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Samstag, 29. März 2025

Die 3 K der Woche (18): Kinder, Kirche, Kompetenzen

Willkommen zu einem thematisch ausgesprochen bunten Wochenbriefing, Leser! Derzeit herrscht bei mir wahrhaftig kein Mangel an "Stoff zum Bloggen"; tatsächlich konnte ich aus Zeit- und Platzgründen gar nicht alles in diesem Artikel unterbringen, was ich gern thematisiert hätte, aber Manches davon wird sich wohl nachholen lassen. Ein schönes Fotomotiv fürs Vorschaubild ist mir in der zurückliegenden Woche hingegen nicht über den Weg gelaufen, daher habe ich auf mein Archiv zurückgegriffen: 

Dritter Fastensonntag in Siemensstadt 

Am Sonntag fuhren wir erneut nach St. Joseph Siemensstadt zur Messe, die wieder von dem Pfarrvikar zelebriert wurde, den ich vorige Woche als "meine[n] Lieblings-Prediger unter den örtlichen Geistlichen" gewürdigt hatte. Die Erstkommunionkinder waren diesmal wieder (etwas) zahlreicher vertreten, und so war der erste Teil der Predigt, ungefähr fünf Minuten, wieder speziell an sie gerichtet. Als Evangelium wäre in Lesejahr C eigentlich Lukas 13,1-9 an der Reihe gewesen, das Massaker an den Galiläern, der Einsturz des Turms von Schiloach und das Gleichnis vom Feigenbaum; und ich hatte mich schon auf eine Predigt zum Gleichnis vom Feigenbaum gefreut, da ich dieses als einen zentralen Text zum Thema Gemeindeerneuerung betrachte. Der Pfarrvikar entschied sich jedoch stattdessen für das Evangelium aus Lesejahr A, die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Kurzfassung: Johannes 4,5-15.19b-26.39a.40-42). Meine Enttäuschung darüber hielt indes nicht lange vor, denn auch zu dieser Perikope hatte der Pfarrvikar manches zu sagen, was man als Impuls für unsere aktuellen Pläne in Sachen "Pfarrhausfamilie" auffassen konnte. Zunächst einmal: Jesus geht "nach Samarien, er bleibt nicht im frommen Judäa", sondern geht bewusst dorthin, wo er weiß, dass er im Grunde unerwünscht ist. Sodann: Was die Juden von den Samaritern trennt – nicht das, was sie in ihrem Glauben voneinander unterscheidet, aber was den alltäglichen Umgang miteinander be- oder sogar verhindert – ist eine "Mauer von Nebensächlichkeiten"; "deswegen müssen wir in der Kirche aufpassen: Was ist wichtig und was ist nicht wichtig." Und weiter: 

"Wir sind gewohnt, von einer Volkskirche zu kommen, wo alles perfekt ist, alles wunderbar – obwohl es nicht stimmt – und sozusagen hinter unseren Mauern zu bleiben. Denn es ist viel einfacher, sich hinter der Fassade zu verstecken, als sich auszusetzen." 

In diesem Zusammenhang erwähnte der Pfarrvikar auch, es gebe in der Spandauer Pfarrei in dieser Osterzeit "eine ganze Menge von Erwachsenentaufen", "auch viele Jugendliche": "Wir leben in einer spannenden Zeit." Auch für das nächste Jahr gebe es schon jetzt sechs oder sieben Anmeldungen zum Taufkurs: 

"Das heißt, wir haben Leute, die nach der Taufe fragen, und wir in der Kirche müssen eine Sprache lernen und eine Form lernen, mit den Leuten zu reden außerhalb unserer Schablonen. Das war schon immer das Problem der Kirche." 

Die Predigt endete mit dem Aufruf, die Fastenzeit vor Ostern als eine "Verlobungszeit" aufzufassen, in der es darum gehe, "die Tiefe Seiner Liebe zu verstehen und zu verstehen, zu welcher Schönheit und Größe Er uns beruft." – 

Übrigens erfuhr ich vom Gemeindereferenten, dass er für den Samstag vor Palmsonntag einen Einkehrtag für Jugendliche plant; er deutete an, ich könnte mich da, wie man so sagt, "einbringen", zum Beispiel was die musikalische Gestaltung angeht. "Solange du noch hier bist, muss ich das ja ausnutzen", merkte er augenzwinkernd an. – Ich signalisierte Interesse und erhielt am nächsten Tag einen Konzeptentwurf für den Jugendeinkehrtag per Mail; sieht schon mal recht vielversprechend aus, finde ich. Mehr dazu zu gegebener Zeit! 


