innerer Nötigung die Welt erschaffen" ein Dogma, aber der Prediger wollte, denke ich, mit der Leugnung der Großzügigkeit Gott keinen inneren Zwang unterstellen - womit er sich "nur" in einen logischen Widerspruch verwickelt...

      Insofern: erstere Aussage geht zwar sicher nicht korrekt, aber wohl noch als rechtgläubig (nicht formell häretisch) durch; letztere ist Adoptianismus oder, wenn nicht so gemeint, dann doch zumindest den Adoptianismus begünstigend, indem sie im landläufigen Verständnis adoptianistisch verstanden werden muß.

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  2. Das mit der Satire ist nat. Auslegungssache. Eine humorlose Auslegung des Clips ist sicherlich möglich, scheint mir aber doch sehr borniert und langweilig. Sie liefe darauf hinaus, der hl. Patrick habe die Erläuterungen seiner besserwisserischen Zuhörer tats. nötig, um nicht in gefährliche Zweideutigkeiten zu verfallen. Das kann man nur annehmen, wenn man Zweideutigkeiten für gefährlich hält. Einfältige Rechtgläubigkeitsfanatiker mögen das so sehen, es aber natürlich Quatsch. Nichts ist ja vieldeutiger als der wahre Glaube.

    Meine Auslegung geht dagg. dahin, dass der Clip im Subtext genau das Ggt. von dem vermittelt, was die vordergründige Aussage nahelegt. Um den tieferen Sinn zu begreifen, muss man die Ironie des Geschehens begreifen: Ein großer und hoch gelehrter Heiliger muss sich von zwei unsympathischen Einfaltspinseln berichtigen lassen, die zwar nichts verstanden, aber alle Definitionen der alten Konzilien und Kirchenlehrer auswendig gelernt haben. Am Ende bleibt ihm zur Abwehr der rechthaberischen Einwürfe der beiden Nichtsversteher nichts anderes übrig, als ihnen durch unverständlich schnelles Aufsagen der Standardformel zu beweisen, dass auch er die einschlägige Definition durchaus auswendig kann. Die ironische Pointe liegt hier natürlich darin, dass der Lehrer an der verständigen Erläuterung der Sinnhaftigkeit der Trinität durch Zuhörer gehindert wird, denen es gar nicht auf das Verstehen dieser Sinnhaftigkeit ankommt, sondern nur auf auswendig gelerntes Lehrbuchwissen. Gerade die Einfaltslosigkeit und Eindimensionalität mechanischen Dogmenlernens wird hier also auf den Arm genommen.

    Dass KingBear offenbar überhaupt nicht auf die Idee gekommen ist, der Clip könnte so eine hintergründige Botschaft transportieren, die ja auch seine eigene Aussageabsicht konterkariert, hat mich ehrlich gewundert. Eigentlich dachte ich, gerade als Literaturwissenschaftler müsste man dieses Gespür für kontextuelle Ironie mit der Muttermilch des Fachs aufgesogen haben. Leider hat er sich auf diesen Einwand aber gar nicht eingelassen.

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