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Donnerstag, 29. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #36

Willkommen zu einem weiteren sommerlichen Wochenbriefing – auch wenn das Wetter in den letzten Tagen recht durchwachsen war... Ich war in der zurückliegenden Woche recht viel mit den Kindern beschäftigt, und sofern ich zum Arbeiten gekommen bin, stand nicht so sehr dass Bloggen im Vordergrund, sondern mehrere Beiträge für die Tagespost und Recherchen für ein vorläufig noch hochgeheimes Buchprojekt. Infolgedessen habe ich wieder einmal keine neuen Blogbeiträge vorzuweisen außer eben dieses Wochenbriefings (weshalb die Rubrik "Blogvorschau" einmal mehr pausiert); umso zufriedener bin ich aber, dass es mir dennoch einmal mehr gelungen ist, das Wochenbriefing pünktlich fertigzustellen und inhaltlich bunt und gehaltvoll zu gestalten. Und ich hoffe, du, Leser, wirst damit ebenfalls zufrieden sein! 


Tagesreste 

Am Freitag hatte meine Liebste morgens Unterricht, nachmittags musste sie zur Verleihung der Abiturzeugnisse und abends zum Abiball, und die Zeitfenster dazwischen waren jeweils so knapp bemessen, dass es nicht praktikabel erschien, zwischendurch mal nach Hause zu kommen. Das Ergebnis war, dass unser Jüngster so lange von seiner Mami getrennt war wie noch nie zuvor in seinem jungen Leben, und zum Ausgleich hing er die nächsten zwei Tage nahezu ununterbrochen an ihr. – Am Sonntag schafften wir es diesmal pünktlich zur Messe in St. Joseph Siemensstadt. Der Pfarrvikar, dem das schwüle Wetter sichtlich zu schaffen machte, bekannte zur Begrüßung, er sei völlig unvorbereitet, nachdem er das ganze Wochenende mit Taufen beschäftigt gewesen sei: "Heute ist der 12. Sonntag im Jahreskreis, mehr weiß ich nicht. Macht nichts – schauen wir auf den Herrn." Vor dem Hintergrund dieser Ankündigung wirkte die Predigt, die er dann hielt, nur umso eindrucksvoller. Gut, ich habe es bei diesem Priester auch schon erlebt, dass er bei Andachten oder sonstigen Geneindeveranstaltungen geistliche Impulse in der Form gestaltet, dass er die Bibel aufs Geratewohl an irgendeiner Stelle aufschlägt, ein paar Verse vorliest und dazu dann eine kurze Auslegung gibt. Eine profunde Bibelkenntnis ist dafür natürlich hilfreich, und die hat er; dass in seinen Schriftauslegungen die Querverbindungen zwischen Altem und Neuem Testament und der Zusammenhang zwischen dem Bibeltext und der kultischen Praxis des alten Judentums regelmäßig eine wichtige Rolle spielt, ist wohl charakteristisch für seine Verwurzelung im Neokatechumenalen Weg. Aber erlerntes Wissen, so beeindruckend es sein mag, ist nicht das Entscheidende: Was diesen Priester zu einem so guten Prediger macht, ist in erster Linie der Umstand, dass er glaubwürdig die Haltung verkörpert, es gehe nicht darum, was er zu sagen hat, sondern darauf zu hören, was Gott zu sagen hat. – Meine persönliche Take-Home-Message der Predigt von diesem Sonntag lautet jedenfalls: Im Grunde muss man sich in seinem Leben nur um eine Sache kümmern – nämlich darum, Raum zu schaffen, damit der Heilige Geist wirken kann. Dann wird einem (wie es ja auch in Mt 6,33 heißt, auch wenn das nicht der Predigttext war) tatsächlich "alles andere dazugegeben". 

Am Sonntagnachmittag sah ich mir mit dem Tochterkind eine Preview-Vorstellung des neuen DreamWorks-Animationsfilms "Ruby taucht ab" an, der eigentlich erst heute in die Kinos kommt. Auch wenn der Film sich für mein Empfinden etwas mehr auf Action und optische Effekte verlässt, als der Handlung gut getan hätte (meiner Tochter war er dadurch stellenweise zu aufregend und auch zu gruselig), fand ich ihn doch interessant genug, um prompt eine Rezension zu verfassen, von der ich hoffe, dass sie in der Online-Ausgabe der Tagespost Platz finden wird. Schauen wir mal! 

Nächste Woche dürfte es dann wieder einigen Stoff für die Rubrik "Spandau oder Portugal" geben, denn ich bin sowohl zum Treffen eines Arbeitskreises zur Gestaltung und Nutzung des Pfarrgartens von St. Stephanus als auch zu einer Sitzung des Ausschusses "Kinder, Jugend und Familie" in St. Joseph Siemensstadt eingeladen worden. Das kann spannend werden! 


Währenddessen in Tegel 

Am Dienstag hatte das Tochterkind einen Probe- bzw. Eingewöhnungstag an ihrer zukünftigen Schule (irre, wie schnell die Kinder groß werden – aber diese Erfahrung machen wohl alle Eltern), und während dieser Zeit war ich mit unserem Jüngsten allein unterwegs. Ausgerechnet während er im Kinderwagen Mittagsschlaf hielt, wurden wir von einem heftigen Regenschauer überrascht, und die nächstgelegene Möglichkeit, sich unterzustellen, bot die Kirche St. Joseph Tegel. Nachdem ich dort eine Weile auf das Ende des Regens gewartet hatte, wachte der Lütte auf und überredete mich erst einmal dazu, für jeden von uns eine Opferkerze anzuzünden; und dann fragte er mich herausfordernd: "Tanzen? Musik anmachen?" Ich hatte aber meine mobile Lautsprecherbox gar nicht dabei, und das war vielleicht auch besser so, denn schon einige  Zeit vorher war das ehrenamtliche Faktotum der Gemeinde aus der Sakristei gekommen und hatte kritisch geguckt. Vor einiger Zeit hat dieselbe Frau mich mal bei einer meiner Guerilla-Andachten mit Lobpreismusik in ebendieser Kirche "erwischt" und mich kurzerhand rausgeschmissen; da hatte ich mich hinterher geärgert, dass ich so folgsam das Feld geräumt hatte, anstatt ihr vorzuschlagen, sie könne ja die Polizei rufen, dann würden wir ja sehen, was die von der Idee hielte, jemandem in einer öffentlich zugänglichen Kirche das Beten zu verbieten. Trotzdem war ich nicht unbedingt erpicht darauf, eine Wiederholung dieser Situation zu provozieren. (Die Dame war, soviel ich weiß, früher mal Gemeindereferentin o.ä., und im Ruhestand macht sie weiterhin ehrenamtlich Küsterdienst und gelegentlich auch Wortgottesdienste oder Andachten; ein paar davon habe ich miterlebt und fand es einigermaßen skurril, dass sie einerseits in der Mantelalbe einen auf Frauenpriestertum macht, andererseits aber in Inhalt und Stil bedeutend konservativer 'rüberkommt als die derzeitige Leitung der Pfarrei. Na schön, jedem Tierchen sein Pläsierchen, aber dass sie ernsthaft überzeugt zu sein scheint, diese Kirche gehöre ihr, geht mir dann doch ein bisschen weit.) – Wie dem auch sei, der Wunsch meines Sohnes nach "Musik anmachen und tanzen" hat für mich einmal mehr unterstrichen, dass es Zeit wird, das Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" wieder aufzugreifen, wenn auch wohl lieber in einer anderen Kirche. – Ehe wir wieder gingen, nahm der Junior sich das "Boni Kids"-Magazin mit; im Kinderwagen blätterte er eifrig darin und blieb schließlich bei einem Artikel über die liturgischen Farben hängen. Angesichts der Abbildungen in diesem Artikel fing er prompt an zu singen: "Halleluja, halleluja, halleluja, Amen..." Ich sag mal: Wenn der Knabe ein bisschen größer ist, ist er ein Fall für den Kinderchor...! 


Neues aus Synodalien spezial: Die Nacht der Acht 

Offenbar unironisch gemeintes Werbebanner der Evangelischen Kirche Spandau; passt aber auch als Symbolbild zur "Nacht der Acht" in Butjadingen, finde ich.

Die Butjenter Regenbogenflaggen-Affäre geht weiter: Am vergangenen Wochenende war in sechs evangelischen und zwei nominell katholischen Gotteshäusern der beschaulichen Nordseehalbinsel zwischen Weser und Jade wieder "Nacht der Acht". Wie ich vor ein paar Monaten schon mal schrieb: "'Die Nacht der Acht' ist übrigens auch der Titel eines für Jugendliche ab 14 Jahren geschriebenen Horror-Thrillers von Philip Le Roy; 'Ein Abend, der zum Horrortrip wird', heißt es in der Verlagswerbung. Das passt ja." – Im vorliegenden Fall handelt es sich hingegen um eine PR-Aktion der örtlichen Kirchengemeinden, bei der es, der (leider größtenteils hinter Bezahlschranken verborgenen) Berichterstattung der lokalen Presse zufolge, in "allen Kirchen [...] unterschiedliche Aktionen" gab – ein "tolles und abwechslungsreiches Programm". Während die beteiligten evangelischen Kirchengemeinden allem Anschein nach eher auf gesellige und kulturelle Angebote setzten ("Hier konnten Familien Spiele spielen, dort konnten Interessierte tief in die Geschichte Butjadingens eintauchen", wiederum anderswo wurden "Himmlische Musik und Psalm-Rap" geboten), nutzte ausgerechnet die katholische Pfarrei, wie schon im Vorjahr, die Gelegenheit, sich als "LGBT-affirming" zu positionieren und im Kielwasser des Schismatischen Wegs einen Segen für Alle anzubieten – einen Segen "unter den Farben des Regenbogens", wozu einmal mehr die Gestaltung des Altarraums der Kirche Herz Mariae in Burhave den Vorwand liefern musste. Diese Farce (um mal keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen) fand also ausgerechnet in einer Kirche statt, die dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht ist; ausgerechnet in einer Kirche, die mit dem Herzblut und den Spargroschen schlesischer Heimatvertriebener errichtet wurde; man kann gar nicht so oft "ausgerechnet" sagen, wie man möchte. Angesichts des Ausmaßes von Scham- und Gewissenlosigkeit, das die Verantwortlichen der Pfarrei hier offenbaren, fehlen mir wirklich die Worte, oder zumindest die nicht-justiziablen. Auf der Facebook-Seite von "Willi's – Die Urlauberkirche", die die Aktion fotografisch dokumentiert hat, genügte schon das Wort "unfassbar", garniert mit einem "explodierender Kopf"-Emoji, um gesperrt zu werden. 

Die Fotos sind jedenfalls recht aufschlussreich: Wie man dort sieht, wurde vor dem Altar offenbar eine Art Zimmerspringbrunnen aufgestellt, mit dessen Wasser (fragen wir lieber gar nicht erst, ob es sich um Weihwasser handelte) die Besucher dee Kirche sich selbst oder gegebenenfalls gegenseitig segnen konnten und sollten. Im Ernst. Auf einem an der Kirchentür angebrachten Zettel war zu lesen: 

"Segnen Sie sich selbst, Gott ist da! 
Segnen Sie jemand anderes, Gott ist da! 
Segnen Sie wichtige Dinge, Gott ist da!" 

