Dies ist in einem am vergangenen Freitag erschienenen Artikel, in dem es unter der Überschrift "Ich bin Ärztin... und ich glaube" – Spirituelle Autorität auf Instagram um, man ahnt es schon, die christliche Influencerin Jana Highholder geht, zumindest teilweise der Fall; so kritisiert die Verfasserin Isabell Voth die "junge, selbstbewusst wirkende Frau" dafür, dass sie "Spiritualität als heilende Lebenskraft" darstelle, "die nur durch die richtige Quelle aktiviert werden kann" – und die Frage, welches denn diese Quelle sei, dadurch beantwortet, dass sie "lächelnd ein Buch in die Kamera hält: Eine rosafarbene Bibel". Isabell Voth kommentiert: "Gott als einzige Quelle für Spiritualität? Dieser nicht ungefährlichen [!] Message scheinen mehr als 13.500 Likes eine beachtliche Zustimmung zu geben. Auch in den 625 Kommentaren findet der Beitrag überwiegend Bewunderung und Zustimmung." Das ist natürlich sehr, sehr schlimm – und fordert die Frage heraus: "Wie kommt es, dass so viele Menschen dieser Creatorin Glauben schenken?" Die Antworten, die die Verfasserin darauf zu geben versucht, wirken trotz zahlreicher den Anspruch von Wissenschaftlichkeit dokumentierender Fußnoten eher läppisch; wenn ich da Sätze lese wie "Schon die einseitige emotionale Bindung von Seiten der Follower:innen suggeriert einen Vertrauensvorschuss gegenüber der influencenden Person", denke ich an Erich Mühsams Ballade vom revoluzzenden Lampenputzer und muss grinsen. Interessanter ist aber allemal, was die Verfasserin der "simple[n], wirkmächtige[n], aber exklusivistische[n] Botschaft" Jana Highholders und der "damit verbundene[n] Abwertung von alternativen spirituellen Wegen" als positive Alternative gegenüberstellt: Sie verweist auf eine "kürzlich erschienene ZDF-Doku zum Thema 'Find your spirit', in der "die erfolgreiche [!] Suche junger Erwachsene, die im Schamanismus, Life-Coaching oder dem Legen von Tarot-Karten ihre kraftspendende Spiritualität finden", dargestellt werde. "Persönlich glaube ich, dass jede:r selbst merken wird, welche Spiritualität der eigenen Seele guttut, weshalb ich von einer selbstbestimmten Spiritualität überzeugt bin", erklärt Isabell Voth. "Abgesehen davon, erachte ich es auch als legitim, dass es Menschen gibt, die nichts (mehr) von spirituellen Themen wissen wollen."
Wie ich immer sage: Ich wünsche mir in solchen Fällen eine Lautsprecherdurchsage "Sie verlassen den Boden des Christentums. Bitte achten Sie auf Ihr Gepäck." – So richtig neu ist das Ganze aber natürlich nicht; man vergleiche Isabell Voths Einfassung nur mal mit den folgenden Sätzen:
"Jedem muß die Möglichkeit garantiert werden, ganz persönlich nach Wahrheit zu suchen, mag dabei als Ergebnis der christliche 'liebe Gott' herauskommen oder eine ganz andere Deutung des Daseins. Diese Freiheit erlaubt natürlich, sich mit Jesus Christus zu beschäftigen und seine Ideen anzunehmen, wenn man es für gut hält. Sie erlaubt aber auch, Jesus abzulehnen und andere Ideale aufzuspüren."
So stand's – unter der Überschrift "Streik gegen eine nutzlose Kirche" – schon vor 60 (!) Jahren in der Monatszeitschrift "Voran" der BDKJ-Jungenschaft. Nihil sub sole novum.
Ist dieser Artikel auf y-nachten also an sich wenig bemerkenswert (oder allenfalls durch seine unfreiwillige Komik), so ist er doch im Zusammenhang damit zu betrachten, dass Warnungen vor einem Aufschwung charismatischer Tendenzen im Christentum derzeit Hochkonjunktur in der postchristlichen Theologenbubble haben und teilweise auch von säkularen Medien aufgegriffen werden. Wie schon verschiedentlich erwähnt, ist neuerdings KiNC das große Zauberwort in diesem Diskurs, "Kingdom-minded Network Christianity" also, und auch wenn dieser Begriff ein Spektrum christlicher Bewegungen, Gruppierungen und Initiativen bezeichnet, das von Überresten der guten alten "Jesus People" wie der Vineyard-Bewegung über Megachurches wie Hillsong bis hin zur Loretto-Gemeinschaft und den Zisterzienserklöstern Heiligenkreuz und Neuzelle reicht, ist Jana Highholder doch eine besonders profilierte Einzelperson innerhalb dieses Spektrums und wird deshalb auch in besonderem Maße angefeindet. Das ging schon Ende der 10er Jahre los, als sie als "YouTube-Botschafterin" der EKD den YouTube-Kanal "Jana glaubt" betrieb und daraufhin kirchenintern in den Ruf geriet, ein "trojanisches Pferd" zu sein, das "biblizistische und evangelikale Positionen" propagiere (schlimm!); im Sommer 2024 gab es an der Universität Tübingen Proteste gegen einen Auftritt Jana Highholders im Rahmen einer Veranstaltungsreihe christlicher Hochschulgruppen, und sowohl die Evangelische Studierendengemeinde als auch die Katholische Hochschulgemeinde der Tübinger Uni unterstützten diese Proteste mit einer gemeinsamen Erklärung, in der sie kritisierten, dass "unter dem Banner von Christ:innentum und Glaube Referent:innen eine Bühne geboten", werde, die "antipluralistische, fundamentalistische, queerfeindliche und antifeministische Botschaften verbreiten". Ich habe das seinerzeit in der Tagespost kommentiert.
