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Samstag, 8. Februar 2025

Die 3 K der Woche (11): Kinder, Kirche, Küste

Entspannte Grüße aus dem Urlaub, Leser! Wenn man sowohl ein schulpflichtiges Kind als auch eine Lehrerin in der Familie hat, dann bieten sich Schulferien gleich doppelt dafür an, mal ein bisschen wegzufahren, und in der zurückliegenden Woche waren in Berlin und Brandenburg Winterferien. Dazu, wo wir waren und was wir gemacht haben, gibt's ein paar Sätze unter der Überschrift "Ein unbekannter Ort außerhalb der Zivilisation"; besonders viel Blogrelevantes unternommen oder erlebt haben wir in diesen Tagen allerdings nicht, weshalb die thematischen Schwerpunkte dieses Wochenbriefings eher woanders liegen. Aber seht selbst! 


Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst 

Wie geplant, standen wir am Sonntag eine Stunde früher auf als sonst, um zunächst in St. Stephanus Haselhorst die Messe zum Fest Darstellung des Herrn (a.k.a. Mariä Lichtmess) mitzufeiern und anschließend noch auf der anderen Straßenseite in der EFG The Rock Christuskirche zum freikirchlichen Gottesdienst zu gehen. Als wir die erstgenannte Kirche betraten, war Padre Ricardo aus Mexiko, noch nicht in Messkleidung, gerade dabei, mit der Gemeinde den Ablauf der Kerzenweihe im Rahmen der Messe zu besprechen; da wir noch mit dem Ankommen beschäftigt waren, bekam ich nicht genau mit, was er sagte, hatte aber den Eindruck, dass er innerhalb weniger Sätze mindestens dreimal seine Meinung darüber änderte, an welcher Stelle die Kerzenweihe in die Liturgie eingefügt werden sollte. Möglicherweise trug diese etwas übers Knie gebrochene Planung dazu bei, dass bei der Kerzenweihe – die dann tatsächlich vor dem Gloria stattfand – keine besonders feierliche oder würdevolle Atmosphäre aufkam; aber ich glaube, feierlich und würdevoll zu zelebrieren liegt ganz generell nicht in Padre Ricardos Naturell, dafür ist er insgesamt zu "fuzzy". (Ich denke, das kann man ruhig sagen, ohne es böse zu meinen; ich gehe auch davon aus, dass er das selber weiß.) 

Der Blasiussegen wird in den Kirchen dieser Pfarrei übrigens erst kommenden Sonntag (also morgen) gespendet; schade eigentlich, ich hätte ihn gut gebrauchen können, denn ich hatte seit Samstag Halsschmerzen. – In der EFG The Rock Christuskirche hatte der Gottesdienst bereits begonnen, als wir dort eintrafen; wir bekamen gerade noch ein paar Vermeldungen mit, bevor die Kinder zu ihren nach Altersgruppen gestaffelten Parallelveranstaltungen 'rausgeschickt wurden. An den Vermeldungen fand ich allerdings Verschiedenes interessant, d.h. bezeichnend für den Unterschied zwischen freikirchlichen und "post-volkskirchlichen" Gepflogenheiten. Zunächst einmal wurde mehreren Gemeindemitgliedern zum Geburtstag gratuliert; warum ich das bemerkenswert fand, magst du dir selbst zusammenreimen, Leser. Sodann wurde die Absicht kundgetan, einen neuen Gebetskreis für Männer zu etablieren – genauer gesagt, einen Online-Gebetskreis via Zoom. Mein erster Gedanke dazu war: Komisch, ich dachte, Corona ist vorbei. – Im Ernst: Mein Ding wäre so etwas ganz und gar nicht, aber es verlangt ja auch keiner, dass ich da mitmache. Interessant fand ich dieses Ansinnen einer Gebetskreisgründung aber doch, und zwar nicht zuletzt, weil angesagt wurde, der Gebetskreis solle alle zwei Wochen stattfinden – jeweils in den Wochen, in denen der Leitungskreis der Gemeinde sich nicht trifft. 

Halten wir das bitte mal fest: Der Leitungskreis der Gemeinde trifft sich alle zwei Wochen. Dabei handelt es sich, nach allem, was ich weiß, zum größten Teil um Leute, die im volkskirchlichen Verständnis als Ehrenamtliche bezeichnet werden würden. Vielleicht wird da mal in Umrissen deutlich, warum ich von dieser Begrifflichkeit und der damit einhergehenden Auffassung von Dienst in der Gemeinde gern mal wegkommen würde. In mir bekannten volkskirchlichen Gemeinden haben sogar die hauptamtlichen Mitarbeiter maximal einmal im Monat eine Dienstbesprechung, Pfarrgemeinderäte bzw. Pfarreiräte tagen vielleicht drei- bis viermal im Jahr. Da muss man sich wirklich nicht wundern, dass die Freikirchlicher mehr gebacken kriegen. (Obendrein steht zu vermuten, dass in so einem freikirchlichen Gemeinde-Leitungskreis erheblich mehr gebetet wird, als man es aus volkskirchlichen Gremien kennt; und das hat natürlich auch seine Auswirkungen.) 

Und übrigens, wo wir schon dabei sind: Das Stichwort "Leitungskreis" veranlasste mich auch, darüber nachzusinnen, wie in freikirchlichen Gemeinden eigentlich die Befugnis, Gottesdienste zu leiten, geregelt ist. Sowohl bei The Rock als auch in anderen freikirchlichen Gemeinden habe ich es schon oft, und so auch an diesem Sonntag, erlebt, dass ein Gemeindemitglied die Gottesdienstleitung, die eher eine Art Moderation war, innehatte und ein anderes predigte. Ich möchte mal annehmen, dass man, um im freikirchlichen Gottesdienst predigen zu dürfen, eine gewisse formale Qualifikation benötigen, also etwa einen von der jeweiligen Konfession bzw. dem jeweiligen Gemeindebund anerkannten Studienabschluss in Theologie; aber für die Leitung bzw. Moderation des Gottesdienstes gilt das wohl nicht unbedingt. Es liegt auf der Hand, dass das nicht so ohne Weiteres auf die katholische Kirche übertragbar ist, jedenfalls nicht soweit es die Heilige Messe betrifft, die von einem geweihten Priester geleitet werden muss und in der auch die Homilie Bestandteil des priesterlichen Dienstes ist. Und wer schon ein paar meiner Artikel gelesen hat, wird möglicherweise schon mal mitgekriegt haben, dass ich kein Freund davon bin, die Rolle des Weihepriestertums in der Kirche dadurch zu relativieren, dass man Messen durch "Wort-Gottes-Feiern" ersetzt. Aber denken wir doch mal an eine Gemeinde wie die von St. Marien Maternitas in Heiligensee. Da gibt es eine Sonntagsmesse und einmal in der Woche eine Werktagsmesse, und an fünf Tagen in der Woche ist die Kirche zugesperrt und da findet überhaupt nichts statt. Bei der einen Werktagsmesse in der Woche gibt es aber um die zehn Leute, die verlässlich jedesmal dort sind. Darüber hinaus gibt es natürlich noch einige, die mehr oder weniger regelmäßig kommen, aber reden wir mal nur von den zehn Verlässlichen. Würden die vielleicht auch noch an einem zweiten Wochentag in die Kirche kommen, wenn es da einen Gottesdienst gäbe? Und wenn das keine Heilige Messe sein kann, weil die Priester sagen, sie können keine zweite regelmäßige Werktagsmesse an diesem Standort gewährleisten, da sie schließlich noch sechs weitere Kirchenstandorte zu betreuen haben – könnte man dann nicht einmal in der Woche (oder alle zwei Wochen, oder einmal im Monat) ein gottesdienstliches Angebot in offener Form veranstalten, das man meinetwegen "Andacht" nennen könnte und das die zehn Verlässlichen idealerweise selbst leiten könnten, also reihum im Wechsel? Muss ja nichts Spektakuläres sein: die Lesungen vom Tag vortragen, ein paar Lieder singen, Fürbitten, Vaterunser, Tagesgebet, Segensbitte und Entlassung; oder derjenige, der jeweils gerade mit der Leitung "dran" ist, setzt seine eigenen Akzente, einer macht vielleicht eine Rosenkranzandacht, ein anderer zum Beispiel Bibelteilen. Das Problem dürfte sein, dass die Leut' so etwas nicht gewohnt sind und die meisten es sich wohl auch nicht zutrauen. Das heißt, man müsste sie erst einmal dazu motivieren, anleiten und befähigen, solche "Leitungsaufgaben im Kleinen" zu übernehmen. Und genau daran fehlt es im volkskirchlichen Normalbetrieb eklatant. 

Kommen wir nun zum nicht so erfreulichen Teil dieses Gottesdienstbesuchs: Als der Zeitpunkt gekommen war, die Kinder aus dem Hauptgottesdienst 'raus- und zu ihren altersgerechten Parallelangeboten zu schicken, ging meine Liebste mit dem Jüngsten nach oben in den "Mini-Raum" und ich wollte mit dem Tochterkind nach unten in den "Dino-Raum" zur "Kinderkirche" für die 6- bis 11-jährigen; allerdings wollte die junge Frau, die die Kinderkirche diesmal leitete, mich nicht 'reinlassen. Meine Tochter wäre doch wohl alt genug, auch ohne mich an der Kinderkirche teilzunehmen, meinte sie; worauf ich erwiderte, das habe sie nicht zu bestimmen und darum gehe es auch nicht. Ich erklärte, ich fände es inakzeptabel, wenn es Eltern verwehrt werde, bei der Kinderkirche dabei zu sein, und unter diesen Umständen würde ich auch meine Tochter nicht dort lassen. Die Mitarbeiterin blieb hart und meinte, dann müssten wir halt gehen

Da stand ich nun natürlich etwas doof da; nach kurzer Besinnung lieferte ich das Tochterkind erst einmal oben im "Mini-Raum" ab, berichtete meiner Liebsten in wenigen Worten, was vorgefallen war, und ging dann, um meine Wut im Bauch loszuwerden, eine Runde spazieren und trank an der Tanke einen Kaffee. Danach wusste ich immer noch nicht so richtig wohin mit mir; ich hätte mich vielleicht einfach ins Foyer der The Rock-Kirche gesetzt, bis der Gottesdienst vorbei war, aber da hätte ich mir die Predigt mitanhören müssen. Also landete ich schließlich wieder im Mini-Raum. Dort kam ich mit einer jungen Mutter (und Grundschullehrerin) ins Gespräch, die den Grund für meinen Ärger mitbekommen hatte und Verständnis für meine Position äußerte; auch sonst war das Gespräch sehr nett und besserte meine Laune ganz erheblich. 

Beim an den Gottesdienst anschließenden geselligen Teil traf ich am Büffet die Gemeindemitarbeiterin, die die Gesamtleitung für den Bereich Kinderkatechese (inklusive JAM) innehat und bei deren Hochzeit wir gewesen waren. Eigentlich hätte ich gern mit ihr über das Problem der Elternanwesenheit in der Kinderkirche gesprochen, und dass sie mich ausgesprochen freundlich begrüßte ("Hallo Tobias, schön dich zu sehen"), hätte mich vielleicht dazu ermutigen sollen, aber tatsächlich trug es nur dazu bei, dass ich schlicht keine Lust hatte, dieses Fass noch einmal aufzumachen. Letzteres blieb mir dann aber doch nicht erspart, denn etwas später kam die Mitarbeiterin, die mich bei der Kinderkirche quasi 'rausgeschmissen hatte, auf mich zu, um "noch einmal in Ruhe darüber zu reden". Darauf hätte ich nun wirklich gut verzichten können, denn ich empfand meine Gesprächspartnerin als sehr uneinsichtig – und habe keinen Zweifel, dass sie dasselbe über mich sagen würde. Sie ließ durchblicken, sie habe nicht nur Theologie, sondern auch Psychologie studiert und habe vor diesem Hintergrund ein ungutes Gefühl, wenn Eltern offenbar Probleme damit haben, ihre Kinder mal allein zu lassen. Gegen solche "Argumente" ist man natürlich machtlos: Hätte ich darauf hingewiesen, dass meine Tochter gut 30 Stunden pro Woche in der Schule verbringt, hätte es vermutlich geheißen "Na also, dann geht das hier doch wohl auch mal für 'ne halbe Stunde". Worauf ich dann ehrlicherweise hätte entgegnen müssen, natürlich würde es "gehen", aber das ist meine Entscheidung und die meiner Tochter – und nicht die der Mitarbeiterin. Worauf sie sich persönlich angegriffen fühlen würde und das ganze "Gespräch" nur dazu gedient hätte, den Graben zu vertiefen. 

Was ich indes sagte, war, dass ich selbst Kinderwortgottesdienste für diese Altersgruppe mache und dass ich da, wenn ich verlangen würde, dass Eltern nicht dabei sein dürfen, im hohen Bogen 'rausfliegen würde – und mit Recht. Das hat ja schließlich auch einen Präventionsaspekt, wobei ich in diesem speziellen Fall eher an Prävention geistlichen Missbrauchs denke. Ja, zugegeben, diesen Begriff empfinde ich im Grunde selbst als ein bisschen arg hoch gegriffen und habe ihn in dem besagten Gespräch daher bewusst vermieden; aber dass die religiöse Bildung der Kinder in besonderem Maße das Erziehungsprivileg der Eltern berührt und dass die Eltern daher das Recht haben müssen, da eine gewisse Kontrolle auszuüben – und wenn diese Kontrolle nur darin besteht, sich mit anzuhören, was den Kindern erzählt wird, damit man gegebenenfalls hinterher nochmal mit ihnen drüber reden kann –, das ist ein Hügel, auf dem ich zu sterben bereit bin. 