Währenddessen in Reinickendorf-Süd 

Vergangenen Samstag, während meine Liebste mit den Kindern im Zoo war, nahm ich – wie ich es schon öfter getan hatte, wenn ich samstags vormittags "frei hatte" – in Herz Jesu Tegel an der Rosenkranzandacht der Legio Mariae teil. Anschließend warf ich noch einen Blick auf das Büchertauschregal im Vorraum der Besuchertoilette – und entdeckte dort zu meinem Ärger dieses Schild: 

Regelmäßige Leser werden wissen, dass ich dieses Büchertauschregal immer erwähne, wenn es darum geht, welche bleibenden Früchte das Engagement hervorgebracht hat, das meine Liebste und ich fünf Jahre lang in die Tegeler Gemeinde investiert haben. Und jetzt fahren die Spießer aus dem Förderverein das auch noch an die Wand – und noch nicht mal aus böser Absicht, sondern einfach, weil ihnen das grundsätzliche Verständnis für Graswurzelarbeit abgeht. Echt, ich könnt' mich schon wieder aufregen. 

Am Mittwoch wurde die reguläre Werktagsmesse in Heiligensee als Requiem für ein verstorbenes Gemeindemitglied gefeiert, und tatsächlich handelte es sich dabei um jemanden, den ich gekannt hatte – hauptsächlich daher, dass er zu der Zeit, als ich in Herz Jesu Tegel aktiv war, dort zeitweilig ehrenamtlich im Pfarrbüro aushalf. Die Nachricht von seinem Tod hatte mich ziemlich überrascht, da ich ihn noch vor ein paar Wochen beim Gemeindefrühstück in Heiligensee gesehen hatte und er mir ausgesprochen gesund und munter vorgekommen war, mehr als einige andere Leute aus der Stammbesetzung dieser Veranstaltung. Aber mit dem Sterben ist es wohl wie mit vielen Dingen, es trifft nicht immer die, von denen man es erwarten würde. Wie ich im Zuge des Requiems erfuhr, war der Verstorbene 95 Jahre alt gewesen – ich hätte ihn mindestens zehn Jahre jünger geschätzt –, und sein Tod war tatsächlich ganz plötzlich und unerwartet gekommen. Die kleine Kirche war jedenfalls voll: Neben zahlreichen Familienangehörigen des Verstorbenen waren auch einige Ehrenamtliche aus der Tegeler Gemeinde gekommen, ein Enkel des Verstorbenen ministrierte, ein Organist und ein kleiner Chor gestalteten die Messe musikalisch. Zelebriert wurde das Requiem vom Pfarrer, der auch eine kurze Predigt hielt – wobei er allerdings betonte, die eigentliche Gedenkansprache für den Verstorbenen werde Pater Mephisto bei der Beerdigung halten. Die Predigt des Pfarrers stellte demgegenüber einem Versuch dar, etwas zu den Lesungstexten vom Tag (1. Lesung: Deuteronomium 4,1.5-9; Evangelium: Matthäus 5,17-19) zu sagen und dabei gleichzeitig einen Bezug zur Persönlichkeit des Verstorbenen herzustellen. Als Aufhänger nutzte er dabei die Tatsache, dass der Verstorbene das vom Jesuitenorden geführte Canisius-Kolleg besucht hatte – ebenso wie er selbst ein paar Jahrzehnte später auch; womit es dem Pfarrer wieder einmal gelang, nicht zuletzt sich selbst zum Thema seiner Predigt zu machen. Der "jesuitischen Erziehung", die sie beide genossen hätte, sage man ja so Manches nach, meinte er: "eine gewisse Schläue, auch eine gewisse Freiheit, aber natürlich durchaus auch das Ernstnehmen dessen, was hier in der Bibel steht". So möchte er sich selbst gern sehen, der Pfarrer von St. Klara; ich sag mal lieber nicht viel dazu, nur dies: Sein Problem ist, dass er sich mit diesem Anspruch permanent selbst überfordert, nicht zuletzt deshalb, weil er leider nicht so intelligent ist, wie er gern wäre. Was er in knapp sechs Minuten über "das Gesetz und die Propheten" auszuführen versuchte – angefangen davon, der Lehre Jesu die starre Gesetzlichkeit der Pharisäer gegenüberzustellen, was ja geradezu ein locus classicus des liberalen Christentums ist, über Fachsimpeleien zu verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten von Schlüsselbegriffen des hebräischen bzw. griechischen Urtexts bis hin zum schon fast zwanghaften Ausweichen auf politische Themen (so verwies er zum Stichwort "Gesetz" einerseits auf "kleinkarierte" EU-Verordnungen, betonte aber andererseits, "wie ein Rechtsstaat auch helfen kann, den Menschen wirklich Recht zu verschaffen" – und "wir haben genug Beispiele in der Geschichte, in der Gegenwart, wo der Rechtsstaat mit Füßen getreten wird") – ist im Grunde ein sehr illustratives Beispiel dafür, aber das nun im einzelnen zu analysieren, habe ich hier nicht die Zeit und den Platz. Vielleicht ein andermal. 

Das Gemeindefrühstück fiel wegen der Beerdigung aus; statt zum Friedhof mitzugehen, machten mein Jüngster und ich lieber eine Snackpause beim Bäcker. 

Nach Reinickendorf-Süd gehören auch unsere "Beten mit Musik"-Andachten in St. Joseph Tegel, und davon hatten wir in der zurückliegenden Woche zwei, am Dienstag und am Freitag. Am Dienstag war das Hochfest der Verkündigung des Herrn, da wollte ich unbedingt eine Andacht abhalten und ließ mich auch dadurch, dass das einzige dafür in Frage kommende Zeitfenster ausgerechnet in die Mittagsschlafzeit des Knaben fiel, nicht davon abhalten; tatsächlich schlief er wieder einmal auf dem Weg zur Kirche ein und wachte auch von der Musik nicht auf. Dafür war er aber am Freitag umso engagierter bei der Sache, tanzte vor dem Altar wie weiland König David vor der Bundeslade und benutzte einen Lolli als Mikrofon-Attrappe; eigentlich hätte man das filmen sollen, aber mit meinem Handy kann ich nicht gleichzeitig Musik abspielen und Videos aufnehmen. 


Neues vom Schulkind 

Die Frage, wie zufrieden wir mit der freien Alternativschule sind, die unser Tochterkind besucht – eine Frage, der ich mich hier zuletzt in den Herbstferien ausführlich gewidmet habe – hat in letzter Zeit eine neue Aktualität gewonnen, nicht zuletzt deshalb vor dem Hintergrund der Überlegung, dass ein Wegzug aus Berlin (sofern es denn dazu kommt) auch einen Schulwechsel unvermeidlich machen würde. Offensichtlich ist, dass für das Tochterkind die Aussicht, nicht mehr auf diese Schule gehen zu können, das stärkste Argument gegen einen Umzug darstellt; aus Elternsicht ist das, bei aller Wertschätzung für diese Schule, ihre Mitarbeiter und ihr Lernkonzept, nicht ganz so eindeutig. Auf der einen Seite stellt sich nach eineinhalb Schuljahren durchaus gelegentlich die Frage, ob eine Schule, die etwas mehr Wert auf Disziplin und Struktur legt und in der das Lernen nicht ganz so selbstbestimmt ist, unser Tochter nicht vielleicht ganz gut tun könnte, auf der anderen Seite machen wir uns aber auch Gedanken, wie man dafür Sorge tragen könnte, dass der Wechsel an eine Schule mit erheblich weniger freiem Unterrichtskonzept nicht allzu hart für sie wird. Mit Blick darauf haben wir uns auch schon über Schulen an unserem potentiellen zukünftigen Wohnort informiert, die vielleicht einen Mittelweg zwischen ihrer jetzigen und einer "stinknormalen Regelschule" bieten könnten. 

Derweil hatten wir in den zurückliegenden Wochen ein paar Erlebnisse, die ein recht buntes Bild von den Kompetenzen ergeben, die unserer Tochter an ihrer Schule vermittelt und nicht vermittelt werden. Zum einen hatte unser Jüngster ja gerade Geburtstag, und in dem Geburtstagspaket, das meine Mutter uns zu diesem Anlass schickte, fand sich auch ein kleines Geschenk für die große Schwester: ein "Lern- und Übungsblock für die 2. Klasse" mit Übungsaufgaben zum Lesen, Schreiben und Rechnen. Und kaum hatte sie diesen ausgepackt, fing unsere Tochter auch schon an, mit Leichtigkeit und Freude diese Aufgaben zu bearbeiten. Damit nicht genug, fing sie am nächsten Tag an, sich selbst Rechenaufgaben auszudenken und in ihr Notizbuch zu schreiben. 

Auf der anderen Seite erhielt ich am Montag gegen Mittag einen besorgten Anruf aus der Schule: Eine Freundin unserer Tochter hatte aus Pilzen, die an einem Baumstumpf auf dem Schulgelände wuchsen, eine "Suppe" zubereitet – nur als Spiel natürlich, aber ein paar Kinder, darunter auch unsere Tochter, hatten tatsächlich davon gegessen und daraufhin Bauchschmerzen bekommen. Als ich in der Schule ankam, um meine Tochter abzuholen, ging es ihr schon wieder besser, aber ich wollte der Sache doch lieber auf den Grund gehen und rief daher das Gifttelefon der Charité an. Dort hing ich erst mal ewig in der Warteschleife ("Gut, dass das nicht der Kreissägenverletzungs-Notruf ist – da wäre so eine Wartezeit schon grenzwertig", murrte ich vor mich hin), und dann erklärte mir der freundliche Mitarbeiter, die Giftnotrufzentrale kenne sich zwar mit allen Arten von Giftstoffen aus, also auch mit Pilzgiften; um Pilze zu bestimmen, also erst einmal zu klären, ob es sich um einen Giftpilz handelt und, wenn ja, was für Toxine er enthält, müsse er mich jedoch zunächst an einen externen Pilzexperten verweisen. Er gab mir zwei Telefonnummern von Pilzexperten, die ehrenamtlich mit der Giftnotrufzentrale zusammenarbeiten; zunächst erreichte ich beide nicht, aber einem konnte ich immerhin auf die Mailbox sprechen und bekam dann ziemlich bald einen Rückruf. Der Pilzexperte stellte einige Fragen, ließ sich ein Foto des betreffenden Pilzes, das ich vorsorglich aufgenommen hatte, per WhatsApp schicken, und gab dann Entwarnung: Diese Art von Pilzen sei an sich nicht giftig; essen sollte man sie trotzdem nicht, da die Möglichkeit besteht, dass sie Schadstoffe einlagern, um sich selbst vor Schädlingen zu schützen, und dies könnte dazu führen, dass nach dem Verzehr Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall aufträten – eine Pilzvergiftung im eigentlichen Sinne sei das aber nicht, und wenn innerhalb von zwei Stunden nach dem Verzehr keine schlimmeren Symptome aufgetreten seien als leichte Bauchschmerzen, sei auch nicht mehr mit etwas Schlimmerem zu rechnen. Na, da haben wir ja mal wieder was gelernt – unter anderem hoffentlich auch, dass man nicht einfach irgendwas essen sollte, wovon man nicht verlässlich weiß, dass es essbar ist... 

Und heute hatte das Tochterkind in einer Schulaufführung von "Peter Pan" eine kleine Rolle als Mond. Allerdings erst nach Redaktionsschluss, weshalb ich hier noch nichts Genaueres darüber berichten kann. Aber stolz bin ich schon im Voraus: Nach ihrem Auftritt als "Engel 2" im Krippenspiel in St. Stephanus ist das ihre zweite Bühnenrolle... 


Gott als Vater: Ein paar Schlaglichter aus dem JAM-Elterncafé 

Am Mittwochnachmittag waren wir wieder beim JAM, die Schulfreundin unserer Großen, die seit November schon mehrmals mit dabei war, kam auch wieder mit, und während in der Kinderkatechese die Passionsgeschichte fortgesetzt wurde, entschied ich mich nach einigem Abwägen dafür, diesmal wieder am Elterncafé teilzunehmen, wo es um das Thema "Gott als Vater" gehen sollte. Wenn ich meinen Gesamteindruck dahingehend zusammenfasse, dass ich mir von dem Thema mehr versprochen hätte, muss ich mir eigentlich gleich selbst ins Wort fallen und mich fragen, worauf sich diese Erwartung eigentlich stützte; denn dass dem geneigten Publikum im Wesentlichen ein bunter Strauß an Bibelzitaten präsentiert wurde, zu denen dann jeder, dem etwas dazu einfiel, seine Assoziationen äußern durfte und sollte, kenne ich von meinen wenigen bisherigen Teilnahmen am Elterncafé eigentlich kaum anders. Und dann gab's noch nicht mal Kekse. Ich glaube, nächstes Mal bleibe ich lieber wieder bei der "Kids"-Katechese. 