So armselig, so billig, so dumm. – Man könnte hier einwenden, wenn eine solche Aktion gut gemacht wäre, wäre es in gewissem Sinne noch schlimmer. Rational könnte ich diesen Einwand nachvollziehen, aber intuitiv empfinde ich gerade das lustlos hingerotzte Erscheinungsbild dieser Aktion als ein zusätzliches Ärgernis. – Nach Lage der Dinge schätze ich, es dürfte wenig aussichtsreich sein, sich beim zuständigen Bistum über diese Machenschaften zu beschweren. Man könnte sich vielleicht beim Apostolischen Nuntius beschweren, aber ich denke, ich gehe gleich noch eine Etage höher und beschwere mich direkt bei Gott. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf mein Gebet für die Pfarrei St. Willehad hinweisen. 

Ein weiteres Thema für die Rubrik "Neues aus Synodalien" wären wohl die jüngst veröffentlichten Kirchenstatistiken, aber die knöpfe ich mir nächste Woche vor. 


Was ich gerade lese 

  • zu Studienzwecken: Otto Knoch, Die Welt im Wort der Bibel. Vortrag beim 82. Deutschen Katholikentag in Essen 1968. 

Wer war noch gleich Otto Knoch? War es der mit dem Mops, der kotzt? Nee, Quatsch. Otto Knoch (1926-1993) war Priester im Bistum Rottenburg und von 1959-72 Direktor des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart; später wurde er u.a. Sekretär der Unterkommission für Biblische Fragen bei der Deutschen Bischofskonferenz. Und seine Aufgabe im Rahmen des Katholikentagsforums "Diese Welt und Gottes Wort" bestand offenkundig darin, die biblischen Grundlagen für das in der Nachkonzilszeit sehr prominente Ansinnen einer Hinwendung der Kirche zur Welt zu klären. Dabei geben schon seine einleitenden Worte auf bemerkenswerte Weise die Richtung vor: "Mit der Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik scheint sich ein ungeheures Dilemma für den gläubigen Christen, für die Lehre der Kirche aufgetan zu haben: Kann der Christ sich guten Gewissens an dieser Hinwendung zur Welt, zum Diesseits, zur Materie beteiligen?" Ja Moment mal, möchte man da direkt einwenden: Wenn und insoweit es für den Christen ein "Dilemma" ist, dass er "in dieser Welt", aber zugleich "nicht von dieser Welt" sein soll, dann war es das schon immer und nicht erst neuerdings; wieso sollte man annehmen, dass die "Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik" da eine signifikant neue Qualität hineinbrächte? Die folgenden Sätze machen jedoch deutlich, wieso Knoch das meint: nämlich weil er die Hinwendung zur Welt dezidiert als eine Hinwendung zum technokratischen Geist der Epoche auffasst. Darf der Mensch, so fragt Knoch, "all seine Energie für die Erforschung und Beherrschung der Welt aufwenden? Ist denn die Schaffung immer neuer Möglichkeiten, das Leben angenehmer zu gestalten, der Seele des Menschen förderlich? Ist dem Menschen erlaubt, alle Bereiche der Welt, auch den Menschen selbst, seinem Erkenntnisdrang zu erschließen? Darf der Mensch die Zukunft auch in Hinsicht auf Zahl und Art [!] der Menschen planen und, z.B. durch Eingriffe in den Erbgang, beeinflussen? Ist das Streben nach Reichtum, Genuss und angenehmem Leben gottwohlgefällig?" Und die alles entscheidende Frage: "Wird das alles durch die Vergänglichkeit nicht als Versuch entlarvt, sich selbst zu erlösen?" 

Auf diese Ausgangsfrage hin stellt Knoch erst einmal eine Auswahl von Bibelstellen zusammen, die darauf schließen lassen, dass das so beschriebene Streben des modernen Menschen "im Widerspruch zur Offenbarung" stünde: 
"Lehrt nicht die Bibel: 'Habet nicht lieb die Welt und was in der Welt ist! ... Denn alles, was in der Welt ist, ist Fleischeslust, Augenlust und Protzsucht. Die Welt aber vergeht mitsamt ihrer Lust' (1 Jo 2,16) und 'Die ganze Welt liegt im argen' (1 Jo 5,19)? Bedeutet nicht 'Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott' (Jak 4,4), weil diese Welt unter der Macht von Tod, Sünde und Satan steht, dem 'Fürsten dieser Welt' (Jo 12,31; 14,30; 16,11), dem 'Gott dieser Weltzeit' (2 Kor 4,4)? Gibt es daher nicht eine unaufhebbare Spannung zwischen den 'Kindern dieser Welt' und den 'Kindern des Lichts' (Lk 16,8)? Fordert demnach Paulus nicht mit Recht: 'Die Zeit ist kurz. Fortan sollen alle jene, die eine Frau haben, sich so verhalten, als hätten sie keine, und die weinen, als weinten sie nicht, und die sich freuen, als freuten sie sich nicht, die kaufen, als behielten sie nichts, und die mit der Welt verkehren, als verkehrten sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt ist am Vergehen' (1 Kor 7,29-31)?" 
Und an diese Blütenlese aus den Evangelien und Apostelbriefen schließt er die Frage an: 
"Ist also der Gewinn des ewigen Lebens, die Aufnahme in dem Himmel nicht das allein bleibende Ziel menschlichen Bemühens? Kann die Welt, so betrachtet, mehr sein als ein Ort des Kampfes, der Mühsal, des Kreuzes, der Versuchung, der Entsagung und Bewährung? Lohnt es überhaupt, sich für das Diesseits über das hinaus einzusetzen, was man zum Leben braucht? Ist demnach Weltenthaltung, Weltverachtung, Weltflucht und Weltüberwindung nicht die für immer gültige Forderung an jeden vernünftigen, gewissenhaften Menschen?" 
Das ist nun natürlich sehr einseitig und überspitzt, aber ganz und gar von der Hand zu weisen ist dieser biblische Befund ja wohl nicht. Man ahnt allerdings die Absicht hinter dieser zugespitzten Darstellung, insbesondere wenn Knoch sie mit der Frage abschließt: "War also diese Haltung der Kirche und ihrer führenden Kräfte nicht seit 2000 Jahren wirklich berechtigt?". – Also sorry: Zu behaupten, "Weltenthaltung, Weltverachtung, Weltflucht und Weltüberwindung" sei 2000 Jahre lang die "Haltung der Kirche und ihrer führenden Kräfte" gewesen, ist schon mehr als dreist. Hätte es, um nur mal ein besonders augenfälliges Beispiel zu wählen, im Spätmittelalter bzw. in der Frühen Neuzeit unter den "führenden Kräften" der Kirche nicht starke Tendenzen zu allzu großer Weltlichkeit gegeben, wäre es wohl nicht zur Reformation gekommen, oder zumindest wäre sie nicht so erfolgreich gewesen. Der manipulative Charakter von Knochs Argumentation wird vollends deutlich, wenn er seinen nächsten Abschnitt mit der apodiktischen Feststellung einleitet: "Und dennoch kann diese Haltung auch vom verantwortlichen Christen heute nicht mehr einfach gutgeheißen und vertreten werden". So, kann sie das nicht. Aha. Man beachte, dass er hier voraussetzt, was er eigentlich begründen sollte; ein beliebter rhetorischer Trick. Und was heißt überhaupt "heute nicht mehr"? Muss ich jetzt wieder Chesterton zitieren, oder darf ich das Zitat, das ich meine, als bekannt voraussetzen? Wie sehr Knoch vom aus heutiger Sicht schwindelerregenden technokratischen Fortschritts- und Machbarkeitsoptimismus der 1960er Jahre ge- bzw. verblendet ist, dokumentiert besonders der Satz "Wie sollen alle satt werden in der Zukunft ohne entsprechende Planung?"; was, so muss man fragen, glaubt er da denn planen zu können? Was hingegen allgemeiner formulierte Fragen angeht wie "Wie kann das Leben aller Menschen menschenwürdiger gestaltet werden? Ist der Kampf um Nahrung, Wohnung, Bildung für alle Menschen, gegen Krankheit, Unrecht, Krieg und Not nicht eine elementare Aufgabe der Menschlichkeit? [...] Muss daher der Christ nicht [...] aus allen Kräften daran mitwirken, dass die Welt für alle Menschen menschlicher, schöner und besser wird?", da schaue man sich heute einmal um, wie viele Leute – und gerade auch kirchlich sehr engagierte Leute – ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass solche Weltverbesserungsbestrebungen geradezu die Essenz des Christlichen seien. Unter just diesem Aspekt empfinde ich Knochs Text dann doch als recht erhellend: Gerade dass er diese Forderungen als so selbsterklärend darstellt, verweist nämlich darauf, dass sie es tatsächlich nicht sind. Denn worin bestünde sonst das Neue gegenüber der 2000jährigen Tradition der Kirche, das Knoch so sehr betont? Hungernde speisen, Kranke pflegen, Obdachlose beherbergen, Trauernde trösten, das hat die Kirche schon immer gepredigt und auch praktiziert; aber das ist es nicht, wovon Knoch und viele andere Theologen seiner Generation sprechen. Wovon sie sprechen, das ist, auf technokratischem Wege – d.h. durch das Zusammenwirken von Wissenschaft, Technik und Politik – eine Welt zu erschaffen, in der all das nicht mehr nötig ist, weil es Hunger, Krankheit, Obdachlosigkeit, Trauer usw. nicht mehr gibt. Das ist, sorry to break it to you, nicht das Christentum, sondern die Versuchung des Satans in der Wüste. – Um mal auf den Punkt zu bringen, worin sich diese Auffassung von dem unterscheidet, was das Christentum von jeher unter praktizierter Nächstenliebe und den Werken der Barmherzigkeit verstanden hat, kann man auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter verweisen: Leute wie Knoch wären wohl der Meinung gewesen, statt dem Ausgeraubten am Wegesrand zu helfen, hätte der Samariter sich lieber dafür einsetzen sollen, die gesellschaftlichen Zustände zu bekämpfen, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen ihren Lebensunterhalt mit Raubüberfällen bestreiten müssen. 

Viel weiter bin ich mit Knochs Vortrag noch nicht gekommen und bezweifle ehrlich gesagt auch, dass es sich lohnen wird, sich weiter mit ihm auseinanderzusetzen. Allzu offensichtlich ist seine Entschlossenheit, den biblischen Befund so zu frisieren, dass er zum von vornherein feststehenden erwünschten Ergebnis passt. Lehrreich könnte die Beschäftigung mit diesem Text freilich insofern sein, als sich an ihm exemplarisch studieren lässt, wie man auch mit an sich wahren Aussagen lügen kann. Wenn Knoch etwa betont, das Zeugnis der Bibel sei "zutiefst geprägt vom großen Ja des Gottes, der Welt und Menschheit aus Liebe geschaffen und erlöst hat", dann möchte ich ihm darin keinesfalls widersprechen; aber was glaubt er im Kontext seiner Argumentation damit beweisen zu können? – Der Trick besteht darin, die Frage gar nicht erst aufkommen zu lassen. 