Meine Liebste ging dann übrigens – während die Kinder im Garten spielten – noch zu einem offenen Bibelkreis, in dem es um die Abrahams-Erzählungen aus dem Buch Genesis ging. War wohl ganz gut. 


Ein unbekannter Ort außerhalb der Zivilisation


Am Montag brachen wir in aller Früh, gefühlt quasi mitten in der Nacht, auf in den Urlaub – den wir, wie schon in den Winterferien 2020, '23 und '24, erneut in einer Ferienanlage in Butjadingen verbrachten – ungefähr 12 km entfernt von dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Diesmal waren wir wieder in einer Ferienwohnung statt in einem Hotelzimmer; das machen wir nächstes Mal wieder anders, schon allein wegen des Frühstücksbüffets und des Barfußgangs vom Hotel ins Schwimmbad. Schön war aber, dass – wie schon angekündigt – eine Schulfreundin unseres Tochterkindes mit ihrer Familie in derselben Ferienhaussiedlung, nur ein paar Häuser weiter, Urlaub machte. Und obwohl die ganze Gegend eigentlich hauptsächlich auf Sommerurlauber eingestellt ist und nicht nur viele Veranstaltungsangebote ausschließlich in den Sommermonaten stattfinden, sondern auch zahlreiche Lokale und Geschäfte von November bis April schlichtweg geschlossen sind, gab es buchstäblich mehr als genug zu tun und zu erleben: So waren wir einmal in der Spielscheune, einmal im Nationalparkhaus-Museum Fedderwardersiel (ein absolutes Highlight auch und gerade für die Kinder, ich kann das gar nicht warm genug empfehlen), einmal Ponyreiten auf Hof Seeverns (wie ich schon letztes Jahr schrieb: Wenn die Kinder nicht wenigstens einmal reiten gehen, ist es dann überhaupt Urlaub?), einmal Tiere füttern und streicheln auf Hof Iggewarden, zweimal Drachen steigen lassen, zweimal bei der Kinderdisco und auch nur zweimal im Schwimmbad, und dann war der Urlaub auch schon wieder rum. Wattwandern gehen wollten wir eigentlich auch, aber die bereits gebuchte Tour wurde wegen mangelnder Nachfrage abgesagt, woran wohl auch die recht strengen Temperaturen ihren Anteil hatten. – Na ja, im Sommer werden wir, so Gott will und wir noch leben, wieder hier in der Gegend sein, und dann haben wir mehr Zeit. 


Währenddessen in St. Willehad 

In der Vorschau auf diese Urlaubswoche hatte ich bereits angemerkt, dass es unsicher sei, ob und in welchem Maße ich überhaupt Zeit finden würde, mich um die Situation in der notorischen Problempfarrei St. Willehad zu kümmern; aber für alle Fälle studierte ich schon vor unserer Abreise gründlich die aktuelle Ausgabe der Pfarrnachrichten. Abgesehen von den Terminen für die aktuelle Woche – auf die komme ich später zu sprechen – fand ich da vor allem zwei Beiträge interessant; der eine davon prangte direkt auf der Titelseite: "Neues aus der Prozessgruppe des Pastoralen Raums Wilhelmshaven". Darin geht es um eine zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser "Willehad aktuell"-Ausgabe gerade eine Woche zurückliegende Klausurtagung der in der Überschrift genannten "Prozessgruppe", die in Wilhelmshaven stattfand (wo die örtliche katholische Kirche, nebenbei bemerkt, ebenfalls St. Willehad heißt). Die Nordenhamer Pfarrei wird in dieser "Prozessgruppe" durch den Diakon Christoph Richter vertreten, der berichtet: "Bei diesem Treffen wurden aus einer Bestandsaufnahme, die alle Pfarreien des Pastoralen Raums eingereicht hatten, mögliche Themen, Projekte und Ideen für Kooperationen zwischen den Pfarreien entwickelt und gesichert. So können sich die Teilnehmer der Gruppe vorstellen, Teile der Firmvorbereitung im Pastoralen Raum gemeinsam anzugehen." Damit nicht genug: Zu den pastoralen Aktivitäten, die nach Auffassung der Prozessgruppe innerhalb des von der Insel Wangerooge bis an die Stadtgrenze Bremens reichenden Pastoralen Raums "gemeinsam gestaltet werden" könnten, werden auch "Glaubenskurse wie Alpha, Gruppenleiterausbildungen, Präventionsschulungen, die Urlauberseelsorge oder auch die 'Queerpastoral'" gezählt. Zu dem letzteren Stichwort wäre sicherlich noch etwas zu sagen, aber konzentrieren wir uns erst mal auf einen anderen Aspekt: Wie praktikabel kann eine Kooperation auf den genannten Gebieten in einem derart weitläufigen Pastoralen Raum überhaupt sein? Symptomatisch scheint es mir, dass am Ende des Artikels auf eine Informationsveranstaltung zum "Stand der Arbeit der Prozessgruppe" hingewiesen wird, die Ende März in Varel stattfinden soll. Wer fährt denn für sowas von Nordenham nach Varel? Das sind 34 Kilometer! Mal zum Vergleich: Von Siemensstadt nach Falkensee sind es "nur" 15 Kilometer, und das finde ich schon weit, obwohl man ab Spandau mit der Regionalbahn fahren kann. Von Nordenham nach Varel bräuchte man mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast drei Stunden, inklusive zweimal umsteigen. Sehr viel schneller wäre man in Delmenhorst oder sogar in Oldenburg, aber diese Orte gehören schon zu einem anderen Pastoralen Raum. Das Beispiel zeigt, dass der Zuschnitt des Pastoralen Raums Wilhelmshaven – ebenso wie auch sonst so ziemlich die gesamte Infrastruktur in diesem Landstrich – auf der Erwartung aufbaut, dass sowieso jeder Haushalt mindestens ein Auto hat. Nachhaltig finde ich das nicht gerade – und das meine ich nicht nur im ökologischen Sinne, sondern auch und gerade unter dem Aspekt des Community Building. Gemeinschaft braucht räumliche Nähe, daran ändert auch die Allgegenwart digitaler Kommunikationsmittel nichts Grundlegendes. Wenn beispielsweise im Firmkurs Jugendliche zusammensitzen, die sich ansonsten nie sehen, nicht in der Schule, nicht auf dem Bolzplatz und nicht im Skate-Park, wird das nur dazu beitragen, dass der Firmkurs als etwas vom sonstigen Leben Abgetrenntes erlebt wird, und das ist nicht gut. – Natürlich könnte man die Pläne der "Prozessgruppe" auch dahingehend verstehen, dass lediglich die (haupt- wie ehrenamtlichen) Mitarbeiter der einzelnen Pfarreien miteinander kooperieren und gemeinsame Konzepte entwickeln sollen. Aber auch da sehe ich die Gefahr einer Standardisierung, die zu Lasten einer gesunden Vielfalt ginge

Aber kommen wir mal zum zweiten interessanten Artikel in den Pfarrnachrichten: "Neue Jugendgruppe in der Pfarrei"! "Nach den Weihnachtsferien bildete sich aus eigenen Stücken der jungen Leute eine neue Jugendgruppe von 15- bis 18-jährigen Jugendlichen", liest man da. "Den Jugendlichen geht es vor allem um geistliche Inhalte, um Glaubensgespräche, um das Erlernen von Gebetsformen wie Kreuzweg oder Rosenkranz, aber auch um allgemein religiöse Themen wie der Jahreskreis der Kirche, Inhalte der Hochfeste und mehr. Das Ganze soll ergänzt werden um gemeinschaftsstiftende Inhalte wie Pizza backen, Filme gucken und gemeinsame Spielezeit im Jugendraum über der Sakristei." Ich finde, das klingt ausgesprochen vielversprechend – angefangen davon, dass die Initiative zur Gründung dieser Gruppe von den Jugendlichen selbst ausging, bis hin dazu, was über die Schwerpunktsetzung bei den Gruppenaktivitäten gesagt wird: Gemeinschaftsstiftende Veranstaltungen ja, gerne auch mit Pizza, Film- und Spieleabenden, aber vorrangig soll's um geistliche Inhalte gehen, einschließlich solcher Sachen wie Rosenkranzgebet. Find' ich prima. Aber hat die Sache auch einen Haken? Durchaus: "Begleitet wird diese Gruppe dabei von Diakon Christoph Richter." – Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich ursprünglich mal einen durchaus positiven Eindruck von Diakon Richter hatte, wenn auch hauptsächlich aufgrund der Beobachtung, dass er in der Krisensituation nach dem Rücktritt bzw. Rauswurf von Pfarrer Jortzick nahezu die einzige Person in St. Willehad schien, die von der ganzen Gemeinde einhellig geschätzt und gemocht wurde. Nun weiß ich nicht, wie es heute um sein Ansehen in der Gemeinde steht, aber bei mir hat er diesen Vertrauensvorschuss in den seither vergangenenen neun Jahren restlos aufgebraucht; sein Agieren in der Regenbogenflaggen-Affäre war da nur der letzte Tropfen, wenn auch ein ziemlich dicker. Kurzum, wenn dieser Typ die Leitung der Jugendgruppe übernimmt, dann steht zu befürchten, dass der hoffnungsvolle geistliche Aufbruch, der sich sozusagen im "Gründungsprogramm" der Gruppe niederschlägt, gleich wieder im Keim erstickt wird. Aber hoffen und beten wir mal, dass es dazu nicht kommt. 

Heiliger Aloysius von Gonzaga, bitte für uns! 
Heiliger Karl Lwanga und Gefährten, bittet für uns! 
Heiliger Johannes Bosco, bitte für uns! 
Heilige Maria Goretti, bitte für uns!

Was die in den Pfarrnachrichten angekündigten Termine in unserer Urlaubswoche anging, war an unserem Anreisetag, also am Montag, im Rat-Schinke-Haus in Burhave Gitarrenkreis; da hinzugehen war aber keine realistische Option, obwohl ich meine Gitarre in den Urlaub mitgenommen hatte. (Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass am Montagmorgen, während wir noch in der Regionalbahn von Bremen nach Nordenham saßen, am selben Ort ein morgens ökumenisches Friedensgebet stattfand.) Am Dienstag stand als einzige Veranstaltung Knobeln mit Kolping im Wochenplan, das reizte mich ja nun gar nicht. Spannender sah der Mittwoch aus, denn da war morgens Heilige Messe in Nordenham und abends Alpha-Kurs in Burhave. Mittwochs morgens zur Messe zu gehen, sind zumindest der Jüngste und ich ja eigentlich gewöhnt, allerdings hätten wir dafür eben auch so früh aufstehen und so kurz und schnell frühstücken müssen wie an einem Schultag, von daher war mir schon relativ klar, dass das nicht klappen würde. Mal auf gut Glück beim Alpha-Kurs 'reinschneien hätten wir hingegen eigentlich machen können, aber aufgrund innerfamiliärer Abstimmungsschwierigkeiten kam es dann doch nicht dazu, womit ich recht unzufrieden war. – Am Donnerstag war um 15 Uhr Heilige Messe in Burhave, anschließend traf sich die Gruppe 60+ im Rat-Schinke-Haus und Pfarrer Jasbinschek hielt einen Vortrag zum Thema "Schweizer Exerzitien mit Wandern in Gottes Natur". Demnach war wohl davon auszugehen, dass Pfarrer Jasbinschek auch die Messe hielt, und darauf hatte ich nun keine besondere Lust – zumal wir am Donnerstag schon mehr als genug anderes zu tun hatten. Am Freitag schließlich fand in St. Willehad Nordenham um 17 Uhr eine "Eucharistiefeier zum Fest der Dankbarkeit [sic]" statt, gefolgt von "gemütliche[m] Beisammensein im Pfarrheim mit Imbiss", aber da gingen wir dann doch lieber zur Kinderdisco mit anschließender Gutenachtgeschichte und aßen Burger mit Pommes. Unter dem Strich blieb also als einzige kirchenbezogene Aktivität während des Urlaubs, dass ich am Dienstag, während Frau und Kinder noch in der Spielscheune waren, der Kirche Herz Mariä Burhave einen Besuch abstattete und dort erst die Sext und dann mein selbstgestricktes "Gebet für die Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland" betete. Aber auch hier gilt, wie oben schon angemerkt: Wenn wir im Sommer wieder hier in der Gegend sind, haben wir mehr Zeit... 


