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Montag, 11. Februar 2013

Ciao, Benedetto!

Im Lichte der heutigen Ereignisse ist mir mein gestriger Beitrag schon einigermaßen peinlich.

Aber das konnte ja nun wirklich keiner ahnen.

Nachdem die Schockstarre, die mich heute gegen Mittag überfallen hat, als ich aus dem Internet von der Rücktrittsankündigung Papst Benedikts XVI. erfuhr, einigermaßen nachgelassen hat, habe ich das Gefühl, ich muss noch ein paar Worte darüber schreiben, ehe dieser Tag zu Ende geht.

Darüber, wie dieser Rücktritt zu bewerten ist, was er für die Kirche bedeutet und wie es nun weitergehen soll, ist heute schon viel geschrieben worden - einige Wortmeldungen aus der Blogoezese haben mich sehr bewegt, mir aus der Seele gesprochen und gut getan; beispielhaft genannt seien hier die Beiträge auf


Mit Ärger über das, was die Medien und die unvermeidlichen innerkirchlichen "Reform"-Gruppierungen dem scheidenden Papst so alles nachrufen (von Internet-Trollen ärgerer Art ganz zu schweigen), möchte ich diesen Tag bzw. Abend nicht belasten, ebensowenig mit Spekulationen über die Nachfolge Benedikts XVI.; für all das wird in den Tagen und Wochen bis zum Konklave noch Zeit genug sein. Was mir also heute noch zu sagen bleibt, das ist ein persönliches Wort - darüber, wie tief das Pontifikat Benedikts XVI. mich geprägt hat.

Vor acht Jahren war mein Verhältnis zur Kirche und zum Glauben um einige Grade distanzierter als heute. Das hatte verschiedene Gründe, auf die ich vielleicht ein andermal näher eingehen werde; jedenfalls würde ich mich zwar auch damals jederzeit als gläubigen Katholiken bezeichnet haben, aber ich ging selten zur Kirche, betete nicht regelmäßig und beschäftigte mich im täglichen Leben nur gelegentlich mit Fragen des Glaubens und der Kirche. Zu zahlreichen konkreten Glaubensfragen war meine Einstellung diffus und von Zweifeln geprägt.

Dann starb Papst Johannes Paul II., den ich - der oben beschriebenen Distanz zur Kirche zum Trotz - zutiefst verehrt und bewundert hatte; und ich saß stundenlang vor dem Fernseher und hatte Tränen in den Augen. So richtig fließen wollten sie nicht, aber sie waren da.

Das Konklave des Jahres 2005 verfolgte ich mit großer Spannung (auch wenn es da gar nicht viel zu "verfolgen" gab, da ja nichts davon an die Öffentlichkeit drang; die einschlägigen 24-Stunden-Nachrichtenkanäle zeigten dennoch stundenlang Live-Bilder vom Schornstein der Sixtinischen Kapelle...). Vom Ergebnis des Konklaves erfuhr ich dann jedoch - ich war bei der Arbeit - per SMS: "Habemus Ratzinger", lautete ihr Inhalt.

Ich muss gestehen, ich war nicht begeistert.

Offenbar hatte mich die schlechte Presse, die Joseph Ratzinger während seines Wirkens als Präfekt der Glaubenskongregation regelmäßig bekommen hatte, allzu sehr beeindruckt. Der "Panzerkardinal", der "Rottweiler" - das sollte nun der Nachfolger Johannes Pauls II. sein? Ein paar Tage hielt dieses Unbehagen an, dann sagte ich mir: Entweder du glaubst daran, dass die Entscheidung des Konklaves vom Heiligen Geist inspiriert ist, oder du lässt es halt bleiben; in jedem Fall ist er jetzt auch dein Papst, also akzeptier' das gefälligst.

Als nächstes dachte ich mir: Dem Vernehmen nach hat Joseph Ratzinger an die 100 Bücher geschrieben. Anstatt mir von den Medien vorschreiben zu lassen, was ich von ihm zu halten habe, sollte ich mir vielleicht lieber mal anschauen, was er selbst zu sagen hat. - Denselben Gedanken hatten offenbar eine ganze Menge anderer Leute in Berlin auch. Wochenlang waren alle, wirklich sämtliche Ratzinger-Bücher in allen öffentlichen Bibliotheken Berlins entliehen. Es dauerte wohl so vier Wochen, bis ich die ersten Bücher des nunmehrigen Papstes in die Hände bekam: "Eschatologie - Tod und ewiges Leben", "Glaube - Wahrheit - Toleranz", schließlich die "Einführung in das Christentum".