In der Abteilung "Bettlektüre" sind wir derweil immer noch bei "Kalle Blomquist, Eva-Lotta und Rasmus", und hier hat die Handlung praktisch unmittelbar nach dem im vorigen Wochenbriefing festgehaltenen Zwischenstand eine unerwartete Wendung eingeschlagen: Kalle, Anders und Eva-Lotta beobachten, wie Rasmus und sein Vater entführt werden; Eva-Lotta lässt sich daraufhin kurzentschlossen "mit-entführen", und es gelingt ihr, Spuren zu legen, die es Kalle und Anders ermöglichen, den Entführern zu folgen – bis auf eine kleine, der Küste vorgelagerten Insel, auf der den Kindern ihre im "Krieg der Rosen" erworbene Erfahrung mit Abenteuer-Geländespielen zugute kommt. Damit entfernt sich der letzte Teil der "Kalle Blomquist"-Trilogie noch weiter vom Muster der klassischen "detective story" als der zweite. Der größte Pluspunkt des Romans ist für mein Empfinden die liebevolle Charakterisierung des kleinen Rasmus, der den Ernst seiner Lage nicht annähernd durchschaut und mit seiner heiter-unbekümmerten Art das Herz seines Bewachers erweicht. An Spannung fehlt es auch nicht; trotzdem bleibe ich dabei, dass ich den ersten "Kalle Blomquist"-Fall für den besten halte und es etwas schade finde, dass er keine adäquatere (i.S.v. stilgerechtere) Fortsetzung gefunden hat. 


Aus dem Stundenbuch 
Die Herrlichkeit Gottes verleiht Leben. Die Gott schauen, erhalten Anteil am Leben. Deswegen macht sich der unfassbare, unbegreifliche und unsichtbare Gott sichtbar, begreifbar und fassbar für die Menschen, um ihnen Leben zu schenken, wenn sie ihn durch den Glauben aufnehmen und sehen. Die Menschen werden Gott sehen, damit sie leben, durch die Schau unsterblich werden und zu Gott gelangen. 
(Irenäus von Lyon, Gegen die Irrlehren) 


Ohrwurm der Woche 

Small Faces: Itchycoo Park 


Die Ohrwurm-Rubrik steht weiterhin im Zeichen sommerlicher Stimmung; diesmal habe ich – nach längerer Zeit mal wieder – ein Juwel aus der Psychedelic-/Garagenrock-/Mod-/Proto-Punk-Ära ausgewählt. Ein Stück, das für mich persönlich eine besondere Bedeutung hat: Ich muss wohl ungefähr 14 gewesen sein, als ich eines Nachmittags und/oder Abends stundenlang vor dem Radio hockte, um mir eine "Große Oldie-Hitparade"  (oder so ähnlich) anzuhören und, wie man das damals halt so machte, Highlights daraus auf Kassette aufzunehmen. Die betreffende Kassette müsste ich eigentlich noch irgendwo haben, und "Itchycoo Park" war da drauf, auch wenn ich den Titel auf der Kassettenhülle als "It's all too beautiful" angegeben hatte. Ich möchte behaupte diese Radio-Session hat einen Grundstein dafür gelegt, dass ich eine Vorliebe für Rock- und Popmusik entwickelt habe, die erheblich älter ist als ich selbst. 

Eine ganz andere Anmerkung fällt mir zu diesem Lied aber auch noch ein, und zwar konkret zu der Textstelle "You can miss out school / won't that be cool". Ich habe in letzter Zeit öfter darüber nachgedacht, was ist eigentlich aussagt, dass es in unserer Gesellschaft als so allgemein anerkannt und selbsterklärend gilt, dass die Schule ein Ort ist, an den man nicht gern geht, und dass es ein Grund zur Freude ist, wenn man aus irgendwelchen Gründen nicht hinmuss. Dass das keineswegs so selbstverständlich ist, sehe ich an meiner Tochter: Die freut sich auf die Schule. Nach den Sommerferien geht's los. Man darf gespannt sein... 


Donnerstag, 22. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #35

Der Sommer ist da – gefühlt schon etwas länger, jetzt auch kalendarisch; und mir scheint, dieser Umstand prägt auch die Stimmung des aktuellen Wochenbriefings.  Außer natürlich in der Rubrik "Neues aus Synodalien", denn in Synodalien ist immer Herbst. Und damit meine in keinen Goldenen Oktober, sondern einen trübgrauen, klammkalten November. Freuen wir uns also umso mehr auf die anderen Themen! – Gleich einleitend will ich festhalten, dass die Rubrik "Blogvorschau" diese Woche entfällt, da es dazu gerade nichts zu sagen gibt, was ich nicht schon letzte Woche gesagt habe. Aber es kommen auch wieder andere Zeiten... und damit jetzt genug der Vorrede! 

Versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne. 

Spandau oder Portugal / Tagesreste

Am Samstag wäre eigentlich die dritte Wichtelgruppen-Schnupperstunde gewesen, aber die stand von vornherein unter ungünstigen Vorzeichen. Der Pfadfinderleiter war in Urlaub, mehrere Eltern, die mit ihren Kindern bei einem der ersten Treffen gewesen waren, hatten aus unterschiedlichen Gründen abgesagt, die Wetteraussichten waren zweifelhaft, und dann teilte mir auch noch meine Co-Gruppenleiterin kurzfristig mit, sie sei aus dringenden familiären Gründen verhindert. Schließlich gab es auch noch genau in der Stunde, in der das Wichtelgruppentreffen hätte stattfinden sollen, einen kräftigen Gewitterschauer, sodass ich keineswegs überrascht war, dass niemand mal eben spontan vorbeischaute; in Anbetracht der Umstände war ich aber auch gar nicht so unglücklich darüber. Meine Kinder ließen sich derweil durch das Wetter nicht davon abhalten, im Pfarrgarten zu spielen.

Am selben Nachmittag gab eine Künstlerfreundin, mit der ich in den Nuller und Zehner Jahren bei diversen Lesungen, Bühnenprogrammen, Hörspielen und Kurzfilmen zusammengearbeitet hatte, die ich nun aber schon allzu lange nicht mehr gesehen hatte, ein Picknick auf einer Wiese im Hansaviertel und hatte uns dazu eingeladen; ich fürchtete nun schon, dieses Picknick werde ebenfalls ins Wasser fallen, aber nachdem wir die Kinder überreden konnten, den Pfarrgarten wieder zu verlassen, fuhren wir auf gut Glück doch ins Hansaviertel, und siehe da, dort schien die Sonne. Die Stimmung bei dem Picknick war ausgezeichnet, die Kinder kletterten in einer alten Kastanie herum und sammelten Steine, Totholz und Laub für ein Schneckenterrarium. Wir kamen spät und müde nach Hause, aber das war es wert. 

Hier übrigens das besagte Schneckenterrarium, liebevoll gestaltet vom Tochterkind. 

Am Sonntag wollten wir nach Siemensstadt zur Messe, schafften es aber wieder einmal nicht, "einen Bus früher als nötig" zu nehmen, und verpassten – wie so oft – beim Umsteigen unseren Anschluss, woraufhin wir zu Fuß bis zur nächsten Haltestelle gingen. Das hatte neben dem Zweck, die Wartezeit auf den nächsten Bus zu verkürzen, noch einen weiteren: Oft ist der Bus, der aus Haselhorst kommend nach Siemensstadt fährt, sonntags vornittags rappelvoll mit Leuten, die zum Trödelmarkt auf dem Metro-Parkplatz an der Ecke Paulsternstraße/Nonnendammallee wollen, und wenn die an der Haltestelle Paulsternstraße alle ausgestiegen sind, kommt man mit dem Kinderwagen sehr viel leichter in den Bus rein. – Warum erzähle ich das hier? Weil wir auf der Strecke, die wir zu Fuß zurücklegten, ebenfalls eine Menge Leute sahen, die zu diesem Trödelmarkt unterwegs waren, darunter recht viele junge Familien; und plötzlich kam mir der Gedanke: Vielleicht sollte die Kirchengemeinde mal einen Infostand auf diesem Trödelmarkt einrichten. Dass der gerade sonntags vormittags stattfindet, ist natürlich etwas ungünstig, aber dann müssen die Leute, die diesen Infostand bemannen, eben mal in die Vorabendmesse. – Ich sehe bereits eine Gelegenheit voraus, diese Idee in die Gremien der Gemeinde einzubringen, aber vielleicht wäre es ratsam, sich den Trödelmarkt vorher erst mal selbst anzusehen. Na, schauen wir mal. 

Die Kirche erreichten wir an diesem Sonntag jedenfalls erst mitten in der Predigt; den Priester, der die Messe hielt, kannten wir nicht, es war ein kräftig gebauter Mann mit polnischem Akzent, der sich während der Predigt mit einem Arm auf dem Ambo aufstützte und mit dem anderen energisch gestikulierte. Er sprach eindringlich und zum Teil sehr persönlich über die Treue Gottes, die stärker sei als die Untreue der Menschen, und führte aus, christliche Mission bestehe im Wesentlichen darin, dass Menschen, die die Liebe Gottes erfahren haben, diese Erfahrung anderen mitteilen. Eine starke Predigt; ich bedaure es, den Anfang verpasst zu haben. 

Am Sonntagnachmittag war das Tochterkind zu einem Kindergeburtstag eingeladen, am Montag war Omatag; den Dienstag und den Mittwoch gilt es in den folgenden Rubriken gesondert zu würdigen. 


Währenddessen in Borsigwalde 

Normalerweise heißt diese Rubrik ja "Währenddessen in Tegel", aber der wesentliche Inhalt, mit dem ich diese Rubrik in der aktuellen Ausgabe zu füllen gedenke, spielte sich nun mal in Borsigwalde ab, und ich denke, man sollte durchaus mal würdigen  dass das ein eigener Stadtteil ist, auch wenn (und gerade weil) man das leicht vergessen kann. – Der Anfang der Geschichte spielte sich allerdings doch in Tegel ab: Am Dienstag hatte meine Liebste keinen Unterricht, da alle ihre Schüler auf Exkursion waren; also nutzte sie den Tag, um etwas mit den Kindern zu unternehmen, und ich schlief erst mal aus, so gut es ging. Am frühen Nachmittags zog ich mir mein "Che Jesus"-Shirt an und ging aus dem Haus – und begegnete im nächsten Augenblick zwei Schwarzen, die gekleidet waren, als kämen sie direkt aus der 70er-Jahre-Disco. Der erste musterte nachdenklich mein T-Shirt, sagte aber nichts. Der zweite reckte die Faust und rief laut "Che Guevara!" – worauf der erste ihn korrigierte: "Mann, das ist Jesus, Mann." 

Ich jedenfalls lenkte meine Schritte in Richtung Borsigwalde, denn wie ich erfahren hatte, hielt in der dortigen Allerheiligenkirche der Erzbischof von Owerri (Nigeria), Lucius Iwejuru Ugorji, die 15-Uhr-Messe. Der Oberhirte einer Diözese wohlgemerkt, in der es mehr als zweieinhalbmal so viele Katholiken gibt als im Erzbistum Berlin. Dass der nun im Zuge eines Kurzbesuchs in Berlin eine Werktagsmesse in einer unscheinbaren Filialkirche in Borsigwalde hielt, hatte zweifellos damit zu tun, dass der Pfarrvikar, der an diesem Kirchenstandort seinen Dienstsitz hat, im Erzbistum Owerri inkardiniert ist (ich habe ihn in meinem Blog schon öfter erwähnt). Trotzdem konnte ich mich des Gedankens nicht ganz erwehren, dass so etwas im umgekehrten Fall – also bei einem Auslandsbesuch eines deutschen (Erz-)Bischofs – wohl nur schwer vorstellbar wäre. Das hat wohl damit zu tun, dass das Amtsverständnis der Bischöfe in Deutschlands tendenziell ein anderes ist; was nicht unbedingt in erster Linie an den einzelnen Bischöfen persönlich liegt (Erzbischof Koch z.B. würde ich es sehr wohl zutrauen, dass er es nicht für unter seiner Würde hielte, in einer kleinen Kirche in einem fremden Land, wo ihn keiner kennt, eine Werktagsmesse zu halten), sondern an den Erwartungen, die die Öffentlichkeit und die Medien an das Amt stellen. Deutsche Bischöfe sind tendenziell mehr "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" als Priester und Seelsorger, und das erklärt womöglich eine ganze Menge von dem, was in der Kirche hierzulande im Argen liegt. 