Kurz notiert: Ein paar Themen "für später" 

  • Die Frankfurter Rundschau kriegt die KiTa-Krise: In einem von BuzzFeed übernommenen Artikel lässt die Frankfurter Rundschau einen Vater aus Bielefeld zu Wort kommen, der seine Tochter aus der KiTa genommen hat, "weil dort quasi dauerhaft Notbetrieb wegen Personalmangel war". Die Überschrift des Artikels bezeichnet dies als "drastischen Schritt", was mir recht bezeichnend für die "kitanormative" Einstellung ist, von der hier ausgegangen wird. So wird beklagt, "deutschlandweit" hätten "306.000 Dreijährige [...] keinen Kitaplatz" – das seien "13,6 Prozent der Kinder in diesem Alter". Derweil müssten "[d]ie Eltern, deren Kinder einen Betreuungsplatz haben, [...] immer wieder Schließungen und ungeschultes Personal in Kitas hinnehmen. Oder auch nicht, dachte sich Jannis Johannmeier aus Bielefeld" – der erklärt: "Wir konnten uns auf nichts einstellen, hatten null Planungssicherheit. Das ist doch kein Zustand". Und: "Dann lieber gar keine Betreuung!" – Ich könnte mir gut vorstellen, dieses Thema im Laufe der nächsten Woche noch genauer unter die Lupe zu nehmen. 
  • Schweizerischer Katholischer Frauenbund will nicht mehr "katholisch" heißen: Wie mehrere katholische Nachrichtenportale berichten, soll auf einer Ende Mai anstehenden Delegiertenkonferenz über eine Umbenennung des rd. 100.000 Mitglieder zählenden Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) in "Frauenbund Schweiz" entschieden werden. Spitzenfunktionärinnen des Verbandes begründen den Änderungswunsch damit, dass der Namensbestandteil "katholisch" weithin "mit Klerikalismus, Homophobie und Frauenunterdrückung assoziiert" werde. "Mit dem K im Namen müssen wir erklären, was wir alles nicht sind", wird eine Vertreterin des Verbandes zitiert. Also, ich persönlich begrüße diesen Vorstoß und finde, er sollte auch in Deutschland Schule machen. Zum Beispiel beim BDKJ. Gleichzeitig stellt sich natürlich die Frage, ob die betreffenden Verbände trotzdem weiterhin aus Kirchensteuermitteln finanziert werden möchten. Ich schätze, auch das gäbe Stoff für einen eigenständigen Artikel ab... 


Neues vom Schulkind 

(Diesmal nicht von unserem Schulkind, denn bei uns waren ja, wie gesagt, gerade Ferien

"Die Schule unserer Kinder hat eine Schulwährung eingeführt, die die Kinder durch gutes Benehmen und gute Leistungen verdienen können und für die sie dann z.B. T-Shirts oder Eiswaffeln kaufen können. Innerhalb von 24 Stunden gab es Diebstahl, Erpressung und die Organisation eines Fälscherrings – und das alles nur in der 1. und 2. Klasse. Im Endergebnis war es eine ziemlich gute Lektion darüber, wie Geld funktioniert." 

(Simcha Fisher auf Facebook; Übersetzung von mir) 


Geistlicher Impuls der Woche 

Weil Gott ein unbestechliches Gericht in uns hineingelegt hat, das nie und nimmer zerstört werden kann, verurteilen sogar die Bösen sich selbst. Bezeichnet jemand sie mit ihrem richtigen Namen, dann schämen sie sich und werden ärgerlich und nennen es Frechheit. So verdammen sie selbst, was sie tun, wenn auch nicht durch ihre Werke, so doch durch Worte, in ihrem Gewissen, oder vielmehr auch durch ihre Werke. Denn weil sie ihre Werke heimlich und im Verborgenen tun, erbringen sie den Beweis, was für eine Meinung sie davon haben. Das Laster ist ja so offenkundig, dass selbst jene es verdammen, die ihm frönen. Und die Tugend ist so, dass sie auch bei denen in Bewunderung steht, die sie verfolgen. Auch der Unzüchtige lobt die Keuschheit, der Habsüchtige verdammt die Ungerechtigkeit, der Zornmütige bewundert die Geduld und tadelt den Kleinmut und der Ausgelassene die Ausschweifung. So mächtig ist in uns das Zeugnis der Ehrbarkeit und Sitte. So ist also das Gute strahlender als die Sonne und das Gegenteil hässlicher als alles. 

(Johannes Chrysostomus, Homilien zum Hebräerbrief) 


Ohrwurm der Woche 

Bill Withers: Lovely Day 

Ein Song, der die Urlaubsstimmung hervorragend einfängt. Tatsächlich lief "Lovely Day" während unseres Aufenthalts auch mal im "Market Dome" unserer Ferienanlage, allerdings in einer eher verzichtbaren Coverversion. Wozu ich sagen möchte: Davon, einen derart perfekt arrangierten Song zu covern, kann ich nur abraten. Man kann dabei eigentlich nur verlieren. 


Vorschau / Ausblick 

Wenn dieser Artikel online geht, sind wir irgendwo zwischen Nordenham und Hannover unterwegs, da unsere Rückreise sich dank Streckenunterbrechungen mit Schienenersatzverkehr etwas komplizierter gestaltet als die Hinfahrt; erst spät in der Nacht werden wir zurück in Berlin sein, und dann steht zu erwarten, dass wir morgen erst mal gründlich ausschlafen müssen. Zur Erfüllung der Sonntagspflicht böte sich unter diesen Umständen die Abendmesse in Herz Jesu Tegel an, aber wenn sich irgendeine andere praktikable Option abzeichnet, würde ich die wohl vorziehen. Am Montag beginnen Schule und Arbeit wieder, am Mittwoch ist wieder JAM – da wird man sehen, wie es mit dem Thema "Elternanwesenheit in der Kinderkatechese" weitergeht –, und am Freitag gibt es eine Veranstaltung des Erzbistums Berlin für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit, da habe ich mich aufs Geratewohl einfach mal angemeldet. "Kickoff Jugendpastoral" nennt sich das Ganze, der Flyer verspricht Kennenlernen, Buffet, Austausch und Gebet. Schauen wir mal... 


Mittwoch, 5. Februar 2025

DOSSIER: Gemeindeerneuerung

Wir erinnern uns: Während meiner Arbeit an dem zweiteiligen Dossier "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?" hat sich herauskristallisiert, dass verschiedene daran angrenzende oder damit verbundene Themen jeweils ihr eigenes Dossier verdienen; und an erster Stelle betrifft das den Themenbereich "Gemeindeerneuerung". In nicht weniger als 30 Artikeln auf meinem Blog findet sich dieses Stichwort, acht Fundstellen gibt es für "Gemeindeaufbau" und sieben für den neutraleren Begriff "Gemeindeentwicklung"; wobei natürlich nicht alle diese Fundstellen gleichermaßen relevant und ergiebig sind. 

Erstmals tauchen die genannten Schlagworte, und zwar gleich alle drei auf einmal, im Frühjahr 2018 auf "Huhn meets Ei" auf; das ist relativ spät, was wohl ein recht deutliches Indiz dafür darstellt, dass die Idee der "Punkpastoral" – oder, anders ausgedrückt, der "christlichen Graswurzelrevolution" – ursprünglich nicht auf Gemeindeaufbau bzw. Gemeindeerneuerung ausgerichtet war. In dem allerersten Artikel auf meinem Blog, in dem diese Begriffe erwähnt werden, hat der Gemeindeaufbau es jedoch direkt in die Überschrift geschafft: "Gemeindeaufbau statt 'Churchhopping' – Es tut sich was!" heißt dieser Artikel vom 07.03.2018, und es liegt wohl auf der Hand, dass dieser Artikel ausgesprochen grundlegend für meine Auseinandersetzung mit diesem Thema ist; also fangen wir damit mal an. 

Der Artikel kommt zunächst einmal als Erzählung darüber daher, wie meine Liebste und ich überhaupt dazu gekommen sind, uns in der damaligen Pfarrei Herz Jesu Tegel (die hier allerdings anonymisiert als "St. X" erscheint) zu engagieren; als richtungsweisende Inspirationsquellen für unser Engagement werden Rod Drehers "Benedikt-Option", Fr. James Mallons "Divine Renovation – Wenn Gott sein Haus saniert" sowie das von Johannes Hartl, P. Karl Wallner OCist und Bernhard Meuser herausgegebene "Mission Manifest"-Buch genannt; was diesen Blogartikel aber vor allem, auch über die konkreten Umstände seiner Entstehung hinaus, zu einem Grundlagentext für mein Verständnis von Gemeindeaufbau bzw. Gemeindeerneuerung macht, sind die beiden darin eingebetteten Konzeptpapiere, die ich seinerzeit den Mitarbeitern und Gremien von Herz Jesu Tegel vorgelegt habe. Das erste, mit der dem 1. Petrusbrief entnommenen Überschrift "Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen!", ist eher ein Thesenpapier zu Grundfragen der Gemeindearbeit; da dies dem Lokalausschuss von Herz Jesu nicht praxisorientiert genug war, folgte darauf noch ein "Brainstorming Gemeindeentwicklung" – "eine möglichst breit gefächerte Sammlung von Ideen", wie ich damals schrieb; mit ihrer Veröffentlichung auf meinem Blog verband ich die "Hoffnung, dass sie den einen oder anderen Leser dazu inspiriert, einzelne Punkte daraus selbständig weiterzudenken und womöglich in seiner eigenen Pfarrgemeinde zu verwirklichen", und die Hoffnung, dass dieses "Brainstorming" zu diesem Zweck taugt, habe ich auch heute noch. Auch wenn in der Tegeler Pfarrei kaum etwas davon umgesetzt wurde – wofür es sicherlich eine Reihe von Gründen gab, die zum Teil wohl auch nicht unbedingt spezifisch für diese eine Pfarrei sind. Aus heutiger Sicht glaube ich, ein nicht unwesentlicher Grund, warum das Ganze do mehr oder weniger im Sande verlaufen ist, liegt darin, dass in Pfarreigremien typischerweise Leute sitzen, die mit dem Prinzip "Brainstorming" nichts anfangen können. Die also nicht verstehen, dass es zunächst einmal darum geht, möglichst viele Dinge an die Wand zu werfen und zu gucken, was kleben bleibt. Anstatt also aus einer solchen per Brainstorming erstellten Liste von Vorschlägen einen oder zwei oder drei herauszugreifen und zu sagen "Damit fangen wir jetzt an, den Rest stellen wir erst mal zurück", sehen sie nur, wie umfangreich die Liste insgesamt ist, fühlen sich überfordert und fangen gar nicht erst an. 

– Dabei möchte ich betonen, dass es sich hier noch fast durchweg um "ganz einfache" Vorschläge handelte, die sich ohne großen Aufwand und ohne besondere Qualifikation hätten verwirklichen lassen, wenn man nur gewollt hätte. Also schaut mal rein in die Liste und macht was draus, Leser! – Zu den etwas anspruchsvolleren Ideen zählte das hier erstmals angesprochene Projekt einer "Garten-AG", aber das wäre wohl eher ein Thema für ein eigenes Dossier. 

Nur drei Tage nach diesem Grundsatzartikel erschien der Artikel "Ein Jahr Mittwochsklub – und das ist erst der Anfang!", in dem die Schlagworte "Gemeindeaufbau" oder "Gemeindeerneuerung" zwar nicht explizit erwähnt werden, der aber trotzdem einige bemerkenswerte Schlaglichter zum Thema aufzuweisen hat. Dazu gehört einerseits der Hinweis, es sei wichtig, gemeindebezogene Aktivitäten im Gebet zu verankern, und andererseits eine weitere, kürzere Liste von Projektideen, unter denen insbesondere das hier erstmals dokumentierte Büchereiprojekt zu erwähnen ist – auch das ein Thema, das wohl sein eigenes Dossier verdient. 

Ein weiterer Artikel, bei dem das Schlagwort "Gemeindeaufbau" schon in der Überschrift auftaucht, erschien am 23. Juli 2018: "Das Stadtteilfest vor der Haustür – Eine Modellrechnung in Sachen Gemeindeaufbau". Den konkreten Anlass für diesen Artikel bildete das Tegeler Hafenfest bzw. die Tatsache, dass ich ziemlich spontan und improvisiert einen Infostand auf dem Kirchvorplatz von Herz Jesu Tegel organisiert hatte, um die zahlreichen Passanten auf die Kirchengemeinde aufmerksam zu machen. An diesen Erfahrungsbericht knüpfen sich allerdings allerlei grundsätzliche Überlegungen, die auch in späteren Artikeln zum Thema Gemeindeaufbau/ Gemeindeerneuerung immer wieder eine Rolle spielen. Ein zentraler Punkt ist hierbei die Frage der "Beteiligungsquote" – also die Frage, wie groß unter den nominellen Mitgliedern einer Pfarrgemeinde der Anteil derer ist, die für die aktive Mitarbeit "in der Gemeinde und für die Gemeinde" gewonnen werden können. In diesem Zusammenhang formulierte ich "die steile These: Für ein gutes, gesundes Gemeindeleben sollte eine Beteiligungsquote von 1% aller Mitglieder eigentlich das Minimum sein. Und dass wir uns daran gewöhnt haben, es als normal hinzunehmen, dass diese Quote nicht erreicht wird, ist ein wesentlicher Teil des Problems." Der Artikel enthält auch ein Zitat aus Father Mallons "Wenn Gott sein Haus saniert", in dem argumentiert wird, es sei "ein Irrtum, anzunehmen, man könne oder müsse anderen Menschen dadurch Wertschätzung zeigen, dass man es möglichst vermeidet, Ansprüche an sie zu stellen; tatsächlich sei das glatte Gegenteil der Fall". 

Bei alledem bleibt indes zu bedenken, "dass der Wert des freiwilligen Engagements gerade darin liegt, dass es eben freiwillig ist. Es wäre also ein Widerspruch in sich, daraus eine Pflicht machen zu wollen. Die Leute müssen schon selbst aktiv werden wollen." Was natürlich die Frage nach sich zieht: "Wie aber bringt man sie dazu, dass sie wollen?" – Mein Lösungsvorschlag hierzu lautet:

"Ich würde ja sagen, zur Mitarbeit in der Kirchengemeinde motiviert man Leute am besten, indem man ihnen bewusst macht, dass ein reichhaltiges, lebendiges, vielfältiges Gemeindeleben etwas Gutes, Schönes und Wertvolles ist; so gut und so wertvoll, dass es die Mühe wert ist, selbst etwas dazu beizutragen. Und indem man ihnen vermittelt, dass es so viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt, sich ins Gemeindeleben einzubringen, dass für jeden etwas dabei ist, was seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Um das glaubwürdig vermitteln zu können, muss man allerdings erst mal dafür sorgen, dass die Realität in der Pfarrei wenigstens in Ansätzen diesem Bild entspricht. Das heißt, solange man die 1%-Hürde nicht übersprungen hat, müssen die wenigen Aktiven erst einmal ein überproportionales Maß an Arbeit investieren. Das erste Stück den Berg hoch ist das steilste". 

