Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Samstag, 6. Dezember 2025

Utopie und Alltag 2: Im Epizentrum der Vorpubertät

Adventliche Grüße, liebe Leser! Die neue Wochenbriefing-Reihe geht in die zweite Runde, und diese Ausgabe ist thematisch schon etwas breiter aufgestellt als die vorige – es wird sich zeigen, ob dieser Trend sich fortsetzt. Ebenfalls noch zeigen muss sich, ob es sich fortsetzt, dass jede Folge dieser Reihe im Epizentrum von irgendwas verortet ist. Entstanden ist die Idee ja nur daraus, dass ich es so lustig fand, dass auf biergartenguide.com der Weihenstephaner Berg als das "Epizentrum des Bieres" bezeichnet wurde. Ob ich mich aber langfristig darauf festlegen möchte, über ein ganzes Jahr hinweg jede Woche ein neues Epizentrum zu entdecken, da bin ich mir noch nicht so ganz sicher. Aber das sehen wir dann in den nächsten Wochen! 

Adventszeit ist Bastelzeit, besonders wenn man Kinder hat. Näheres zum Entstehungshintergrund dieser Kunstwerke weiter unten.

Neues von den Pfadfindern 

Die Frage, wie es mit unseren Kindern – vorläufig zumindest und vor allem mit dem Tochterkind – und der Pfadfinderei weitergeht, gewinnt allmählich eine gewisse Dringlichkeit: Ich erwähnte ja schon, dass es bei den Wölflingsmädchen des in Berlin-Schöneberg ansässigen KPE-Stammes einige "Neue" gibt; und unlängst fand sich in einer Mail der Wölflingsleiterin an die Eltern, in der die anstehenden Termine mitgeteilt wurden, ein freundliches "P.S.", in dem den Eltern der "Neuen" nahegelegt wurde, wenn ihre Kinder weiterhin regelmäßig dabei sein wollten, dann sollten sie doch mal einen Mitgliedsantrag stellen. Das Antragsformular wurde nonchalant gleich mitgeschickt; bisher haben wir es noch nicht ausgefüllt und zurückgeschickt, aber ich schätze, wir werden es tun. 

Am Samstag vor dem 1. Advent hatten die Wölflingsmädchen jedenfalls wieder ein Meutentreffen, und parallel dazu traf sich auch die Wichtelgruppe (für Kinder ab 4 Jahren); also fuhren wir da mit beiden Kindern hin. Während die Wichtel sich von vornherein in einem Raum im Pfarrhaus versammelten, begann das Wölflingstreffen stilecht im Garten; dort gab es eine Art "Krippenspiel-Schnitzeljagd", wenn man das so nennen kann: Soweit ich es anhand der Erzählungen meiner Tochter nachvollziehen konnte, ging es darum, im Gelände Bilder zu finden, die Stationen des Weihnachtsevangelium nach Lukas zeigten, und diese dann szenisch nachzustellen. Wie ich später erfuhr, gab es bei den Wichteln ein ganz ähnliches Spiel, nur eben drinnen. Anschließend wurde gebastelt, und zwar in beiden Altersstufen – wozu auch die Wölflinge nach drinnen in den Pfarrsaal gingen: Die Wichtel bastelten Krippenhäuschen aus Karton und Krippenfiguren aus Knete, die Wölflinge eher abstrakte Krippenfiguren aus Zeitungspapier (siehe Vorschaubild). 

Festzuhalten bleibt, dass beide Kinder mit Begeisterung dabei waren und sich schon aufs nächste Mal freuen; die Wichtelgruppe trifft sich allerdings nach derzeitigem Planungsstand erst im Januar wieder. Dagegen fand bei den Wölflingen schon heute wieder ein Treffen statt – anlässlich des Nikolaustags stand da das "Einüben und Durchführen einer guten Tat" auf dem Programm –, aber für heute hatten wir bereits andere Pläne (mehr dazu unter "Vorschau/Ausblick"). Auf jeden Fall wollen wir aber – mit der ganzen Familie – am übernächsten Sonntag zum "Waldadvent" der Pfadfinder im Düppeler Forst. Und dann mal weitersehen!  


Krippenspielprobe mit Herold und Schaf 

Im Übrigen gab der vergangene Samstag Anlass zu der Erkenntnis: Wenn man an einem Tag mehr als eine Sache vorhat, und das womöglich in unterschiedlichen Stadtbezirken, dann sind die Entfernungen innerhalb Berlins durchaus ein nicht zu unterschätzender Faktor. So hatten wir nach dem Pfadfindertreffen gerade ausreichend Zeit, um unterwegs bei einem "Pommesladen" (wie die Kinder gern sagen) ein schnelles Mittagessen einzunehmen, ehe wir zur Krippenspielprobe in St. Stephanus Haselhorst mussten. Es war bereits die zweite Probe für das diesjährige Krippenspiel, aber bei der ersten waren wir nicht gewesen: Ich war beim Bandwochenende, meine Liebste war mit den Kindern bei einer Geburtstagsfeier mit Schatzsuche gewesen und danach schlichtweg zu K.O., um am selben Tag noch zu einem weiteren Programmpunkt zu gehen. Wie sich zeigte, war es aber noch nicht zu spät, noch in die Proben einzusteigen. 

Der Text des Krippenspiels war im Großen und Ganzen derselbe, der schon im Vorjahr Verwendung gefunden hatte, wenn auch an einigen Stellen erweitert und überarbeitet. Die Rolle, die unsere Tochter letztes Jahr gespielt hatte – "Engel 2" – hatte sich diesmal ihre Schulfreundin gesichert, die im vorigen Jahr lediglich eine stumme Rolle als "Engel 4" gehabt hatte; dafür bot der Gemeindereferent, der die Proben leitete, unserer Tochter die Rolle des Herolds an, der zu Beginn des Spiels den Aufruf zur Volkszählung verkündet, und sie übernahm diesen Part mit großer Motivation – sie kann ihren Text schon fast auswendig. Dagegen verschmähte unser Jüngster eine stumme Rolle im Engelchor und erklärte, er wolle lieber ein Schaf spielen und "Mäh" sagen. 

Übrigens spielt das Mädchen, das wir vom JAM kennen und das im aktuellen Erstkommunionkurs ist, "Engel 1", und ihrem Vater, mit dem ich bei Gelegenheit mal ein Bier trinken gehen möchte, wurde kurzerhand die Rolle "Herbergswirt 2" zugeteilt, während ich, wie schon im Vorjahr, "Herbergswirt 1" spielen darf. Den Text kann ich noch so ungefähr. – Im Ganzen verlief die Probe heiter und maßvoll chaotisch; meinen Gesamteindruck würde ich in den Worten "Es gibt noch viel zu tun, aber es kann schön werden" zusammenfassen. Zwei Tage später erfuhr ich allerdings, dass zwei Mädchen, die als "Hirte 2" und "Engel 4" am Krippenspiel hätten mitwirken sollen, am Aufführungstermin gar nicht da sind und folglich ausfallen. Im Fall von "Engel 4" lässt sich das wohl noch verschmerzen, aber "Hirte 2" ist eine durchaus wichtige Rolle; daher versuche ich nun meine Tochter zu überreden, diesen Part noch zusätzlich zur Rolle des Herolds (der ja nur ganz am Anfang auftritt, während die Hirten erst später dran sind) zu übernehmen... Na, mal sehen. 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Wie schon mehrfach erwähnt, gibt es in der diesjährigen Adventszeit in St. Joseph Siemensstadt jede Menge Arbeit für das Kinderwortgottesdienst-Team; und das ging gleich am 1. Adventssonntag los. Zugleich wurde an diesem Sonntag auch der neue Firmkurs der Gemeinde vorgestellt, weshalb rund 30 Jugendliche in für sie reservierten Bankreihen Platz nahmen. Außerdem wurden vor Beginn der Messe ein paar Lieder mit der Gemeinde geübt, die auch bei der Firmung (und, so muss man wohl annehmen, bis dahin noch öfter) gesungen werden sollen; und leider muss ich sagen, dass das Lied zum Einzug – "Eingeladen zum Fest des Glaubens" – eines ist, das sehr weit oben auf meiner persönlichen Hass-Liste steht. Gar nicht so sehr aus musikalischen Gründen, sondern wegen des grässlichen Pastoraljargons im Text: "Mal gespannt, mal eher skeptisch, manche zögernd, viele gern" – ist es nicht schon schlimm genug, wenn in der Kirche so geredet wird, muss man auch noch so singen? – 

Wie dem auch sei: Zum Kinderwortgottesdienst erschienen 18 Kinder, von denen sich ein erfreulich großer Teil auch aktiv beteiligte. Der Gemeindereferent und ich hatten uns nämlich – wie neulich schon mal angedeutet – überlegt, die Annäherung an das nicht gerade einfache Evangelium vom Tag (Matthäus 24,37-44, ein Auszug aus den Endzeitreden Jesu) in Dialogform anzugehen, und zwar so, dass der Gemeindereferent kritische Fragen stellte und ich versuchen musste sie zu beantworten; aber eben mit Hilfe der Kinder, d.h. ich gab die Fragen, oder jedenfalls Teilaspekte davon, an die Kinder weiter, sammelte und sortierte die Antworten, die ihnen dazu so einfielen, und baute darauf meine eigenen Antworten auf. Das klappte prima und machte den Kindern – jedenfalls denen, die Antworten hatten, aber das war wie gesagt ein erfreulich großer Teil – sichtlich Spaß. Zum Teil ging es darum, ihr Wissen abzurufen – etwa über die Arche Noah und die Sintflut –, zum Teil aber auch um anspruchsvollere Fragen wie "Was meint Jesus wohl, wenn Er sagt, wir sollen wachsam sein?" und schließlich sogar "Wozu ist Jesus eigentlich auf die Welt gekommen" – wobei die durchaus erwünschten Antworten "um uns zu retten, zu befreien, zu erlösen" o.ä. die Folgefrage nach sich zogen: Wovon? – Das einzige Problem war, dass wir uns mit der Zeit verschätzt hatten. Wir hatten uns allzu sehr darauf verlassen, durch die parallel stattfindende Vorstellung der Firmlinge jede Menge Zeit zur Verfügung zu haben, hatten uns daher eine ausführliche Exposition geleistet, und die Folge war, dass wir ausgerechnet da, wo es richtig spannend wurde, zusehen mussten, dass wir fertig wurden. Der Schluss war also ein bisschen abrupt und wir hätten eigentlich noch mehr "auf dem Zettel" gehabt, aber ich glaube, allzu schlimm war das nicht: Aus Sicht von Kindern, so scheint mir, ist es gar nicht so wichtig, dass die Katechese von vorn bis hinten gut durchstrukturiert ist; sie picken sich sowieso das heraus, was ihrem Verständnishorizont entspricht, und unter diesem Aspekt bin ich optimistisch, dass diese Katechese zum 1. Adventssonntag genug Impulse enthielt, dass jeder etwas "mitnehmen" konnte. Grundsätzlich bleibt es natürlich ein Ärgernis des Formats "Kinderwortgottesdienst", dass man keine Planungssicherheit hinsichtlich der Länge des Programms hat; aber darüber kann ich mich mal ausführlicher auslassen, wenn und falls ich aus der Rubrik "Schwarzer Gürtel in KiWoGo" mal ein Buch mache. 

Zurück in der Kirche, schenkte mir einer der Firmlinge aus der Bankreihe vor mir ein aus einem Liedzettel gefaltetes Papierboot. Ich wunderte mich zwar, fand es aber nett.

Neues vom Schulkind: Kümmere dich um die Sexualerziehung deines Kindes, bevor es die Falschen tun 

Die Kinderkatechese zum Thema Wahrsagerei und Geisterbeschwörung, über die ich im vorigen Wochenbriefing berichtet habe, kam offenkundig zur richtigen Zeit, denn wie sich seitdem gezeigt hat, liegen Phänomene aus dem Graubereich zwischen Mutprobe und Okkultismus an der Schule unseres Tochterkindes derzeit ziemlich im Trend. Sicherlich nicht nur an dieser Schule, möchte ich annehmen; glücklich kann sich schätzen, wer ein Kind hat, das seinen Eltern davon erzählt, denn solche Dinge sind ja oft auch mit viel Heimlichtuerei verbunden. Als unsere Tochter neulich nach der Schule eine Freundin besuchte und diese ihr ein Video zeigte, in dem erklärt wurde, wie man Kontakt zu Geistern aufnehmen könne, hatten wir hinterher ein kritisches (aber dennoch freundliches) Gespräch mit der Mutter des anderen Mädchens – und auch noch eins mit unserer Tochter, um ihr nachdrücklich klarzumachen, dass so etwas kein Spaß ist und dass sie dergleichen bleiben lassen sollte. 