Jedenfalls war die Messe mit mehr als dreißig Teilnehmern recht gut besucht; man ist geneigt zu sagen: nicht nur für einen Werktagsgottesdienst. Die allermeisten Anwesenden waren schon recht betagt, aber das war angesichts der Tageszeit wohl kaum anders zu erwarten gewesen; die Vormittagsmesse in der benachbarten, d.h. nur knapp zwei Kilometer entfernten Kirche St. Joseph Tegel war übrigens ausgefallen, und ein Teil des harten Kerns der dortigen Gottesdienstgemeinde fand sich nun hier ein. Der ortsansässige Pfarrvikar und zwei weitere aus Nigeria stammende Priester – der Leiter der englischsprachigen Mission im Erzbistum Berlin sowie ein junger Mann, der an der Hochschule der Pallottiner in Vallendar studiert und mit sehr kraftvoller Stimme das Evangelium vortrug – konzelebrierten. Der hauptamtliche Organist begleitete die Messe außerhalb seiner üblichen dienstlichen Verpflichtungen; er hatte seinen Hund dabei, und es löste einige Heiterkeit aus, dass, als der Organist vor Beginn der Messe durch den Altarraum in die Sakristei ging, der Hund einen Moment vor dem Tabernakel verweilte. 

Zum Abschluss der Messe wurde die anwesende Gemeinde nach vorn gebeten, um vom Erzbischof einen besonderen Segen zu empfangen. Außerdem wurde angesagt, der Erzbischof werde der Gemeinde nach der Messe noch im Foyer für Fragen zur Verfügung stehen, aber ich konnte mich nicht recht zum Bleiben durchringen. Erwähnt wurde auch, dass der Erzbischof sich am Vormittag mit Generalvikar Kollig getroffen habe, um über weltkirchliche Angelegenheiten zu sprechen; da hätte ich ja nun doch gern Mäuschen gespielt. 

Erzbischof Lucius Iwejuru Ugorji (links)

Übrigens hatte ich zuvor geträumt, ich hätte die Messe versäumt, weil ich zu sehr mit den Vorbereitungen für das "Dinner mit Gott" beschäftigt war. Möglicherweise ein Fingerzeig, dass wir dieses Veranstaltungsformat mal wiederbeleben sollten. Beim Traum-Dinner sollte es übrigens Hähnchenbrust mit Paprika und Reis geben; das könnte ich durchaus auch mal für meine Familie kochen


Tagesreste spezial: Fête de la Musique 

Am Mittwoch (also gestern) war Fête de la Musique, und an und für sich wäre ich gern mit den Kindern zu der einen oder anderen Musikbühne gegangen; allerdings waren die Bühnen in unserer Ecke Berlins dünn gesät und das Programm begann dort erst um 16 Uhr – und um die Zeit wollten wir zum JAM. Da die Kinder nach dem JAM aber immer noch voller Tatendrang und Abenteuerlust waren, fuhren wir anschließend noch zum Centre Français und hörten uns den Auftritt des Berlin Boom Orchestra an. 

Übrigens hat auch das Erzbistum Berlin zur Fête de la Musique eine Bühne gestellt, auf dem Michaelkirchplatz an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg. Im Vorfeld, nämlich bis zum 10. Mai, konnten sich verschiedenste musikalische Ensembles –ist  "Chöre, Bands, Orgel, Schola, Liedermacher, Blasorchester, Bigband und vieles mehr", wie es auf der Website des Erzbistums hieß – für ein bis zu 45 Minuten langes Auftritts-Zeitfenster auf dieser Bühne anmelden, und herausgekommen ist dabei dieses Programm: 


Ich muss sagen, ich finde es ein bisschen schade, dass ich mich nicht so richtig darüber freuen kann. Es hat bestimmt eine Zeit gegeben, da hätte ich es als eine richtig gute Idee betrachtet, dass das Erzbistum sich an der Fête de la Musique beteiligt. Wobei ich die konkrete Form dieser Beteiligung wohl auch da schon zu zentralistisch gefunden hätte: Eigentlich sollte die Fête de la Musique doch, meinem Verständnis nach jedenfalls, ein Graswurzel-Event sein. Meine Idealvorstellung von der Fête de la Musique wären eigentlich drei Chinesen mit dem Kontrabass kleine Gruppen von Musikern, die sich mit ihren Instrumenten an irgendeine Straßenecke stellen und drauflosmusizieren. Allerdings habe ich mir schon vor Jahren – lange vor Corona – sagen lassen, in dieser Form sei das in Berlin nicht (mehr) realisierbar, da würden sich Anwohner beschweren und das Ordnungsamt würde einschreiten. This is why we can't have nice things, wie der Angloamerikaner sagt. Dies vorausgeschickt habend, bin ich der Auffassung, dass es dem ursprünglichen Geist der Fête de la Musique (und dem Geist der Punkpastoral sowieso) eher entspräche, kirchliche Beiträge zu diesem Event nicht zentral durch das Erzbistum, sondern auf Pfarreiebene, oder noch besser auf der Ebene der einzelnen Gemeinden und "Orte kirchlichen Lebens" zu organisieren. Als meine Liebste und ich noch in der Tegeler Pfarrei aktiv waren, machten wir einmal – 2019 dürfte das gewesen sein – zusammen mit dem wunderbaren Falafelmann Pläne für eine gemeinsame Aktion zur Fête de la Musique, aber mangels Unterstützung von dritter Seite wurde dann doch nichts daraus. Ähnlich erging es mir mit der Idee, einigen der Straßenmusiker, die man im Stadtbild von Alt-Tegel so antrifft, im Rahmen eines Pfarrfests eine Bühne zu bieten – was mir umso naheliegender erschien, als einer dieser Musiker häufig Gospelsongs spielt und ich einen anderen mal beim stillen Gebet in der Kirche antraf. – Wie dem auch sei: Wenn ich sage, dass ich mich über die Beteiligung des Erzbistums Berlin an der Fête de la Musique "nicht so richtig freuen konnte", dann meine ich damit, dass sich bei mir, als ich die ersten Flyer dafür sah, reflexartig die Überzeugung regte, wenn eine eigentlich gute Idee von der Amtskirche institutionalisiert werde, dann könne dabei ja nur Kacke herauskommen. Und ich muss sagen: Ob das im Einzelfall nun stimmt oder nicht, ist es schon irgendwie bezeichnend und traurig, dass dieser Gedanke sich mir so aufdrängt. 


Neues aus Synodalien 

In dieser Rubrik sind in dieser Woche zwei Nachrichten zu würdigen: 

Erst einmal muss ich ein Geständnis machen: Mir war die Aachener Heiligtumsfahrt, die üblicherweise alle sieben Jahre stattfindet, zuletzt aber wegen Corona um zwei Jahre verschoben wurde, bisher kaum ein Begriff. Dabei zählte sie im Spätmittelalter bzw. in der frühen Neuzeit zu den größten Wallfahrten Europas. Heute hingegen ist Aachen eins der liberalsten Bistümer Deutschlands,  und man könnte denken, da passe Reliquienverehrung (die Heiligtümer, von denen der Name der Veranstaltung herrührt, sind das Kleid Mariens, die Windeln und das Lendentuch Jesu sowie das Enthauptungstuch Johannes des Täufers) nicht so recht ins Bild. Aufgeben will und kann man die Wallfahrtstradition aber auch nicht so einfach, zumal da – wie eigentlich immer im brauchtümlichen Katholizismus – ein großes Volksfest mit dranhängt. Wenn man sich anschaut, wie die diesjährige Heiligtumsfahrt auf der Facebook-Seite des Bistums Aachen dokumentiert wurde, kann man den Eindruck haben, das "kulturelle Rahmenprogramm" sei eigentlich die Hauptsache bei diesem Event: Entertainer wie Guildo Horn und Götz Alsmann traten auf dem Katschhof auf, diverse mir unbekannte Bands auf einer sogenannten "Entdeckerbühne"; außerdem gab's einen "Frauenkraftort" in der Innenstadt, eine Bikerwallfahrt, einen "Tag der Grundschulkinder" und eine Kunstaktion mit einem riesigen Stoffball. Was es, entgegen der Tradition der Heiligtumsfahrt, nicht gab, war eine Abschlussmesse mit dem Metropoliten der Rheinischen Kirchenprovinz, d.h. dem Erzbischof von Köln. Präziser gesagt, die Abschlussmesse gab es natürlich, nur eben ohne den Erzbischof von Köln; denn dieser heißt derzeit bekanntlich Rainer Kardinal Woelki und ist, wie der Aachener Bischof Helmut Dieser es gegenüber der Presse formulierte, "im Moment die Projektionsfläche für viele Probleme". Daher habe Bischof Dieser, wie er weiter ausführte, die Notwendigkeit gesehen, den Abschlussgottesdienst "zu schützen davor, dass er umschlägt irgendwie in eine Krawallveranstaltung", und habe aus diesem Grund den Kardinal "gebeten", auf die Zelebration dieser Messe "zu verzichten". Tatsächlich waren wohl im Vorfeld Protestaktionen gegen einen Auftritt Woelkis bei der Heiligtumsfahrt angekündigt worden. So nachvollziehbar und richtig das Anliegen ist, einen Gottesdienst von Protestkundgebungen freizuhalten, könnte man natürlich die Frage stellen, ob es nicht angemessener gewesen wäre, die Protestler auszuladen statt des Kardinals. So sehr Bischof Dieser in seinem Statement gegenüber der Presse den Eindruck zu vermeiden sucht, er ergreife Partei gegen den Kölner Erzbischof und für seine Gegner, so sehr läuft Woelkis Ausladung praktisch eben doch genau darauf hinaus. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich prognostiziere, dass dieser Vorgang als äußeres Zeichen einer sich dramatisch verschärfenden Spaltung innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz in die Kirchengeschichte eingehen wird – einer Spaltung, die sich auch in der folgenden Meldung ausdrückt: 
Die Bischöfe von Eichstätt, Passau und Regensburg, Gregor Maria Hanke OSB, Stefan Oster SDB und Rudolf Voderholzer, sowie wiederum der Erzbischof von Köln, Rainer Kardinal Woelki, haben gegen die Einrichtung eines "Synodalen Ausschusses" gestimmt, der die Errichtung eines von Nuntius Eterović im Namen des Papstes ausdrücklich verbotenen Synodalen Rates vorbereiten sollte. Diese Entscheidung ist nicht zuletzt deshalb folgenreich, weil dadurch eine Finanzierung dieses Ausschusses durch den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD), die die Bischöfe einstimmig hätten beschließen müssen, verhindert wird. Und das Geschrei ist groß in Babylon. Man kann sich ausmalen, wie viel schlechte Presse den vier Hirten seitens der Hofberichterstattung des Schismatischen Wegs nun blüht; den Artikel von Daniel Deckers in der FAZ zu diesem Thema habe ich vorsichtshalber gar nicht erst gelesen. So sehr die vier Aufrechten es in dieser Situation also verdienen (und nötig haben) mögen, dass man ihnen den Rücken stärkt, kann ich ihnen eine gewisse Kritik dennoch nicht ersparen: Ich finde die gemeinsame Presseerklärung, mit der sie ihre Entscheidung begründen, viel zu lasch. Sie wollten "den Weg zu einer synodaleren Kirche in ihren Bistümern gemeinsam und abgestimmt mit dem synodalen Prozess der Weltkirche gehen", heißt es da; die "beschlos­se­nen Tex­te des Syn­oda­len Weges" sol­lten "ins Gespräch mit Rom und in den Syn­oda­len Pro­zess der Welt­kir­che ein­ge­bracht wer­den": "Wür­den wir hier nun in Deutsch­land for­ciert wei­ter­ge­hen, wür­den die Polarisierun­gen unter den Gläu­bi­gen bei uns, unter den Bischö­fen und im Mit­ein­an­der der Weltkir­che nur noch wei­ter ver­stärkt." Durch solche Formulierungen wird der Anschein erweckt, man wolle ja im Endeffekt dasselbe wie die Befürworter des Synodalen Ausschusses und plädiere lediglich für ein vorsichtigeres, behutsameres Vorgehen auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel. Eine derart zaghafte Positionierung halte ich für ausgesprochen unklug, in mehrfacher Hinsicht: Die Propagandisten des Schismatischen Wegs kaufen ihnen das sowieso nicht ab, und die lehramtstreuen Gläubigen werden dadurch nur noch mehr verunsichert. – Ich bestreite nicht, dass es erheblichen Mut erfordert hat, dem Projekt "Synodaler Ausschuss" gegen den Druck der öffentlichen Meinung die Zustimmung zu verweigern. Umso unverständlicher ist mir, dass in der Presseerklärung von diesem Mut so wenig zu spüren ist. 