Nicht explizit erwähnt werden die Schlagworte Gemeindeaufbau, Gemeindeerneuerung oder Gemeindeentwicklung in dem Artikel "Was kommt nach der Volkskirche?" (05.04.2018), den ich aber dennoch als relevant für dieses Thema einstufen möchte – nicht nur, aber besonders wegen des Schlusssatzes: "Sich im Gebet Gottes Führung anzuvertrauen und dann im kleinen Rahmen selbst sein Möglichstes zu tun, ist ohne Zweifel fruchtbarer, als nur darüber zu zagen und zu klagen, was im Großen alles verkehrt läuft." 

Ganze 14 Artikel, in denen die Begriffe Gemeindeaufbau, Gemeindeerneuerung und/oder Gemeindeentwicklung auftauchten, erschienen auf meinem Blog im Jahr 2019; das ist ein einsamer Rekord, was allerdings auch damit zusammenhängen mag, dass im darauffolgenden Jahr Corona kam und jedwede sinnvolle Gemeindearbeit erst einmal zum Erliegen brachte. Zuweilen habe ich den Eindruck, viele Gemeinden haben sich von diesem Schlag bis heute nicht von diesem Schlag erholt. 

Aber mal der Reihe nach: Bereits Ende Januar 2019 veröffentlichte ich unter der Überschrift "Ins Wasser fällt ein Senfkorn (...oder so)" einen Artikel, der im einleitenden Absatz "interessante und durchaus gemischte Eindrücke und Anregungen in Hinblick auf mein Dauerbrennerthema 'Gemeindeentwicklung/ -erneuerung'" verspricht. Im ersten Teil des Artikels geht es um eine Buchvorstellung zur "Benedikt-Option" in einer Pfarrei in Prenzlauer Berg; relevant für das Thema dieses Dossiers ist hier, dass die Publikumsreaktionen bei dieser Veranstaltung mir den Eindruck vermittelten, Gemeinden, die von einer "Besserverdienenden"-Klientel dominiert werden, seien für die Idee einer "geistliche[n] Erneuerung als Graswurzelbewegung" besonders wenig zugänglich: 

"Man ist gutbürgerlich, arriviert, vom Gemüt her eher konservativ, dabei aber moderat -- auch und gerade in Glaubensdingen. Auf keinen Fall möchte man irgendwie für radikal gehalten werden." 

Im zweiten Teil geht es dann um den Neujahrsempfang für die Ehrenamtlichen der Tegeler Pfarrei; dieser Teil ist nicht so ergiebig, wie man hätte denken bzw. hoffen können, enthält aber doch immerhin allerlei interessante Details zum Gemeindeverständnis, zur Bedeutung des Ehrenamts und auch zu konkreten Projekten in der Tegeler Pfarrei (z.B. zum Büchereiprojekt). 

Im weiteren Verlauf der ersten Jahreshälfte 2019 erschienen noch einige für das Thema Gemeindeerneuerung eher marginal relevante Artikel, auf die zum Teil jedoch weiter unten noch zurückzukommen sein wird; richtig interessant wird es dann wieder mit dem Artikel "Das Hüpfburg-Dilemma" vom 07.07.2019, der durch Konflikte bei der Planung und Vorbereitung eines Gemeindefests in Herz Jesu Tegel veranlasst wurde. Der Artikel ist unverkennbar mit sehr viel Frust geschrieben – z.B. über Gremiensitzungen, in denen "regelmäßig eine Menge Zeit und Energie damit vergeudet" wird, "durcheinander und aneinander vorbei zu reden"; über einen Kirchenvorstand, der es offenbar als seine Aufgabe" betrachtet, "so zu tun, als sei kein Geld da", auch wenn das nachweislich nicht stimmt; und nicht zuletzt über die "mal mehr, mal weniger explizit geäußerte Einstellung 'Wir sollten nicht so viel Aufwand betreiben, nachher kommt sowieso nur eine Handvoll Leute'" ("meiner Überzeugung nach die verlässlichste self-fulfilling prophecy der Welt") –, aber ich würde sagen, das spricht nicht gegen ihn; im Gegenteil, das alles sind Dinge, die auch über den konkreten Einzelfall hinaus relevant sind. Eine zentrale Erkenntnis dieses Artikels, die auch in späteren Texten immer wieder eine Rolle spielen wird, besteht in der Feststellung, wie wichtig es für die Gemeindearbeit ist, eine Vision zu haben und diese auch klar zu kommunizieren – oder andersherum ausgedrückt: wie schädlich es ist, keine zu haben – denn dann "wird nur ziel- und lustlos herumgewurschtelt" und "Potentiale werden vergeudet". Im konkreten Fall der Vorbereitung des Gemeindefests in Herz Jesu identifizierte ich es als ein zentrales Problem, 

"dass wir uns nicht zunächst einmal darüber verständigt hatten, warum und wozu wir überhaupt ein Pfarrfest wollen. Wir hatten stillschweigend vorausgesetzt, wir wären uns darüber einig, aber das war nicht der Fall. Meine Liebste, und mit ihr auch ich, hatte das Pfarrfest in erster Linie als eine Chance betrachtet, die Gemeinde mit ihren Nachbarn im Kiez in Kontakt zu bringen und ein Publikum anzusprechen, das von sich aus eher nicht den Kontakt zur Kirche suchen würde. Und wir waren naiv davon ausgegangen, es herrsche Konsens über diese Zielsetzung. Nun zeigte sich aber, dass die Alteingesessenen im Lokalausschuss eher an Kaffeeklatsch für die Kerngemeinde gedacht hatten". 

Auch dies verweist auf ein Problem, das über den konkreten Einzelfall hinausweist: das Problem, "dass selbst die Gutwilligen unter den aktiven Gemeindemitgliedern ganz grundsätzlich nicht auf die Idee kommen, Angebote für Leute zu machen, die nicht sowieso schon zur Kerngemeinde gehören. Das ist nicht böse gemeint, aber es kommt in ihrem Denken schlichtweg nicht vor." 

Diesem Problem widmet sich auch der Artikel "Dein Tegelprojekt, mein Tegelprojekt" vom 07.09.2019. Den Aufhänger für diesen Artikel bildet die Tatsache, dass auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel eine neue Wohnsiedlung für über 10.000 Menschen entstehen soll; zu dem Zeitpunkt, als ich davon erfuhr, gehörte das betreffende Gebiet zur Pfarrei St. Rita, die inzwischen aber in der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd aufgegangen ist. Der Ausgangspunkt meiner Erwägungen in diesem Artikel war: Das neue Wohngebiet wird der örtlichen Pfarrgemeinde aller Voraussicht nach einen erheblichen Mitgliederzuwachs bescheren; hat die Pfarrei das überhaupt auf dem Schirm, hat sie irgendwelche Pläne, wie sie sich auf diese Situation einstellen will? Meine Vermutung lautete: wohl nicht

"Es liegt nicht an bösem Willen und auch nicht im strikten Sinne an Inkompetenz, sondern vielmehr daran, dass die Leute von vornherein nicht so weit denken. Es liegt schlichtweg außerhalb ihres Horizonts, dass eine Ortspfarrei mehr oder etwas anderes tun könnte (geschweige denn müsste) als das volkskirchliche Standardprogramm 'runterzuspulen: regelmäßige Gottesdienste für die schrumpfende Kerngemeinde und lebensabschnittsbezogene Familienfeiern für distanzierte Kirchensteuerzahler. Ach so, es ziehen neue Leute in unser Gemeindegebiet? Na, wenn die was von uns wollen – zum Beispiel heiraten oder ein Kind taufen lassen –, dann werden sie sich schon bei uns melden. – Im Ernst: Es wird ja nicht einmal der Versuch unternommen, Leute, die nur zu solchen Anlässen ausnahmsweise mal in der Kirche auftauchen, dazu zu motivieren, auch mal ohne einen solchen Anlass wiederzukommen. Wie sollte man dann erwarten, dass jemand auf die Idee käme, etwas für Leute zu tun, die von sich aus überhaupt nicht in der Kirche auftauchen, ja womöglich nicht einmal Kirchensteuer zahlen?" 

Bemerkenswert ist dieser Artikel nicht zuletzt auch deshalb, weil ich in diesem Zusammenhang erstmals die Absicht äußere, in Herz Jesu Tegel für den Pfarrgemeinderat zu kandidieren – wobei auch der Hinweis nicht fehlt, mein Freund Rod Dreher habe das als ein Zeichen von Masochismus bezeichnet. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, mit meiner Kandidatur für den Pfarrgemeinderat verfolgte ich vorrangig die Absicht, "eine Leitbilddebatte anzustoßen"; Spoiler: Diese Absicht scheiterte am hartnäckigen Widerstand der anderen Ratsmitglieder, die lieber weiter plan- und ziellos herumwurschteln wollten. Immerhin enthält der Artikel "Dein Tegelprojekt, mein Tegelprojekt" ein Zitat aus "Wenn Gott sein Haus saniert", in dem Fr. Mallon bekräftigt, dass eine Pfarrei eine "formulierte Vision" braucht, und ich formuliere selbst einem Entwurf zu einer Zielerklärung, an dem ich auch über fünf Jahre später noch nichts zu verbessern gefunden habe: 

"Unser Ziel ist es, den Menschen in unserem Stadtteil die Begegnung mit Jesus Christus in Wort und Sakrament zu ermöglichen und eine Gemeinschaft zu bilden, deren Mitglieder sich gegenseitig darin unterstützen, im Glauben und in der Liebe zu wachsen".

Zudem äußerte ich die Ansicht, man müsse "alle Aktivitäten der Pfarrei danach evaluieren, ob sie diesem Ziel dienen oder nicht oder wie sie diesem Ziel besser dienen könnten". – Erwähnen wir schließlich noch die Idee zu einer "Hausaufgabe für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Pfarrei – nicht nur unserer, sondern jeder beliebigen Pfarrei": 

"Geht mal in die Fußgängerzone oder ins Shopping-Center, schaut euch die Leute an, die euch da begegnen, und horcht mal in euer Herz hinein, ob da irgendwo der Wunsch ist, diese Leute sollten Jesus kennenlernen. Und wenn ja, dann fragt euch, was ihr dafür tun könnt." 

Eine Art Ergänzung oder Fallbeispiel zu diesem letzten Punkt stellt der rund sechs Wochen später veröffentlichte Artikel "Rocket Man und die Jugendlichen vom Brunowplatz" dar. Den Aufhänger bildet hier eine Begegnung mit "Jugendliche[n], die nachts vor der Kirche sitzen und singen": 

"Die Frage, die sich mir dabei [...] aufdrängt, ist: Wie bekommt man sie in die Kirche hinein? Und ich könnt' mich schon wieder aufregen, wenn ich daran denke, dass die meisten (haupt- wie ehrenamtlichen) Mitarbeiter der Pfarrei, trüge man diese Frage an sie heran, erst einmal zurückfragen würden: 'Ja sind die denn überhaupt katholisch?'"

Damit knüpft dieser Artikel natürlich auch an die in "Das Hüpfburg-Dilemma" festgehaltene Beobachtung an, "dass selbst die Gutwilligen unter den aktiven Gemeindemitgliedern ganz grundsätzlich nicht auf die Idee kommen, Angebote für Leute zu machen, die nicht sowieso schon zur Kerngemeinde gehören". Diesen Umstand tadele ich hier als "Schrebergartenvereinsmentalität", die sich "an tausend Kleinigkeiten" zeige: 

"wie zum Beispiel auch daran, dass an der Tür zur Außentoilette der Kirche (die seit Kurzem, dank des tatkräftigen Einsatzes meiner Liebsten und meiner bescheidenen Person, auch mit einem Babywickeltisch ausgestattet ist), kein Toilettensymbol angebracht ist, damit bloß niemand diese Toilette benutzt, der nicht zur Gemeinde gehört. Wie gesagt: Ich könnt' mich schon wieder aufregen." 