Besonderer Beliebtheit erfreut sich im Freundinnenkreis des Tochterkindes derzeit offenbar die "moderne Sage" (so definiert es Tante Wikipedia) um "Bloody Mary" – eine "Spukgestalt", die man angeblich nachts im Badezimmerspiegel sehen kann, wenn man wiederholt ihren Namen ausspricht (und fest genug daran glaubt). Interessant ist daran nicht zuletzt, dass laut Tante Wikipedia der seit dem 19. Jahrhundert, verstärkt aber seit den 1960er dokumentierte Glaube an "Bloody Mary" vor allem bei Mädchen in der Vor- und Frühphase der Pubertät auftritt, was manche Forscher zu der Hypothese veranlasst habe, in dieser "Spukgestalt" manifestiere sich die Angst vor Menstruationsblut und/oder anderen körperlichen Veränderungen in der Pubertät. 

Und das bringt mich zu meinem nächsten Punkt, nämlich dass bei einem achtjährigen Mädchen die Pubertät nicht mehr ganz so weit weg ist, wie man sich das als Vater vielleicht wünschen würde. Eine der Schulfreundinnen des Tochterkindes hat angeblich schon ihre Tage bekommen, und die ist neun. Aber auch davon abgesehen mehren sich die Anzeichen, dass ein gewisses – vorläufig noch zwischen Ekel und Neugier changierendes – Interesse an Sexualität im Freundeskreis des Tochterkindes auf dem Vormarsch ist. Neulich erzählte mir meine Tochter von einem Buch, das sie sich in der Schule zusammen mit zwei Freundinnen angesehen habe und das sie teilweise eher verstört habe; zum Beispiel habe sie darin eine bildliche Darstellung von Oralverkehr gesehen (das war natürlich nicht ihre Wortwahl, ich habe das hier mal paraphrasiert). Da musste ich erst mal nachhaken, was das wohl für ein Buch war. Soweit ich es durch Nachfragen ermitteln konnte, handelte es sich immerhin nicht um irgendein Pornoheft, sondern um ein sexualkundliches Sachbuch, das ihre Freundinnen in der Schulbücherei entdeckt hatten; aber die Übergänge können da ja durchaus fließend sein. Jedenfalls hat mir diese Sache deutlich gemacht, dass es wohl mal Zeit wird, sich mit dem Kind über die Bienchen und die Blümchen zu unterhalten. Dabei hatte ich eigentlich gedacht, ich hätte noch ein bisschen Zeit. Aber so ist das wohl immer. 

-- Und nun? Ich sag mal so: Ratschläge und Ermahnungen an die Adresse christlicher Eltern, sie sollten sich tunlichst selbst und rechtzeitig um die Sexualerziehung ihrer Kinder kümmern, gibt's, wie der Angloamerikaner sagt, a dime a dozen; auch z.B. in Amoris laetitia findet sich ein entsprechender Hinweis. Erheblich schwerer zu finden sind jedoch Fingerzeige und praktische Hilfen dafür, wie das konkret gehen soll. Ich habe mal in dem Buch nachgeschaut, das ich zum Abschluss des Eltern-Glaubenskurses in der Gemeinde auf dem Weg geschenkt bekommen habe: "Empower – Mit Glaube und Leichtigkeit durch das Abenteuer Erziehung" von Tobias Teichen. Da erfährt man zum Beispiel, "das durchschnittliche Alter, mit dem Kinder erstmals mit Pornos in Kontakt kommen", liege derzeit bei elf Jahren: "Das heißt ja, dass einige schon mit sechs, sieben oder acht Jahren Pornos gesehen haben, andere 'erst' mit 13 oder 14 Jahren", wird diese statistische Aussage konkretisiert. Und was soll man da jetzt machen? Im Abschnitt "Praktische Tipps" geht's erst mal nur darum, auf internetfähigen Geräten, auf die die Kinder Zugriff haben, einen Kinderschutz zu installieren. Gut und schön, aber das stößt bereits an Grenzen, wenn die Eltern der Freundinnen und Freunde des eigenen Kindes das bei den Geräten ihrer Kinder nicht auch tun. Sonst noch Tipps? Allerdings: Vor allem soll man mit seinen Kindern reden. Na klar, super Sache, bin absolut dafür. Aber schön wär's, wenn man über solche allgemeinen Appelle hinaus auch mal einen brauchbaren Gesprächsleitfaden an die Hand bekäme. 

Daher hab ich mir gedacht, ich zieh' an dieser Stelle mal den Publikumsjoker und frage euch, Leser: Habt ihr Tipps oder Erfahrungswerte zu diesem Thema, könnt ihr Ressourcen (in Form von Büchern, Videos, Kursen etc.) empfehlen, die dabei helfen, eine kindgerechte Sexualaufklärung mit einer – um mal einen etwas altmodischen Begriff zu verwenden, aber einen besseren wüsste ich nicht – Erziehung zur Keuschheit zu verbinden? Sowas wie "Theologie des Leibes für Kinder" – gibt's da was? Dass man von der institutionellen Kinder- und Jugendpastoral unserer lieben Mutter Kirche in dieser Hinsicht keine Unterstützung erwarten darf, dürfte nach den Beobachtungen, die ich bei der "Kickoff Jugendpastoral"-Veranstaltung am diesjährigen Valentinstag (!) gemacht habe, und erst recht nach dem im Namen der deutschen Bischöfe lancierten Dokument "Geschaffen, erlöst und geliebt. Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule" ja auf der Hand liegen. Vielleicht frage ich trotzdem mal bei der diözesanen Jugendpastoral an, nur so aus Chuzpe. Die Ergebnisse werde ich hier dann natürlich dokumentieren... 

In dem Elterngespräch, das meine Liebste und ich am Dienstag mit der Vertrauenslehrkraft unserer Tochter hatten, sprachen wir diese Themen nicht an; da ging es eher darum, wie man sie ohne Druck und ohne Schaden für ihre Eigenmotivation dazu bewegen könnte, die vielfältigen Lernangebote der Schule besser und gezielter zu nutzen, statt die Schulzeit vorrangig als Zeit zu betrachten, die sie mit ihren Freundinnen verbringen kann. Das Gespräch verlief insgesamt in einer freundlichen, vertrauensvollen und konstruktiven Atmosphäre, und ein paar sehr erfreuliche Mitteilungen darüber, wie unsere Tochter sich in der Schule so macht, wurden uns auch zuteil: zum Beispiel, dass sie viel und gern schreibt (das hat sie wohl vom Papa, höhö), aber auch, dass sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn an den Tag legt und sich für andere einsetzt. Das hören wir zwar nicht zum ersten Mal und haben es auch schon des öfteren live miterlebt, aber es ist ja trotzdem schön, so etwas gesagt zu bekommen. 


In Österreich gehen die Uhren langsamer...

...und daher ist eine Debatte, über die auf diesem Blog schon vor über einem Jahr etwas zu lesen war, erst jetzt auch in der Religions-Redaktion des ORF angekommen: nämlich die Debatte über Risiken und Nebenwirkungen von Gebets-Apps, deren bekannteste und daher auch umstrittenste wohl die Hallow-App ist. Wie ich schon mehrfach erwähnt habe, hat meine Liebste die Hallow-App auf ihrem Handy installiert und findet sie gut; mein Ding ist sie eher nicht so, mir reicht die Stundenbuch-App. Gleichwohl geht es mir mit der Hallow-App so ähnlich, wie es Erich Mühsam (oder wem?) mit Karl May ging, über den er sagte: "Alles, was seine Kritiker ihm vorwerfen, spricht für ihn." 

Und was wäre das zum Beispiel? Beim ORF kommen vorrangig die Wiener Sozialethikerin Linda Kreuzer und der Innsbrucker Dogmatiker Johannes Hoff zu Wort; der letztere "findet an Hallow inhaltlich wenig auszusetzen, er warnt aber [...] ganz allgemein vor den technischen Tücken solcher Apps". Ich würde mal sagen, das ist ein Thema für sich, auf das ich hier nicht näher eingehen kann; konzentrieren wir uns daher mal auf Linda Kreuzers Kritik. Diese entzündet sich zunächst daran, dass die Inhalte der Hallow-App teilweise von Leuten stammen, die "nicht die Autorität haben", ein "bestimmtes Bild vom Christentum" zu vermitteln. Aha. Und was für eine Art von Autorität meint sie damit? "Die meisten 'Christfluencer' verfügen über keine akademische Ausbildung." Schockierend! Wo kommen wir da hin, wenn Leute ohne einschlägigen Studienabschluss in der Glaubensverkündigung mitmischen – womöglich gar Fischer, Zöllner oder Zeltmacher

Vor allem nimmt Frau Kreuzer als Sozialethikerin jedoch Anstoß daran, dass der bei Hallow propagierten Spiritualität "die soziale Komponente" fehle: auf "soziales Engagement" werde "gar nicht eingegangen", ebenso gebe es "auch keinerlei politische Auseinandersetzung". Da könnte man natürlich erst einmal hinterfragen, wieso jemand solche Inhalte in einer Gebets-App erwarten sollte, aber stellen wir uns mal nicht naiver an, als wir sind: Die Auffassung, die Relevanz des Christentums liege wenn nicht allein, so doch zumindest vorrangig im sozialen und politischen Engagement und eine Konzentration auf Spiritualität, auf Anbetung und Lobpreis lenke davon nur ab, begegnet uns hier ja nicht gerade zum ersten Mal. Ähnliche Töne kennt man ja z.B. auch von Frau Kreuzers Fachkollegin Ursula Nothelle-Wildfeuer, Mitherausgeberin des Buches "Einfach nur Jesus?"; und tatsächlich findet dieser vielsagende Buchtitel sein Echo in Linda Kreuzers Feststellung "Hallow ist stark jesuskonzentriert". Und das soll etwas Schlechtes sein? Es scheint so; jedenfalls sieht Frau Kreuzer darin eine "Diskursverschiebung [...] weg von der kritischen, sozialen Dimension hin zu individueller Anbetung". Also sorry, wenn das eine "Diskursverschiebung" sein soll, dann doch wohl allenfalls deshalb, weil der Diskurs seit rund 60 Jahren von interessierten Kreisen entschlossen in die entgegengesetzte Richtung verschoben wurde – und damit in einer Sackgasse gelandet ist. Ich muss sagen, ich habe große Schwierigkeiten, Leute ernst zu nehmen, die meinen, in der Kirche sollte es weniger um Jesus gehen und mehr um soziale und politische Fragen der Gegenwart. Damit will ich die diakonische Dimension des Christentums – "die riesengroße Frage der Caritas", wie Linda Kreuzer das nennt – nicht kleinreden; aber wer glaubt, diese gegen die persönliche Christusbeziehung ausspielen zu können, sollte sich vielleicht mal mit dem Leben und Werk von Dorothy Day oder Mutter Teresa von Kalkutta (man könnte hier sicherlich auch allerlei andere Namen aus der Kirchengeschichte einsetzen) vertraut machen, um zu begreifen, dass gerade die diakonische Dimension des Christentums im persönlichen Gebet und in der Anbetung verwurzelt sein muss, wenn sie nicht bloße Sozialarbeit sein will. (Und wenn nun jemand meint, "bloße Sozialarbeit" klinge abwertend, dann möchte ich klarstellen: Ich habe durchaus nichts gegen Sozialarbeit, aber eine umfassende Verwirklichung des Sendungsauftrags der Kirche ist sie nicht. Ich denke, nichtchristliche Sozialarbeiter würden mir da zustimmen.) – Es kommt aber noch "besser": So wird kritisiert, "Personen, die auf Hallow Inhalte weitergeben, verträten ein sehr konservatives Familien- und Geschlechterbild". Und was heißt "sehr konservativ" hier konkret? "[D]ie heterosexuelle Beziehung, die auf Kinderkriegen ausgerichtet ist, werde als die Norm dargestellt." Ach. Wann haben die Leute, die so etwas kritisieren, eigentlich das letzte Mal in den Katechismus geschaut? 

Im Ernst: Man sollte denken, wenn die Inhalte einer Gebets-App dafür kritisiert werden, dass sie mit der Lehre der Kirche übereinstimmen, müsste es auf der Hand liegen, dass diese Kritik eigentlich nicht der App gilt, sondern der kirchlichen Lehre. Die Leute, die diese Kritik äußern, machen aber nicht den Eindruck, als sei ihnen das bewusst. Sie scheinen vielmehr anzunehmen, es gebe einen selbstverständlichen Konsens darüber, dass man die offiziellen Positionen des kirchlichen Lehramts nicht so ernst nehmen dürfe; und wenn dann Leute kommen, die das doch tun und sich dezidiert zu dieser Lehre bekennen, dann ist man schockiert und empört, dass jemand aus diesem bequemen Konsens ausschert. Ich kann mich da nur wiederholen: Das ist so, als würden Leute, die Fleisch essen, nicht nur das Recht für sich in Anspruch nehmen, sich trotzdem Veganer zu nennen, sondern würden obendrein diejenigen, die tatsächlich keinerlei tierische Produkte konsumieren, als "Grünzeugfresser" beschimpfen. 


