Meine Liebste hat bereits davon berichtet: Letzten Samstag sind wir mal wieder auf "Straßenfest-Crawl" gegangen, und es war wieder sehr eindrucksvoll. Bereits an unserer ersten Station, dem Kenako Afrika Festival auf dem Alexanderplatz, scherzte ich: "Ist ja fast wie auf dem Katholikentag hier. Nur die Musik ist besser." (Und das Essen. Kamelragout. Mangohühnchen. Frittierte Bananen. Mjam.)
Aber spätestens nachdem wir uns eine Weile an unserer dritten Station, der Fiesta Kreutziga, aufgehalten hatten, ging mir auf, dass die Aussage "Das ist wie auf dem Katholikentag hier" weniger eine adäquate Zustandsbeschreibung als vielmehr eine Wunschvorstellung ausdrückte. Tatsächlich würde ich mir nämlich wünschen, der Katholikentag wäre ein bisschen mehr so wie die Fiesta Kreutziga.
Kardinal Woelkis Flüchtlingsboot war auch da. (Abb. ähnlich) |
Das muss ich jetzt natürlich erklären. Es geht mir bei dieser Aussage ausdrücklich nicht um die politische Ausrichtung. Politisch ist der Katholikentag ohnehin schon mehr als gut für ihn ist, und dass da ein linksautonomes Straßenfest noch erheblich schärfere Töne anschlägt, liegt zwar auf der Hand, würde ich jetzt aber nicht unbedingt als vorbildlich bezeichnen.
Der neueste Schrei: Transgender-Topflappen |
Wobei es da natürlich sehr aufs Thema ankommt. Foodsharing bzw. Foodsaving beispielsweise ist eine feine Sache und für mein Empfinden auch absolut kompatibel mit der katholischen Lehre: Gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einzutreten ist ein Anliegen, das auch Christen, auch katholischen Christen, am Herzen liegen sollte - ich könnte das gern mit ein paar Zitaten aus der Enzyklika Laudato Si' untermauern, aber damit will ich mich jetzt und hier nicht aufhalten - das kann ja jeder selbst nachlesen.
Eigentlich will ich auf etwas ganz Anderes hinaus. Während ich mir die ganzen Leute auf der Fiesta Kreutziga so ansah, dachte ich mir: Die sind doch wohl alle - mal abgesehen vielleicht von den ganz kleinen Kindern, von denen auch nicht wenige da waren - nicht als Linksradikale geboren worden. Viele, vielleicht die meisten von ihnen werden, als sie jung waren und nach Orientierung suchten, einfach dahin gegangen sein, wo es die besten Partys gab - und wo die Partys obendrein, als Bonus gewissermaßen, mit einer ansprechenden Message verknüpft wurden. Nun, die bessere Message haben wir Katholiken ja wohl allemal. Was uns fehlt, sind bessere Partys.
Und nicht nur Partys, sondern ganz allgemein eine bessere Substruktur. (Meinetwegen auch Suppstruktur, aber dazu später.) Der Gedanke kam mir schon früher am besagten Nachmittag, als wir auf der Suche nach dem Torstraßenfestival an einigen Hinterhöfen vorbeikamen, in denen die Anwohner, wohl in Erwartung der Festival-Laufkundschaft, mal eben ad hoc einen privaten Flohmarkt aufgebaut hatten. Das mag für sich gesehen eine Kleinigkeit sein, aber ich fand's bezeichnend. Schon vor Jahren trieb mich angesichts meiner Streifzüge durch die sehr aktive und enorm gut vernetzte linksautonome Subkultur Berlins - mit ihren Kneipen, "Volxküchen", Tauschbörsen, Schuh- und Fahrradwerkstätten undsoweiter undsoweiter - die Frage um: Warum gibt es so etwas nicht auch "auf katholisch"? Nun, während unseres Straßenfest-Crawls, kam mir eine mögliche Antwort in den Sinn: Vielleicht liegt es - wenigstens zum Teil - daran, dass die Kirche einfach (noch) zu viel Kohle hat. Und deswegen glaubt, solche Graswurzelinitiativen nicht nötig zu haben. Andererseits leben Graswurzelinitiativen natürlich per definitionem davon, dass man nicht darauf wartet, dass es ein Anderer macht. Sondern einfach mal selbst damit anfängt.