Aktuelle (Bett-)Lektüre 

Astrid Lindgren: Kalle Blomquist, Eva-Lotta und Rasmus 

Vom letzten Teil der "Kalle Blomquist"-Trilogie haben wir bisher nur die ersten zwei Kapitel gelesen, ich kann daher nur eine sehr vorläufige Einschätzung abgeben. Die Handlung beginnt einmal mehr mit dem "Krieg der Rosen"; aber nachdem Anders, der Anführer der "Weißen Rose", im 2. Kapitel im Zuge einer nächtlichen Schlacht in der Burgruine durch puren Übermut in akute Lebensgefahr geraten ist, steht zu erwarten, dass der spielerische Bandenkrieg der Kinder, der sich somit als doch nicht so harmlos wie gedacht herausgestellt hat, bis auf Weiteres ein Ende findet. In diesem Kapitel scheint sich jedenfalls die Entwicklung hin zu größerem Ernst und sogar ausgesprochen düster-bedrohlichen Elementen, die in "Kalle Blomquist lebt gefährlich" im Vergleich zum ersten Teil der Reihe sehr auffällig war, fortzusetzen; auf der anderen Seite drängt sich mir der Verdacht auf, mit der Einführung des vorwitzigen fünfjährigen Rasmus als neuem Nebenhelden reagiere die routinierte Erfolgsschriftstellerin Lindgren auf das Bedürfnis einer jüngeren Zielgruppe nach einer altersgerechten Identifikationsfigur. Der Umstand, dass Rasmus' Vater ein angeblich unzerstörbares Leichtmetall erfunden hat, von dem die Zeitung schreibt, es werde die Kriegsindustrie revolutionieren, lässt erwarten, dass die Kriminalhandlung dieser dritten "Kalle Blomquist"-Geschichte einen politischen Zug bekommen wird. – Vorläufig muss ich jedenfalls festhalten, dass mir der erste Teil der Reihe, gerade (aber nicht nur) dank der Leichtigkeit der Erzählweise, bisher am besten gefallen hat. Der zweite Teil hatte unbestreitbar mehr "Tiefe", aber der erste war unterhaltsamer zu lesen und hatte zudem für mein Empfinden auch die besser konstruierte und dadurch spannendere Handlung. 


Aus dem Stundenbuch 
Im Gebet des Herrn heißt es: "Dein Reich komme!" Dass sein Reich uns erscheine, bitten wir ebenso, wie wir beten, dass sein Name in uns geheiligt werde. Wann herrschte Gott nicht, oder wann fängt er an, zu sein, was er doch immer war und niemals aufhört zu sein? Wir erbitten von Gott, dass das Reich komme, das er uns verheißen und das Christus mit seinem Blut und Leiden erworben hat. Wir fahren fort und sprechen: "Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden", nicht das Gott tue, was er will, sondern dass wir tun können, was er will. Damit der Wille Gottes in uns geschieht, brauchen wir den Willen Gottes, das heißt seine Hilfe und seinen Schutz. Niemand ist durch eigene Kraft stark. Nur durch Gottes Erbarmen und Huld sind wir in Sicherheit. Der Wille Gottes aber ist, was Christus tat und lehrte. 
(Cyprian von Karthago, Über das Gebet des Herrn)

 

Ohrwurm der Woche 

Paul Weller: Thinking of You 


Ich sag's doch immer wieder: Post-Punk ist ein weites Feld. Hier covert Mod-Ikone Paul Weller (ehrmals The Jam) einen Disco-Klassiker von Sister Sledge als Akustik-Ballade. Und was soll ich sagen, ich find's einfach schön – und mir wird davon sommerlich sonnig im Gemüt. 


Montag, 19. Juni 2023

100 Tage Comeback – Eine erste Zwischenbilanz

Am Samstag, dem 11. März 2023, erschien auf meinem Blog "Huhn meets Ei" erstmals seit genau elf Monaten wieder ein neuer Artikel; damit ging die bislang längste Publikationspause in der mittlerweile fast zwölfjährigen Geschichte dieses Blogs zu Ende. Das ist nun 100 Tage her; ein guter Anlass, einmal zwischenzubilanzieren: Wie läuft's denn so mit dem "Huhn meets Ei"-Comeback? 

Was den "Output" angeht, kann man jedenfalls nicht meckern: 33 neue Artikel sind in den zurückliegenden 100 Tagen erschienen, dieser hier noch nicht mitgerechnet. Damit ist dies der produktivste Zeitraum seit dem Herbst 2019; und dankenswerterweise haben auch die Leser mitgezogen, denn auch die monatlichen Zugriffszahlen haben sich recht schnell wieder auf dem Stand von Ende 2019/Anfang 2020 eingependelt. – Und was war in der Zwischenzeit los? Nun, zuerst einmal Corona. Theoretisch hätte man im Lockdown natürlich prima bloggen können, aber praktisch fehlte mir – wie ich schon einmal geschildert habe – irgendwie die Motivation dazu. Im März '20 war ich noch guten Willens, führte die "100-Bücher-Challenge" weiter und benannte die erst wenige Wochen zuvor aus der Taufe gehobene Wochenbriefing-Reihe "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" in "Grüße aus dem Corona-Park" um, aber diese Reihe stellte ich schon nach drei Folgen wieder ein, und dann war erst mal Sendepause bis Anfang August. 

Der konkrete Anlass dafür, aus dieser viermonatigen Blogpause wieder aufzutauchen, bestand in der Weihe des Erzbistums Berlin an das Heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens durch Erzbischof Koch: Zur Vorbereitung auf diesen Weiheakt verfasste ich eine Novene mit Lobpreismusik und Texten aus dem Stundenbuch und veröffentlichte sie tageweise, vom 6.-14. August, auf meinem Blog. Das war insofern eine richtungsweisende Tat, als sie mich "auf den Geschmack brachte", im folgenden Jahr noch drei weitere Novenen (zum Fest Hl. Josef der Arbeiter, zu Pfingsten und zum Heiligsten Herzen Jesu) zu gestalten, aber da machte ich nicht für jeden einzelnen Tag einen Blogartikel draus. Der Novene zur Weihe des Erzbistums Berlin an das Heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens ließ ich jedenfalls noch einen Artikel folgen, der die sich nicht ganz unpolemisch mit der Kritik liberaler Theologen am in der Corona-Krise aufgekommenen sogenannten "Retro-Katholizismus" befasste und der eine recht bemerkenswerte Reichweite erzielte, u.a. dadurch, dass der Twitter-Account des Erzbistums Berlin auf ihn hinwies – worauf wiederum der in dem Artikel scharf kritisierte Pater Max Cappabianca OP, ebenfalls auf Twitter, recht pikiert reagierte. Eigentlich hätte mich dieser Erfolg wohl zum Weitermachen motivieren sollen, aber tatsächlich veröffentlichte ich bis November 2020 nur noch sieben weitere Artikel, wovon einer ein Gastbeitrag meines treuen Lesers und unermüdlichen Kommentarschreibers Imrahil und ein weiterer eine u.a. mit Bezügen zur Corona-Krise aktualisierte Neufassung eines Artikels von 2012 war. Der kontroverseste Artikel des Herbsts 2020 war jedoch nicht dieser letztere, sondern ein durch Reaktionen auf die Räumung des besetzten Hauses "Liebig 34" in Berlin-Friedrichshain veranlasster Artikel mit dem Titel "Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie diese Hausbesetzer". Ab Ende November herrschte dann erst mal wieder für gut drei Monate Stille auf dem Blog. 

Dass ab Ende Februar 2021 wieder mehr los war bei "Huhn meets Ei", war zunächst vor allem von dem Interesse geprägt, mein zu diesem Zeitpunkt neuestes Projekt, das Monatsheft "Lebendige Steine", zu promoten; hinzu kam die Dokumentation verschiedener Aktivitäten in der Tegeler Pfarrei, v.a. der Bemühungen um eine Neubelebung des Gemeindestandorts St. Joseph. Nach einem ebenfalls ausführlich dokumentierten Urlaub in Butjadingen fühlte ich mich dann auch motiviert genug, das Artikelformat "Wochenbriefing" wieder aufzugreifen – erneut unter dem Reihentitel "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim". Artikel, die weder zu dieser Reihe gehörten noch den "Lebendigen Steinen" gewidmet waren, erschienen von Juni bis Oktober nur sehr wenige, darunter allerdings ganze zwei aus Anlass der Bundestagswahl

Zu einer erneuten Zäsur kam es, als meine Liebste und ich Ende Oktober 2021 den Entschluss fassten, unsere Mitarbeit in der Pfarrei Herz Jesu Tegel zu beenden. Nachdem es am 25.10. erstmals seit immerhin 17 Wochen kein neues Wochenbriefing gegeben hatte, machte ich am 30.10. unter der Überschrift "Umbaupause!" einige eher kryptische Andeutungen über anstehende Veränderungen, ehe ich gut drei Wochen später, am 22.11., eine Wiederaufnahme der Wochenbriefings mit verändertem Konzept und neuem Reihentitel – "Spandau oder Portugal"ankündigte. Diese Reihe lief dann fünf Wochen lang, bis zum Ende des Jahres, und damit brachte das Kalenderjahr 2021 es auf immerhin 47 Artikel – das sind mehr als im Vorjahr, aber auch mehr als 2012 und 2014. Die Zugriffsstatistik blieb allerdings während des ganzen Jahres 2021 hinter den Erwartungen zurück – mit Ausnahme des Monats Juli, der aus völlig unerfindlichen Gründen einer der erfolgreichsten Monate in der Geschichte dieses Blogs überhaupt war (wahrscheinlich steckte da ein Bot dahinter...). 