Horse & Hound: Alles wie immer, nur öder und blöder? 

Wir bleiben – gewissermaßen – beim Thema: Als ich unlängst auf den Instagram- und Facebook-Auftritten von "Heilige & Halunken" (oder wie ich es, angelehnt an eine Passage aus "Ostwind: Aris Ankunft" gern nenne, "Horse & Hound") eine Ankündigung las, die ich auf den ersten Blick so verstand, dass der jüngst zum Pastoralreferenten im Bistum Essen beauftragte Thomas Halagan dieses Format nach fünfeinhalb Jahren einstellen wolle, war ich erst mal nicht sonderlich überrascht. Den Podcast selbst habe ich ja nie gehört, aber die Instagram-Präsenz, über die ich mich hauptsächlich über das Tun und Meinen des smarten Sechstagebartträgers auf dem Laufenden hielt, zeigte doch schon seit einiger Zeit gewisse Ermüdungerscheinungen. Zeitweilig sah man da kaum etwas anderes als Urlaubsfotos und Kurzvideos, die den Betreiber des Kanals beim Klampfe-Üben zeigten; auffällig war auch, dass der Halagan nach dem Ausstieg von Mareike Wolff nicht nur einen neuen Mitstreiter suchte, sondern ausdrücklich jemanden, der das Projekt auf längere Sicht übernehmen würde – da schien sich aber erst einmal niemand zu finden. Und dann kam da neulich noch dieses Geraune dazu, man habe dem Halagan gesteckt, wenn er im institutionellen Apparat der Kirche noch was werden wolle, dürfe er sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen – wozu ich ja schon einmal angemerkt habe, es habe "durchaus etwas Beunruhigendes", sich zu fragen, was "der Thomas H. denn innerhalb der kirchlichen Strukturen überhaupt noch 'werden'" wolle... Alles in allem hätte es mich also nicht unbedingt gewundert, wenn Thomas H. sich dazu entschlossen hätte, seine Karriere als kircheninterner Böhmermann für ganz ganz Arme an den Nagel zu hängen und sich fortan darauf zu beschränken, unter Gladbecker Schul- und Erstkommunionkindern Unheil anzurichten. 

Andererseits dokumentiert wohl schon die Tatsache, dass ich bereits im vorigen Wochenbriefing einen Beitrag zum Thema "Horse & Hound: Rückzug oder Relaunch?" ankündigte, zur Genüge, dass ich dem Braten nicht recht traute. Einerseits verschwanden die alten Beiträge vom Instagram-Profil, andererseits wurde das Profilbild (vorübergehend) durch ein "Die drei ???"-Logo ersetzt, was wohl eher Spannung oder Neugier auf Kommendes evoziert, als dass es erwarten ließe, dass da gar nichts mehr kommt. Und wenn man den Text der besagten Ankündigung (vom 29. November) genau las, dann stand da auch gar nicht drin, dass das Projekt als solches eingestellt wird. Sondern: 

"Der Umbau hat begonnen und ich verabschiede mich nach 5 1/2 Jahren aus dem Projekt 'Heilige & Halunken'." 

Hervorhebung von mir. Er verabschiedet sich aus dem Projekt, das heißt, das Projekt an sich läuft weiter, aber ohne ihn. Und die Art und Weise, wie da von einem "Umbau" die Rede ist, weckt zumindest bei mir den Verdacht, dieser Rückzug sei womöglich nicht ganz freiwillig erfolgt. Was natürlich Fragen aufwirft: Wem gehört der Podcast "Heilige und Halunken" eigentlich? Kann es sein, dass der Thomas H. aus seinem eigenen Projekt gefeuert wurde – womöglich gar, weil er zu kontrovers war? Denkbar ist ja Vieles. Ich fühle mich da daran erinnert, wie in den 60er Jahren Günter Stiff beim von ihm begründeten "Komm-mit-Kalender" rausflog (ein insgesamt etwas rätselhafter Vorgang, bei dem, wie mir scheint, der Orden der Steyler Missionare eine fragwürdige Rolle spielte), mit der Folge, dass der Kalender für ein paar Jahre deutlich "linksoffener" und Popkultur-affiner wurde, während Stiff einen zähen Rechtsstreit führte, um die Kontrolle über sein publizistisches Baby zurückzugewinnen, was ihm pünktlich zum Ende des Jahrzehnts gelang. – 

Dass die Geschichte so endet, erwarte ich im vorliegenden Fall jedoch nicht. Drei Tage nach der obigen Ankündigung las man: "Ein neues Team aus drei Personen" – klingt irgendwie sehr trinitarisch, oder? – "übernimmt hier fortan"; und weiter: "Neue Gesichter, neue Formate, ein neues Design und auch ein aktualisierter [!] Name", nämlich, man halte sich fest: 

"Heilige, Halunk*innen & (Sinn)Suchende"! 

Im Ernst. – Das neue Logo, das inzwischen gedroppt ist, sieht auch eher bieder und öde aus; auf der inhaltlichen Seite steht derweil zu erwarten, dass das Projekt klar auf PUU-Kurs (postchristlich, undogmatisch, universalistisch) bleibt: "Wir stehen für eine Kirche, die diskriminierungskritisch, feministisch und solidarisch ist", lässt das neue Team sein Publikum wissen. Also alles wie immer – nur langweiliger, weil der narzisstische Macho-Charme, die Streitlust und Chuzpe des Gründers fehlen (werden). Mir geht's da ein bisschen wie Karl Varnhagen von Ense, als er im Frühjahr 1851 – als Hermann Goedsche, der später unter dem Pseudonym "Sir John Retcliffe" Bestsellerautor wurde, vorübergehend die Redaktion der polemisch-satirischen Klatschkolumne "Berliner Zuschauer" in der Neuen Preußischen Zeitung abgeben musste – in sein Tagebuch notierte: "Der Zuschauer der 'Kreuzzeitung' ist seit Goedsche's Abgang auffallend gering und dürftig; dieser Kerl war also die Hauptperson in dieser Kothpfütze!" – Mit anderen Worten: Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber irgendwie vermisse ich Thomas Halagan jetzt schon. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Ich besuchte die Dörfer der Neugetauften, die wenige Jahre vorher die christlichen Sakramente empfangen hatten. Den einheimischen Christen fehlen Priester. Sie wissen nur, dass sie Christen sind. Niemand tut bei ihnen den heiligen Dienst, niemand lehrt sie das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave und die Gebote Gottes.

Seit ich hergekommen bin, habe ich nicht geruht: Ich bin viel durch die Dörfer gewandert und habe die noch nicht getauften Kinder mit dem Heiligen Wasser reingewaschen. Die Kinder ließen mich nicht zum Stundengebet, nicht zum Essen und Schlafen kommen, bevor ich ihnen nicht irgendein Gebet beigebracht hatte. Da begriff ich, dass gerade ihnen das Himmelreich gehört (vgl. Mt 19,14). Da ich ein so frommes Verlangen nicht ohne Sünde zurückweisen konnte, begann ich mit dem "Ehre sei dem Vater" und prägte ihnen das Apostolische Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und das Ave-Maria ein. Ich konnte feststellen, dass es unter ihnen Begabungen gibt. Wäre jemand da, der sie in den christlichen Gebeten unterrichtete, würden sie sicher sehr gute Christen. Hierzulande werden viele Leute nur deswegen nicht Christen, weil sie niemand dazu macht. 

(Hl. Franz Xaver, Brief an den Hl. Ignatius von Loyola) 


Ohrwurm der Woche 

Joachim Witt: Tri tra trullala (Herbergsvater) 

Ja, ich gebe es zu: Diesen Ohrwurm habe ich, seit ich bei der Krippenspielprobe die Rolle "Herbergswirt 1" zugeteilt bekommen habe. Aber auch wenn man über den sehr... äh... minimalistischen Text geteilter Meinung sein mag, ist dieses Stück doch immerhin musikalisch ausgesprochen bemerkenswert; ich bin geneigt, darin ein Bindeglied zwischen Krautrock und NDW zu sehen – sagen wir exemplarisch: zwischen "Autobahn" von Kraftwerk und Peter Schillings "Major Tom"


Vorschau/Ausblick 

Heute war St. Nikolaus, da gingen wir erst einmal zum Weihnachtsmarkt in der Spandauer Altstadt und am Nachmittag dann zu einer Nikolausfeier in St. Joseph Siemensstadt – wo letztes Jahr ich selbst den Nikolaus spielen durfte, aber dieses Jahr übernahm diese Rolle wieder ein Darsteller, der sich keinen falschen Bart umzuhängen brauchte, weil sein echter schon nikolausmäßig genug aussieht. Der morgige Sonntag ist zwar der einzige Adventssonntag in diesem Jahr, an dem in St. Joseph Siemensstadt kein Kinderwortgottesdienst geplant ist, aber auch ohnedies haben wir die Qual der Wahl zwischen verschiedenen einander leider ausschließenden Optionen für die Gestaltung dieses Sonntags: In St. Joseph gibt es im Anschluss an die Messe einen Empfang zum 25-jährigen Priesterjubiläum des örtlichen Pfarrvikars, andererseits ist es aber auch der erste Sonntag im Monat, was einmal mehr die Gelegenheit für ein Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst böte; und noch andererseits ist in der evangelischen Kirchengemeinde, zu der die KiTa unseres Jüngsten gehört, Familiengottesdienst. Wenn wir da hingehen wollten, hätten wir allerdings gut daran getan, zur Erfüllung der Sonntagspflicht heute nach der Nikolausfeier in St. Joseph Siemensstadt in die Vorabendmesse. Ich vermute mal, wir werden eher zum Double-Feature in Haselhorst gehen. 

In der kommenden Schul- und Arbeitswoche gedenke ich mindestens einmal, nach Möglichkeit aber zweimal mit dem Jüngsten zum Kampfsporttraining zu gehen, nachdem das Probetraining am vergangenen Donnerstag ein voller Erfolg war: Der Knabe hatte offensichtlich viel Spaß und war mit großem Engagement bei der Sache, und auch der Trainer äußerte sich lobend über ihn – er habe sich gut in die Gruppe eingefügt, habe viel Energie und keine Schwierigkeiten, die Übungen zu verstehen. Nicht zuletzt hatte ich den Eindruck, dass die – wenn man so will – ritualisierte Disziplin dem Knaben gut tut. Das ist ja in gewisser Weise ähnlich wie bei den Pfadfindern. 

Davon abgesehen steht diese Woche noch nicht viel auf dem Programm, allerdings rückt der nächste KiWoGo bereits unaufhaltsam näher und wird noch einige Vorbereitung erfordern. Und Krippenspielprobe ist nächsten Samstag auch wieder. Was sonst noch so an Themen für das nächste Wochenbriefing auf uns zukommen wird, bleibt abzuwarten... 


Donnerstag, 4. Dezember 2025

Weiteres vom legendären Bandwochenende

Wer regelmäßig meine Wochenbriefings verfolgt, der wird wissen, dass meine alte Schülerband unlängst Reunion gefeiert hat. Mit dem Bericht über das Bandwochenende in Neufahrn bei Freising habe ich mich in Utopie und Alltag 1 bewusst kurz gefasst, aber jetzt habe ich das Gefühl, es ist noch so viel zu erzählen "übrig", dass es einen eigenständigen Artikel rechtfertigt. Zum Beispiel habe ich noch kaum etwas darüber gesagt, was für Musik wir an diesem Wochenende eigentlich gemacht haben, und außerdem bin ich meinen Lesern noch eine Erklärung schuldig, was es eigentlich mit dem Honigglas im Reisegepäck auf sich hatte. Wen's nicht interessiert, der braucht es ja nicht zu lesen. 

Hat ein bisschen was von Abbey Road, oder?

Wie fange ich also an? – In der Kurzfassung meines Berichts über das Bandwochenende hatte ich die Musikinstrumente aufgezählt, die bei unserer Wohnzimmer-Session zum Einsatz kamen – akustisches Klavier, elektronisches Schlagzeug, Cajón, Altsaxophon, Trompete, eine akustische und zwei elektrische Gitarren, ein E-Bass und ein Gesangsmikrofon –, und das mag vielleicht Fragen darüber aufwerfen, wie viele Personen eigentlich an dieser Band-Reunion beteiligt waren. Aber nein, wir hatten nicht so viele Bandmitglieder wie Instrumente. Vielmehr war es tendenziell schon früher™️ so, dass einzelne Bandmitglieder mehrere verschiedene Instrumente spielten, und seitdem haben wir, wie ich glaube behaupten zu können, alle noch was dazugelernt – ich zum Beispiel beherrsche, auch wenn ich nicht so oft zum Üben komme wie ich gern möchte, dank meiner Tätigkeit in der Kinderkatechese inzwischen ungefähr sieben Gitarrenakkorde (wobei "beherrschen" vielleicht schon ein bisschen zuviel gesagt ist). 