Diesbezüglich hat der Besuch beim diesjährigen Katholikentag - und insbesondere die Erfahrung des Nightfever-Abends - in meinem Kopf offenbar einen Schalter umgelegt. Ich habe seitdem einen ziemlichen Hals auf die ganzen Meckerkatholiken, die sich den Katholikentag nie angesehen haben, aber überzeugt sind, dass er Teufelswerk sei; und die auch sonst überall in der real existierenden Kirche nur Niedergang und Apostasie sehen (wollen). Sicher, Missstände gibt es zuhauf, und es ist richtig und wichtig, diese zu benennen und Fundamentalkritik daran zu üben - mache ich ja selber auch gern. Aber dabei sollte man tunlichst nicht die positiven Entwicklungen übersehen, die es schließlich auch gibt - wie z.B. eben Nightfever -; und vor allem sollte man sich vielleicht lieber mal Gedanken darüber machen, was man selbst zur Neuevangelisierung beitragen kann, als vor lauter Missständen griesgrämig und defätistisch zu werden. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit! Wollte ich nur mal gesagt haben, und der Apostel Paulus sagt es auch. Schreibt euch das gefälligst hinter die Ohren!
Off Topic, aber irgendwie nett: Hipsterschokolade. In der Torstraße. |
Dabei fällt mir übrigens ein, dass in der Torstraße auch das Café J liegt, ein auf Spendenbasis betriebenes katholisches Jugendcafé in den Räumen der Kirchengemeinde St. Adalbert. (Das "J" steht übrigens nicht für "Jesus", sondern - berlinerisch - für "Jott". Was hab ich gelacht. Nicht.) Vor Jahren war ich ein paarmal da und dachte, das könnte vielleicht ein Kristallisationspunkt für eine katholische Graswurzelrevolution in Berlin sein. Einmal versuchte ich mit den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die dort hinter dem Tresen standen, ein Gespräch darüber zu führen, aber als ich zur Veranschaulichung dessen, was mir (wenn auch vage) vorschwebte, auf das Beispiel der linksradikalen Szene verwies, erntete ich lange Gesichter - und eine klare Distanzierung von diesem Vergleich:
"Wir sind doch nicht radikal."
Tja. Ich schätze, das ist das Problem.
Was die Meckerkatholiken angeht, sprichst Du mir aus der Seele! Aber sowas von!
AntwortenLöschenNeulich habe ich gewagt, zu erwähnen, daß es auf dem Katholikentag so wundervolle Sachen wie Anbetung und Beichte gibt. Die Antwort eines so richtig suuuuuuperfrommen Katholiken war: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Auf meine irritierte Frage, ob er die heilige Beichte und die heilige Eucharistie als "nur eine Schwalbe" und irgendwie wirkungslos bezeichnen wolle, war er beleidigt.
Organisatorisch sind spontan entstandene Initiativen von Linksautonomen (was immer man so benennen mag) deutlich besser als spontan entstandene Initiativen von Katholiken (z.B. die Flüchtlingshilfe unserer Gemeinde). Letztere ist nicht schlecht - aber viel zu wenig vernetzt, und die effektive Anfangszeit ist vorbei.
"Vom Sozialismus lernen heißt siegen lernen" - vielleicht sollten wir Katholiken vom Sozialismus samt all seinen schrillen Untergruppen genau das lernen: spontan zu organisieren. Wir können nur entweder spontan oder organisiert - dabei schließt sich das nicht aus.
Wir haben aber die besseren Mädels. (*mal so anmerk*)
AntwortenLöschen(ernsthaft jetzt, so einfach ist die Sache nicht: kurz gesagt, es mag auch einiges an der Message liegen. Die katholische ist natürlich besser, aber uU unangenehmer, und dann kommen noch Assoziationsketten - die wir uU auch gar nicht überwinden *wollen* (*) - und Verständnisprobleme dazu.)
