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Dienstag, 6. Dezember 2016

Worauf warten wir eigentlich?




Kann man behaupten, unter den "geprägten Zeiten" des Kirchenjahres sei der Advent eine besonders schwierige? - Ich denke, man kann. Für die säkulare Gesellschaft ist der Advent schlicht "Vorweihnachtszeit" - ja, in gewissem Sinne sogar die eigentliche Weihnachtszeit, denn wenn die Geschenke ausgepackt sind und der Gänsebraten verputzt ist, ist Weihnachten aus weltlicher Sicht ja schon wieder so gut wie vorbei - der Baum nadelt schon und muss bald raus, zumal man ja auch Platz für die Silvester-Deko braucht. Dass die liturgische Weihnachtszeit mit dem Weihnachtsfest erst beginnt, dürfte Nicht-Kirchgängern kaum vermittelbar sein. Muss ja auch nicht. Aber was bedeutet der Advent denn nun für Christen

Eine Zeit der Vorbereitung soll der Advent sein, heißt es. Aber Vorbereitung worauf? Auf Weihnachten? Da würde der nichtchristliche Weihnachtsmarktbesucher ja noch zustimmen, auch wenn Weihnachten für ihn etwas Anderes bedeutet. Christen feiern an Weihnachten das Mysterium der Menschwerdung Gottes, ein zentrales Ereignis der Heilsgeschichte, und natürlich soll die Adventszeit auch der inneren Vorbereitung darauf dienen. Aber Advent bedeutet noch mehr als das: Die Adventszeit soll auch und nicht zuletzt eine Zeit sein, in der Christen sich auf die Wiederkunft Christi vorbereiten. Und da wird es schwierig. 
"Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen." (Apostelgeschichte 1,11
Wir bekennen es allsonntäglich im Credo: "Von dort wird Er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten". Aber glauben wir das eigentlich wirklich? Oder, präziser gefragt: Leben wir so, wie es diesem Glauben entspräche? Mir geht in diesem Zusammenhang immer mal wieder ein Liedtext von Manfred Siebald durch den Kopf: 
Wir haben es uns gut hier eingerichtet
der Tisch, das Bett, die Stühle steh'n
der Schrank mit guten Dingen vollgeschichtet
wir sitzen, alles zu besehn.
Dann legen wir uns ruhig nieder
und löschen, müd' vom Tag, das Licht
und beten laut: Herr, komm doch wieder
und denken leise: Jetzt noch nicht.
(Wer alle vier Strophen des Liedes nachlesen möchte, kann das hier tun. Es lohnt sich.)

Wir machen so viele Pläne für die Zukunft. Wir arbeiten für unsere Rente. Wir haben immer etwas vor, haben Ziele, im privaten wie im beruflichen Bereich. Wenn der Herr wiederkommt, werden all diese Pläne und Vorbereitungen für die Zukunft hinfällig sein. Kann es sein, dass wir das eher als eine Bedrohung empfinden - und deshalb so ungern daran denken? 

Freilich: Wenn der Herr wiederkommt, dann kommt Er, um die Welt zu richten. Das allein mag schon ein Grund sein, Seine Wiederkunft lieber nicht allzu bald erwarten zu mögen. So sehr mit Gott und seinen Nächsten im Reinen ist wohl kaum jemand, dass ihn der Gedanke an das Gericht nicht mit einem gewissen Unbehagen erfüllen würde. Eben darum ist die Adventszeit, ebenso wie die Fastenzeit vor Ostern, auch eine Bußzeit, eine Zeit, in der wir in besonderem Maße zur Umkehr aufgerufen sind. Aber ich vermute, die Furcht vor dem Gericht ist nicht der einzige, vielleicht nicht einmal der hauptsächliche Grund, weshalb wir in unserem Alltag dazu neigen, den Gedanken an die Wiederkunft Christi möglichst weit von uns wegzuschieben. Ein viel banalerer Grund ist, dass wir - trotz aller Misshelligkeiten des täglichen Lebens - einfach viel zu sehr an diese Welt und dieses Leben gewöhnt sind, als dass wir uns ohne Weiteres mit dem Gedanken anfreunden könnten, diese Welt und dieses Leben könnten plötzlich zu Ende sein