Das Thema Kandidatur für den Pfarrgemeinderat wird knapp zwei Wochen später in "Isch kandidiere!" wieder aufgegriffen; in diesem Artikel gebe ich die gewagte Prognose ab, wenn die Pfarrei Herz Jesu Tegel "nicht ihre sämtlichen Ressourcen darauf ausrichtet, Neuevangelisation zur obersten Priorität zu machen", dann werde sie "die nächsten zehn Jahre nicht überleben" ("und ich möchte hinzufügen: dann verdient sie auch nicht zu überleben"). Nachdem nun gut die Hälfte der angegebenen Zeitspanne vorbei ist, wäre vielleicht mal ein Statusbericht angebracht: Also, technisch gesehen besteht die Pfarrei tatsächlich schon seit 2023 nicht mehr, allerdings nur, weil sie in der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd aufgegangen ist. Und dieser traue ich es durchaus zu, länger als weitere fünf Jahre zu überleben – auch wenn ich nicht überzeugt bin, dass sie es verdient. Ich schätze, ich habe damals einfach die Langlebigkeit institutioneller Strukturen unterschätzt; wie es in meinem Lieblingsroman, "Die geheime Geschichte" von Donna Tartt, heißt: Auch das Römische Imperium führte sich in einem gewissen Sinne selbst weiter, nachdem längst niemand mehr da war, der es führte, und nachdem der Grund für seine Existenz sich längst restlos verflüchtigt hatte. – Aber lassen wir das mal beiseite; jedenfalls ist Neuevangelisation (inzwischen sage ich ja lieber Neuevangelisierung, aber von der Sache her bleibt sich das ja gleich) ein zentraler Begriff dieses Blogartikels: Es gibt Hinweise zur Begriffsgeschichte, es wird auf verschiedene päpstliche Dokumente von "Evangelii nuntiandi" (Hl. Paul VI., 1975) bis hin zum Schreiben "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" (Papst Franziskus, 2019) Bezug genommen, und nicht zuletzt enthält der Artikel einen bezeichnenden Auszug aus "Wenn Gott sein Haus saniert", in dem Fr. Mallon die Aufgabe der Kirche mit der Funktionsweise eines Fotokopierers vergleicht. Derweil laden diejenigen Passagen des Artikels, in denen ich darlege, wozu ich mein Mandat als Pfarrgemeinderatsmitglied (denn daran, dass ich gewählt werden würde, bestand kein realistischer Zweifel) zu nutzen gedachte, zu einem ernüchternden Vergleich damit ein, was meine Arbeit im Pfarrgemeinderat tatsächlich "gebracht" hat. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, ich hatte die Entschlossenheit der anderen Ratsmitglieder, um jeden Preis im alten Trott zu verharren, schlichtweg unterschätzt. 

Weitere vier Wochen später war die Wahl über die Bühne gegangen, und ich postete einen weiteren Grundsatzartikel – mit einer für manche Leser vielleicht überraschenden Stoßrichtung: "Gemeindeerneuerung als Fertigbausatz?" lautet der Titel, und darin bewerte ich es als "eine Versuchung, sich einzubilden, man könnte Gemeindeerneuerung quasi als Fertigbausatz kaufen und hätte damit die Lösung aller Probleme in Sack und Tüten". Auslöser für diese Stellungnahme war eine Diskussion auf Twitter, in der mir die Einschätzung mitgeteilt wurde, dort, wo in den Gremien und Institutionen der katholischen Kirche in Deutschland "Neuevangelisierung überhaupt ein Anliegen ist", würden aktuell "überwiegend zwei Ansätze" diskutiert, nämlich einerseits "REBUILT" und andererseits "Divine Renovation". Wozu ich etwas übellaunig anmerkte, ich könne mir "kaum eine gruseligere Kombination vorstellen als 'Rebuilt plus deutscher Gremienkatholizismus'". – Über das REBUILT-Modell von Gemeindeerneuerung hatte ich mich schon ziemlich zu Beginn des Jahres 2019 in einem Artikel mit dem vielsagenden Titel "Rebuilt? Ich weiß ja nicht..." ausführlich und kritisch geäußert; auffällig ist jedoch, dass ich hier auch das bisher immer nur mit ausgesprochen positiver Bewertung erwähnte "Divine Renovation"-Konzept nicht aus meiner Kritik ausnehme: 

"Vor meinem geistigen Auge tauchen Szenarien auf wie in handelsüblichen 'Home Improvement'-Fernsehshows à la 'Einsatz in vier Wänden': Ding-dong macht es an der Pfarrhaustür, und draußen steht nicht Tine Wittler, sondern entweder Fr. Mallon oder Fr. White, im Hintergrund steht ein Möbelwagen, auf dem entweder der Schriftzug 'REBUILT' oder 'Divine Renovation' prangt, und im Handumdrehen wird aus der verschnarchten deutschen Pfarrkirche eine amerikanische Megachurch mit Band, Videoleinwänden, Nebelmaschine und einem Espresso-Vollautomaten im Foyer. Okay, ich übertreibe." 

Dabei ging es mir, wie ich betonte, gar nicht darum, zu "bestreiten, dass ein ästhetisches Makeover der Selbstrepräsentation einer Pfarrei, bessere Musik im Gottesdienst, ja sogar eine bessere Kaffeemaschine sinnvoll und nützlich sein kann": 

"Aber letztlich ist das alles von nachrangiger Bedeutung.  Was eine Pfarrei wie beispielsweise 'meine' – und ich bin ziemlich überzeugt, dass sie in dieser Hinsicht repräsentativ für viele Pfarreien hierzulande ist – wirklich braucht, ist eine Erweckung; und das ist etwas, was man nicht auf administrativem Wege 'machen' kann. Man kann allenfalls die Rahmenbedingungen dafür verbessern, dass die Gemeindemitglieder eine Erweckung erleben oder, umgekehrt, dass Menschen, die eine Erweckung erlebt haben, in der Gemeinde Heimat finden. [...] Was tun wir dafür, dass Menschen [...] zu uns kommen, und wie tragen wir Sorge dafür, dass sie bei uns gut aufgehoben sind? Wenn ich ehrlich bin, könnte ich meine Pfarrgemeinde in ihrer jetzigen geistlichen Verfassung keinem neu- oder wiederbekehrten Christen guten Gewissens empfehlen. Schlimmer noch, ich habe zunehmend den Eindruck, die Verantwortlichen der Pfarrei würden solche Leute gar nicht haben wollen; mit Begeisterung oder Leidenschaft für Christus können die überhaupt nicht umgehen." 

Diese Einschätzung über eine Pfarrei, in der ich mich just in den Pfarrgemeinderat hatte wählen lassen, vermittelt natürlich bereits einen recht farbenprächtigen Eindruck davon, warum das mit mir und dem Pfarrgemeinderat nicht lange gut ging, aber das sei mal nur am Rande bemerkt. Näher eingehen möchte ich hingegen auf den in diesem Artikel enthaltenen Hinweis auf das Buch "So stark wie das Leben" von Francine Rivers, in dem es "wiederholt und treffend heißt: Wachstum ist nicht zwingend ein Zeichen von Gesundheit – Krebs wächst auch." Von diesem Buch, das ich leider nie zu Ende gelesen habe, da es mir auf unglückliche Weise abhanden gekommen ist, ist ausführlicher in der Kaffee & Laudes-Folge vom 02.09.2019 die Rede: Es handelt sich dabei um einen Roman, in dem ein "junge[r], hochmotivierte[r] Pastor [...] angeheuert wird, um einer überalterten, vom Aussterben bedrohten Vorstadtgemeinde neues Leben einzuhauchen", sich jedoch "überraschend schnell zur Negativfigur" entwickelt – "und dies gerade durch seine Erfolge": So zeigt sich, dass dieser Pastor "sich allzu sehr an weltlichen Erfolgsmaßstäben orientiert, auch im Umgang mit Gemeindemitgliedern und Mitarbeitern ein allzu pragmatisches Kalkül an den Tag legt und alles in allem eher wie ein Manager agiert als wie ein Seelsorger". Während ich einerseits anmerkte, der Roman bestärke mich "in meiner Skepsis gegenüber Gemeindeerneuerungs-'Erfolgsrezepten' à la 'Rebuilt'", hatte ich andererseits durchaus auch etwas an der Message des Buches auszusetzen – nämlich, dass "die Autorin für meinen Geschmack erheblich zu viel Sympathie für die Fraktion der alten Säcke" zeige, "die sich aus Prinzip gegen jede Art von Veränderung sträuben": 

"Deren Verhalten ist schließlich offenkundig widersinnig: Sie sehen zwar, dass es in ihrer Gemeinde nicht so weitergehen kann wie bisher – genau deswegen engagieren sie ja den neuen Pastor –, aber gleichzeitig wollen sie, dass alles so bleibt, wie es schon immer war. Vielleicht reagiere ich nicht zuletzt deshalb so allergisch darauf, weil solche Leute mir bei der Basisarbeit zu Hause in Tegel mehr zu schaffen machen als irgendwelche 'progressiven' Kryptohäretiker". 

Ich fügte noch hinzu, diese Beobachtung erinnere mich daran, "dass ich meinen angefangenen Lang-Essay zum Thema 'Lagerdenken in der Kirche' mal weiterschreiben muss" – wozu ich indes bis heute nicht gekommen bin... 

Zu der Bemerkung, bei der Basisarbeit in Tegel machten mir die Leute, "die sich aus Prinzip gegen jede Art von Veränderung sträuben", mehr zu schaffen als Leute mit einem "progressiven" Selbstverständnis, passt auch der in der Kaffee & Laudes-Folge vom 16.12.2019 enthaltene Bericht über die konstituierende Sitzung des Pfarrgemeinderats von Herz Jesu Tegel, der in mehr als einer Hinsicht dokumentiert, dass mein Versuch, das Anliegen der Gemeindeerneuerung in dieses Gremium hineinzutragen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Als den Kernsatz der Schilderung betrachte ich rückblickend immer noch die Aussage, ich hätte mich in der Sitzung gefühlt "wie Atréju im Dialog mit der Uralten Morla"; bemerkenswert ist zudem auch die folgende – ziemlich sicher nicht nur auf diese eine Pfarrei zutreffende – Beobachtung: 

"Konflikte gibt es innerhalb der Kerngemeinde – auch und nicht zuletzt unter den wenigen 'Aktiven' sowie zwischen diesen und dem Pfarrer – zwar mehr als genug, aber wenn es gilt, den Status quo aufrecht zu erhalten und alles, was irgendwie neu oder anders ist, zu marginalisieren und abzuwürgen, halten sie alle zusammen. Symptomatisch dafür ist, dass aus dem alten Pfarrgemeinderat zunächst niemand für den neuen kandidieren wollte und nun mit wenigen Ausnahmen doch wieder dieselben Leute im Rat sitzen wie vor der Wahl." 

Der Punkt mit dem Zusammenhalten fand übrigens bald darauf eine eindrucksvolle Bestätigung, als der Pfarrer die Tatsache, dass ich die Pfarrgemeinderatssitzung auf meinem Blog erwähnt hatte, zu einem Skandal aufblies und androhte, die weiteren Sitzungen dieses erlauchten Gremiums zu boykottieren: Der ganze Rat, abgesehen von meiner bescheidenen Person natürlich, schlug sich auf die Seite des Pfarrers. 

Es ist somit wohl kaum als zufällig zu betrachten, dass gerade in der Zeit, in der ich Mitglied im Pfarrgemeinderat war, das Thema Gemeindeerneuerung auf meinem Blog erst einmal nur noch sporadisch eine Rolle spielte: Im gesamten Jahr 2020 tauchte dieses Schlagwort nur in zwei Artikeln auf, im Jahr 2021 bis zu meinem Rücktritt aus dem Pfarrgemeinderat noch viermal. Natürlich spielte dabei auch die Corona-Panik eine gewichtige Rolle, insofern, als sie die praktische Basisarbeit in Sachen Gemeindeerneuerung weitestgehend zum Erliegen brachte. Wie ich in meinem Artikel "Ein Herz-Jesu-Monat voller Abenteuer" (31.05.2021) schrieb, "liebäugelte ich" in dieser Zeit "mit der Vorstellung, mich wie einst der Hl. Benedikt für eine Weile in eine Höhle zurückzuziehen, um anschließend die Welt aus den Angeln zu heben": 

"Keine buchstäbliche Höhle natürlich, aber eine metaphorische. Zweifellos hatte ich da etwas übertrieben romantische Vorstellungen vom Lockdown, denn im Großen und Ganzen ging das Leben ja doch relativ normal weiter. [...] Was von der Idee mit der 'Höhlenzeit' praktisch übrig blieb, wenn man alle pathetische Übertreibung abzieht, war der Entschluss, eine Zeit, in der viele Aktivitäten wegfallen, dafür zu nutzen, umso mehr konzeptionell zu arbeiten." 

Die bedeutendste "Frucht dieses Entschlusses" war ein "16 Seiten langes Konzeptpapier zur Gemeindeerneuerung aus dem Geist von Evangelisierung, Katechese und Jüngerschaft, das ich den Hauptamtlichen unseres Pastoralen Raums sowie den Mitgliedern des örtlichen Pfarrgemeinderats am Heiligabend 2020 per Mail zukommen ließ. Wie man sich vorstellen kann, löste dieses Weihnachtsgeschenk keine ungeteilte Begeisterung aus, gab aber immerhin den entscheidenden Anstoß zur Gründung einer 'AG Neuevangelisierung' im Pastoralausschuss", die in der Folgezeit auch tatsächlich Einiges auf die Beine stellte. Den Link zum Thesenpapier gibt's hier; und damit ist dann auch schon das meiste gesagt, was ich zu diesem Thema zu sagen habe. 

– Aber noch nicht ganz: Im Juni 2023 veröffentlichte ich unter dem Titel "Hol dir deine Kirche zurück!" einen Artikel, der speziell die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Gemeindeerneuerung unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" ins Auge fasst. Angeregt worden war dieser Artikel durch ein YouTube-Video mit dem Titel "How and why to retake the Mainline Churches", und so besteht der rote Faden dieses Blogbeitrags im Wesentlichen in einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Thesen dieses Videos – was ich daran gut und richtig finde und wo ich Einwände habe. Ich möchte diesen Artikel jedem, der meinen Ideen zum Thema "Neuevangelisierung als Graswurzelrevolution" – ob man nun Benedikt-Option, Punkpastoral oder sonstwas dazu sagt – grundsätzlich etwas abgewinnen kann, sehr ans Herz legen. 