[* So etwa die standardmäßige Neigung junger begeisterter Katholiken einschließlich der hübschen Katholikinnen, 1. deutlich erkennbaren Dialekt zu sprechen 2. wenn das Gebet fertig ist und sauber das Tanzbein geschwungen werden soll, deutschen Schlager aufzulegen oder allenfalls rockigen Pop, aber wenig Hiphop und null Elektro. Natürlich wirkt das provinzlerisch. Aber ist das Gläubigsein verpönt, weil es provinzlerisch ist, oder nicht doch vielmehr das Provinzlerische, weil man auf dem Land (immer) noch (in stärkerem Ausmaße) gläubig ist? Und abgesehen davon: Der Katholik freut sich regelmäßig so sehr, von den Diktaten der modernen Welt, was er gut zu finden hat und was nicht, frei zu sein und in allem außer der Sünde einfach das tun zu dürfen, was ihm tatsächlich Spaß macht, daß er genau das auch regelmäßig tut. Wer will es ihm verdenken?)
Finde ich alles sehr richtig. Ich möchte aber ergänzen:
Löschen"Der Katholik freut sich regelmäßig so sehr, von den Diktaten der modernen Welt, was er gut zu finden hat und was nicht, frei zu sein und in allem außer der Sünde einfach das tun zu dürfen, was ihm tatsächlich Spaß macht" -- genau das dürfte dem Lebensgefühl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich von den, sagen wir mal, "Angeboten" der Linksautonomen angesprochen fühlen, eigentlich sehr entgegenkommen. Na ja, außer vielleicht der Punkt mit der Sünde. Da müsste man sich in der Tat Gedanken machen, wie man den besser kommuniziert.
Ich finde leider keinen generellen Antwortbutton, darum meine Antwort auf das Ursprungsposting hier.
LöschenAls "critical friend" meiner Ex-Kirche angemerkt: in der Wahrnehmung von spirituell interessierten und taufscheinchristlichen "Normalos" hat die Katholische Kirche m. Erachtens nach ein massives Imageproblem, für das sie z. T. wenig kann. Wer immer hierzulande als Taufscheinchrist aufgewachsen ist, hat mit großer Wahrscheinlichkeit folgende Assoziationen: langweiliges, ältliches Publikum, langweiliges, salbungsvolles bis unverständliches Gelaber im Gottesdienst, den man halt als Kind abgesessen hat, weitgehend sinnfreier Religionsunterricht, der einem die Schönheit des Katholizismus auch nicht so richtig erschloss, und vor allen Dingen eine seltsame Lehre, die nicht mal die eigenen Anhänger ernst zu nehmen scheinen. Wieviel Prozent der Kirchgänger leben denn, abgesehen vom Sonntag, ein Leben, das als a) genuin christlich und b) attraktiv zu erkennen wäre? Die meisten sind halt dabei, weil sie reingeboren wurden; der kleine Kern von echt Gläubigen fällt in dieser Masse kaum auf. Sowas wie Catholic Hipster oder die Bloggerin von carrots for michaelmas kenne ich aus der deutschen Blogozese gar nicht - eine Anfangsdreißigerin, die ihre Tattoos spazierenführt und gleichzeitig über Aktivitäten im liturgischen Jahr und ihre Berufung als Ehefrau bloggt...Möglicherweise muss die katholische Kirche erst mal "gesundschrumpfen", damit sich ein klar erkennbarer Markenkern freilegen kann - wie Benedict XVI. ja auch angedeutet hat, wenn ich mich recht erinnere.
Fortsetzung: Und aufgrund dieser Wahrnehmung lgaube ich, dass die Leute, die spontan ein cooles katholisches Straßenfest organisieren würden, gar nicht erst in der katholischen Kirche aktiv werden.
LöschenDiese Beobachtungen kann ich - leider! - in wesentlichen Punkten nachvollziehen und teilen. Aber genau deswegen trägt dieser Beitrag ja den Titel "Wer, wenn nicht wir?": Einen Missstand wahrzunehmen und zu benennen ist ein erster und notwendiger Schritt, aber dann scheint es mir der konsequente nächste Schritt zu sein, sich zu überlegen, was man selbst dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern. Was das für mich persönlich in der Praxis heißen könnte/sollte/müsste, daran arbeitet es gerade in mir - insofern ist dies ein Text "aus der (Gedanken-) Werkstatt.