Im Neuen Testament finden sich allerlei Hinweise darauf, dass die ersten Christen - oder zumindest einige von ihnen - die Wiederkunft Christi noch zu ihren Lebzeiten erwartet haben. Seither sind rund zwei Jahrtausende vergangen, und der Herr ist noch immer nicht wiedergekommen; das allein mag ein nachvollziehbarer Grund dafür sein, dass der Gedanke an die Parusie im täglichen Leben vieler Christen nicht besonders präsent ist: Wenn es bisher so lange gedauert hat, kann es auch nochmals sehr lange dauern, und warum sollten wir davon ausgehen, dass ein Ereignis, auf das die Christenheit seit bald 2000 Jahren wartet, ausgerechnet in unserer Lebenszeit stattfinden sollte? Andererseits hat es in der Geschichte des Christentums, auch in jüngerer Zeit, nicht an Versuchen gefehlt, den "Termin" des Jüngsten Gerichts vorauszuberechnen oder zumindest anhand bestimmter "Zeichen der Zeit" festzustellen, das Weltende müsse unmittelbar bevorstehen. Gegenüber beiden Einstellungen - der vermeintlich "sicheren" Naherwartung wie auch der vermeintlichen Gewissheit "Mein Herr kommt noch lange nicht!" (Matthäus 24,48) - gilt es jedoch an die Mahnung Jesu zu erinnern: "Den Tag und die Stunde kennt niemand" (Matthäus 24,36). -- Die Tageslesungen der Adventszeit, insbesondere die Tagesevangelien, rufen dazu auf, wachsam zu sein: 
"Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt."
(Matthäus 24,37-42; Evangelium vom 1. Adventssonntag) 
"Darum, Brüder, haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt. Ebenso geduldig sollt auch ihr sein. Macht euer Herz stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor."
(Jakobus 5,7f.; aus der 2. Lesung zum 3. Adventssonntag) 
Die Adventszeit mahnt uns, jeden Tag so zu leben, dass der Herr jederzeit wiederkommen könnte; und mehr noch: Sie ruft uns dazu auf, die Wiederkunft Christi nicht als etwas zu betrachten, das wir fürchten müssten, sondern sie vielmehr freudig zu erwarten.  Im Zuge der Vorbereitung dieses Beitrags habe ich ein bisschen im Gotteslob geblättert, und als ich im Stichwortverzeichnis nach dem Begriff "Wiederkunft" suchte, wurde ich auf einen Andachtstext verwiesen, der sich unter der Nummer 680,9 findet. Mit einigen Auszügen aus diesem Text möchte ich schließen: 
"Am Ende der Zeiten wird Jesus Christus wiederkommen in Herrlichkeit. Den Tag Seines Kommens weiß nur der Vater. Aber, dass Er kommt, ist gewiss. Was bewegt uns, wenn wir daran denken: Angst oder Erwartung, Bangen oder Hoffnung?
[...]
Herr Jesus Christus, einst wirst Du kommen, um Alles zu vollenden.
Dann werden die Mächte des Bösen entmachtet
und der Tag Deines Reiches bricht an.
Dann werden die Herren der Welt entwaffnet
und Deine Herrschaft wird offenbar.
[...]
Herr Jesus Christus, Deine Wiederkunft wird Gericht sein und in ein Fest münden. Der Himmel wird neu, die Erde wird neu. Die Völker werden sich in Deinem Frieden versammeln. Ostern wird sein für alle im Himmlischen Jerusalem. Lass uns dabei sein und leben in Ewigkeit. 
Amen." 

(Das nächste Türchen im Blogoezesen-Adventskalender öffnet sich morgen im Blog "Geistliches Schatzkästchen"!) 



1 Kommentar:

  1. Danke für den interessanten Link und den Text - hat sich wirklich gelohnt! Ein feines Adventskalender-Häppchen.

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