Einen Einwand gegen die Thesen des besagten YouTube-Videos, der in diesem Blogbeitrag lediglich anklingt, hatte ich knapp zwei Jahre früher schon einmal deutlicher formuliert, nämlich im dritten Teil meiner dreiteiligen Artikelserie "Camino de Willehado – Der Prophet im eigenen Land":  "Es mag ein naheliegender Gedanke sein, auf dieselbe oder ähnliche Weise, wie die liberalen 'Boomer'-Katholiken im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in [...] vielen [...] Gemeinden das Ruder übernommen haben, müsste es einer Handvoll engagierter und glaubensfester junger Leute möglich sein, das Ruder der Gemeinde wieder in eine andere Richtung zu drehen", schrieb ich da, und aus heutiger Sicht finde ich es geradezu verblüffend, wie präzise dieser Satz eine Grundannahmen des "How and why to retake the Mainline Churches"-Videos beschreibt, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Als meinen "wesentliche[n] Einwand" dagegen formulierte ich: 

"Wenn man Gemeindeerneuerung als Machtkampf betrachtet und betreibt, dann liegt da kein Segen drauf. Dass die hypothetische 'Handvoll engagierter und glaubensfester junger Leute' eine Menge dafür tun kann, dem kirchlichen Leben in einer Pfarrei oder Ortsgemeinde eine neue Richtung zu geben, ist sicherlich richtig und auch gut so; aber dabei darf nicht es nicht darum gehen, Schlüsselpositionen in der Gemeinde zu besetzen, um eigene Vorstellungen durchzudrücken und andere Interessengruppen innerhalb der Gemeinde an den Rand zu drängen. Das Ziel muss vielmehr sein, in erster Linie dem Wirken des Geistes Gottes in der Gemeinde Raum zu geben. Dafür ist es wesentlich, dem Gebet und dem Hören auf Gottes Wort Priorität einzuräumen. Und schließlich sollte uns gerade das [...] Gleichnis vom Wachsen der Saat daran erinnern, dass wir mit allem, was wir tun, letztlich nur Samen ausstreuen können; und dann müssen wir es Gott überlassen, was Er daraus wachsen lässt." 


(Das Symbolbild stammt aus der Kirche Herz Mariä in Burhave.) 

Im ersten Teil von "Camino de Willehado – Der Prophet im eigenen Land" – und damit komme ich jetzt abschließend zu einigen anekdotischen Einzelfundstücken zum Thema Gemeindeerneuerung – findet sich eine geharnischte Polemik gegen langwierig in Gremien ausgebrütete "Pastoralpläne": 

"Aus der Thermodynamik wissen wir, dass jede Form von Energie schließlich in nicht mehr nutzbare Wärmeenergie umgewandelt wird. Das ist ein natürlicher Prozess, den man eigentlich nicht noch künstlich forcieren müsste. Aber genau das passiert, wenn man Pfarreien dazu verpflichtet, einen lokalen Pastoralplan zu erarbeiten: Wertvolle und zumeist knappe Ressourcen an Arbeitszeit und -kraft, Kreativität und Motivation werden verheizt, um nichts anderes zu erzeugen als heiße Luft - oder oftmals wohl sogar nur lauwarme." 

Empfehlen möchte ich nicht zuletzt auch meinen im Juli 2023 in zwei Teilen veröffentlichten Artikel "Der Traum von der erneuerten Gemeinde", der in den Blick nimmt, was für Konzepte oder Impulse zur Gemeindeerneuerung in der sogenannten "Nachkonzilszeit" im Schwange waren. Im ersten Teil wird dazu vorrangig das 1966 erschienene Buch "Heiße (W)Eisen" des damaligen Frankfurter Stadtjugendpfarrer Lothar Zenetti als Quelle herangezogen, im zweiten Teil der "Komm-mit-Kalender" für das Jahr 1970. In meiner Besprechung setze ich auseinander, welche der dort diskutierten Anregungen mir auch heute noch bedenkenswert erscheinen und welche ich eher problematisch finde, und natürlich geht es auch um die Frage, warum davon in den zurückliegenden knapp sechs Jahrzehnten so wenig umgesetzt wurde. 

Im Creative Minority Report Nr. 43 vom 21.09.2024 findet sich ein Abschnitt, der – unter Verweis auf ein Chesterton-Zitat, das auch in meinem "großen" 16-Seiten-Thesenpapier vorkommt ("Wenn man einen weißen Pfosten sich selbst überlässt, wird er bald schwarz sein. Will man, dass er weiß bleibt, muss man ihn immer neu anstreichen") – erläutert, warum es notwendig, ist, Gemeindeerneuerung "als einen permanenten Prozess zu betrachten und zu betreiben": nämlich weil man nur so der Milieuverengung entgegenwirken kann, die ihrerseits "ein sich selbst erhaltendes, ja sich selbst verschärfendes Problem ist". 

Schließen möchte ich mit einem Auszug aus einem in dem australischen Magazin Catholic Weekly erschienenen Artikel von Simcha Fisher, den ich, eigenhändig übersetzt, in meinem Blogartikel "Baumhaus Berlin – Be the Change you want to see in the World" vom 20.02.2020 – kurz vor dem ersten Corona-Lockdown – zitiert habe; darin schildert sie eine Kirchengemeinde, der sie und ihre Familie früher mal angehört haben und die "eine echte Gemeinschaft" gewesen sei:

"Die Gemeinde war wirklich divers, es gab dort reiche und arme Leute, alte und junge, gesunde und kranke, und sie war auch ethnisch und kulturell sehr gemischt. [...] Nachdem wir uns auf dem E-Mail-Verteiler der Gemeinde eingetragen hatten, erhielten wir regelmäßig Mails: Der und der braucht jemanden, der ihn am Donnerstag zum Arzt bringt. Der und der braucht Hilfe beim Ölwechsel. Zufällig habe ich in dem Zeitraum, in dem wir zu dieser Kirchengemeinde gehörten, kein Kind zur Welt gebracht, aber ich kann mir die Lawine von Eintopfgerichten und selbstgehäkelten Strampelhöschen gut vorstellen, die über uns hereingebrochen wäre, wenn das der Fall gewesen wäre." 

Simcha Fisher resümierte: "Im Grunde ist es tragisch, dass ich diese Gemeinde als etwas so Besonderes erlebt habe -- und nicht als den Normalfall." Wozu ich anmerkte: 

"Tja. Isso. Es sollte eigentlich der Normalfall sein. Aber solange das nicht der Fall ist, muss es halt Leute geben, die mit gutem Beispiel vorangehen." 

 

Samstag, 1. Februar 2025

Die 3 K der Woche (10): Kinder, Kirche, Kontrafaktur

Saludos, Compañeros – und willkommen zum neuen Wochenbriefing! Es ist thematisch wieder einmal recht bunt geworden, und es sieht auch nicht so aus, als würden mir die blogrelevanten Themen so bald ausgehen... also verzichte ich mal auf eine längere Vorrede und sage: Hinein ins Vergnügen! 


Eine kleine Monatsbilanz 

Der erste Monat des Kalenderjahres 2025 ist rum; was hat er uns gebracht? Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich recht frohgemut und optimistisch ins Neue Jahr gestartet bin. Damit scheine ich ja, wenn ich mir so die politisch-gesellschaftliche Stimmungslage im Lande ansehe, einem Großteil der Bevölkerung schon mal etwas voraus zu haben. Ich sehe dies – auf die Gefahr hin, pathetisch zu klingen – als Indiz dafür an, dass ich übers Jahr an Gottvertrauen und Dankbarkeit dazugewonnen habe, und bete dafür, dass dieser Prozess anhält. – Einen gewissen Anteil an dieser Entwicklung schreibe ich übrigens der Tatsache zu, dass ich im Monat Januar zusammen mit meinem Jüngsten ganze sieben Lobpreisandachten ("Beten mit Musik") in St. Joseph Tegel abgehalten habe; es hätten sogar noch ein paar mehr werden können, wenn der Knabe nicht mehrmals auf dem Weg dorthin eingeschlafen wäre. Wie viele Lobpreisandachten wir im Vergleichszeitraum 2024 hatten, kann ich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, anhand meiner damaligen Wochenbriefings nachweisbar sind aber jedenfalls "nur" vier. – Auch sonst unterstreicht der Quervergleich mit dem Vorjahr den Eindruck, das Jahr habe für mich gut begonnen: So sind im Januar '25 ganze drei Beiträge von mir in der Tagespost erschienen (einer davon "nur" in der Online-Ausgabe, aber immerhin) – im Januar '24 hingegen kein einziger. Auf meinem Blog sind im Januar '25 acht Artikel erschienen, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es sechs; die Zugriffszahlen auf meinen Blog sind hingegen im Vergleich zum Vorjahr punktgenau gleich geblieben – mal sehen, wie sich das weiter entwickelt. 

Übrigens gehört es ja zu meinen Vorsätzen fürs Neue Jahr, öfter zur Community Networking Night im Baumhaus zu gehen als letztes Jahr; und auch in dieser Hinsicht hat das Jahr gut angefangen, denn am vorigen Samstag waren wir dort (wohingegen wir es 2024 erst Ende Februar zu dieser Veranstaltung schafften). – Bei unserem letzten Besuch im Baumhaus Ende November hatte unser Tochterkind sich ja mit zwei gleichaltrigen Mädchen angefreundet, und erfreulicherweise war eine dieser Freundinnen auch diesmal wieder da (und war überrascht und beeindruckt, dass ich mich noch an ihren Namen erinnerte). Ich unterhielt mich im Laufe des Abends recht gut mit ihrem Vater, der beim letzten Mal nicht dabei gewesen war; er hatte noch ein weiteres ungefähr gleichaltriges Mädchen zu beaufsichtigen, das bei seiner Tochter übernachten wollte, an diesem Abend allerdings in recht launischer Stimmung war. 

Insgesamt war die Stimmung im Baumhaus indes ausgezeichnet – so freundlich, offen und locker, wie man es sich nur wünschen konnte; ich hörte auch keinerlei Klagen über die politische Lage, über Trump, Merz oder Aschaffenburg. Das Essen war auch wieder hervorragend, auch wenn es nicht so ein breit gefächertes Angebot an verschiedenen Speisen gab wie sonst schon mal: Es gab Gemüseeintopf, Kartoffeln und Erbsen-Minze-Püree, zum Nachtisch Apfelkuchen. 

Während des Essens unterhielt sich meine Liebste mit ihrer Sitznachbarin äußerst angeregt über ihre Jakobsweg-Erfahrungen (ich steuerte auch etwas dazu bei); in der "News You Can Use"-Runde sprach meine Liebste den Umstand an, dass wir Hilfe dabei gebrauchen könnten, unsere Wohnung zu entrümpeln und ein Ordnungssystem für unseren ganzen Kram zu entwickeln – woraufhin genau die besagte Sitznachbarin Interesse bzw. Hilfsbereitschaft signalisierte. Ob tatsächlich etwas daraus wird, bleibt natürlich abzuwarten, aber was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass es mal wieder ein rundum gelungener und erfreulicher Abend im Baumhaus war, der Lust gemacht hat, da in Zukunft wieder regelmäßiger hinzugehen. 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Dass in St. Joseph Siemensstadt am 3. Sonntag im Jahreskreis der erste Kinderwortgottesdienst des neuen Kalenderjahres anstand, hatte ich ja schon erwähnt, und ebenso, was ich mir so für die Gestaltung überlegt hatte. Wie üblich, wenn ich einen Kinderwortgottesdienst mitzugestalten habe, fand ich mich gut eine halbe Stunde vor Beginn der Messe am Ort des Geschehens ein und bereitete den Raum vor, und auch meine Teamkollegen erschienen früh genug, dass wir den Ablauf und die Aufgabenverteilung noch einmal durchsprechen konnten. Mir fiel dabei die Begrüßung und die Moderation der von mir vorgeschlagenen Spiele (Schubkarrenrennen, Slalomlauf mit verbundenen Augen) zu, und sofern die Zeit reichte, sollte ich am Ende noch ein zum Thema des KiWoGo passendes Lied vortragen (mit Gitarre). 

Es nahmen wieder knapp 20 Kinder – präzise gesagt, 18 – am KiWoGo teil, und ich hatte mir eigentlich vorgestellt, wenn bei beiden Spielen zwei Zweierteams gegeneinander antreten würden, wäre damit schon mal knapp die Hälfte der teilnehmenden Kinder aktiv eingebunden. Tatsächlich erwies es sich jedoch als unerwartet schwierig, Freiwillige für die Spiele zu rekrutieren: Mit Müh' und Not bekam ich vier zusammen – durchweg Mädchen, übrigens –, aber als sie erfuhren, was sie machen sollten, wollten zwei von ihnen lieber doch nicht. Damit fiel das Wettkampf-Element schon mal weg, und die beiden Mädchen, die sich trauten, mussten beide Spiele allein vorführen; das machten sie aber gut und bekamen ein extradickes Lob dafür. Anschließend gab's noch ein kurzes Auswertungsgespräch ("Wie war das für euch...?"), dann gab ich – mit dem Hinweis "Ihr fragt euch jetzt wahrscheinlich schon, was das mit dem Kinderwortgottesdienst zu tun hat" – ab an den Gemeindereferenten, der den Lesungstext (1. Korinther 12,12,12-31a) abschnittsweise vortrug und erläuterte und von da aus auf die verschiedenen Dienste in der Kirchengemeinde zu sprechen kam, vom Küster über die Reinigungskräfte bis hin zu den Ministranten. In einem weiteren Abschnitt demonstrierte unsere Teamkollegin anhand eines Puzzles mit einem fehlenden Teil, dass jeder Einzelne in der Gemeinde seinen Platz hat und gebraucht wird; und zum Schluss war tatsächlich noch genug Zeit, dass ich meine treue Gitarre zur Hand nehmen und mit den Kindern "Alles was ich hab" singen konnte – ein Lied, das nicht nur zum Thema passte, sondern auch den Vorteil hat, dass man es leicht mitsingen kann, auch dann, wenn man es zuvor noch nicht gekannt hat. 