LöschenIch war letztes Jahr bei einem katholischen Straßenfest, de facto mehr eine Leistungsschau diverser Orden und christlicher Vereine. Das war nicht uninteressant, aber mehr für die Insider - wer eh schon wußte, was die Salesianerinnen sind, konnte mit ihnen reden; wer sich in das Zelt der christlichen Aktionsgruppe XYZ hineintraute, wurde dann auch freundlich empfangen und beraten. Coolnessfaktor war nicht vorhanden, aber den Organisatoren war sicher überhaupt nicht bewußt, dass so etwas gewünscht sein könnte (die waren keine katholischen Hipster, soweit ich sie visuell einordnen konnte). Was mir gefallen hätte, wäre irgendwie eine niedrige Einstiegsschwelle, irgendein Stand, an dem man hätte - möglichst in Eigenregie, ohne mit einem Funktionär reden zu müssen, cool gemacht, interessant und für die eigene Situation anwendbar - erfahren können, was Katholiken glauben und warum. Ich als critical friend weiß das ja in Grundzügen, aber so eine Möglichkeit zur Publikumsinformation und PR sollte man ALS Institution nützen.
LöschenJust sayin'.
Die von Ihnen benannte Griesgrämigkeit ist tatsächlich ein großes Problem, denn sie zementiert die Haltung, es sich in der Rechthaberecke gemütlich einzurichten und fast eine Art Befriedigung daraus zu ziehen, wenn man sieht, wie der ganze Katholizismus den Bach runtergeht, schluchzschluchz (mit Ausnahme der „katholisches.info“-Heiligen natürlich). Die Frage, die sich mir allerdings schon stellt, ist diese: Wenn eine Institution wie die Kirche, die nominell so gut „vernetzt“ ist wie keine andere auf der Welt, es nicht schafft, über ihre immer intensiver werdenden inneren Richtungskämpfe hinaus Energie in eine - zu Recht geforderte - Neuevangelisierung zu investieren, muss dann nicht die Identität dieser Institution erst einmal wieder gefestigt werden, bevor man anfängt, das zu tun, was Christen eigentlich tun sollten, nämlich zu missionieren? Ich betrachte die Kirche in Deutschland seit vielen Jahren aus dem Ausland, die tägliche Realität dort ist mir also nur durch (seltene) Besuche in der Heimatgemeinde geläufig. Aber ich habe den Eindruck, dass die Vereinzelung der deutschen Gemeinden, verstärkt durch den Priestermangel, zu einer immer stärkeren Beschäftigung mit lokalen, großenteils administrativen Problemen führt, die für die wahrhaft großen Fragen gar keine Zeit lässt. Oder liege ich da völlig daneben?
AntwortenLöschenVon dieser Nightfever-Initiative wusste ich überhaupt nichts, was vielleicht zeigt, dass ich einfach zu weit weg bin, um mich kompetent zu äußern. Gibt es denn noch eine regelmäßige Eucharistische Anbetung in den Berliner Kirchen? In meiner Gemeinde hier in Nord-London hat man vor jeder Messe eine Stunde lang Gelegenheit dazu, eine ebenso einfache wir großartige Vorbereitung auf den Gottesdienst. Und dann gibt es natürlich noch die Ewige Anbetung der Nonnen im Konvent von Tyburn, der man sich jederzeit anschließen kann. Die Frage ist: Würden die Leute, die sich bei Großveranstaltungen am Nightfever beteiligen, das auch zu einem regelmäßigen Teil ihres Lebens machen? Es ist ja eine Sache, so etwas in einer glaubenserfüllten Gruppe zu erleben, und eine andere, von der Straße in die Kirche zu gehen und aus dem Gehetze des Alltags heraus in einen anbetenden Dialog mit dem Allerheiligsten zu treten. Eine ernstgemeinte Frage.
Was auch hierzulande JEDE/R tun kann:
AntwortenLöschenRechtzeitig längere Zeit vor Gottesdienstbeginn zu erscheinen und still in den verschiedensten Anliegen zu beten.
Auch wenn das Allerheiligste nicht extra in einer Monstranz ausgesetzt ist.
Der Herr ist immerhin im Tabernakel.
In der von uns besuchten Kirche wird das Gebet vor der Messe durchaus von zahlreichen Gläubigen praktiziert.
Man kann zudem auch "unter der Zeit" mal eine Kirche zum Gebet aufsuchen - sofern sie geöffnet ist.