Na, meine Lieben - habt Ihr gestern Abend auch brav Eure Stiefel vor die Tür gestellt? Und, war heute Morgen was Schönes drin - oder waren die Stiefel geklaut? Ich jedenfalls habe mein Schuhwerk schön in der Wohnung behalten, denn ich verspüre ein gewisses Misstrauen gegenüber bärtigen Gestalten mit Zipfelmützen, die Gerüchten zufolge nachts um die Häuser schleichen. Denken wir nur mal ans Sandmännchen. Seit Jahrzehnten wird diese mythische Gestalt den Kindern in Ost und West als liebenswerter kleiner Gesell verkauft, der ihnen noch eine hübsche Gutenachtgeschichte mitbringt, ehe sie ins Bett müssen - was aber liest man in E.T.A. Hoffmanns Novelle Der Sandmann (1817) über diese Gestalt?
"Das ist ein böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie blutig zum Kopf herausspringen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen; die sitzen dort im Nest und haben krumme Schnäbel, wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschenkindlein Augen auf."
Mich schaudert! Wer garantiert mir da, dass der Nikolaus nicht eine ähnlich zwielichtige Figur ist? Nun, wenigstens hatte ich letzte Nacht nicht zu befürchten, dass er oder sein dämonischer Sidekick Knecht Ruprecht zum Kamin hereinkämen - zum Glück hab' ich Zentralheizung.
Nun aber mal Scherz beiseite: Wie in der volkstümlichen Überlieferung aus dem Hl. Nikolaus von Myra (oder von Bari) der nächtliche Geschenkebringer der Vorweihnachtszeit wurde, mag ein kulturhistorisch interessantes Thema sein, aber darauf will ich hier nicht groß eingehen; zumal man davon ausgehen darf, dass zumindest hierzulande der Nikolaus in seiner Funktion als Kinderbeschenker schon seit Langem im Schatten seines säkularen Doppelgängers, des Weihnachtsmanns, steht. Ein Stiefel voller Süßigkeiten am Morgen des 6. Dezember mag geeignet sein, den lieben Kleinen die Wartezeit auf Weihnachten zu verkürzen, aber die richtig große Bescherung gibt's dann ja wohl doch erst am Heiligabend. Man geht wohl kaum fehl, anzunehmen, dass der Weihnachtsmann gewissermaßen aus der volkstümlichen Figur des Hl. Nikolaus, kombiniert mit Zügen seines oben erwähnten Begleiters, entstanden ist, aber ohne Zweifel hat der rotbemäntelte Rauschebart ein Eigenleben entwickelt, das den christlichen Hintergrund der Nikolaus-Figur längst abgeschüttelt hat - und ebenso auch die düsteren Züge des Knecht Ruprecht, oder kennt jemand ein Kind, das in den letzten Jahren eine Rute (und nur eine solche) zu Weihnachten bekommen hat?
Unter Kritikern der Kommerzialisierung des Weihnachtsfest hält sich hartnäckig die Behauptung, der (insgesamt wohl nicht zu Unrecht) als Symbolfigur dieser Entwicklung betrachtete Weihnachtsmann sei in den 1930er Jahren von Coca Cola erfunden worden; es ist ja auch sehr auffällig, das seine mit weißem Pelz verbrämte rote Kleidung so perfekt zum corporate design dieses Braune-Brause-Herstellers passt. Tatsächlich setzt Coca Cola den Weihnachtsmann seit 1931 als Werbeträger ein, und man kann wohl davon ausgehen, dass diese Werbung sehr erheblich zur weltweiten Vereinheitlichung der Weihnachtsmann-Ikonographie beigetragen hat. Hoffmann von Fallerslebens bis heute populäres Weihnachtslied "Morgen kommt der Weihnachtsmann" entstand allerdings schon 1840, und da gab es Coca Cola noch gar nicht; bereits aus dem Jahr 1823 datiert das anonym veröffentlichte Gedicht The Night Before Christmas, in dem Santa Claus mit seinem von Rentieren gezogenen fliegenden Schlitten auftritt; alle acht Rentiere haben Namen - Dasher und Dancer, Prancer und Vixen, Comet und Cupid, Donner und Blitzen -; das (heute wohl berühmteste) neunte Rentier, der rotnasige Rudolph, wurde hingegen erst 1939 erfunden, als Werbeträger für die Kaufhauskette Montgomery Ward aus Chicago - so viel zum Thema Kommerzialisierung.