Dieser Trend zum Multiinstrumentalismus bringt es übrigens mit sich, dass es wenig praktikabel und recht umständlich wäre, die beteiligten Personen im weiteren Verlauf dieses Berichts nach ihrer Funktion in der Band zu benennen (Sängerin, Gitarrist...); daher habe ich mich, bei allem Respekt vor Persönlichkeitsrechten, dazu entschlossen, sie im Folgenden bei ihren Vornamen zu nennen. Und ich schätze, zur Vorstellung der Dramatis personae bietet sich erst einmal ein Rückblick auf die Geschichte der Gruppe Basic Stupidity an. 

Kollege Bernd hatte tatsächlich ein altes T-Shirt mit unseren "Tourdaten" ausgegraben und zum Treffen mitgebracht. Die Rubrik "Coming Soon" ist übrigens aufschlussreich hinsichtlich unserer Ambitionen: Wir wollten erst im Giants Stadium in New York auftreten und dann in der Jahnhalle in Nordenham. Immerhin haben wir das letztere Ziel wenig später tatsächlich erreicht.

Die Anfänge der Band reichen zurück bis in die 11. Klasse, als der gerade von einem Austauschjahr in den USA zurückgekehrte Robert sich in verschiedenen Konstellationen mit Mitschülern zum gemeinsamen Musizieren traf; dabei zeigte sich bald, dass er und Bernd musikalisch (und wohl auch sonst) am besten miteinander klarkamen. Robert spielte Gitarre, Bernd Keyboard, und nun suchten sie gemeinsam nach weiteren Mitstreitern, die nach Möglichkeit andere Instrumente spielten – was schwierig war, da die meisten Mitschüler, die irgendwelche musikalischen Ambitionen hatten, entweder Gitarre oder Keyboard spielten. Und da schlug nun meine große Stunde, denn ich hatte mir gerade – angeregt durch den John-Hughes-Film "Ist sie nicht wunderbar?" – ein Schlagzeug gekauft, von den Einkünften eines Jobs, den ich explizit zu diesem Zweck angenommen (und, sobald ich das Geld zusammen hatte, wieder gekündigt) hatte. Und so standen eines Tages nach dem Matheunterricht Robert und Bernd vor mir und sagten: 

"Wir haben gehört, du hast dir ein Schlagzeug gekauft." 
Ich bestätigte das. 
"Und wo spielst du? Hast du einen Probenraum?" 
"Äh ja, im Keller." 
"Cool. Wir kommen Freitag mal vorbei, bisschen Mucke machen." 

Und tatsächlich standen am folgenden Freitag gegen 15 Uhr Robert und Bernd mit ihren Instrumenten und Verstärkern bei mir auf der Matte; wir gingen in den Keller, machten rund drei Stunden "Mucke", dann packten sie ihr Equipment wieder ein und sagten: 

"Das war cool – wir kommen nächsten Freitag wieder." 

Als wir dann schließlich soweit waren, uns als Band zu betrachten und zu bezeichnen (und nicht nur als "ein paar Jungs, die sich nachmittags treffen, um zusammen Mucke zu machen"), zeichnete es sich ab, dass keiner von uns besonders erpicht darauf war, den Leadgesang zu übernehmen. Dieser Umstand brachte uns auf die Idee, uns unter unseren Mitschülern nach einem Sänger oder einer Sängerin umzusehen; idealerweise sollte das jemand sein, der oder die obendrein ein Instrument spielte, das wir noch nicht hatten. Wenig später bekam ich, während ich nach Schulschluss auf den Bus wartete, mit, dass Inga aus meinem Gemeinschaftskunde-Grundkurs Saxophonunterricht nahm, und dachte mir: Saxophon ist ein cooles Instrument, und singen kann die doch bestimmt auch. Daher regte ich an, sie mal zu einer unserer Bandproben einzuladen. Ich glaube, anfangs war sie sich nicht so ganz sicher, ob sie wirklich mit uns in einer Band spielen wollte, aber das gab sich dann doch recht bald. 

Und dann war da noch Daniel. Der war zwar offiziell nie Mitglied der Band, dafür aber mit uns allen befreundet und daher bei unseren gemeinsamen Unternehmungen außerhalb des Bandprobenraums eigentlich immer mit dabei. Teilweise auch im Bandprobenraum: Sofern es darum ging, einfach zum eigenen Vergnügen ein bisschen 'rumzujammen, mischte Daniel gern mal mit und probierte sich an verschiedenen Instrumenten aus. Das gipfelte schließlich darin, dass Robert ihm eine eigene E-Gitarre baute: die Daniel Special

Hier guckt sie aus dem Reisegepäck raus. 

Alles in allem war Daniel jedenfalls so eine Art "Ehrenmitglied" der Band, und darum waren wir uns einig, dass wir ihn auch beim Reunion-Wochenende dabeihaben wollten. –

Ingas Ehemann Volker kennen wir ebenfalls alle schon "von früher her": Als Inga in die Band einstieg, war sie noch nicht mit ihm zusammen, aber ein paar Jahre darauf war er mal mit uns allen auf dem Roonkarker Mart und etwas später fuhren wir auch mal zusammen in Urlaub. Auch er beteiligte sich zeitweilig an unserer Reunion-Session in seinem Wohnzimmer, nämlich indem er Schlagzeug spielte – und zwar ehrlich gesagt besser als ich. Fast hätte ich gesagt "besser als ich es jemals konnte", aber das stimmt vielleicht doch nicht; ich bin einfach extrem aus der Übung. In den letzten Sommerferien war ich mit der Familie bei einem "Schlagzeug- und Cajón-Workshop" in der Nordseelagune in Burhave, da musste ich meinen Kindern ja mal demonstrieren, dass ich das im Prinzip mal konnte, und so setzte ich mich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal seit, na, bestimmt irgendwas zwischen zehn und 20 Jahren wieder an ein Schlagzeug – oder, wie Franz Werfel es in "Der veruntreute Himmel" beschreibt, an "[d]as gekoppelte Schlagwerk einer Jazzmusik [...], dessen große Trommel und Becken mittels eines Pedals zu spielen waren". Und ich kann euch sagen, Freunde, wie ich da so saß, dauerte es ein bisschen, bis sich das motorische Gedächtnis einschaltete und ich plötzlich wieder wusste, was ich mit der linken Hand und was mit dem rechten Fuß machen musste. Na, immerhin trug dieses Erlebnis dazu bei, dass ich mich überhaupt traute, mal wieder mit meinen alten Bandkollegen zusammen zu musizieren. 

Und was musizierten wir nun? – Kurz gesagt: eine Menge. Aus unserem früheren Band-Repertoire spielten wir u.a. "Ring of Fire" von Johnny Cash (bzw. eigentlich von seiner Frau, June Carter Cash), "99 Luftballons" von Nena und "So Lonely" von The Police; hätten die Urheber der Songs, die wir spielten, dafür Tantiemen bekommen, wäre der große Gewinner des Wochenendes aber Paul Simon gewesen, denn von diesem spielten wir neben dem im vorletzten Wochenbriefing gewürdigten "Diamonds on the Soles of Her Shoes" (das wir recht eigenwillig interpretierten – aber es hatte was) auch "Late in the Evening", "Mrs. Robinson", "The Boxer" und "Bridge Over Troubled Water". Nicht umsonst war Paul Simon schon dreimal in meiner Wochenbriefing-Rubrik "Ohrwurm der Woche" vertreten (was ansonsten bisher nur dem "Credo unplugged"-Projekt meines Freundes Raphael Schadt gelungen ist); und Gitarrist Robert merkte an, wenn man ihn – wie es in Interviews in Musikzeitschriften zuweilen vorkomme – nach einem "perfekten Song" fragen würde, würden ihm vielleicht zehn Songs einfallen, "aber davon wären bestimmt vier von Paul Simon". – Zu meinen persönlichen Highlights der Session zählten "I Shot the Sheriff" (Bob Marley) und "The Girl From Ipanema" (Antonio Carlos Jobim), die ich vor Jahren mal – als "Ik hebb de Wachtmeester doodmaakt" und "De Deern ut Ipwegermoor" – auf Plattdeutsch nachgedichtet hatte und bei denen ich nun mit "meiner" Textfassung den Leadgesang übernahm, während Volker sich ans Schlagzeug setzte. Bisher hatte ich diese Stücke lediglich auf Kleinkunstbühnen in Berlin zusammen mit einem Gitarristen vorgetragen; sie zusammen mit einer kompletten Band zu spielen, war nochmal ein ganz eigenes Erlebnis. Ebenfalls den Leadgesang übernahm ich bei einer zu unserem "alten" Repertoire zählenden Eigenkomposition von Bernd, "Zu hoch für mich" – einer flotten und witzigen Jazz-Pop-Nummer, von der ich finde, man sollte sie mal professionell einspielen und veröffentlichen; die hätte Potential, glaube ich. – Bereits im vorigen Wochenbriefing gewürdigt habe ich unsere Version von Astor Piazzollas "Libertango"; gut zehn Minuten lang probierten wir an "Little Wing" von Jimi Hendrix herum, und ich sag mal, teilweise gelang es uns recht gut. (Okay, seien wir ehrlich: Roberts Gitarrenpart war gut, das Zusammenspiel klappte so mittel und mein Gesang war auch eher so mittel.)

Mein definitiver musikalischer Lieblingsmoment des Wochenendes ereignete sich jedoch kurz vor der Mittagspause in Form einer Funk-Rock-Improvisation mit Bernd an der Trompete, Robert am Bass und Daniel an der Gitarre; Akkordwechsel erfolgten auf Zuruf, ich hörte erst mal ein bisschen zu, ehe ich mich ans Schlagzeug setzte und mitzuspielen begann, schlichter Groove, keine Fisimatenten. Ich will gar nicht behaupten, dass das im Gesamtergebnis unbedingt besser klang als alles andere, was wir an diesem Wochenende spielten; mein Lieblingsmoment war es vielmehr deshalb, weil es sich so anfühlte wie vor rund 30 Jahren im Keller in Burhave. Ich finde es wirklich schade, ausgerechnet dieses Stück nicht aufgenommen zu haben – aber das war mir früher™️ bei vielen unserer gelungensten Improvisationen auch schon so gegangen. Als Bernd dann allerdings die Trompete aus dem Mund nahm und rief "Daniel, Gitarrensolo!", wusste der arme Daniel erst mal nicht, was er machen sollte. Nachdem wir aufgehört hatten zu spielen, fragte Robert Daniel aus heiterem Himmel: "Weißt du, was Pentatonik ist?" Die Antwort bekam ich nicht mit, sie ging vermutlich in Richtung "So ungefähr", jedenfalls erwiderte Robert darauf kurzerhand: "Dann zeig ich dir jetzt mal, wie man ein Solo auf A spielt." Der folgenden Einweisung schaute ich ausgesprochen fasziniert zu, allerdings bin ich mit meinen bescheidenen Gitarrenfähigkeiten noch weit davon entfernt, irgend etwas davon umsetzen zu können. 

Und was war jetzt mit dem Honig? – Das war so: Da Inga ja so freundlich war, uns an dem betreffenden Wochenende bei sich zu Hause einzuquartieren und zu verpflegen, hatten Robert, Bernd, Daniel und ich im Vorfeld untereinander beraten, was wir ihr denn als kleines symbolisches Gastgeschenk mitbringen könnten. Schließlich hatte Bernd die Idee, da es uns alle nach unserer gemeinsamen Schulzeit doch in recht unterschiedliche Winkel der Republik verschlagen hatte, könnte doch jeder von uns ein Glas Honig aus regionaler Herstellung mitbringen. Die Idee traf auf allgemeine Zustimmung. 

Und ich fand auch genau das richtige Produkt für diesen Zweck.

Hier einmal das gesamte Honig-Ensemble auf einem Blick.

Da im Stadium der Ideenfindung aber auch – wohl eher scherzhaft – von der Option die Rede gewesen war, "etwas Selbstgehäkeltes" mitzubringen, hatte Daniel in Aussicht gestellt, zusätzlich zum Honig auch einen "selbstgehäkelten Whisky" mitzubringen. Ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob das ein Scherz sein sollte. Es war aber keiner. 

Alles in allem eine bemerkenswerte Kombination von Talenten, die an diesem Wochenende zusammenkam; da wäre es ja eigentlich geradezu Verschwendung, sich zukünftig nicht öfter zu treffen...! – Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und gern noch mehr Döntjes aus der Bandgeschichte lesen möchte, dem seien die folgenden Artikel empfohlen: 

"Walk the Line"

"Ansichten aus Wolkenkuckucksheim 46" (Rubrik "Ohrwurm der Woche"

"Creative Minority Report Nr. 1" (Rubrik "Ohrwurm der Woche") 

 und vor allem aber: 

"Vielleicht hätten wir einfach Rockstars werden sollen"

Im Übrigen geht's hier übermorgen weiter mit "Utopie und Alltag 2"... 


Mittwoch, 3. Dezember 2025

Wer hat den Regenbogen geklaut?

Meine liebliche Heimatgemeinde Butjadingen hat eine neue Regenbogenflaggen-Affäre, gerade mal zweieinhalb Jahre nach der letzten: Kaum zurück vom Bandwochenende, erhielt ich via Facebook Kunde von einem skandalösen Vorfall im sonst eher beschaulichen Straßendorf Waddens. Dort wurden "Hunderte von Regenbogen-Fähnchen aus [...] Vorgärten gestohlen", hieß es. Mir drängte sich da gleich der Eindruck auf, die größere Story sei eigentlich, wie diese "Hunderte von Regenbogen-Fähnchen" überhaupt in die betreffenden Vorgärten hineingekommen waren. Die Berichte der Nordwest-Zeitung und der Kreiszeitung Wesermarsch zu diesem Vorfall verbargen sich zwar hinter Bezahlschranken, aber mit Hilfe meiner Kontaktpersonen vor Ort bekam ich sie im Laufe des Montags (voriger Woche) dennoch zu Gesicht und konnte daraus entnehmen, dass in ganz Butjadingen dazu aufgerufen worden war, die Vorgärten mit Regenbogenfahnen zu dekorieren, und im Straßendorf Waddens war diesem Aufruf besonders eifrig gefolgt worden – von rund 400 Fähnchen war in den Presseberichten die Rede. Das wirft natürlich Folgefragen auf, wie zum Beispiel: Wer hat zu dieser Aktion aufgerufen, was war der Anlass, und wieso Regenbogenfahnen? Pride Month und Christopher Street Day sind doch wohl schon ein bisschen her. 

Die Antworten, die die Presseartikel auf diese Fragen geben, sorgen bei mir eher für noch mehr Verwirrung. Laut Nordwest-Zeitung handelte es sich um eine "von der evangelischen Kirche initiierte Aktion [...] unter dem Motto 'Unser Kreuz hat keine Haken'", die Kreiszeitung Wesermarsch präzisiert, "[d]ie Kirchengemeinden in Butjadingen" – auch die katholische – "sowie mehrere Bürgervereine" hätten "zu der Aktion aufgerufen", und zwar "als Zeichen des stillen Protests gegen einen Infostand der AfD, der am Sonnabend auf dem Kirchplatz in Burhave stattfand". 

Äh – aha. A lot to unpack here, wie der Angloamerikaner sagt. Also, noch einmal gefragt: Warum Regenbogenflaggen? "Ein Zeichen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz" (KZW) bzw. für "Respekt, Toleranz und Frieden" (NWZ) sollten diese Fähnchen sein, war zu lesen. Na klar; und das Hakenkreuz ist ein buddhistisches Glückssymbol. – Im Ernst: Unter der Bezeichnung "Regenbogenflagge" könnte man sich theoretisch eine Vielzahl verschiedener Flaggendesigns vorstellen, von der Bandiera della Pace der italienischen Friedensbewegung, die besonders seit dem Irak-Krieg von 2003 internationale Bekanntheit und Verbreitung gefunden hat, bis hin zu Flaggen, auf denen ein buchstäblicher Regenbogen abgebildet ist; aber wie man auf den in der Lokalpresse veröffentlichten Fotos von der Vorgarten-Beflaggungsaktion in Butjadingen deutlich sehen kann, handelte es sich hier um die sechsstreifige Flagge in der Farbreihenfolge rot-orange-gelb-grün-blau-violett, und das ist nun einmal eindeutig und unverwechselbar die Gay Pride Flag, das 1978 von Gilbert Baker entworfene internationale Symbol der LGBTQ-Bewegung. Und, wie dereinst Marlene Dietrich sang: Und sonst gar nichts. Wenn dieses Banner nun von den Kirchen, einschließlich der katholischen, für den Protest gegen die AfD instrumentalisiert wird, ist das gleich in mehrfacher Hinsicht tragikomisch. Auf der einen Seite fühle ich mich veranlasst, etwas zu wiederholen, was ich schon vor einem halben Jahr geschrieben habe

"Im Internet kursiert immer mal wieder ein altes Stasi-Papier über 'Erscheinungsformen negativ-dekadenter Jugendlicher in der DDR' , und darin heißt es, die Punk-Szene in der DDR sei fest in der kirchlichen offenen Jugendarbeit verwurzelt und werde von Diakonen geleitet. Klingt bizarr, aber ich habe ein bisschen den Eindruck, über die LGBTQ-Szene in der Wesermarsch könnte man Ähnliches behaupten." 

Symbolbild: Aufkleber an einem Laternenpfahl in Nordenham, gesehen im August 2024

Okay: Bei den evangelischen Landeskirchen, die sich ja schon für die gleichgeschlechtliche Ehe stark machten, bevor diese gesetzlich eingeführt wurde, und in der sich auch lesbische Pastorinnenehepaare eine Pfarrstelle teilen können, wirkt das noch halbwegs glaubwürdig. Aber dass die katholische Kirche nicht "LGBT-affirming" ist, das weiß nun wirklich jeder, sogar Leute, die ansonsten nichts über die katholische Kirche wissen, oder sogar gerade diese; da können sich Leute wie Diakon Richter noch so sehr verrenken, um diesen Eindruck zu erwecken, es stimmt einfach nicht

Freilich: Wenn man in der NWZ liest, die Kirchengemeinden beriefen sich bei dieser Flaggenaktion auf die Bedeutung des Regenbogens "als biblisches Zeichen des Friedens", erinnert das durchaus an die im März 2023 veröffentlichte "Stellungnahme der Seelsorger der katholischen Kirchengemeinde St. Willehad Nordenham zur Regenbogenfahne am Gästehaus und Pfarrheim Rat-Schinke-Haus in 26969 Butjadingen-Burhave", in der argumentiert wurde, dass der Regenbogen "[s]eit Menschengedenken" ein "Symbol des Bundes zwischen den Menschen und Gott" sei und "bis heute selbstverständlich als Symbol des Segens angesehen" werde. Diese Argumentationslinie könnte man natürlich als eine clevere Strategie interpretieren, der LGBTQ-Bewegung gewissermaßen die Deutungshoheit über dieses Zeichen zu entwinden und es für eigene Zwecke zu "appropriieren". Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Leut' überhaupt so weit denken. Ich glaube vielmehr, hinter der Karriere der Gay Pride Flag als angebliches Symbol für Respekt, Toleranz, Vielfalt, ja gar für Frieden und Demokratie steckt eine viel schlichtere Denke: "Homophobie" wird als irgendwie "rechts" wahrgenommen, also bedeutet "gegen Rechts sein" auch "gegen Homophobie sein" und umgekehrt. Dass es Umfragen gibt, die nahelegen, dass es in Teilen der LGBT-Community, besonders unter männlichen Homosexuellen, eine durchaus signifikante Zahl von AfD-Anhängern gibt, passt da zweifellos nicht so richtig ins Bild, aber hey, was soll man machen. 

Die lokale Presse zeigt sich jedenfalls nach Kräften bestrebt, ihren Lesern ein eindeutiges Narrativ zu präsentieren, in dem Gut und Böse klar voneinander zu unterscheiden sind und die Moral von der Geschicht' sicherheitshalber gleich mitgeliefert wird. So frohlockt NWZ-Redakteur Norbert Hartfil, den ich von früher her eigentlich als vergleichsweise besonnenen Journalisten in Erinnerung hatte, am Ende seines recht pathetisch "Waddenser rücken nach Flaggendiebstahl noch enger zusammen" betitelten Artikels, die Entwendung der Fähnchen habe "der Aktion nicht geschadet, sondern ihr am Ende noch mehr Gewicht verliehen". 

Im Laufe des Montags erschien dann in der Online-Ausgabe der Kreiszeitung noch ein Kommentar des Redaktionsleiters Detlef Glückselig, der unter der Überschrift "Wo Kichergesichter von einem Trauerspiel zeugen" die Reaktionen von Facebook-Nutzern auf den Vorfall ins Visier nimmt. Was ja eine bewährte, wenn auch etwas schlampige Journalistenmasche ist, aus einem Thema, über das man bereits berichtet hat, noch "mehr rauszuholen"; manch einer würde vielleicht auch "ragebait" dazu sagen. – Eingeleitet wird dieser Kommentar durch den Satz "Detlef Glückselig versteht die Welt nicht mehr" – was natürlich dazu einlädt, zu fragen "Hat er sie denn je verstanden?"; aber lassen wir das. Um deutlich zu machen, wie eindeutig die moralischen Gewichte in dieser Angelegenheit seiner Auffassung zufolge verteilt sind, stellt der Redakteur die These auf, die Teilnehmer einer Protestveranstaltung gegen den AfD-Infostand auf dem Kirchplatz in Burhave "wären ganz sicher nicht auf die Idee gekommen, zur AfD rüberzugehen und deren Stand zu demontieren oder das Infomaterial einzusammeln und in den nächsten Papierkorb zu stopfen". Nun, gehen wir mal davon aus, dass das in diesem konkreten Fall tatsächlich nicht geschehen ist, aber vielleicht wäre Detlef Glückselig sich darüber – zumindest was das bloße "Auf-die-Idee-Kommen" angeht – nicht ganz so sicher, wenn er sich mal mit Leuten, die für die AfD Wahlkampf machen, über deren Erfahrungen unterhalten hätte. Nur im Interesse journalistischer Sorgfalt und Neutralität, versteht sich. 

Vor allem aber werden in seinem Kommentar jene abgestraft, die sich über den Flaggenklau nicht gebührend empört zeigen: Wie "die Facebook-Community auf den Vorfall reagiert" – "[n]ämlich weit überwiegend mit Häme und beißendem Spott" –, findet er "[e]rschreckender noch als de[n] Diebstahl an sich und die Dreistigkeit, mit der er begangen wurde". Und: "Diejenigen, denen es an Zeit oder dem Sprachvermögen für einen Kommentar mangelte, haben einfach ein Kichergesicht hinterlassen. Sie finden den Diebstahl also offenbar lustig." Und das geht ja gar nicht

Mein eigener Eindruck von den Reaktionen auf Facebook war ein etwas anderer. Noch ehe ich die Berichte der beiden Lokalzeitungen hatte zur Kenntnis nehmen können, hatte ich in einem Kommentar auf der Seite der Kreiszeitung die Ansicht geäußert, die Einstufung der Tat als "Diebstahl" werde dem zu vermutenden Tatmotiv wohl kaum gerecht: Diebstahl setze die Absicht voraus, sich fremdes Eigentum anzueignen, wohingegen hier die Absicht einigermaßen offensichtlich darin bestanden habe, die Fahnen aus dem Straßenbild zu entfernen. Gewiss, man kann sagen, es hätte mir nichts geschadet, mir diesen Kommentar zu verkneifen, aber ich hatte da eine Art déja-vû-Erlebnis: Ich fühlte mich an den Fall der Pachamama-Statuen erinnert, die am Rande der Amazonas-Synode 2019 aus einer römischen Kirche entwendet und in den Tiber geworfen wurden. Da gab es auch Stimmen, die meinten, die Aktion sei unchristlich, weil Diebstahl gegen die Zehn Gebote verstoße. Da dachte ich mir dann auch: Man kann die Entwendung und Versenkung der Pachamama ja durchaus kritisieren, aber doch nicht mit derart läppischen und offensichtlich unsachgemäßen Argumenten. – Auch im aktuellen Fall in Waddens ist es, wie ich in der Facebook-Diskussion auch einräumte, letztlich eine rechtsphilosophische Frage, ob die Tat als Diebstahl zu bewerten ist, und man kann und darf darüber unterschiedlicher Meinung sein; es meldeten sich aber sogleich Diskussionsteilnehmer zu Wort, denen es nicht genügte, anderer Meinung zu sein, sondern die meine Wortmeldung prompt als "Blödsinn" qualifizierten und sich darüber empörten, dass jemand so etwas sagt. Insbesondere wurde nicht verstanden, dass die Aussage, die Bezeichnung "Diebstahl" passe nicht so recht zu dieser Tat, noch nicht gleichbedeutend damit ist, die Tat gutzuheißen oder zu rechtfertigen. Als ich dies einem Diskussionsteilnehmer gegenüber klarzustellen versuchte, meinte dieser daraufhin (!), es sei offensichtlich zwecklos, mit mir diskutieren zu wollen – womit er offenbar meinte, ich sei zu blöd dazu. Dunning-Kruger-Effekt in Aktion, würd ich mal sagen. Dass die Leut' ein Rechtsverständnis auf Grundschulniveau haben ("Etwas wegzunehmen, was einem nicht gehört, ist Diebstahl, was denn sonst?"), ist das eine; hinzu kommt aber, dass Argumente, denen sie mangels Fähigkeit und Bereitschaft zum Differenzieren nicht folgen können, sie wütend machen. – Fairnesshalber sei indes erwähnt, dass ich für mein Statement, rein quantitativ betrachtet, erheblich mehr Zustimmung als feindselige Kommentare erntete: 45 "Likes" bis zum Montagabend – wahrscheinlich alles Nazis, oder? Mein alter frenemy Detlef Glückselig jedenfalls bezieht in der Frage "Diebstahl oder nicht?" demonstrativ Stellung, indem er in seinem Kommentar insistiert, die Fähnchen seien "eingesammelt – genauer: gestohlen" worden. Im Übrigen wurde am Montagabend unter dem Facebook-Beitrag der Kreiszeitung die Kommentarfunktion eingeschränkt – im Namen von Demokratie, Vielfalt und Toleranz, muss man wohl annehmen. 

Was man hier sehr schön sehen kann, ist, dass zu den wohl tragikomischsten Effekten des die öffentliche Debatte dominierenden Links-Rechts-Tribalismus die Annahme gehört, die Leute auf der eigenen Seite seien grundsätzlich klüger, anständiger, gesetzestreuer und hätten bessere Manieren als die im gegnerischen Lager. Schon allein der Umstand, dass dies regelmäßig von beiden Seiten behauptet wird, könnte einem zeigen, dass daran irgend etwas nicht stimmen kann. Tatsächlich bin ich der Überzeugung, dass es weitgehend von äußeren Umständen (Erfahrungshintergrund, soziales Umfeld, Informationsquellen usw.) abhängig und somit im aristotelischen Sinne eher zufällig ist, ob jemand sich politisch "rechts" oder "links" verortet, und somit sagt es nicht zwingend etwas über den Charakter aus. Ich selbst zum Beispiel habe mich seit meiner Zeit bei der Jungen Union (isn't it ironic) eigentlich immer als "links" betrachtet, stelle aber seit Jahren fest, dass "Linkssein" mehr und mehr mit Positionen in Verbindung gebracht wird, mit denen ich mich ganz und gar nicht identifizieren kann, und dass umgekehrt immer mehr Überzeugungen, zu denen ich mich bekenne, als "rechts" eingeordnet werden. Das hat aber nichts mit mir zu tun, in dem Sinne, dass ich in meinen Ansichten "nach rechts gerückt" wäre. 

Es gibt natürlich auch Leute, bei denen ist das anders: Für die folgt aus ihrem Selbstverständnis "als Linke", dass sie sich ohne Wenn und Aber mit allem Möglichen identifizieren, was im öffentlichen Diskurs als "links" eingeordnet wird; auch dann, wenn sie vorletzte Woche noch das Gegenteil vertreten haben. Die Mainstream-Variante dieses Phänomens dürften Leute sein, die sich zwar nicht explizit als links definieren, wohl aber die Auffassung teilen, es sei quasi oberste Bürgerpflicht, "gegen Rechts" zu sein, und daher alles vehement ablehnen, wovon sie mal irgendwo gehört haben, es sei "rechts". Für solche Leute ergibt es wahrscheinlich auch irgendwie Sinn, mit Regenbogenfähnchen gegen die AfD zu protestieren... 


Samstag, 29. November 2025

Utopie und Alltag 1: Im Epizentrum des Bieres

Herzlich willkommen bei der neuen Wochenbriefing-Reihe, Leser! Wenn man eine neue Reihe eröffnet, möchte man das ja gerne so richtig "mit Karacho" tun, und an Stoff dafür mangelte es mir eigentlich auch nicht; allerdings ergab sich dabei das Problem, dass praktisch alle Themen, die ich für eine Behandlung innerhalb des Wochenbriefings ins Auge fasste, alsbald einen Umfang erreichten, der den Gedanken nahelegte, vielleicht lieber einen eigenständigen Artikel daraus zu machen. So erging es mir wie dem Titelhelden von Laurence Sternes Roman "Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman" , der beim Versuch, seine Autobiographie zu schreiben, frustriert feststellt "The more I write, the more I shall have to write!"; und gleichzeitig befürchtete ich, vor lauter separaten Artikeln würde am Ende fürs Wochenbriefing (fast) nichts übrig bleiben. 

Nach einigem Abwägen habe ich mich schließlich für eine Zwischenlösung entschieden: Beim Bericht über das Basic Stupidity Reunion Weekend habe ich mich möglichst kurz gefasst, behalte mir aber vor, die gekürzten bzw. weggelassenen Teile in einem eigenständigen Artikel nachzuliefern; im Übrigen habe ich mich dafür entschieden, das "Selbsterlebte" drinzulassen und die "sonstigen" Themen auszulagern. Ob das nun schon eine programmatische Weichenstellung für die Ausrichtung der neuen Wochenbriefing-Reihe ist, sei mal dahingestellt; aber jedenfalls habe ich einen Artikel zur Änderung der Wahlordnung für Pfarrei- und Gemeinderäte im Erzbistum Berlin schon vor diesem Wochenbriefing fertiggestellt und veröffentlicht, und ein Artikel zu einer neuen Regenbogenflaggen-Affäre in Butjadingen ist in Arbeit. Nun aber genug der Vorrede und Vorhang auf für die erste Folge von Utopie und Alltag...! 


Wir bringen die Band wieder zusammen! 

Okay, ganz so wie in diesem Filmausschnitt sah mein Christkönig-Wochenende nicht aus, aber... sagen wir, es gab gewisse Parallelen. – Im Ernst: Wie einige Leser sich erinnern werden, hatte ich im Mai 30-jähriges Abi-Jahrgangstreffen gehabt, und dabei hatte es auch ein fröhliches Wiedersehen mit einigen früheren Mitschülern gegeben, mit denen ich seinerzeit in einer Band gespielt hatte. Nur und ausgerechnet unser damaliger Leadgitarrist war nicht zum Jubiläumstreffen gekommen, und ich glaube tatsächlich, dass gerade seine Abwesenheit entscheidend dazu beitrug, in uns den Wunsch zu wecken, mal ein Band-Reunion-Treffen zu veranstalten – das dann aber natürlich mit unserem Gitarristen. Uns auf einen Termin zu einigen, nahm einige Verhandlungen in Anspruch; was hingegen den Ort anging, bot unsere frühere Sängerin und Saxophonistin an, das Ganze könne bei ihr stattfinden, denn ihr Zuhause biete sowohl genug Platz, um uns alle einzuquartieren, als auch eine recht stattliche Auswahl an Instrumenten zum gemeinsamen Musizieren. Und so verschlug es uns alle an diesem Wochenende nach Neufahrn bei Freising

Was die im Haushalt vorhandenen Musikinstrumente anging, hatte unsere Gastgeberin uns übrigens nicht zuviel versprochen: Auf uns warteten ein akustisches Klavier, ein elektronisches Schlagzeug, eine Cajón (oder "Krachón", wie meine Kinder gern sagen), ein Altsaxophon, eine Trompete (zu der "unser" Trompeter sein eigenes Mundstück mitbrachte) und eine akustische Gitarre; von den Teilnehmern des Bandwochenendes mitgebracht wurden zwei E-Gitarren, ein E-Bass, ein Gesangsmikrofon und die dazugehörigen Verstärker. 

Was man so braucht für ein Bandwochenende: Socken zum Wechseln, ein Handtuch, ein Glas Honig, einen Verstärker.

Dieses Instrumentarium bespielten wir am Samstag so lange, wie die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarn es erlaubte: von morgens (nach dem Frühstück) bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Mittagsruhe und danach dann wieder bis zum frühen Abend. Während der Ruhezeiten kam es auch immer mal wieder vor, dass einer sich die Akustikgitarre griff und ein bisschen vor sich hin klampfte; und auch wenn ich günstigstenfalls der viertbeste Gitarrist unter den Anwesenden war, konnte es mir dabei nicht versagen, den Anderen den "Kaugummi"-Song von Daniel Kallauch sowie ein Medley aus "Lady in Black" und "Die Sache Jesu braucht Begeisterte" vorzuspielen. 

Am späten Nachmittag bzw. frühen Abend hatte der mittlere Sohn der Gastgeberfamilie ein Handballspiel im Nachbarort; wir holten ihn dort ab und fuhren dann zusammen auf den Weihenstephaner Berg – laut biergartenguide.com das "Epizentrum des Bieres". Wir besuchten das dortige "Braustüberl" jedoch nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Essen

So sieht dort der Schweinsbraten aus. Mit ordentlich Kruste.

Dieser Bär war mir ebenfalls sehr sympathisch.

Und die Tatsache, dass wir uns auf dem Areal einer ehemaligen Benediktinerabtei befanden, nicht minder.

Im Anschluss an das Abendessen entschieden wir uns noch zu einem Abstecher nach Freising, um uns auf dem Domberg umzuschauen. 

Hier die Freisinger Mariensäule vor dem Nachthimmel. 

Gedenktafel für Papst Benedikt XVI., 1977-82 Erzbischof von München und Freising.

Zu erzählen hatten wir uns natürlich auch eine ganze Menge nach so langer Zeit. Aber das Faszinierendste war, dass es sich anfühlte, als hätte sich in unserem Verhältnis zueinander eigentlich gar nichts verändert. Das äußerte sich auch gerade darin, dass wir uns am Samstag ohne große Präliminarien einfach an die Instrumente setzen und losjammen konnten, als wäre die letzte Bandprobe gerade mal eine Woche her. Nicht umsonst habe ich schon in meiner jüngsten Tagespost-Kolumne den Heavy-Metal-Musiker Dave Mustaine (Megadeth) mit der Aussage zitiert, in einer Band zu sein sei das größte Maß an Nähe, das zwischen Menschen möglich ist, ohne Sex miteinander zu haben. Kurz gesagt, es war ein tolles Wochenende, und ich hoffe, wir machen sowas bald mal wieder. Nicht erst in dreißig Jahren... 


Christkönig in Neufahrn 

Am Sonntag stand ich etwas früher auf als der Rest der Truppe, um erst einmal in Ruhe bei einer Tasse Kaffee Invitatorium und Laudes zu beten und dann – effektiv in der Zeit, in der die Anderen frühstückten – in der Neufahrner Pfarrkirche St. Franziskus in die Messe zu gehen. Dazu sei angemerkt: Ähnlich wie in Runding, wo wir letztes Jahr in den Herbstferien waren, gibt es in Neufahrn eine schöne alte Barockkirche, die aber nicht mehr für die normalen Gemeindegottesdienste genutzt wird, und einen Neubau aus der Nachkonzilszeit, der schon durch seine Ausmaße dokumentiert, wie optimistisch man damals bezüglich der Entwicklung der Gottesdienstbesuchszahlen war. In die besagte Barockkirche, St. Wilgefortis, hatten wir am Samstag bei einrm Spaziergang während der Mittagsruhe einen Blick geworfen: 

Fast wie in Spanien, bis auf die weißen Wände. Die wären dort wohl entweder komplett mit Figuren bedeckt oder mindestens vergoldet.

Zu dieser Kirche und ihrem etwas ungewöhnlichen Patrozinium seien übrigens noch ein paar Worte mehr gesagt, ehe ich auf St. Franziskus und die dortige Christkönigs-Messe zu sprechen komme. Die Hl. Wilgefortis, auch Hl. Kümmernis genannt, ist nämlich eine Heilige aus dem Volksglauben, für deren Authentizität es keine seriösen Belege gibt und die auch nie offiziell heiliggesprochen wurde, die sich aber im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit einer breiten Verehrung erfreute und daher 1583/86 ins Martyrologium Romanum aufgenommen, später aber wieder daraus gestrichen wurde. Ihre Verehrung in Neufahrn hat einen konkreten lokalgeschichtlichen Anlass, nämlich die ins 14. Jh. datierte wundersame Auffindung eines Kruzifix, das fortan als Gnadenbild verehrt wurde. Spätestens ab dem 17. Jh. ist nachweisbar, dass dieses stilistisch am Volto Santo von Lucca orientierte Kruzifix, das Christus mit langem Gewand und Krone darstellte, volkstümlich als Darstellung der bärtigen Jungfrau Wilgefortis angesehen wurde. In der Folge erhielt auch die ursprünglich dem Hl. Bartholomäus, später dem Heiligen Geist geweihte Kirche das Patrozinium St. Wilgefortis. Das in den Hochaltar der Kirche eingearbeitete Gnadenbild war bis ins 19. Jh. Ziel von Wallfahrten. 

Die neue Pfarrkirche St. Franziskus wurde 1963 geweiht, vor dem Portal steht eine wohl auch aus dieser Zeit stammende Statue des Kirchenpatrons, die ich persönlich durchaus ansprechend finde: 

Die Innenraumgestaltung hat indes eher den Charme einer Reithalle. 

Gut gefiel mir hingegen der Kreuzweg – der allerdings teilweise von einer Girlande aus bunten Stoffwimpeln verdeckt wurde, aber darauf komme ich etwas weiter unten noch zurück. 


Hier exemplarisch ein paar nicht verdeckte Kreuzwegstationen.

Was den weiter oben angesprochenen Optimismus hinsichtlich der Entwicklung der Gottesdienstbesuchszahlen angeht, der bei der Planung dieser Kirche waltete, ist festzuhalten, dass die Sitzbänke Platz für über 300 Personen bieten würden; zu der Messe am Christkönigssonntag kamen vielleicht hundert, was ich nun nicht unbedingt als "wenig" bezeichnen würde, allerdings auch nur, weil man es heutzutage gewohnt ist, dass Kirchen nicht voll sind. Gleichwohl merkte man recht deutlich, dass man es im Großraum München, was die personelle Basis der katholischen Volkskirche angeht, mit ganz anderen Dimensionen zu tun hat als in der Berliner Diaspora. So kamen in dieser Messe sechs Messdiener zum Einsatz – wobei "zum Einsatz kommen" vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck ist; viel zu tun hatten sie eigentlich nicht, jedenfalls nichts, wofür nicht auch zwei genügt hätten. "Bei uns zu Hause" würde "sechs Messdiener" bedeuten "Festhochamt mit Weihrauch und allen Schikanen", und tatsächlich wäre das für den Christkönigssonntag ja nicht unangemessen gewesen – hätte aber wohl insgesamt nicht so recht zum Charakter dieser Kirche und/oder der Gemeinde gepasst, aber dazu gleich noch mehr. Musikalisch wurde die Messe von einem kleinen Gospelchor (mit-)gestaltet, und auf die bunten Stoffwimpel, die rundherum die Wände der Kirche schmückten, wollte ich auch noch zu sprechen kommen. Diese waren offensichtlich von Kindern gestaltet worden: Auf jeden der Wimpel hatte ein Kind seinen Namen geschrieben und etwas gemalt, einen Regenbogen etwa, eine Sonne, ein Kreuz oder eine Kirche. Ähnliches sieht man auch in anderen Kirchen zuweilen, da handelt es sich dann in der Regel um Erzeugnisse des jeweils aktuellen Erstkommunionkurses. Aber hier hingen, grob überschlagen, rund 200 solcher Wimpel! Können die ernsthaft alle von einem Erstkommunionjahrgang sein? Das wären acht komplette Schulklassen! – Als ich meiner Gastgeberin (die selbst nicht katholisch ist) davon erzählte, meinte sie, ihrer Einschätzung zufolge gingen in Neufahrn jährlich eher so zwischen 60 und 70 Kinder zur Erstkommunion. Was ja für einen Ort dieser Größe (ca. 21.000 Einwohner) auch schon nicht gerade wenig ist. Sie fügte hinzu, es sei aber erst kürzlich Religiöse Kinderwoche (oder etwas in der Art) gewesen, möglicherweise kämen die Wimpel daher. (Das würde, nebenbei bemerkt, auch die Hoffnung nähren, dass sie nicht dauerhaft da hängen und die Sicht auf den Kreuzweg behindern.) 

Übrigens hatte ich mir, auch wenn das womöglich ein bisschen albern ist, vor meinem Reiseantritt die Google-Bewertungen der Kirche St. Franziskus in Neufahrn angesehen, und da war mir die folgende Rezension besonders ins Auge gefallen: 

"Die Kirche ist modern und sehr schlicht, ihre Stärke ist jedoch der Pfarrer: modern, freundlich und unkompliziert." 

Was ich hieran so faszinierend finde, ist die zweimalige Verwendung der Vokabel "modern", und vor allem das "jedoch" dazwischen. Ich verstehe das so: Wenn ein Kirchengebäude modern ist, ist das nicht so schön, denn ältere Kirchen haben einfach mehr Atmosphäre (diese Meinung wird auch in einer anderen Google-Bewertung explizit vertreten), aber wenn ein Pfarrer modern ist, ist das gut, denn wenn er das nicht ist, erzählt er einem womöglich etwas über Sünde oder so. – Die Messe am Christkönigssonntag hielt indes nicht der Pfarrer (genauer: Pfarradministrator), sondern ein aus Indien stammender Kaplan vom Institut der Schönstatt-Patres. Meine Hoffnung, von diesem Priester eine irgendwie inspirierende Predigt zum Christkönigsfest zu hören zu bekommen, wurde in gewisser Weise durch die Wandmalerei an der Altarwand genährt, die sich dafür angeboten hätte, auf sie Bezug zu nehmen: 

Aber ach: Die Predigt begann mit einer gemütvoll rührseligen Geschichte über eine Frau, die ihre demenzkranke Tante besucht und dabei eine auffällige Halskette trägt – die Tante erkennt sie nicht, meint aber hinterher (wegen der Kette), sie habe Besuch von einer Königin bekommen; am Ende der Predigt erzählte der Kaplan einen Witz, und dazwischen zitierte er Heinz Erhardt. Eine derart banal-harmlose, substanzarme Predigt habe ich wirklich lange nicht gehört, nicht einmal in St. Klara Reinickendorf-Süd, nicht einmal im Urlaub in Burhave. Man muss aber sagen, dass die Predigt sich gerade dadurch gut in das Gesamtbild dieser Messe einfügte. Auch Chorgesang und Orgelspiel wirkten recht seicht und gefällig, und die bunten Stoffwimpel, die teilweise den Kreuzweg verdeckten, hatte so gesehen schon fast etwas Symbolträchtiges. 

Bestimmt gibt es Leute, die sagen würden, gerade das Seichte und Gefällige sei das Erfolgsrezept dieser Gemeinde, aber ich glaube, das ist zu kurz gedacht. Es kann gut sein, dass die Gemeindemitglieder, wenn man sie danach befragte, sagen würden, dass die Predigten, die Musik und die allgemeine Atmosphäre der Gottesdienste ihnen gut gefallen; trotzdem kommen sie nicht deswegen. Kein Mensch geht sonntags morgens in die Kirche, um eine seichte Predigt und seichte Musik zu hören, sondern sie sind da, weil es für sie (noch) zur Normalität gehört, sonntags in die Kirche zu gehen. Und wo sie schon mal da sind, will man ihnen auch ein angenehmes Erlebnis bereiten; das ist alles. Mit einem solchen "Wohlfühlkatholizismus" kann man aber nicht verhindern, dass die Zahl derer, für die der sonntägliche Gottesdienstbesuch schlicht zur Normalität gehört, von Generation zu Generation abnimmt. Schon jetzt ist der Großteil der Messebesucher in St. Franziskus Neufahrn schätzungsweise um die Siebzig; man könnte sagen "Das geht ja noch" – es gibt durchaus Gemeinden, in denen das Durchschnittsalter der Gottesdienstbesucher noch erheblich höher liegt –, aber gerade diese "Das geht ja noch"-Haltung ist eben auch Teil des Problems, denn sie be- oder verhindert die Einsicht, dass das Modell von Katholizismus, das hier praktiziert wird, nicht zukunftsfähig ist. Was das angeht, fühle ich mich in der Diaspora ehrlich gesagt besser aufgehoben. 


Manasse und die Konsequenzen der Abgötterei 

In der zurückliegenden Schul- und Arbeitswoche lief Manches anders als sonst; zum Teil, weil meine Liebste krankgeschrieben war und nicht zur Arbeit, dafür aber zu einigen Arztterminen gehen musste, zum Teil aber auch aus anderen Gründen. So entschied unser Jüngster am Dienstag beim Frühstück, er wolle nicht in die KiTa, sondern lieber zur "Rumpelberggruppe" (d.h. zu der offenen Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinde auf dem Weg, zu der ich mit ihm ein- bis zweimal pro Woche gegangen war, bevor er in die KiTa kam). Am Mittwoch ging er wieder zur KiTa; erst als ich ihn dort abgeliefert hatte und zurück zur S-Bahn ging, fiel mir ein, dass eigentlich dieser Mittwoch, mehr als der vorige, sich dafür angeboten hätte, mit dem Knaben in St. Marien Maternitas zur Messe und zum anschließenden Frühstück zu gehen – denn da feierte eine alte Dame aus der Gemeinde ihren Geburtstag, dieselbe alte Dame, die schon ihren Geburtstag im vorigen Jahr mit der Bemerkung angekündigt hatte, es könnte ihr letzter sein. Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass seitdem schon wieder ein ganzes Jahr vergangen war. – 

Aus der KiTa abgeholt wurde der Knabe indes nicht von mir, sondern von der Oma, sprich: meiner Schwiegermutter. Die hatte nämlich am Montag der vorigen Woche das Tochterkind zu einer Shoppingtour (nachträglich zum Geburtstag) abgeholt und fand nun, zum Ausgleich sollte sie in dieser Woche etwas mit dem Jüngsten unternehmen. Dadurch konnte er natürlich nicht zum JAM mitkommen – und meine Liebste auch nicht, da ja jemand zu Hause sein musste, wenn die Oma den Knaben zurückbrachte. Ehrlich gesagt fand ich's "für mal" aber auch ganz gut, allein mit dem Tochterkind zum JAM zu gehen. 

In der Spiel- und Bastelzeit wurden diesmal Bienenwachskerzen gerollt; unsere Tochter war dabei sehr produktiv und brachte am Ende fünf Kerzen mit nach Hause. 

Im Bild nur drei; keine Ahnung, wo die anderen sind.

Im Elterncafé wurde ebenfalls gebastelt; ein Grund mehr für mich, da nicht hinzugehen. – Im katechetischen Teil ging es weiter um die Könige von Juda, und so skeptisch ich gegenüber der Brauchbarkeit dieses Oberthemas für die Kinderkatechese ursprünglich gewesen war, fand ich es diesmal ausgesprochen interessant und anregend. Es ging nämlich um den König Manasse (ca. 696-642 v. Chr.), und der sagte mir zunächst gar nicht viel; ich hatte bloß die vage Erinnerung, dass das einer der schlechten Könige war, die den Götzendienst tolerierten oder sogar förderten und dafür von Gott gestraft wurden. Das stimmte soweit auch, aber das Interessante war, dass Manasse der Sohn des guten Königs Hiskija war, von dem in der vorigen Woche die Rede gewesen war. Die erste Erkenntnis des Tages lautete also: Wenn jemand gute und fromme Eltern hat, heißt das nicht automatisch, dass derjenige selbst auch gut und fromm wird; es nützt nichts, das, was die Eltern einem vorleben, äußerlich mitzumachen, wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist. Der nächste interessante Punkt war dann, dass König Manasse bei Wahrsagern und Geisterbeschwörern Rat suchte. In diesem Zusammenhang stellte die JAM-Leiterin die Frage in den Raum: Was hat Gott eigentlich gegen Hellseherei, warum will Er nicht, dass wir uns mit Horoskopen, Tarotkarten usw. befassen? – Antwort: Weil Gott will, dass wir Ihm vertrauen. Und wenn wir Gott nicht genügend vertrauen und darum mit Angst in die Zukunft schauen, können böse Mächte unsere Angst benutzen, um uns von Gott abzubringen – "unsere Beziehung zu Gott kaputtzumachen", wie die JAM-Leiterin wörtlich sagte. 

Der Grund, weshalb mich dieser Teil der Katechese besonders ansprach, hing zusammen mit dem Buch, das bei uns gerade als Gutenachtlektüre dran ist, nämlich "Die Rückkehr der Kurzhosengang" von Zoran Drvenkar. An die "Kurzhosengang"-Reihe sind wir geraten, weil ich mal wieder eine Gutenachtlektüre wollte, die nicht dem Fantasy-Genre angehört. Unter diesem Aspekt muss man die Buchauswahl wohl als mittel-erfolgreich bezeichnen: Mit Fantasy im eigentlichen Sinne hat die Kurzhosengang tatsächlich nicht viel zu tun, aber gewisse, sagen wir mal, Mystery-Elemente zeigen sich doch schon recht früh in der Handlung, und im letzten Viertel des ersten Bandes stellt sich dann heraus, dass einer der vier Protagonisten – der auf den Spitznamen Zement hört – Geister sehen und mit ihnen sprechen und zudem voraussehen kann, ob jemand in naher Zukunft sterben wird. – Es ist kaum zu leugnen, dass "Die Kurzhosengang" unterhaltsame Lektüre bietet, witzig, originell und voll von überbordender Fabulierlust; die Fortsetzung ist noch spannender und dichter konstruiert, aber zugleich spielen die angesprochenen Mystery-Elemente hier eine noch deutlich prominentere Rolle als im ersten Teil, und da wird mir beim Vorlesen schon zuweilen etwas unbehaglich – etwa wenn drei der vier Jungs von der Kurzhosengang ein Ouija-Brett befragen, um in Erfahrung zu bringen, wohin ihr Kumpel Zement verschwunden ist. Nun jedenfalls nutzte ich die Gelegenheit, auf dem Heimweg vom JAM an das, was in der Katechese zum Thema Wahrsagerei und Geisterbeschwörung gesagt worden war, anzuknüpfen und zu betonen, in einer ausgedachte Geschichte wie "Die Rückkehr der Kurzhosengang" seien solche Sachen ja vielleicht ganz cool und spannend, aber im wirklichen Leben sei damit nicht zu spaßen. Die Aussage, dass Angst vor der Zukunft, die aus fehlendem Gottvertrauen resultiert, eine Pforte zur Dunklen Seite (sozusagen) ist, konnte ich sogar anhand eines Fallbeispiels aus dem Kurzhosengang-Buch selbst illustrieren (Vorsicht, Spoiler!): Da lebt nämlich der Eisdielenbesitzer – eigentlich ein netter Kerl – so sehr in Sorge, dass ihm oder seinen Bambini etwas zustoßen könnte, dass er auf die Idee verfällt, Zement zu entführen, damit dieser ihn mit seinen paranormalen Fähigkeiten vor allen eventuellen Gefahren warnen kann. 

Eine weitere Lehre aus der Geschichte von König Manasse, die ich ebenfalls nicht unwichtig fand, betraf den Umstand, dass er in assyrischer Gefangenschaft zwar seine Fehler und Missetaten bereute und sich nach seiner Freilassung bemühte, fortan gerecht und gottesfürchtig zu handeln, die Folgen seiner früheren Verfehlungen damit aber nicht einfach aus der Welt schaffen konnte. Dazu erläuterte die JAM-Leiterin: Wenn man etwas Schlechtes und Falsches getan und eingesehen hat, dass es schlecht und falsch war, kann und soll man dafür zwar um Verzeihung bitten, aber die Verzeihung hebt nicht unbedingt den Schaden auf, der angerichtet wurde. So wird zum Beispiel jemand, den man angelogen hat, einem fortan weniger vertrauen, und es wird einen Prozess der Wiedergutmachung bzw. Bewährung erfordern, um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Mir scheint, das ist ein Gedanke, den man sich mal für die Beichtkatechese merken sollte. 


Winter-Wunder-Weihnachtszeit mit Mike Müllerbauer in der Gemeinde auf dem Weg 

Schon seit Wochen gefreut hatte ich mich auf das Konzert des christlichen Kinderliedermachers Mike Müllerbauer in der Gemeinde auf dem Weg am Donnerstag; als ich indes am Dienstag auf dem Weg zur "Rumpelberggruppe" an einem Plakat für dieses Konzert vorbeikam, stellte ich mit Schrecken fest, dass es schon um 16 Uhr beginnen sollte – und das passte uns eigentlich gar nicht: Meine Liebste hatte einen Arzttermin und unsere Tochter einen Schulausflug, von dem sie voraussichtlich erst um 17 Uhr zurück sein würde. Nun konnte ich zwar den Jüngsten von der KiTa abholen und mit ihm allein zu dem Konzert gehen, aber wer holte dann das Tochterkind vom Schulausflug ab? Nun, wir lösten das Problem schließlich so, dass unsere Große am Nachmittag erst einmal mit zu einer Freundin nach Hause ging und später von dort aus abgeholt wurde. Dass sie das Konzert verpasste, war zwar schade, aber wenigstens konnten der Jüngste und ich hingehen. Wir trafen dort nicht nur allerlei Kinder und Eltern, die wir von der "Rumpelberggruppe" her kannten, sondern auch ein paar Kinder aus der KiTa des Knaben. 

Wie manche Leser sich erinnern werden, waren wir am selben Ort schon im Frühjahr 2024 bei einem Mike-Müllerbauer-Konzert gewesen; im direkten Vergleich dazu war dieses Konzert etwas weniger gut besucht, außerdem fand ich es recht auffällig, dass Müllerbauer und sein Bühnenpartner Andy Doncic in diesen eineinhalb Jahren deutlich älter geworden sind. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den beiden Konzerten war jedoch ein anderer: Der Auftritt im März 2024 stand unter dem Motto "Best of Müllerpower" und bot folgerichtig einen Querschnitt durch rund 20 Jahre von Müllerbauers Schaffen als Kinder-Lobpreis-Liedermacher; dagegen hieß das aktuelle Programm "Winter-Wunder-Weihnachtszeit" und enthielt hauptsächlich Stücke aus seinem gleichnamigen Weihnachtsalbum von 2017, "Greatest Hits" wie "Komm, wir machen Gott jetzt eine Freude" oder "Vor mir, hinter mir" kamen lediglich als Zugabe zum Einsatz. 

Derweil ist nicht zu leugnen, dass das Weihnachts-Konzertprogramm dramaturgisch gut durchstrukturiert war: Am Anfang standen Lieder, die einfach nur eine winterlich-vorweihnachtliche Stimmung evozieren ("O lieber Schnee", "Plätzchenbäcker sind wir"); dann folgte mit "Wir feiern Weihnachten" ein Lied, dessen Text sich zunächst darum dreht, worauf verschiedene Leute sich im Zusammenhang mit Weihnachten am meisten freuen ("Lukas freut sich auf viele Geschenke, Sonja liebt den Plätzchenduft"), dann aber mit der Frage "Aber warum feiern wir dieses Fest?" den Blick auf den religiösen Gehalt des Weihnachtsfests lenkt. Die weiteren Musikstücke des Konzerts fügten sich dann größtenteils in eine heiter-turbulente Nacherzählung des Weihnachtsevangeliums nach Lukas ein. 

"Euch ist heut der Retter geborn" – rechts Mike Müllerbauer als Hirte, links Andy Doncic als Engel

So gesehen forderte dieses Konzert durchaus auch Vergleiche mit dem Krippenspiel-Musical heraus, das wir am ersten Adventswochenende des Vorjahres am selben Ort gesehen und gehört hatten. Und im direkten Vergleich muss ich leider sagen, dass Mike Müllerbauers Krippenspiellieder für mein Empfinden nicht so ganz an die von Adonia heranreichten. Womit ich nicht sagen will, dass ich sie schlecht fand; nur eben nicht ganz so gut. 

Das Konzert dauerte insgesamt knapp eineinhalb Stunden, und schon nach rund einer Stunde beschwerte sich mein Jüngster bei mir, es dauere ihm zu lange. Wahrscheinlich vermisste er seine Mami und war insgesamt einfach fertig vom Tag. Wir blieben trotzdem bis zum Schluss, aber nicht länger – obwohl man sich im Foyer, wo es u.a. eine Hüpfburg und einen Hot-Dog-Stand gab, durchaus noch eine Weile hätte aufhalten können. – Zu Hause hörten wir uns dann einige der Lieder, die beim Konzert gespielt worden waren, noch einmal bei YouTube an. Mir scheint, sie gewinnen bei mehrmaligem Hören. Vielleicht kann man ja das eine oder andere noch ins Krippenspiel in Haselhorst einbauen... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Können wir um das Kommen Jesu beten? Ja, wir können es. Nicht nur das: Wir müssen es! Wir bitten um Antizipationen seiner welt-erneuernden Gegenwart. Wir bitten ihn in Augenblicken persönlicher Bedrängnis: Komm, Herr Jesus, und nimm mein Leben hinein in die Gegenwart deiner gütigen Macht. Wir bitten ihn, dass er Menschen, die wir lieben oder um die wir Sorge tragen, nahe werde. Wir bitten ihn, dass er in seiner Kirche wirksam gegenwärtig werde. Warum sollten wir ihn nicht bitten, dass er uns auch heute wieder neue Zeugen seiner Gegenwart schenke, in denen er selber kommt? Komm, Herr Jesus!

(Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Jesus von Nazareth Bd. II) 


Ohrwurm der Woche 

Grace Jones: I've Seen That Face Before (Libertango) 

Bekannt aus dem Film "Frantic", einem Thriller von Roman Polański mit Harrison Ford in der Hauptrolle. Die Kombination aus Astor Piazzollas "Libertango" und dem eindringlichen Gesang von Grace Jones finde ich ausgesprochen effektvoll, und übrigens gehörte "Libertango" auch zu den Stücken, die wir bei unserem Bandwochenende erstmals probierten – mit Klavier und Trompete als "Hauptstimmen", Bass und Gitarre schlichen sich nach und nach hinein, ich selbst spielte Krachón dazu. Mir gefiel unsere Version, aber sie war anders als diese hier. Ziemlich doll anders. 


Vorschau/Ausblick 

Für heute hatten wir uns mal wieder ganz schön viel Programm vorgenommen: vormittags zu den Schöneberger KPE-Pfadfindern, wo sowohl ein Meutentreffen der Wölflingsmädchen als auch ein Wichtelgruppentreffen stattfand, und am Nachmittag dann zur Krippenspielprobe in Haselhorst. Über beides wird es nächste Woche allerlei zu berichten geben. Heute Abend ist obendrein auch noch Community Networking Night im Baumhaus, aber ob wir das zusätzlich zu allem anderen auch noch schaffen (oder wenigstens ich), steht wohl eher zu bezweifeln. Dabei wäre das sicher interessant, zumal es aus dem bzw. über das Baumhaus einige bemerkenswerte Neuigkeiten gibt; es wäre durchaus zu erwägen, diese auch dann im nächsten Wochenbriefing zu thematisieren, wenn ich es nicht zur Community Networking Night schaffe. – Morgen ist 1. Advent, da steht in St. Joseph Siemensstadt der KiWoGo zum Thema "Was hat die Wiederkunft Christi mit der Sintflut zu tun?" an; erwähnt sei außerdem, dass an diesem Wochenende, heute und morgen, im Gemeindesaal von Maria, Hilfe der Christen in Spandau ein Theaterstück mit dem bezeichnenden Titel "Sancta (?) Helena – Ein Reich, ein Kaiser, eine starke Frau" gezeigt wird; als Veranstalter firmiert der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin. "Ein Theaterabend, den Sie verpassen sollten", wie es auf dem Flyer heißt; okay, zugegeben, da enthält der Satz noch ein "nicht", aber ich war mal so frei, das zu korrigieren. Wer anderer Meinung ist, hat von Dezember bis Februar noch weitere Gelegenheiten, das Stück in anderen Berliner Kirchengemeinden zu sehen, aber ich würde es mir höchstens dann ansehen, wenn ich eine Kiste leicht angegammelter Tomaten mit reinnehmen dürfte. 

Am Dienstag haben meine Liebste und ich ein Elterngespräch mit der Vertrauenslehrkraft unseres Tochterkindes, ohne speziellen Anlass, einfach um sich mal zu orientieren, wie sich das Kind in der Schule so macht; da könnte es eventuell Stoff für eine neue Folge der Rubrik "Neues vom Schulkind" geben. Am Mittwoch werden wir wohl wieder zum JAM gehen, und am Donnerstag hat unser Jüngster ein Jiu-Jitsu-Probetraining an einer Kampfsportschule, die er sich letzten Mittwoch zusammen mit der Oma angesehen hat. Der Kursbeschreibung zufolge soll er da neben körperlicher Ertüchtigung auch ein "gesteigertes Selbstbewusstsein, -vertrauen und -verantwortung" sowie nicht zuletzt einen "moralischen Kompass" vermittelt bekommen; man darf gespannt sein. – Schon jetzt ist übrigens abzusehen, dass das zweite Adventswochenende derart vollgepackt mit "Programm" sein wird, dass wir es beim besten Willen nicht schaffen werden, alles mitzumachen, was theoretisch anstünde. Da gilt es also mit Bedacht auszuwählen... aber dazu nächste Woche mehr. Abschließend sei noch auf ein paar Themen hingewiesen, über die ich in der nächsten Woche etwas zu schreiben gedenke – ob innerhalb des Wochenbriefings oder in Form eigenständiger Artikel, muss sich noch zeigen: 

Bis dahin: Bleibt mir gewogen, Leser!