Im gesamten Kalenderjahr 2022 erschien dann nur ein einziger neuer Artikel. Ich habe keine besonders überzeugende Ausrede dafür. Sagen wir daher einfach: Schwamm drüber. 

Nun bin ich aber seit März des laufenden Jahres wieder voll dabei, also schauen wir uns mal die meistgelesenen Artikel der letzten 100 Tage an: 

1. Havels Gemüsehändler ist jetzt Tierarzt in Butjadingen 

In meinem Heimatdorf an der Waterkant sorgte die Hissung einer LGBT-Flagge am Gästehaus der katholischen Kirchengemeinde – oder genauer gesagt, der Protest eines Ratsherrn dagegen – für einen lokalpolitischen Skandal, und ich fand, dazu müsse ich etwas sagen; das war der unmittelbare Anlass für mich, endlich mal wieder was zu bloggen, und somit ist es wohl irgendwie folgerichtig, dass diesem Artikel besonders große Resonanz zuteil wurde. 

2. Auf einer Skala von Bischof Oster bis Maria 1.0 – Wie dunkelkatholisch bist du? 

Als ich Ende März erstmals die Methode anwandte, das Publikum via Facebook und Twitter über die Themen der nächsten Blogartikel abstimmen zu lassen, belegte dieser Themenvorschlag mit deutlichem Abstand den ersten Platz. Unmittelbarer Anlass für dieses Thema war der Umstand, dass Bischof Stefan Oster am Rande der letzten Synodalversammlung des Synodalen Wegs deutliche Kritik an der Initiative Maria 1.0 geübt hatte; insgesamt geht es in diesem Artikel aber um weit mehr als dies, nämlich um die innere Vielfalt des häufig fälschlich als monolithischer Block dargestellten "konservativen Lagers" in der katholischen Kirche – und darum, dass diese Vielfalt zumindest potentiell etwas Gutes ist, nämlich dann, wenn sie nicht dazu (ver-)führt, sich in internen Kleinkriegen aufzureiben. 

3. Einige Anfragen an die Pfarrei St. Willehad. Und ein Gebet. 
Ein weiterer Artikel zur Butjenter Regenbogenflaggen-Affäre, diesmal mit besonderem Augenmerk auf die nicht gerade rühmliche Rolle, die die örtliche Pfarrei dabei gespielt hat. 

4. Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #28
 Das Wochenbriefing vom 4. Mai. Dass dieses so auffallend viel mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat als die anderen Folgen dieser Reihe, dürfte vorrangig dem Umstand zu verdanken sein, dass darin eine Veranstaltung der Gruppe "Synodale Gemeinde/Maria 2.0 in der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland" in Falkensee geschildert wird, bei der Generalvikar Pater Manfred Kollig SSCC über die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs im Erzbistum Berlin sprach. Aber auch sonst hat der Artikel allerlei zu bieten, z.B. die Schilderung des diesjährigen Patronatsfests der Kirche St. Joseph Tegel. 

5. Bloß keine Fragen stellen! 

Dieser Artikel wurde veranlasst durch die bemerkenswerte Erfahrung, auf der Facebook-Seite der Münsteraner Bistumszeitung Kirche + Leben gesperrt zu werden, weil ich im Zuge einer Debatte über die kirchliche Lehre zum Thema Homosexualität eine andere andere Diskussionsteilnehmerin aufgefordert hatte, ihre Aussagen zu präzisieren bzw. zu belegen. Nachzuerzählen, wie es dazu kam, erfüllt in diesem Artikel gewissermaßen einen doppelten Zweck: Einerseits geht es darum, aufzuzeigen, wie abstrus und intellektuell unredlich das in kirchlich "liberalen" bzw. "progressiven" Kreisen verbreitete Bemühen, Bibel und kirchliche Lehrtradition LGBT-freundlich umzuinterpretieren, vielfach gerät, und andererseits um eine grassierende Diskussions-Unkultur, in der nicht zwischen Meinungen und Tatsachenbehauptungen unterschieden wird und in der schon das Hinterfragen einer unbelegten Behauptung als Affront aufgefasst werden kann. 

6. Hol dir deine Kirche zurück! 

Wiederum ein Siegerthema einer Publikumsumfrage: die kritische Würdigung eines YouTube-Videos mit dem Titel "How and why to retake the Mainline Churches". Bei der Beurteilung der Thesen dieses Videos spielen eigene Erfahrungen mit der Gemeindeaufbauarbeit in der Tegeler Pfarrei von 2017 bis 2021 eine wichtige Rolle. Auf das Thema Gemeindeaufbau/Gemeindeerneuerung wird in Zukunft zweifellos noch öfter zurückzukommen sein. 

7. Flagge zeigen, Farbe bekennen 

Nochmals die Butjenter Regenbogenflaggen-Affäre. Nachdem mein oben unter 2. aufgeführter Artikel erschienen war, veröffentlichten die Geistlichen der örtlichen Pfarrei nämlich eine Stellungnahme zu den Vorgängen, die derart – drücken wir uns mal maßvoll aus – wenig überzeugend daherkam, dass ich es mir nicht versagen konnte, abermals etwas dazu zu sagen. 

8. Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #29
Das Wochenbriefing vom 11. Mai. Möglicherweise wirkte da das große Interesse am Wochenbriefing der Vorwoche (s.o. Nr. 4) noch nach; ansonsten wüsste ich nicht so recht, was an gerade dieser "Wolkenkuckucksheim"-Folge interessanter sein sollte als an irgendeiner anderen. Na gut, vielleicht die Anmerkungen zur Erstkommunion in St. Joseph Siemensstadt, die den Anlass für das kurz darauf zusammengestellte "Dossier Erstkommunion" darstellten. Oder vielleicht doch die Anmerkungen zur Vollversammlung des "ZdK" in München?

9. Lasst euch nicht erschrecken, es ist noch nicht das Ende (Mt 24,6) 

Ein Beitrag zur Klimawandel-Debatte, der einmal mehr dazu geeignet ist, sich zwischen sämtliche Stühle zu setzen. Nicht umsonst hat er die (bislang) höchste Anzahl von Leserkommentaren in diesem Jahr geerntet. Was die Zugriffszahlen angeht, hätte ich eigentlich sogar noch mehr erwartet, aber das kann ja noch kommen – das Thema wird ja so bald nicht an Aktualität verlieren. 

10. Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #22

Das Wochenbriefing vom 23. März. Hier kann ich mir nun wirklich nicht erklären, wieso gerade dieser Artikel es in die Top Ten geschafft hat; umso weniger, als er eine nicht unbeträchtliche Menge an Zugriffen erst geerntet hat, als er schon nicht mehr so ganz brandneu war. Aber okay, offenbar hat er verborgene Qualitäten. Überzeugt euch selbst! 

Auch nicht uninteressant ist, dass der allgemeine Anstieg der Blog-Zugriffszahlen auch einigen älteren Artikeln einen Zuwachs an Aufrufen bescherte, der sich mit denen der neuen Artikel durchaus messen konnte. Die auffälligsten Beispiele: 

  • Ende März, Anfang April etwa war der Artikel "Case in Point: Frisches Feedback zu 'Wenn zwei das Gleiche tun...'" (von 2016) einer der meist-aufgerufenen Artikel – woran auch immer das gelegen haben mag. Als eine Glanzleistung betrachte ich ihn jedenfalls nicht: Er ist mit Wut im Bauch geschrieben, und das merkt man ihm an – auch noch nachdem ich ihn stellenweise entschärft habe. Dass ich das für nötig gehalten habe, sagt wohl eine Menge aus. 
  • Vor allem im Mai sehr erfolgreich war der Artikel "Macht euch also keine Sorgen und fragt: Was wird 2060 sein?" (von 2019), in dem es um Zukunftsprognosen zur Mitgliederentwicklung der Großkirchen in Deutschland geht; da weiß ich zwar ebenfalls nicht, wo das Interesse an einem rund vier Jahre alten Artikel konkret herkam, aber in diesem Fall bin ich recht zufrieden damit, denn nachdem ich den Artikel selbst noch einmal nachgelesen habe, darf ich in aller Bescheidenheit sagen: Der ist wirklich gut – besser als ich ihn in Erinnerung hatte. 
  • Und im April punktete "Pfadfinder-Feedback: Ein Gastbeitrag" (ebenfalls von 2019) sehr stark. Dabei handelt es sich um die Reaktion einer bei den DPSG-Pfadfindern aktiven Mutter auf einen Artikel von mir, in dem es u.a. um Unterschiede zwischen den Pfadfinderverbänden DPSG und KPE ging. Dass dieses Thema auf erneutes Interesse stößt, wundert mich angesichts der Tatsache, dass das Stichwort "Pfadfinder" in meinen neueren Wochenbriefings (aus Gründen) mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftaucht, nicht unbedingt. 
Umgekehrt sind aber auch einige der neuen Artikel bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Das gilt in erster Linie für den Artikel "Auf der Werft der Erneuerung?"der unter den 33 Artikeln der letzten 100 Tage derzeit nur auf Rang 23 liegt. In diesem Artikel geht es um die Entwicklung des innerkirchlichen Lagerdenkens seit dem II. Vatikanischen Konzil unter besonderer Berücksichtigung der Würzburger Synode; auch das war, wenn auch knapp, ein Siegerthema bei einer Publikumsumfrage, und vor allem hat der Artikel richtig viel Arbeit gemacht. Ich finde daher, er hätte mehr Aufmerksamkeit verdient, als er bekommen hat. Nur wenig besser sieht es diesbezüglich mit dem Artikel "Der Geist und die Synodalen" (derzeit Rang 13) aus, der bei derselben Publikumsumfrage knapp auf dem zweiten Platz landete und sich mit dem Sakramenten- und Charismenverständnis derjenigen Kreise innerhalb der Kirche befasst, die die Agenda des Synodalen Wegs wesentlich geprägt und durchgesetzt haben. Persönlich würde ich außerdem auch den Artikeln "Bi uns heet dat nich Disco, sondern danz up de Deel" (derzeit Rang 17) und "Wie der Garten seine Saat sprießen lässt (Jes 61,11)" (derzeit Rang 22) erheblich mehr Leser wünschen, als sie bisher gefunden haben, auch wenn ich durchaus einsehe, dass sie thematisch wohl vergleichsweise weniger "relevant" sind als die vorgenannten. 

Auffallend abwesend in den oberen Rängen der Blogstatistik sind schließlich auch die drei neuen Folgen der Saga um die eingekerkerte Nonne; diese belegen nämlich aktuell nur die Plätze 20, 30 und 32. Wenn ich die statistischen Daten richtig deute, dann hat die Wiederaufnahme dieser Artikelserie zwar die alten Fans erfreut, aber nicht in nennenswertem Umfang neue gewonnen. Man wird sehen, ob sich daran in Zukunft etwas ändern lässt; verdient hätte die Artikelserie es auf jeden Fall, denn sie ist durchaus nicht nur, wie man bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht denken könnte, ein ungebührlich in die Länge gezogener Insiderwitz. 