Wie dem auch sei: Unlängst erinnerte mich ein Beitrag auf dem Blog Das hörende Herz , in dem zu Recht betont wurde, dass es an Weihnachten doch eigentlich um etwas ganz Anderes als "um einen dickbäuchigen, rotgewandeten und -bemützten alten Mann geht,
der am Nordpol lebt und für die Spielzeug- bzw. Geschenkeindustrie
arbeitet", an ein interessantes Fernseherlebnis, das ich vor einigen Jahren hatte; es handelte sich um die Weihnachtsepisode der im Ganzen durchaus charmanten Cartoonserie "Disneys Große Pause". (Ja, ich bekenne mich dazu, dass ich bis weit ins Erwachsenenalter hinein sehr gern Zeichentrickserien gesehen habe, die eigentlich für Kinder gedacht sind, und zuweilen habe ich noch heute Spaß daran. Und das, obwohl ich keine eigenen Kinder habe, mit denen zusammen ich mir diese Sendungen ansehen könnte. Zu meiner Verteidigung kann ich vorbringen, dass ich sie natürlich aus einem anderen Blickwinkel betrachte als die primäre Zielgruppe. Und wer mir das nicht glaubt, der wird mir dafür umso eher glauben, dass ich irgendwo tief in meinem Innern ein unverbesserlicher Kindskopf bin.) Die Serie, wie gesagt, finde ich gar nicht übel; sie stellt Kinder mit ganz unterschiedlichen Charakteren, Interessen, Fähigkeiten und ethnischen Hintergründen dar und demonstriert, dass sie trotz all dieser Unterschiede gute Freunde sein können, und zudem hat die Serie einige hübsch skurrile Züge - so wird der Pausenhof von einem Sechstklässler als "König" beherrscht, der auf dem Klettergerüst thront und einen Hockeyschläger als Zepter trägt, und die Kinder des angrenzenden Kindergartens werden als archaischen Riten frönender Barbarenstamm dargestellt. - Die besagte Weihnachtsfolge entlockte mir aber doch das eine oder andere Stirnrunzeln. Zu Beginn der Episode verliert ein Weihnachtsmanndarsteller vor den Augen der Kinder Mütze und Bart und weckt damit verstörende Zweifel an der Existenz des Weihnachtsmanns - derartige Zweifel und ihre Widerlegung sind speziell in der US-amerikanischen Weihnachtsfolklore ein beliebtes Thema, wofür der berühmte Leitartikel "Is There a Santa Claus?", der 1897 in der New York Sun erschien, ein ebenso prägnantes Beispiel darstellt wie der Spielfilm Das Wunder von Manhattan (1947, Remake 1994). Doch zurück zur Große Pause-Episode: Diese gipfelt in einer multikulturellen Schul-Weihnachtsfeier, bei der die jüdischen Kinder das Brauchtum des Chanukka-Fests und die afroamerikanischen Kinder jenes des ebenfalls Ende Dezember gefeierten Fests Kwanzaa vorstellen; ein irgendwie keltisch/germanisch sein sollendes Sonnenwendritual kommt ebenfalls vor. Den Höhepunkt der Feier bildet jedoch der Auftritt eines Schülers in der Verkleidung des - ausdrücklich als Repräsentant des christlichen Weihnachtsfests bezeichneten! - Weihnachtsmanns. Vom Jesuskind, von Maria und Joseph, von Ochs und Esel keine Spur. Man muss wohl nicht unbedingt besonders christlich gesonnen sein, um das zumindest sonderbar zu finden. Sicher ist es nett, dass die Zuschauer der Sendung etwas über Chanukka und Kwanzaa lernen, und den Hinweis auf das heidnische Sonnenwendfest lasse ich mir auch noch gefallen; den impliziten Hinweis darauf, dass kulturelle Vielfalt auch religiöse Vielfalt bedingt, finde ich vom Ansatz her durchaus lobenswert. Aber warum wird ausgerechnet der christliche Gehalt von Weihnachten unterschlagen und durch die Symbolfigur des säkularisierten und kommerzialisierten Weihnachtsfests ersetzt? Soll man daraus lernen, dass lediglich Minderheiten ihre pittoresken religiösen Traditionen öffentlich zelebrieren dürfen, während die christlich geprägte Bevölkerungsmehrheit sich mit einer 'weltanschaulich neutralen' Symbolfigur bescheiden soll, durch die sich kein Andersgläubiger auf die Füße getreten fühlen muss?