Ich war verblüfft und begeistert. Der Autor dieser Bücher war offenbar ein ganz Anderer, als die ewige Mär vom "Panzerkardinal" glauben machen wollte! Und die Lektüre dieser (und später dann weiterer) Bücher veranlasste mich nicht allein dazu, den neuen Papst in einem anderen Licht zu sehen, sondern ließ mich den katholischen Glauben insgesamt ganz neu entdecken. Mir schien, dass diese Bücher mir Antworten auf Fragen gaben, die ich in meinem Kopf noch nicht ausformuliert hatte, die mich aber dennoch bedrängt hatten. Wäre Joseph Ratzinger nicht Papst geworden, hätte ich mich vielleicht nie veranlasst gesehen, sie zu lesen. Dann sähe mein Leben heute anders aus.

Es waren aber nicht allein die Bücher, die mich für Benedikt XVI. einnahmen, auch nicht nur seine Predigten und Ansprachen. Seine ganze Persönlichkeit hat mich, bei allen bedeutenden Unterschieden, nicht weniger beeindruckt als die seines Vorgängers.

Benedikt XVI. hat den Anstoß dazu gegeben, dass ich eine so innige Liebe zu meinem Glauben und meiner Kirche entwickelt habe, wie ich sie, wenn überhaupt je, mindestens seit meinen frühen Teenagerjahren nicht empfunden hatte. Ohne ihn würde ich keinen katholischen Blog schreiben. Ohne ihn würde ich mich nicht für meine Überzeugung aus Kneipen schmeißen lassen...

Ich bin traurig, diesen Papst zu verlieren, gleichzeitig gönne ich ihm einen ruhigen Lebensabend von Herzen, und wenn er nach reiflicher Überlegung, Gebet und Meditation zu dem Schluss gekommen ist, dass es ihm für die Aufgaben, die der Papst heute zu bewältigen hat, an Kraft fehlt, dann wird das auch richtig sein -- und wir werden einen Nachfolger auf dem Stuhl Petri erleben, der uns womöglich ebenso in Erstaunen versetzt, wie es für mich bei Benedikt XVI. der Fall war.

Zum Abschluss: Zur, wie man so sagt, "Bewältigung" der Eindrücke des heutigen Tages habe ich vor ein paar Stunden eine Passage aus Franz Werfels beeindruckendem Roman "Der veruntreute Himmel" nachgelesen, die ich ermutigend finde. Ich möchte sie hier gern zitieren; geschildert wird da, wie der junge und von seiner Kirche mehr oder minder desillusionierte Kaplan Seydel, der eine Seniorenwallfahrt nach Rom begleitet hat, im Petersdom eine von Papst Pius XI. zelebrierte Messe miterlebt:

"Mit seinem Herzschlag stärker als mit seinem Verstand begreift Seydel plötzlich das Geheimnis der Menschwerdung der Gottheit, an dem die Päpste in ihrer Art teilnehmen. Achille Ratti, ein gewöhnlicher Mensch und Priester, kein gottbegnadeter Geist, sondern ein stiller Gelehrter, zärtlicher Bibliothekar und tüchtiger Alpinist in seinen kräftigen Jahren. Eines Tages treten die Kardinäle zusammen, gewöhnliche Erdenmenschen alle siebzig, und erheben Achille Ratti auf Petri Stuhl. Und nun ist der Mensch Pius nicht mehr nur Mensch allein. Ein Tropfen des köstlichen Balsams, der sich seit dem Tage des Galiläischen Fischers, der mit dem Herrn umging, angesammelt hat, verwandelt den gewöhnlichen Menschen und fügt etwas zu seiner Natur hinzu, das nicht von dieser Welt ist. Einem flachköpfigen Intellektuellen könnte Seydel dies nicht erklären, aber er ist überzeugt davon, daß auch dieser flachköpfige Intellektuelle es jetzt und hier in allen Nerven spüren würde wie er selbst."
 
Mehr habe ich für heute nicht zu sagen...

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