Okay, und nun die Manöverkritik: Im Großen und Ganzen würde ich sagen, es ist ganz gut gelaufen, aber Dinge, die man rückblickend betrachtet besser hätte machen können, gibt's halt immer. – Dass es sich als so schwierig erwiesen hat, Freiwillige für die Bewegungsspiele zu finden, unterstreicht, wie wenig die Kinder so etwas im Rahmen des Kinderwortgottesdienstes gewohnt sind und erwarten; gerade deshalb – Stichwort Methodenvielfalt! – finde ich es aber gut, das mal ausprobiert zu haben, und es soll auch, wenn's nach mir geht, nicht das letzte Mal gewesen sein. – Zu der Passage über die Dienste in und an der Gemeinde merkte meine Liebste später an, man hätte die Kinder ruhig stärker aktiv einbeziehen können, konkret gesagt: sie auffordern, eigene Beispiele zu nennen. Weiter kritisierte sie, die genannten Beispiele hätten sich zu sehr auf Ämter bzw. Berufe in der Kirche konzentriert statt auf Dienste, die im Prinzip jedes Gemeindemitglied, und gerade auch die Kinder selbst, übernehmen kann: Als mögliche Aufgabe für Kinder wurde explizit nur der Ministrantendienst genannt, da wäre sicherlich mehr möglich gewesen. Aus aktuellem Anlass hätte man z.B. auch darauf hinweisen können, dass es auch ein Dienst an der Gemeinde sein kann, sich beim Kinderwortgottesdienst freiwillig dafür zu melden, ein Spiel vorzuführen. – Der Gemeindereferent selbst meinte, ihm sei erst im Nachhinein aufgefallen, dass es sich eigentlich angeboten hätte, von der Kirche als Leib Christi, wie Paulus sie beschreibt, einen Bogen zum Eucharistischen Leib Christi zu schlagen. Dafür, so merkte er selbstkritisch an, wäre es wohl notwendig gewesen, den Text in der Vorbereitung gründlicher zu reflektieren. – Zu der Passage mit dem fehlenden Puzzleteil möchte ich anmerken, dass ich sie zwar an und für sich gut fand – auch weil sie teilweise jene Aspekte "nachlieferte", die meine Liebste im Abschnitt über die Dienste in der Gemeinde vermisst hatte –, dass sie aber gerade dadurch im Gesamtzusammengang etwas redundant wirkte. Das hätte man dadurch vermeiden können, dass man das Puzzle mit dem fehlenden Teil früher ins Spiel bringt und das Thema "Dienste in und an der Gemeinde" zur Gänze in den Puzzle-Abschnitt integriert. 

Auf jeden Fall noch ausbaufähig wären meine Fähigkeiten an der Gitarre; da müsste ich einfach häufiger und regelmäßiger üben, wenn ich nur mal die Zeit dafür fände. Im Eifer des Gefechts einfach vergessen habe ich (wieder mal) ein Schlussgebet, das die wesentlichen Inhalte der Katechese zusammenfasst. Na ja: nächstes Mal...! 


Also ich denk da an Delfine 

Die Messe wurde übrigens, wie im Laufe des vergangenen Jahres schon öfter, musikalisch von einem Knabenchor mitgestaltet, dessen Chorleiter zugleich der hauptamtliche Kirchenmusiker der Pfarrei ist. Diesen Kirchenmusiker schätze ich sowohl persönlich als auch musikalisch, und seine Sängerknaben singen wirklich sehr schön; trotzdem kann ich hier nicht verschweigen, dass ich einigermaßen irritiert über den Gesang zur Gabenbereitung, den sie anstimmten – denn dabei handelte es sich um eine A-Capella-Version des 1995er New Age-/Worldbeat-Hits "Adiemus". Das ist das mit den Delfinen im Video – nicht zu verwechseln mit dem ein paar Jahre früher erschienenen "Conquest of Paradise" von Vangelis, das ist das aus dem Kolumbus-Film. Der Song "Adiemus" wurde zunächst in einem Werbespot für Delta Airlines eingesetzt, der Text ist in keiner real existierenden Sprache verfasst und bedeutet somit auch nichts, obwohl Adiemus ähnlich klingt wie das lateinische Wort "adeamus", was "Lasst uns herbeikommen" heißt – was dem Songschreiber aber nicht bewusst bzw. nicht von ihm beabsichtigt war. Sehr wohl beabsichtigt dürfte gewesen sein, dass der Song irgendwie vage "spirituell" klingt – aber eignet er sich deshalb für die Verwendung im Gottesdienst? Vor Jahren habe ich mal bei einem Jugendgottesdienst erlebt, dass zur Kommunion "Tears in Heaven" von Eric Clapton gespielt wurde, ohne Gesang, nur mit Gitarre. Auch da kann man verstehen, wie jemand darauf kommen kann, das Lied sei zur Verwendung im Gottesdienst geeignet, denn es hat ja ein irgendwie religiöses Thema. Das Problem ist, hier wie dort: Wenn im Gottesdienst Musik verwendet wird, die aus anderen, "weltlichen" Zusammenhängen bekannt ist, wird der Hörer diese Zusammenhänge unweigerlich "mitdenken". Case in point: Wenn ich "Adiemus" höre, denke ich an Delfine. Der Konzentration auf das liturgische Geschehen – man könnte auch sagen: der Andacht – ist das entschieden abträglich; und zwar ganz unabhängig von der Frage der musikalischen Qualität. 


Auf der anderen Straßenseite 

An der Schule, an der meine Liebste arbeitet, war in der letzten Woche vor den Winterferien Projektwoche, und das beinhaltete, dass meine Liebste am Mittwoch mit fünf Schülern eine Exkursion in den Zoo machte – und unseren Jüngsten dorthin mitnahm. Dadurch hatte ich, nachdem ich das Tochterkind zur Schule gebracht hatte, erst mal "frei". In Heiligensee zur Messe gehen hätte ich theoretisch natürlich trotzdem können, zumal ich dem Wochenplan der Pfarrei entnommen hatte, dass dort mal wieder der Gastpriester aus dem Erzbistum München-Freising zelebrierte, dessen Mutter zum harten Kern der Gemeinde gehört; und ein zweites Frühstück wäre ja auch nicht zu verachten gewesen. Aber ohne meinen Sohn, dessen natürlicher Charme alle Herzen und Türen öffnet, traute ich mich da nicht so richtig hin. Aber am Nachmittag war JAM, und diesmal kam die Schulfreundin des Tochterkindes, die vor den Weihnachtsferien schon zweimal mit dabei gewesen war, wieder mit. Tags zuvor hatte ich sie in der Schule getroffen und sie gefragt, ob sie mal wieder Lust hätte, zum JAM mitzukommen; im ersten Moment wusste sie gar nicht, was ich meinte, aber dann kam sie doch drauf: "Ach, ist das diese Kinderkirche? Das war cool!" Dieser Enthusiasmus freute mich schon sehr. 

Dass sie diesmal wieder mitkam, erwies sich auch insofern als Glücksfall, als das JAM diesmal – wohl infolge der Erkältungwelle – ungewöhnlich schwach besucht war: In der Altersgruppe der "Kids" (=Grundschulkinder) nahm neben unserer Tochter nur noch ein weiteres Mädchen teil, bei den "Minis" waren es vielleicht fünf. Soweit ich mich erinnern kann, war das das erste Mal, dass zum JAM weniger Kinder kamen als in derselben Woche zu unserem Kinderwortgottesdienst. Okay, kann man nicht ganz vergleichen, aus einer Vielzahl von Gründen. 

Jedenfalls blieb ich während des katechetischen Teils – in dem es, wie ich schon vermutet hatte, um die Jünglinge im Feuerofen (Daniel 3) ging – bei den "Kids", woran auch niemand Anstoß nahm, obwohl zuvor erneut recht deutlich die Erwartung ausgesprochen worden war, alle Eltern sollten zum Elterncafé gehen. Die "Kids"-Katechese wurde von einem jungen Mann geleitet, der noch ziemlich neu im Team ist; im Wesentlichen handelte es sich um eine Nacherzählung des biblischen Texts, die er aber sehr lebhaft und mitreißend gestaltete. Dazu wurden Illustrationen an die Wand projiziert, und zusätzlich wurde das goldene Standbild des Königs Nebukadnezar durch einen mannshohen Turm aus gelben Riesenlegosteinen repräsentiert. Die Tatsache, dass wie gesagt nur drei Kinder teilnahmen, erlaubte es natürlich, diese umso intensiver einzubinden hauptsächlich durch Fragen zur Erzählung; auf die Frage des Leiters, warum Schadrach, Meschach und Abed-Nego sich denn wohl nicht vor dem Standbild niedergeworfen hätten, gab meine Tochter die schöne Antwort: "Weil sie lieber den echten Gott wollten." 

Der geheimnisvolle vierte Mann im Feuerofen war in der Illustration recht eindeutig als Jesus zu erkennen, fand auch meine Tochter.

Zum Abschluss der Katechese sprach der Leiter mit den Kindern über Gründe, Gott dankbar zu sein, und brachte ihnen das sogenannte "Popcorn-Gebet" bei – eine kindgerechte Form des individuellen freien Gebets in der Gruppe. Da mochte mein Tochterkind allerdings nicht so recht mitmachen, und ich kannst verstehen: Mir liegt so etwas auch nicht besonders, und als Kind hätte ich mich damit noch erheblich schwerer getan als heute. 

Anschließend sollte es noch Spiele geben, was ich zum Anlass nahm, nun doch noch beim Elterncafé vorbeizuschauen. Besonders spannend war's da nicht, aber immerhin ganz nett. Gegen Ende ließ die Elterncafé-Leiterin eher beiläufig fallen, ihr (noch minderjähriger) Sohn wolle zur Bundeswehr und "die Ukraine befreien". Ein wenig Sorge schien ihr das zwar zu bereiten, aber zugleich machte sie auf mich den Eindruck, abgesehen von einem gewissen emotionalen Unbehagen habe sie keine grundsätzlichen Einwände dagegen. Ich glaube, ich muss das noch schärfer formulieren, um deutlich zu machen, was ich meine: Mir schien, sie hätte gern Einwände dagegen, findet aber keine, weil sie die Argumente ihres halbwüchsigen Sohnes quasi wider Willen vernünftig findet. Dessen Argumentation gab sie wie folgt wieder: Der Krieg werde sich unweigerlich ausweiten, und wenn der Krieg erst einmal "zu uns" käme, würde er sowieso kämpfen müssen, also könne er ebensogut jetzt schon zur Bundeswehr gehen (wobei "jetzt schon" nicht ganz wörtlich zu verstehen ist, denn ein paar Jahre zu jung ist er suf alle Fälle noch). Ich fühlte mich auf ungemütliche Weise an "Im Westen nichts Neues" erinnert (die Verfilmung von 1930 haben wir mal in der Schule gesehen), an die Generation von 1914, die von den Schulbänken weglief, um sich zur Front zu melden, in der Befürchtung, der Krieg könne plötzlich vorbei sein und man wäre nicht dabei gewesen. Umso irritierender fand ich es, dass auch einige der anderen Mütter beim Elterncafé bedächtig dazu nickten: Ja, stimmt, wenn der Krieg zu uns kommt, dann müssen alle kämpfen, zumindest die Männer. Für mich war das einmal mehr ein Anlass, mich über die tief verwurzelte Obrigkeitshörigkeit der Evangelikalen zu ärgern. Da lob ich mir doch die Zeugen Jehovas. Ja, ich weiß, an denen gibt es ganz andere Dinge zu kritisieren, die ich gewiss nicht kleinreden will, aber um die geht's mir hier gerade nicht. Na ja, vielleicht ein andermal mehr davon. 


Neues vom Schulkind 

Anekdotische Evidenz legt nahe, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Tochterkind seine Schulbrote aufisst, sich signifikant erhöht, wenn diese Dinosaurierform haben. Dann muss das wohl so sein. 