Noch eine andere Erinnerung kommt mir dabei in den Sinn: Vor einigen Jahren, und nicht zur Weihnachtszeit, war ich bei einem türkischstämmigen - muslimisch erzogenen, aber atheistischen - Freund zum Essen eingeladen. Dieser Freund hatte zwei kleine Töchter, die es sehr spannend fanden, dass ein Christ zum Essen kommt; und die jüngere der beiden Töchter konfrontierte mich allen Ernstes mit der Frage, ob ich an den Weihnachtsmann glaube. Auch wenn ich wohl davon ausgehen konnte, dass mein Freund seine Kinder nicht zum Glauben an den Weihnachtsmann erzogen haben dürfte, hatte ich irgendwie Hemmungen, diese Frage, wenn ein Kind sie mir stellte, schlicht zu verneinen; ich gab mir jedoch alle Mühe, den Mädchen zu erläutern, worum es im Christentum an Weihnachten eigentlich geht. - Tatsächlich scheint es auch bei durchaus erwachsenen Atheisten - oder allgemeiner gefasst: Nichtchristen - einigermaßen verbreitet zu sein, den christlichen Glauben mit dem Glauben an den Weihnachtsmann in Verbindung zu bringen, dies aber wohl weniger in der Annahme, der Weihnachtsmann sei eine Gestalt des Christentums, sondern eher in der Absicht, den Glauben an "Höhere Mächte", deren Wirken und Walten sich dem naturwissenschaftlich orientierten Verstand entzieht, allgemein lächerlich zu machen. Darauf, was den Glauben an den Weihnachtsmann vom christlichen Verständnis des Glaubens an Gott unterscheidet, ist erst kürzlich Josef Bordat eingegangen, sodass ich mich damit begnügen kann, hier auf seinen diesbezüglichen Beitrag zum Blog Das Ja des Glaubens zu verweisen.
Zu Pfingsten machen sich diverse Fernsehsender alle Jahre wieder einen Spaß daraus, Passanten zu befragen, worum es bei diesem Fest denn gehe - stets mit demselben Ergebnis: Die meisten Befragten - jedenfalls soweit ihre Antworten denn im Fernsehen gezeigt werden - haben keine Ahnung. Ich nehme mal an, zu Weihnachten gibt es die entsprechenden Umfragen ebenfalls, und bin verhalten optimistisch, dass die Antworten zu diesem Fest aus christlicher Sicht tendenziell befriedigender ausfallen dürften. Aber eben auch nur tendenziell. Und befriedigend, das weiß jedes Schulkind, heißt noch lange nicht gut. Die christliche Botschaft von Weihnachten im öffentlichen Bewusstsein zu halten, ist - trotz "Stille Nacht" und "Kommet Ihr Hirten" - in unseren Tagen offenkundig eine keineswegs gering zu schätzende Aufgabe.
Noch eine andere Erinnerung kommt mir dabei in den Sinn: Vor einigen Jahren, und nicht zur Weihnachtszeit, war ich bei einem türkischstämmigen - muslimisch erzogenen, aber atheistischen - Freund zum Essen eingeladen. Dieser Freund hatte zwei kleine Töchter, die es sehr spannend fanden, dass ein Christ zum Essen kommt; und die jüngere der beiden Töchter konfrontierte mich allen Ernstes mit der Frage, ob ich an den Weihnachtsmann glaube. Auch wenn ich wohl davon ausgehen konnte, dass mein Freund seine Kinder nicht zum Glauben an den Weihnachtsmann erzogen haben dürfte, hatte ich irgendwie Hemmungen, diese Frage, wenn ein Kind sie mir stellte, schlicht zu verneinen; ich gab mir jedoch alle Mühe, den Mädchen zu erläutern, worum es im Christentum an Weihnachten eigentlich geht. - Tatsächlich scheint es auch bei durchaus erwachsenen Atheisten - oder allgemeiner gefasst: Nichtchristen - einigermaßen verbreitet zu sein, den christlichen Glauben mit dem Glauben an den Weihnachtsmann in Verbindung zu bringen, dies aber wohl weniger in der Annahme, der Weihnachtsmann sei eine Gestalt des Christentums, sondern eher in der Absicht, den Glauben an "Höhere Mächte", deren Wirken und Walten sich dem naturwissenschaftlich orientierten Verstand entzieht, allgemein lächerlich zu machen. Darauf, was den Glauben an den Weihnachtsmann vom christlichen Verständnis des Glaubens an Gott unterscheidet, ist erst kürzlich Josef Bordat eingegangen, sodass ich mich damit begnügen kann, hier auf seinen diesbezüglichen Beitrag zum Blog Das Ja des Glaubens zu verweisen.
Zu Pfingsten machen sich diverse Fernsehsender alle Jahre wieder einen Spaß daraus, Passanten zu befragen, worum es bei diesem Fest denn gehe - stets mit demselben Ergebnis: Die meisten Befragten - jedenfalls soweit ihre Antworten denn im Fernsehen gezeigt werden - haben keine Ahnung. Ich nehme mal an, zu Weihnachten gibt es die entsprechenden Umfragen ebenfalls, und bin verhalten optimistisch, dass die Antworten zu diesem Fest aus christlicher Sicht tendenziell befriedigender ausfallen dürften. Aber eben auch nur tendenziell. Und befriedigend, das weiß jedes Schulkind, heißt noch lange nicht gut. Die christliche Botschaft von Weihnachten im öffentlichen Bewusstsein zu halten, ist - trotz "Stille Nacht" und "Kommet Ihr Hirten" - in unseren Tagen offenkundig eine keineswegs gering zu schätzende Aufgabe.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen