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Mittwoch, 12. Oktober 2016

Case in Point: Frisches Feedback zu "Wenn zwei das Gleiche tun..."

[Edit 24.10.: Der folgende Artikel ist mit Wut im Bauch geschrieben, und das merkt man ihm in einzelnen Passagen allzu deutlich an. Die inhaltlichen Aussagen zu den darin verhandelten Sachthemen betrachte ich nach wie vor als richtig und lasse sie darum stehen; allerdings habe ich mich in mehreren Diskussionen davon überzeugen lassen, dass der Text sich stellenweise allzu sehr wie ein persönlicher Angriff auf meinen darin mehrfach zitierten Debattengegner liest. Im Laufe der hier auszugsweise nachgezeichneten Twitter-Diskussion haben wir uns offenkundig gegenseitig mehrfach kräftig auf dem falschen Fuß erwischt, und das hat da eine Aggressivität hereingebracht, die der Sache eigentlich nicht dienlich ist. Da ich de Text jetzt nicht noch einmal komplett umarbeiten will, bite ich meine Leser, sich die allzu polemischen Töne selbst "wegzudenken"...] 

Mein voriger Artikel, in dem ich die aggressiven Störungen ökumenischer Gottesdienste beim Marsch für das Leben in Berlin am 17.09. und beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden am 03.10. zum Anlass für einige Beobachtungen zum "Rechts-Links-Lagerdenken" genommen habe, hat recht schnell ein ziemlich beachtliches Echo gefunden. Das ist natürlich schön. Wenn ein Artikel allerdings Reaktionen herausfordert, die exakt das Argumentationsschema reproduzieren, das der Artikel kritisiert hat, dann ist das... nun ja... ein bisschen tragikomisch.  

Ich war nicht gerade überrascht, dass just jener bloggende und twitternde Theologiestudent, von dem ich in dem betreffenden Artikel einige Tweets zitiert und verlinkt hatte (und der, so gesehen, nicht unerheblichen Anteil an der Entstehung des Artikels hatte), prompt reagierte. Die Art der Reaktion war allerdings [...] etwas enttäuschend. 
"Findest du wirklich, dass Linke die für Frauenrechte demonstrieren, das gleiche sind wie Rechte, die Schwarze beschimpfen?" 
Stürzen wir uns nicht gleich auf die Formulierung "für Frauenrechte demonstrieren". Mich darauf einzuschießen, war meine unmittelbare Reaktion auf Twitter, und ich werde auch hier noch darauf zurückkommen. Aber stellen wir uns ruhig erst mal vor, M.M. hätte die Position der Krawallmacher gegen den Marsch für das Leben in etwas weniger euphemistische Worte gekleidet. Auch dann bewiese diese Reaktion immer noch, dass er entweder nicht willens oder nicht fähig gewesen ist, der Argumentation meines Artikels zu folgen. Er verfällt prompt wieder in ebenjenes Lagerdenken, das ich just kritisiert habe - mit anderen Worten, er stellt selbst die "falsche Äquivalenz" her, die er zuvor bizarrerweise mir unterstellt hatte -- indem er annimmt, man könne die eine Pöbelei gegen die andere aufrechnen, weil sie aus vermeintlich einander entgegengesetzten "Lagern" kommen. Halten wir im Vorübergehen fest, dass hier auch nicht mehr von der Störung zweier Gottesdienste die Rede ist. Gerade der Punkt war aber doch wesentlich für meine Argumentation. Mag man anerkennen, dass die Auffassung oder Behauptung, es gehe um "Frauenrechte", für die Mobilisierung zu den Protesten gegen den Marsch für das Leben eine erhebliche Rolle spielt; wer die Proteste mal erlebt hat, weiß aber, dass sich in ihnen noch ganz andere Haltungen artikulieren - darunter, nicht zuletzt, ein geradezu fanatischer Hass auf das Christentum. Dass es diesen am vermeintlich entgegengesetzten Ende des politischen Spektrums ebenso gibt und dass sich dieser Umstand z.B. in den Gottesdienststörungen von Berlin und Dresden widerspiegelt, war für mich eine ganz wichtige Feststellung -- interessiert M.M. aber nicht. Zur Krawalligkeit der Proteste gegen den Marsch für das Leben merkt er lediglich an: 
"Über die Form sind wir uns schon einig. Aber was ist mit dem Inhalt?" 
Hm. Wie schrieb ich doch in meinem besagten Artikel: 
"Man kann die Art und Weise des Protests unfein finden, aber damit hört es dann meist auch schon auf." 
 Q.e.d., sach ich ma'.

Dass ich, wie oben schon angekündigt, gegen die Formulierung "Linke, die für Frauenrechte demonstrieren" Protest einlegte, quittierte M.M. mit einem verbalen Achselzucken: 
"Das hab’ ich schon verstanden, dass du das nicht richtig findest, dass Frauen ein Recht auf Abtreibung haben sollen." 
Dass ich das nicht richtig finde. So als ginge es hier bloß um persönliche Meinungen. Aber direkt darauf folgte dies
"Aber findest du, dass diese Forderung genau so 'schlimm' ist wie die, dass Ausländer Menschen zweiter Klasse sein sollen?"
Obacht: Fangfrage! Hatte oder hatte ich nicht in meinem fraglichen Artikel geschrieben, "dass rassistische Beschimpfungen unter keinen Umständen zu billigen sind"? -- Kurz mal nachgeschaut: Hatte ich. Dabei hätte ich diese Feststellung fast für überflüssig gehalten, weil es mir so selbstverständlich schien. Und wie sich nun zeigt, war es auch überflüssig, aber aus einem anderen Grund, als ich gedacht hätte: Diese Klarstellung nützt nämlich nichts. Man kommt trotzdem nicht aus der Schublade raus, in der der Andere einen sehen möchte. Abermals das von ihm selbst an anderer Stelle getadelte Stilmittel der falschen Äquivalenz bemühend, versucht M.M. mich also dazu zu provozieren, seine Frage zu bejahen, womit er mich dann zum Rassisten stempeln könnte. [Edit: So habe ich das jedenfalls aufgefasst. Womit nicht behauptet werden soll, dass das tatsächlich seine Intention war.] Sollte ich die Frage aber deshalb verneinen? 