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Zur Illustration hier ein Foto von der MEHR 2020. |
Dass der Aufschwung von unter der Bezeichnung "KiNC" zusammengefassten Strömungen und Bewegungen im Christentum, auch und gerade innerhalb der verfassten Kirchen, in bestimmten Kreisen als Bedrohung wahrgenommen wird, ist nicht verwunderlich und besonders im Fall der postchristlichen Theologenbubble und der mit dieser symbiotisch verbundenen liberalen Funktionärskaste der Großkirchen praktisch selbsterklärend. Andererseits gibt es aber auch auf konservativer Seite Vorbehalte gegen die Charismatische Bewegung, die sich teilweise solide theologisch begründen lassen, teilweise auch dadurch verständlich werden, dass, wie schon Teddy Roosevelt wusste, "jede Reformbewegung ihren verrückten Rand hat" (und dieser Rand vielleicht, aber da bin ich mir keineswegs sicher, im charismatischen Milieu tatsächlich etwas breiter ist als anderswo); gerade angesichts der sich verschärfenden Attacken von säkularer und postchristlicher Seite würde mir aber zuweilen doch wünschen, die konservativ-christlichen Charismatiker-Kritiker würden mal etwas kleinere Brötchen backen.
"In der ersten Staffel von 'The Congregation', gerät die junge Anna in die Fänge der fanatischen Gruppe; sie ist fasziniert von den charismatischen Sektenoberhäuptern Eva und Sindre. Doch mehr und mehr sieht Anna hinter die idyllische Fassade und enthüllt ein Netz aus Machtspielen und Manipulationen, Zwang und spirituellem Missbrauch."
"Insgesamt werden die Gemeindemitglieder nicht als Ungetüme oder als rückständige Sonderlinge dargestellt, sondern als normale Menschen. Wir sehen Lobpreis-Gottesdienste, wie sie tatsächlich in Pfingstgemeinden stattfinden könnten."
Ach so; na, dann muss ja wohl auch alles andere stimmen, oder? – Ich möchte in diesem Zusammenhang gern auf einen Artikel hinweisen, den ich Ende Juli auf Ehe, Familie und Scheidung – Familie bleiben gelesen habe; ja, ich weiß, das ist einer der Blogs, für die ich die Kategorie Stream of Unconsciousness erfunden habe, aber den Artikel mit der Überschrift "Fernsehkrimis vermitteln ein völlig falsches Bild von Religion" hat der Blogbetreiber (mit Quellenangabe) von häretisch.de übernommen, und da ist es mir immer noch lieber, der skurrile Zauselblog kriegt die Klicks und nicht das Bonner Ketzportal. Der Artikel ist jedenfalls recht interessant, es handelt sich um ein Interview mit dem Verfasser eines 2023 erschienenen Buches über die Repräsentation von Kirche und Religion in Krimiserien wie "Hubert und Staller", "WaPo Bodensee" oder "Großstadtrevier".
"Die Gemeindeleitung um Pastor Alexander Epp verübe an Mitgliedern der Gemeinde geistlichen Missbrauch, erklärte Schäfer damals IDEA. Epp wies die Anschuldigungen zurück.“
Im Ernst: Ich kann gar nicht genug den Kopf schütteln darüber, wie Felizitas Küble in ihrem Furor gegen jedwede irgendwie charismatisch anmutenden Tendenzen im Christentum (in einem anderen Artikel im Christlichen Forum wird sogar kath.net als "charismatisch geprägte[s] Portal" gescholten – also, da hab' ich gelacht) nicht mitkriegt, wie sehr sie mit dem undifferenzierten Kolportieren solcher Räuberpistolen dem Feind in die Hände spielt, wie sehr sie gerade den Leuten ein gefundenes Fressen liefert, die zwischen der von ihr verabscheuten Charismatischen Bewegung und Formen eines konservativen Katholizismus, die ihr sympathischer sind, weder unterscheiden können noch wollen, sondern grundsätzlich jede Form von Religiosität, die über das post-volkskirchliche Normalmaß hinausgeht, als gefährlich und bekämpfenswert ansehen. – Ähnlich habe ich übrigens früher schon in Bezug auf Stimmen aus dem konservativ-christlichen Spektrum argumentiert, die gegen Islamisierung wettern, und siehe da, auch bei diesem Thema ist das Christliche Forum ganz vorne mit dabei. Aber so ganz kann man das wohl doch nicht miteinander vergleichen, unter anderem auch deshalb nicht, weil Islamkritik als "rechts" gilt und daher bei der postchristlichen und säkularen Linken verpönt ist.
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