– Was bleibt noch zu sagen? In weiteren 100 Tagen haben wir Ende September, da steht das zwölfjährige Bestehen von "Huhn meets Ei" an. Und bis dahin wird mir der Stoff zum Bloggen gewiss nicht ausgehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind zwei neue Artikel in Arbeit und mindestens fünf weitere in Planung, von den regelmäßigen Wochenbriefings mal ganz abgesehen. Also: Bleibt dran, liebe Leser...! 



Donnerstag, 15. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #34

Herzlich willkommen zum neuen Wochenbriefing, Leser! Ein herausragendes Ereignis der zurückliegenden Woche war natürlich die gemeinsame Fronleichnamsfeier der Spandauer Pfarreien, und darum fange ich, ohne mich erst lange mit Vorreden aufzuhalten, damit gleich mal an:


Spandau oder Portugal 

Schon am Samstag hatte ich allerlei mit den Vorbereitungen für diese Feier zu tun: Das begann damit, dass ich mich, während der Rest der Familie gründlich ausschlief, am Vormittag auf den Weg nach Spandau machte, um beim Aufbau für das Gartenfest in Maria, Hilfe der Christen mit anzufassen. Ich hätte von diesem Aufbautermin gar nichts gewusst, hätte nicht tags zuvor der Gemeindereferent in einer Mail an mich, in der es in der Hauptsache um ganz andere Themen ging, so nebenbei die Frage fallen lassen, ob ich denn auch zum Aufbau käme. Wie er mir später verriet, hatte er selbst auch nur "zufällig" von dem Termin erfahren. Es kamen aber insgesamt ausreichend Helfer zusammen, um den Aufbau von Biertischen und -bänken innerhalb von vierzig Minuten zu erledigen. 

– Ein bezeichnendes Detail vom Aufbau möchte ich aber noch festhalten: Zu den ersten Helfern, die am Tatort eintrafen, zählte neben mir ein junger Mann von der Neokatechumenalen Gemeinschaft ("jung" für kirchliche Verhältnisse; etwas jünger als ich, würde ich schätzen), und der fragte mich, wie die Tische denn wohl angeordnet werden sollten. Daraufhin wurde mir erst bewusst, dass ich – möglicherweise aufgrund meiner Erfahrungen mit anderen Pfarrfesten – ganz unhinterfragt von Einzeltischen ausgegangen war. Der Helfer meinte nun aber, er fände eine U-förmige Tafel besser, und vom Prinzip her gefiel mir dieser Vorschlag. Durchsetzen konnte er sich damit jedoch nicht: Die Dame, die den Aufbau koordinierte, schmetterte den Hinweis auf den gemeinschaftsstiftenden Charakter des An-einem-Tisch-Sitzens mit dem klassischen Argument "Die reden sowieso alle nicht miteinander" ab. Realistisch betrachtet hatte sie wahrscheinlich Recht. Aber ich kann mich zuweilen des Gedankens nicht erwehren, wie anders es an der kirchlichen Basis möglicherweise aussähe, wenn man mit etwas weniger Pragmatismus und mehr Idealismus an die Dinge heranginge. 

Und übrigens: Wer andern eine Bratwurst brät, hat selbst ein Bratwurstbratgerät!

Wieder zu Hause, buk ich am Nachmittag zusammen mit dem Tochterkind einen Papageienkuchen fürs Büffet (wer's nicht kennt: Das ist ein ganz simpler Rührkuchen, dessen Besonderheit darin besteht, dass der Teig vor dem Backen mit Lebensmittelfarben knallig gelb, rot und grün einfärbt), und abends machte ich noch einen Nudelsalat. Der chronologischen Erzählreihenfolge vergreifend, kann ich gleich mal zu Protokoll geben, dass der Papageienkuchen ratzfatz aufgegessen wurde, ehe wir eine Chance hatten, ihn selbst zu probieren – wohingegen wir von dem Salat die Hälfte wieder mitnehmen durften. Das impliziert aber nicht unbedingt ein Urteil über die Qualität, denn es gab noch mindestens fünf andere Nudelsalate bei diesem Büffet. 

Als wir am Sonntagmorgen vor der Messe unsere Büffet-Beiträge im Gemeindehaus abgaben, geriet ich in eine merkwürdige Gesprächssituation: Der Mann, der die Kuchen- und Salatspenden entgegennahm – für kirchliche Verhältnisse ein Mann "mittleren Alters", also sagen wir: um die sechzig –, ermahnte mich, ich solle aufhören, auf meinem Blog "die rechten Pfadfinder zu unterstützen" (er meinte die KPE). – "Und wer sind Sie?", fragte ich etwas irritiert. – "Ich bin hier aus der Gemeinde." Aha. Später stand er in der Kluft des DPSG-Stamms "Anselm von Havelberg" am Büffet. Das hätte er mir auch gleich sagen können – wenn er bei der DPSG ist, ist es ja kein Wunder, dass er die KPE als "rechts" einordnet

Diese eher unerfreuliche Begegnung wurde kurz darauf mehr als ausgeglichen, als wir Erzbischof Koch begegneten, der zuerst unsere Kinder, dann meine Liebste und mich sehr herzlich begrüßte. "Schön, Sie hier wiederzusehen", sagte er; das fand ich auch. 

Bei der Messe in der annähernd voll besetzten Kirche Maria, Hilfe der Christen war Erzbischof Koch Hauptzelebrant, und soweit ich sehen konnte, war fast die gesamte Geistlichkeit der beiden Spandauer Großpfarreien Heilige Familie und Johannes der Täufer zur Konzelebration am Altar versammelt – "fast", weil Pfarrvikar Ricardo Garcés Sánchez zeitgleich in Dallgow-Döberitz Messe feierte; alle anderen Messen in den beiden Pfarreien fielen an diesem Sonntagvormittag zugunsten der gemeinsamen Fronleichnamsfeier aus. 

Hier im Bild: Erzbischof Koch und die Pfarrer der beiden Spandauer Großpfarreien. 

Auf die Messe folgte die Prozession durch die Spandauer Altstadt, mit Stationsaltären auf dem Markt... 

...an der evangelischen Nikolaikirche, der "Wiege der Reformation in der Mark Brandenburg"... 



...sowie an der Kirche St. Marien am Behnitz und zum Abschluss wieder an der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen. Ein Facebook-Beitrag des Accounts von Erzbischof Koch sprach von "mehr als 500" Teilnehmern, was ja nach oben hin offen ist; ich selbst bin leider sehr schlecht im Schätzen von Menschenmengen, aber ich muss sagen, als der Prozessionszug den Falkenhagener Platz umrundete, sah das schon recht imposant aus. 

Von Reaktionen unbeteiligter Passanten auf die Prozession bemerkte ich nur wenig: Die Andacht bei der 1. Station auf dem Markt kommentierte ein junger Mann im Vorbeigehen mit feindseligem Grummeln; später kam uns ein Fahrradfahrer entgegen, der die Prozession in erster Linie als massives Verkehrshindernis wahrnahm und seinen Unmut in die Worte "Wat seid denn ihr für Leute?" kleidete. – "Ob man das auch mit Google Lens bestimmen kann?", kommentierte meine Liebste diese Bemerkung grinsend. Ich schätze, das ist ein Insiderwitz, den ich erläutern sollte, also: Vor ein paar Jahren im Urlaub haben das Tochterkind und ich herausgefunden, dass man die Google Lens-App auf meinem Handy hervorragend für Pflanzenbestimmung nutzen kann, und seitdem beauftragt sie mich häufig, allerlei Pflanzen am Wegesrand zu bestimmen. Nun veranlasste mich der scherzhafte Kommentar meiner Liebsten, mal auszuprobieren, was wohl dabei herauskommt, wenn ich Google Lens ein paar Fotos analysieren lasse, die ich am Rande der Prozession gemacht hatte. Und siehe da: Die ersten Ergebnisse lauteten "Wallfahrt" und "Erstkommunion", aber Bilder, auf denen der Baldachin der Sakramentsgruppe deutlich zu sehen war, erkannte die App prompt als "Fronleichnam"

Die Baldachinträger wurde übrigens vom in der Gemeinde St. Markus (Falkenhagener Feld/Staaken) beheimateten Schützenverein St. Hubertus – dem einzigen katholischen Schützenverein in Berlin und Brandenburg – gestellt. Unter den Bannern, die dem Prozessionszug vorangetragen wurden, waren – wie man wohl auf den obigen Fotos bereits erkennen kann – neben solchen des Kolpingverbands und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung auch diejenigen der in den Spandauer Pfarreien beheimateten DPSG-Stämme; die Katholischen Pfadfinder Haselhorst haben hingegen (bisher noch) weder Banner noch Kluft und waren daher im Prozessionszug nicht sichtbar, aber so gab es wenigstens keinen Streit. Zu den DPSG-Pfadfindern übrigens noch zwei anekdotische Anmerkungen: Schon vor Beginn der Messe war mir ein älterer Jugendlicher oder junger Erwachsener aufgefallen, der zu seiner DPSG-Kluft ein Halstuch in Regenbogenfarben trug. Laut "scout-o-wiki" sind die üblichen Halstuchfarben der DPSG Orange für die Wölflinge, Blau für die Jungpfadfinder, Grün für die Pfadfinderstufe von 13-16 Jahren, Rot für die Rover und Grau für Leiter, aber es gibt offenbar auch Spezialhalstücher für verschiedene Zwecke; vielleicht war der junge Mann also der LGBT-Beauftragte seines Stammes, wer weiß. Später, beim Gartenfest, setzten sich zwei Teeniemädchen zu uns an den Tisch, die offenbar miteinander befreundet waren und von denen die eine Pfadfinderkluft trug und die andere nicht; die erstere merkte an, sie hoffe, dass unsere Kinder Pfadfinder werden würden, denn "wir brauchen immer Leute". Ich verzichtete darauf, zu erwähnen, dass sie bereits zur Wichtelgruppe bei den Haselhorster Pfadfindern gehen... 

Übrigens hatte ich im weiteren Verlauf des Gartenfests noch eine weitere Begegnung mit einem eher kritischen Leser meines Blogs, aber darauf näher einzugehen, hebe ich mir wohl lieber für meinen angekündigten Artikel zum Thema "Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus" auf. 


Was sonst noch so los war und ansteht 

Ein anderes signifikantes Ereignis der zurückliegenden Woche war mein Geburtstag. Das Geburtstagsessen fand im Restaurant Dos Pescados in den Hallen am Borsigturm statt, das zum einen durch eine große Kinderspielecke punktet und zum anderen dazu einlud, den großen Burrito-Quervergleich von letzter Woche fortzusetzen. 

Der Burrito Classico im Dos Pescados war laut Speisekarte außer mit Rinderfiletstreifen und Reis mit Gemüse der Saison gefüllt; Saison hatten demnach offenbar gerade Zwiebeln und Auberginen, und ich muss gestehen, Auberginen sind nicht so ganz mein Fall, jedenfalls nicht in größerer Menge. Trotzdem kann ich zu Protokoll geben, dass der Dos Pescados-Burrito im Vergleich mit denen aus dem No Hablo Español in Friedrichshain und dem Centenario in Blankenfelde ganz klar vorn liegt, auch unter Berücksichtigung der Preisunterschiede.

Am kommenden Samstag steht der dritte und letzte Schnuppertermin für die Wichtelgruppe vor der Sommerpause an, und ich habe schon wieder das Gefühl, nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Na, morgen ist ja auch noch ein Tag... (und außerdem Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu!)

Für die Rubrik "Währenddessen in Tegel" habe ich aktuell nichts Besonderes auf der Pfanne; dafür gibt's diesmal aber wieder...