Schauen wir uns den konkreten Fall, von dem hier die Rede war, noch einmal genau an. Ein Mann mit dunkler Hautfarbe will am ökumenischen Gottesdienst in der Dresdner Frauenkirche teilnehmen und wird auf dem Weg dorthin von einem fremdenfeindlichen Mob mit Affenlauten und "Abschieben!"-Rufen empfangen. Finde ich das schlimm? Allerdings! Der Mann wurde in seiner Menschenwürde gekränkt, und es ist empörend und beschämend, dass es Leute gibt, die sich offenbar einbilden, sie hätten das Recht, ihn so zu behandeln. -- Und finde ich das Verhalten dieser Leute genauso schlimm wie die Forderung nach einem "Recht auf Abtreibung"? Dazu ist zunächst einmal anzumerken, dass diese Frage eine Vermischung von Kategorien bedeutet. Es ging mir in meinem vorigen Artikel ja primär gar nicht um die inhaltliche Seite des Marschs für das Leben, sondern um das Verhalten der Gegendemonstranten - das ebenfalls Menschen in ihrer Würde verletzt, wenn auch nicht wegen ihrer Hautfarbe, sondern wegen ihrer Überzeugungen. Warum jetzt das Eine schlimmer (oder weniger schlimm) sein sollte als das Andere, dürfte schwierig zu begründen sein. -- Nun wollte Freund M.M. aber erkennbar auf etwas Anderes hinaus, nämlich um eine Bewertung der Beweggründe der jeweiligen Pöbler für ihr Verhalten. Auf der einen Seite verortet er die Auffassung, "dass Ausländer Menschen zweiter Klasse sein sollen". Eine solche Auffassung, da werden wir zwei uns wohl leicht einig, ist ein Affront gegen die bedingungslose Menschenwürde und daher zu ächten. Und dann haben wir auf der anderen Seite die Forderung nach einem "Recht auf Abtreibung". Das ist ebenfalls ein Affront gegen die bedingungslose Menschenwürde -- und hat weitaus dramatischere Konsequenzen. Abtreibung tötet. Täglich. Allein in Deutschland, laut den aktuellen Quartalszahlen (die im Vergleich zu früheren Jahren sogar relativ niedrig sind), durchschnittlich 416 Kinder pro Werktag. Und das bei einer Gesetzeslage, die gerade kein "Recht auf Abtreibung" vorsieht. Dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, das eine vollständige Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs fordert, sind diese Zahlen also wohl noch nicht hoch genug. Tut mir leid: Das kann ich nicht weniger schlimm finden als irgend etwas Anderes. Nicht einmal genauso schlimm. Das ist schlimmer, weit schlimmer als irgendetwas Anderes, das in diesem Land geschieht. 

Aber darum ging es ja, wie gesagt,eigentlich gar nicht bzw. hätte es gar nicht gehen sollen - nicht in dem Artikel jedenfalls, so wichtig mir das Thema Lebensschutz ansonsten auch ist. Ich habe meinen Artikel noch einmal nachgelesen und finde, so schwer ist es eigentlich nicht, zu verstehen, worum es da geht: um die - wie es scheint, zunehmende - Tendenz, Alles und Jedem reflexartig einem von zwei politischen "Lagern" zuzuordnen und nach strikter Freund-Feind-Logik zu beurteilen. Aber okay: Auch wenn M.M. das nicht verstanden hat (oder verstehen wollte) die Diskussion, die der Artikel ausgelöst hat, seiner Intention für mein Empfinden nicht wirklich gerecht geworden ist, hat er sie (die Diskussion) doch ziemlich gutes Anschauungsmaterial dafür geliefert.  

Auch was wert. 



4 Kommentare:

  1. Kann es sein, daß M.M. zwar Theologiestudent und freier Journalist ist, aber beim sinnerfassenden Lesen und beim logischen Schließen einfach ein paar Probleme hat? Ich finde seine Einlassungen ziemlich matt und unbefriedigend, weil sie trotz grundsätzlicher Themenbezogenheit an den jeweiligen Diskussionspunkten vorbeischrappen bzw sich auf Unwesentliches beziehen. Daß in solchen Fällen irgendwann ein zickiges "Mit Dir spiele ich nicht mehr" folgt und bei Bedarf noch mit dem Fundamentalismus-Vorwurf nachgetreten wird, das ist in seiner Vorhersehbarkeit schon fast anrührend.

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    1. So habe ich das auch empfunden. Beruhigt mich irgendwie, dass ich das nicht *alleine* so sehe...

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  2. Dieser M.M. hat jedenfalls keinen Funken Logik in sich.
    KEINEN.
    Ich weiß nicht, ob ich darüber mehr zornig oder mehr traurig sein soll. Irgendwie geht ja beides.
    Vorerst versuche ich es mit dem resignierten Satz "Ich war auch mal jung und saudoof".

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    1. Als Student leidet man doch einfach per Definition am Größenwahn, daß man die Weisheit für sich gepachtet hat und das man auf alles eine Antwort weiß.

      Das ist aber ganz normal.

      Schlimm ist das nur, wenn man gleichzeitig "freier Journalist" ist und seine Peinlichkeiten nicht nur in der Cafeteria, sondern einem größeren Publikum bekannt werden.

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