Neues aus Synodalien: Pater Max und die Ambiguitätstoleranz 

Pater Max Cappabianca OP, der Mann mit dem perfekten Namen für einen Dominikanerpater, hat mal wieder einen Beitrag für die Standpunkt-Rubrik auf häretisch.de verfasst, bei dem ich nicht recht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Am besten ist es wahrscheinlich, den Text mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu lesen. Fangen wir vielleicht mal mit dem lachenden an: Zentrales Thema von Cappabiancas Kommentar ist die Beobachtung, das liberale Christentum sei "auf dem absteigenden Ast", während "neokonservative Kreise im evangelikalen Spektrum, aber auch in der katholischen Kirche" im Aufwind seien – vorrangig in den USA, aber zumindest potentiell auch in Deutschland. "Die Zahlen sprechen für diese These", stellt er fest – gern wüsste man, welche Zahlen er meint und wo man die nachlesen könnte, aber immerhin die These formuliert er gleich darauf noch einmal griffig aus: "Konservative Be[weg]ungen und Gemeinschaften mit klaren Abgrenzungen gegen die Zumutungen der Moderne verzeichnen einen höheren Zulauf als liberalere". Halten wir erst einmal fest, dass er damit einer Grundannahme des Synodalen Weges – dass die Kirche, um den Menschen von heute noch etwas sagen zu können, um "zukunftsfähig" und "gesellschaftlich relevant" zu bleiben oder zu werden, noch viel liberaler werden müsse – geradewegs widerspricht. Für diese Ehrlichkeit gebührt Pater Max, der selbst natürlich mit beiden Beinen fest im liberalen Lager steht, erst einmal Anerkennung; allerdings greift er, um die von ihm beschriebene Entwicklung zu erklären, charakteristischerweise sogleich zu einem elitären Deutungsmuster, wie wir es auch aus der Politik kennen: Die Leut' sind einfach zu blöd, um eine Theologie würdigen zu können, "die sich mit einer hohen Ambiguitätstoleranz um differenzierte Sichtweisen auf die Gegenwart bemüh[t]", und wollen lieber einfache Antworten. Damit rückt Pater Max die "neokonservativen" Tendenzen im Christentum assoziativ in die Nähe von Rechtspopulismus – idealtypisch verkörpert in der Schreckgestalt Donald Trumps, die dem Leser nicht umsonst gleich zu Beginn des Artikels vor Augen geführt wird. Als Symbolfigur des vom Aussterben bedrohten liberalen Christentums erscheint folgerichtig die anglikanische Bischöfin von Washington D.C, Mariann Edgar Budde, die Trump in einer Predigt am Morgen nach seiner Amtseinführung medienwirksam die Leviten gelesen hat. Lustig ist, dass Pater Max in diesem Zusammenhang auf einen Essay von Reinhard Bingener in der FAZ verweist, dabei jedoch nicht darauf eingeht, dass Bingener Bischöfin Buddes "Vorwurf, Homosexuelle müssten unter Trump um ihr Leben fürchten", als "unsachliche Polemik" kritisiert und im Übrigen anmerkt, dass sie "mit ihrem Habitus und Sprachduktus geradezu klischeehaft" ein bestimmtes theologisches Milieu verkörpert. (Was ich an dieser Stelle mal loswerden muss: Mir ist Bischöfin Buddes Predigt, oder genauer gesagt ein kurzer Auszug daraus, zuerst als Video auf Instagram begegnet, ohne Ton und mit deutschen Untertiteln, und da dachte ich im ersten Moment, ich hätte Heinrich Bedford-Strohm vor mir.) 

Gerade dieses doch recht holzschnittartige Lagerdenken, das Pater Max damit präsentiert, weckt indes Zweifel an seiner eigenen Ambiguitätstoleranz und Fähigkeit zu differenzieren. Dem gesamten "neokonservativen" Lager – wie man es auch konkret definieren will – pauschal das Bemühen um "differenzierte Sichtweisen auf die Gegenwart" abzusprechen, ist schon eine ziemliche Frechheit; und wenn wir "Ambiguitätstoleranz" mit Tante Wikipedia als die Fähigkeit verstehen, "Widersprüchlichkeiten, kulturell bedingte Unterschiede oder mehrdeutige Informationen, die schwer verständlich oder sogar inakzeptabel erscheinen, wahrzunehmen, ohne darauf aggressiv zu reagieren oder diese einseitig negativ oder [...] vorbehaltlos positiv zu bewerten", dann habe ich eigentlich nicht den Eindruck, dass diese Fähigkeit bei Verfechtern eines liberalen Christentums besonders ausgeprägt wäre: Vielmehr habe ich – z.B. früher auf Twitter, wo diese Leute aber ja größtenteils verschwunden sind, und neuerdings auf Bluesky – vielfach die Erfahrung gemacht, dass da eine ganze Menge Leute unterwegs sind, die auf die bloße Tatsache des Vorhandenseins anderer Meinungen nur zwei Reaktionsweisen kennen: Spott, solange sie sich in der überlegenen Position wähnen, und Wehgeschrei, sobald sie in die Defensive geraten. 

Nicht nur deshalb steht zu vermuten, dass Pater Max eigentlich etwas Anderes meint, wenn er von "hohe[r] Ambiguitätstoleranz" und dem Bemühen um "differenzierte Sichtweisen auf die Gegenwart" als Alleinstellungsmerkmalen des liberalen Christentums spricht. Zu vermuten steht, dass er damit im Grunde einem ethischen und erkenntnistheoretischen Relativismus das Wort redet, für den Gut und Böse, Richtig und Falsch keine objektiv gültigen Kategorien sind. Wie mein Stammleser Imrahil in einer Facebook-Diskussion anmerkte, ist eine so verstandene "Ambiguitätstoleranz" aber gerade keine christliche Tugend: "Man muss aushalten, dass einem widersprochen wird, aber man darf auf gar keinen Fall dem Irrglauben anhängen, dass die Dinge in sich selbst widersprüchlich wären." Und warum nicht? Weil alle Phänomene, die in ihrer Gesamtheit die Welt ausmachen, von Gott erschaffen und von Ihm her mit Sinn erfüllt sind; und weil Gott sich nicht selbst widerspricht. 

Interessant ist an dieser ganzen Sache aber ja nun doch vor allem das Eingeständnis, dass die liberal-relativistische Version des Christentums bei der breiten Masse nicht (mehr) so richtig gut ankommt; dabei könnte man doch denken, sie wäre für die Leute bequemer als eine strengere, dogmatischere Glaubensauffassung. Nun, offensichtlich ist Bequemlichkeit nicht unbedingt das, was die Leute in erster Linie in einer religiösen Gemeinschaft suchen: Sofern sie überhaupt noch "religiös ansprechbar" sind, suchen sie eben auch und nicht zuletzt Orientierung, und zwar auch ethische. Zugespitzt gesagt: Es ist ein berechtigter und vernünftiger Anspruch an eine Religionsgemeinschaft, dass sie klare Vorstellungen von Gut und Böse, von Richtig und Falsch hat und ihre Mitglieder auf diese verpflichtet. So sehr Pater Max' Ausführungen hierzu, wie ich oben schon angemerkt habe, einen Beigeschmack von Verachtung gegenüber dem Pöbel hat, der sich "gegen die Zumutungen der Moderne" abzuschirmen sucht, scheint er dieser Einsicht doch, geradezu wider Willen, recht nahe zu kommen. Witzig finde ich wiederum, dass er die "Reste volkskirchlicher Religiosität" hierzulande als einen Faktor sieht, der dafür bürgt, dass "die katholische Mehrheit – noch – moderate  Positionen vertritt". Da muss ich ja direkt an den Pastor Kurowski denken, der meinte, es sei womöglich "gerade das das entscheidende Argument für Volkskirche", dass sie "eine Art Containement [sic] für das Religiöse" biete. Aber dazu habe ich mich ja seinerzeit schon ausführlich geäußert

Gegen den Niedergang des liberalen Christentums sieht Pater Max jedenfalls offenbar kein Mittel – weshalb sein Schlussplädoyer recht defensiv wirkt: "Treu bleiben wird die Kirche sich nur, wenn sie diese Polarisierung bekämpft, alle Seiten selbstkritisch bleiben und sich alle gemeinsam wieder neu an der befreienden Botschaft des Evangeliums ausrichten." Nun könnte man womöglich einwenden, seine vorangegangenen Ausführungen trügen doch wohl eher zur Polarisierung bei, statt diese etwa abzubauen; die Mahnung an "alle Seiten", sie sollten "selbstkritisch bleiben", heiße ich indessen ausdrücklich gut. Gleichwohl kann ich mir dabei aber den Hinweis nicht verkneifen, dass Selbstkritik gerade innerhalb der Logik des Lagerdenkens sehr unterschiedliche Formen annehmen kann: Selbstkritik kann ebenso heißen "Wir müssen noch mehr so werden wie wir sowieso schon sind, d.h. uns noch schärfer von den Anderen abgrenzen" wie "Vielleicht hat die andere Seite in manchen Punkten auch Recht". Beide Formen von Selbstkritik können von Fall zu Fall berechtigt und angebracht sein, aber ich frage mich doch, zu welcher Variante Pater Max eher neigt. Zu denken gibt es jedenfalls, dass er, ein Dominikaner, seinen US-amerikanischen Ordensbrüdern vorwirft, sie verträten "mit Berufung auf Thomas von Aquin teilweise faktisch fundamentalistische Positionen – die ganz im Einklang mit dem vatikanischen Lehramt der Kirche stehen!" – Am interessantesten finde ich daran ehrlich gesagt das Ausrufezeichen am Ende. Offenkundig möchte Pater Max dem geneigten Leser hier mitteilen, auch das Lehramt der Kirche vertrete "teilweise faktisch fundamentalistische Positionen" – was zunächst mal ein recht eigentümliches Verständnis des Begriffs "fundamentalistisch" verrät, aber dergleichen ist man ja heutzutage schon gewohnt. Unter der "befreienden Botschaft des Evangeliums", an der sich alle innerkirchlichen Fraktionen "gemeinsam wieder neu [...] ausrichten" sollten, versteht er somit offenbar etwas Anderes als die Lehre der Kirche. Das mag an und für sich keine besonders überraschende Erkenntnis sein, aber dass er dies – als jemand, der offiziell im Namen und Auftrag ebendieser Kirche tätig ist – so offen zugibt, scheint dann doch bemerkenswert. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Da du mich gefragt hast, mein lieber Bruder Johannes, wie du studieren musst, um den Schatz der Wissenschaften zu gewinnen, möchte ich dir folgenden Rat geben: Wähle den Weg über die Bäche und stürze dich nicht gleich in das Meer! Man muss durch das Leichtere zum Schwierigen gelangen. Sei bedachtsam im Reden und gehe bedachtsam in ein Gespräch. Erhalte dir die Reinheit des Gewissens. Höre nicht auf zu beten. Liebe deine Zelle, wenn du in den Weinkeller der Weisheit geführt werden möchtest. Zeige dich liebenswürdig gegenüber allen. Kümmere dich nicht um das Tun der anderen. Sei mit keinem zu vertraulich; denn zu große Vertraulichkeit bringt Geringschätzung ein und schafft Gelegenheit, sich dem Studium zu entziehen. Mische dich nicht in das Reden und Tun der Weltleute ein. Meide Streitgespräche, was immer auch beredet wird. Versäume nicht, den Spuren der Heiligen und der Guten zu folgen. Beachte nicht, von wem du etwas hörst, sondern, wenn Gutes gesagt wird, merke es dir. Was du liest oder hörst, bemühe dich zu verstehen. In Zweifeln verschaffe dir Gewissheit. Suche nicht, was für dich zu hoch ist. Wenn du diese Bahn einschlägst, wirst du lebendig bleiben und nützliche Frucht bringen im Weinberg des Herrn der Scharen, solange du lebst. Und wenn du das befolgst, wirst du erreichen können, was du begehrst. 

(Thomas von Aquin, Mahnbrief an den Frater Johannes über die rechte Weise des Studiums) 


Ohrwurm der Woche 

Earth, Wind & Fire: Got to Get You into My Life 

Diese exzellente Coverversion eines an sich eher nachrangigen Beatles-Songs (die Single erreichte in den USA "nur" Platz 7) lief letzten Samstag im Baumhaus, als wir uns gerade zum Aufbruch rüsteten; erst als wir draußen waren, fiel mir ein, dass ich mal meine Shazam-App hätte nutzen können oder sollen, um herauszufinden, von wem diese Version ist. Aber dann kam ich selbst auf die Idee, es könnten Earth, Wind & Fire sein, und eine Suchanfrage bei YouTube bestätigte das. Ha! Ich brauch' gar kein Shazam! Ich bin mein eigenes Shazam! 

Genießt den Song, Freunde. Er ist toll. 


Vorschau/Ausblick 

Morgen ist einerseits das Fest Darstellung des Herrn, volkstümlich bekannt als Mariä Lichtmess, andererseits ist aber auch der erste Sonntag im Monat, was sich eigentlich mal wieder für ein Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst anbieten würde. Was übrigens auch wieder für den Jahresbilanz-Quervergleich interessant wäre: 2024 haben wir so ein Gottesdienst-Double-Feature insgesamt nur zweimal gemacht, das erste Mal im April und dann nochmal im Juli. – Ab Montag sind in Berlin und Brandenburg (und übrigens auch in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen) Winterferien, und wie schon in früheren Jahren wollen wir diesen Umstand – in Verbindung mit der Tatsache, dass der Großteil der Republik keine Ferien hat, wodurch die Unterkünfte vergleichsweise günstig sind – für einen kleinen Urlaub nutzen. Ziel ist, wie eigentlich immer um diese Jahreszeit, die Grüne Halbinsel Butjadingen; das wäre im Prinzip natürlich auch eine gute Gelegenheit, mal wieder in der dortigen Pfarrei St. Willehad nach dem Rechten zu sehen. Den Pfarrnachrichten habe ich entnommen, dass am Freitag in Nordenham ein "Fest der Dankbarkeit" (sic!) für die Ehrenamtlichen der Gemeinde stattfinden soll, aber auch, dass in Burhave derzeit zwei Alpha-Kurse laufen, einer mittwochs, einer donnerstags; eventuell könnt' man da ja mal vorbeischauen. Es könnte allerdings auch sein, dass wir die knapp bemessene Urlaubszeit lieber zwischen Schwimmbad, Reiterhof, Spielscheune und Kinderdisco aufteilen. Übrigens verbringt dieselbe Schulfreundin unseres Tochterkindes, die nun schon dreimal mit beim JAM war (und außerdem beim St.-Martins-Umzug und bei der Nikolausfeier, und beim Krippenspiel hat sie auch mitgemacht), die Ferien mit ihrer Familie (einschließlich Oma) zufällig am selben Ort und in derselben Ferienhausanlage; das verspricht lustig zu werden...