Neues aus Synodalien


Pünktlich zu Fronleichnam hat der Berliner Diözesanverband des "Bundes der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ) eine Pressemitteilung herausgebracht, in der er sich "für Vielfalt in der katholischen Kirche" ausspricht. Die pdf-Datei, die über den Presseverteiler des Erzbistums Berlin ging, trägt zwar den Dateinamen "PM Queere Kirche", aber davon abgesehen kommt der Text vergleichsweise zahm daher: Es werden keine radikalen Forderungen aufgestellt, vielmehr ist allgemein-unverbindlich vom Einsatz "für eine lebendige und zukunftsfähige Kirche" (wer sollte die nicht wollen?), von der "Förderung von Vielfalt, Toleranz und Inklusion" sowie davon die Rede, "den Dialog zu fördern und unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu finden". Bezeichnend fand ich allerdings den von einer "teilnehmende[n] Person" bei einer Veranstaltung zum Thema "queer-feministische Kirche" am 2. Juni geäußerten Satz "Ich wünsche mir eine Kirche, bei der meine Freund*innen mich nicht mehr fragen, warum ich in dieser Kirche bin". Ich sag mal so: Diesen Wunsch kann man menschlich verständlich finden, dem Konflikt, der sich darin ausdrückt, kann und sollte man mit Mitgefühl begegnen; aber das ändert nichts daran, dass dieser Wunsch völlig falsch ist. Eine Kirche, die nicht die Frage provoziert, warum man ihr angehört, braucht kein Mensch. "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt", schrieb der Apostel Petrus (1 Petr 3,15b); wenn sich die Hoffnung aber nur darauf richtet, dass die Kirche sich endlich ändern, d.h. der Welt angleichen möge (vgl. Röm 12,2), dann läuft offensichtlich etwas falsch.

Derweil fand gestern in Brake/Unterweser, also in der Nähe meines Heimatstädtchens, ein "Gesprächsabend mit Frau Prof.in [!] Dr. Dr. Dorothea Sattler, Münster, zum Synodalen Weg" statt; so habe ich es dem Pfarrblatt "Willehad aktuell" entnommen, in dem die Veranstaltung jedoch nur im Terminteil aufgeführt ist und darüber hinaus nicht weiter beworben wird. Ein Vorbericht der NWZ online ist leider hinter einer Bezahlschranke verborgen, aber die Überschrift "Gibt es eine Erneuerung der katholischen Kirche?" sowie die rhetorische Frage "Befindet sich die katholische Kirche in der Sackgasse oder auf der Zielgeraden?" im Teaser-Absatz sagen wohl schon allerlei aus. Dorothea Sattler ist Professorin für Dogmatik und Ökumenische Theologie und hatte beim Synodalen Weg zusammen mit dem inzwischen zurückgetretenen Osnabrücker Bischof Bode den Vorsitz des Synodalforums "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" inne. Es bleibt abzuwarten, ob ich über die gestrige Veranstaltung in Brake noch Genaueres werde in Erfahrung bringen können, aber wenn ich mir auszumalen versuche, was für Leute sich in der beschaulichen Wesermarsch wohl für eine Veranstaltung zum Synodalen Weg interessieren, sehe ich ein Publikum vor mir, in dessen Mitte sich Frau Sattler mit ihren 62 Jahren so richtig jung gefühlt haben dürfte. 


Was ich gerade lese 
  • zu Studienzwecken: Klaus Hemmerle, Mitten in dieser Welt. Rede zur Eröffnung des 82. Deutschen Katholikentages 1968 in Essen. 
Ich habe lange gezögert, mich an diesen Text heranzuwagen, und ich muss wohl geahnt haben, warum. Klaus Hemmerle (1929-1994) war von 1975 bis zu seinem Tod Bischof von Aachen, zuvor war er allerdings ab 1968 Geistlicher Direktor des "ZdK" und war in dieser Eigenschaft Hauptredner bei der Eröffnungsfeier des Katholikentags 1968. Manfred Plate würdigte Hemmerle in seinem Buch über die Würzburger Synode als "Mann der geistlichen Mitte"; in der Predigt zu seiner Beisetzung rief der damalige DBK-Vorsitzende Karl Lehmann ihm nach, "vielleicht" habe man in ihm einen "heiligmäßige[n] Priester und Bischof zu Grabe getragen [...], ohne dass wir es so recht gemerkt hätten". Das sind, selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes de mortuis nil nisi bene, große Worte, und ein Karl Lehmann hätte sie wohl kaum in den Mund genommen, wenn er nicht darauf vertraut hätte, dass sie für seine Zuhörer eine gewisse Plausibilität besaßen. In seinem Bistum galt Hemmerle als beliebt, und mein subjektiver Eindruck ist, dass ihm durchaus beiderseits der ideologischen Wasserscheide zwischen den innerkirchlichen "Lagern" ein ehrendes Andenken bewahrt wird. Was mich, nachdem ich diese Ansprache erfüllt, mit einer gewissen Ratlosigkeit erfüllt. Hemmerle liefert hier eine wortklauberische Exegese des Katholikentags-Mottos "Mitten in dieser Welt" ab: Zunächst lässt er sich darüber aus wie signifikant es sei, dass es "in dieser Welt" heißt und nicht bloß "in der Welt" ("Gott sei Dank, [...] die Kirche will heraus aus ihrem Ghetto der Gewohnheiten und Überliefertheiten, sie will hinein in diese Welt"); dann warnt er davor, das Wort "mitten" dahingehend misszuverstehen, als sehe sich die Kirche als Mittel- und Angelpunkt der Welt; und dann kommt er auch noch darauf zu sprechen, was in diesem Leitwort "nicht gesagt ist" – so vor allem, dass "das Wörtchen Kirche" darin gar nicht vorkomme: "Kirche soll sich hier verschweigen, verschweigen in den Dienst, [...] verschweigen ins Mitsein, verschweigen ins Unterwegssein". Das Ganze ist unerträglich  redundant und im Tonfall derart moralisierend und salbungsvoll, dass man den Eindruck haben kann, Hemmerle wäre der Rasierpinsel ins Klo gefallen. Ich frage mich ganz ehrlich, was es über die geistige Verfassung der katholischen Kirche in Deutschland aussagt, dass der Verfasser dieser Ansprache in ihr als visionäre und geradezu prophetische Gestalt galt und zum Teil bis heute gilt. – Sagen wir mal so: Ich kann nicht gänzlich ausschließen, dass Klaus Hemmerle tatsächlich eine prophetische Stimme in der Kirche und für die Kirche war und ich das nur deshalb nicht erkenne, weil ich sozusagen die falsche Lesebrille aufhabe. Zumindest bin ich bereit, anzunehmen, dass er sich selbst tatsächlich für einen Propheten hielt, dass er also darin, was er sagt und wie er es sagt, subjektiv aufrichtig ist. Und das ist immerhin schon mehr, als ich einigen heutigen deutschen Bischöfen zubillige. 

  • als Bettlektüre: Astrid Lindgren, Kalle Blomquist lebt gefährlich

Der zweite Teil der "Kalle Blomquist"-Trilogie ist um dreißig Seiten länger als der erste, was sich zunächst in einer breiteren Exposition auswirkt. Zeitweilig hatte ich sogar den Eindruck, die Exposition sei ein wenig zu breit geraten; genauer gesagt: Die Romanhandlung halte sich allzu lange beim "Krieg der Rosen" auf – dem spielerischen Bandenkrieg, mit dem die Kinder sich in den Sommerferien die Zeit vertreiben, dabei aber stets pünktlich zu den Mahlzeiten nach Hause kommen –, ehe endlich ein richtiger Kriminalfall losgeht. Aber in dem Moment, in dem Eva-Lotta beim Spielen eine Leiche – präziser gesagt: ein Mordopfer – entdeckt, wird schlagartig klar, was die erzähltechnische Funktion der vorangegangenen Kapitel gewesen ist: Es geht darum, den Kontrast zwischen dem Spaß an bloß ausgedachten Abenteuern und dem Schock über die Konfrontation mit einem echten Verbrechen zu betonen. Und ich muss sagen, dieser Kontrast ist wirklich krass, gerade für ein Kinderbuch. Im ersten Teil der Reihe war der Tonfall der Erzählung gleichbleibend heiter; selbst wenn die Kinder mit einer Schusswaffe bedroht und ohne unmittelbare Aussicht auf Rettung in einer Ruine eingesperrt wurden, schien der Unterschied zwischen dem kindlichen Abenteuerspiel des "Kriegs der Rosen" einerseits und der Überführung einer Bande von Juwelendieben andererseits nur ein gradueller zu sein. Das ändert sich im zweiten Teil radikal, und das hat durchaus etwas Schockierendes an sich. 

Ein anderer interessanter Aspekt von "Kalle Blomquist lebt gefährlich" ist es, dass die Handlung, wie wiederholt betont wird, in einem sehr heißen und trockenen Sommer spielt. In Schweden. Und im Original ist der Roman 1951 erschienen. Das gibt angesichts des heutigen Klimawandeldiskurses doch einigermaßen zu denken. 


Aus dem Stundenbuch 
Wer vom Heiligen Geist erfüllt ist, redet in vielen Sprachen. Die vielen Sprachen sind ein vielfältiges Zeugnis von Jesus Christus. Solche Sprachen sind: Demut, Armut, Geduld und Gehorsam. In ihnen reden wir, wenn wir sie anderen an uns sichtbar machen. Die Rede hat Leben, wenn die Taten sprechen. Ich bitte: Schluss mit den Worten, die Taten sollen sprechen! Wir sind voll von Worten und leer an Werken und darum von Gott verworfen. Denn er verfluchte den Feigenbaum, an dem er keine Frucht, sondern nur Blätter fand. 
(Antonius von Padua, Über die Aufgaben des Predigers) 

Ohrwurm der Woche 

John Holt: Let Your Love Flow 

Ehrlich gesagt war mein eigentlicher Ohrwurm für einen großen Teil der zurückliegenden Woche "Aufstehn" von Seeed; keine Ahnung, wo der herkam, muss wohl am Wetter gelegen haben. Aber für meinen Blog ist mir Seeed dann doch irgendwie zu prollig. Was also tut man gegen einen unerwünschten Ohrwurm? Man bekämpft ihn mit einem noch hartnäckigeren Ohrwurm! Wie wär's mit einer Reggae-Version von "Ein Bett im Kornfeld"? (Bzw. eigentlich nicht von "Ein Bett im Kornfeld", sondern von dessen englischsprachiger Vorlage.) 


Ich habe den Song meinen Kindern beim Frühstück vorgespielt, sie haben fröhlich im Takt mitgewippt, ich würde sagen, die Nummer ist abgenommen. 


Blogvorschau 

Hier gibt es aktuell nicht viel Neues zu berichten. Der Artikel "Der Traum von der erneuerten Gemeinde" ist in Arbeit, das Dossier "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?" ebenso, beide werden aber noch einige Zeit und Mühe beanspruchen, und es ist noch nicht absehbar, welcher von beiden zuerst fertig sein wird und ob das vor dem nächsten Wochenbriefing der Fall sein wird. Auf jeden Fall aber sind am kommenden Montag "100 Tage Comeback" zu feiern, und zu diesem Anlass wird wohl ein kleiner Zwischenbilanz-Artikel fällig. Und dann sehen wir mal weiter!