Ein paar Details möchte ich hier dennoch festhalten, da sie, wie ich finde, ganz gut illustrieren, dass es Momente gibt, in denen man sich als Katholik in einem evangelikalen Bibelkreis doch nicht so recht zu Hause fühlt. So stolperte ich über die Aussage der Leiterin, Christ werde man nicht dadurch, dass einem als Säugling ein bisschen Wasser über den Kopf gegossen bekäme; im Stillem dachte ich "Öööh... doch!!", sagte aber nichts dazu, da für eine Debatte über die Kindertaufe und letztlich über das Sakramentenverständnis hier offenkundig nicht der richtige Rahmen war und es auch nichts gebracht hätte, dieses Fass aufzumachen. – Dass die Elterncafé-Leiterin zudem an einer Stelle ganz überflüssigerweise ihre antikatholischen Ressentiments durchblicken ließ, indem sie etwas sagte wie "Um von Gott Vergebung zu erlangen, muss man nicht auf den Knien nach Rom rutschen", wäre mir völlig entgangen, wenn meine Liebste es nicht auf dem Nachhauseweg erwähnt hätte; offenbar hatte ich in dem Moment gerade nicht zugehört. Aber geschenkt. Viel interessanter fand ich die Reaktionen und Nicht-Reaktionen auf eine Wortmeldung meiner Liebsten zu Markus 10,14 ("Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran!"): Sie wies darauf hin, dass das Wort für "Kinder", das Jesus hier verwende, Säuglinge und Kleinkinder einschließe, und folgerte daraus, auch Kinder, die noch so klein sind, dass sie "sowieso nichts mitkriegen", und noch kein Konzept davon haben, "wie man sich in der Kirche benimmt", hätten einen legitimen Platz im Gottesdienst (und nicht nur in der parallelen Kinderbetreuung). Das ist in einem freikirchlichen Setting natürlich eine gewagte Aussage, denn wenn der Gottesdienst im Wesentlichen aus einer Predigt mit etwas Rahmenprogramm besteht, ist es ja tatsächlich nicht so leicht einzusehen, was jemand, der (noch) nicht in der Lage ist, der Predigt zu folgen, "da soll". Somit war es recht bezeichnend, dass niemand etwas dazu sagte – wobei aber doch zu bemerken war, dass einige Eltern, die Kinder im Teenageralter (oder knapp darunter) haben, wissend bis betroffen nickten, als meine Liebste ausführte, irgendwie müsse man die Kinder schließlich auch darauf vorbereiten, den Übergang von einer kindlichen zu einer erwachsenen Glaubenspraxis hinzukriegen. Nicht direkt als Antwort darauf, aber inhaltlich dennoch passend klagte eine Mutter von drei Söhnen, es werde immer schwieriger, ihre beiden Ältesten dazu zu motivieren, zum Gottesdienst mitzukommen. Was wahrscheinlich ein ganz natürlicher Effekt ist, wenn die Sprösslinge aus dem Programm der "Kinderkirche" herausgewachsen sind und man dann plötzlich von ihnen erwartet, sich eine ellenlange und für Erwachsene konzipierte Predigt anzuhören. (Was man in diesem Zusammenhang allerdings auch erwähnen sollte, ist, dass den Freikirchen ihre Jugendlichen offenbar trotzdem nicht im selben Ausmaß davonlaufen wie den Großkirchen. Das sollte uns dann doch zu denken geben.) 

Ein Aspekt, der mir in der ganzen Diskussion ein wenig fehlte – den ich aber auch selbst nicht einbrachte, weil sich irgendwie keine passende Gelegenheit ergab und ich ohnehin schon den Eindruck hatte, meine Liebste und ich beteiligten uns stärker am Gespräch als die meisten anderen – war die Frage, was wir aus unserer eigenen Alltagserfahrung als Eltern über Gott als Vater lernen können. Dazu wäre mir eine Menge eingefallen. Zum Beispiel: Wenn ich die Kinder morgens rechtzeitig wecke, darauf achte, dass sie halbwegs vernünftig frühstücken, halbwegs saubere und dem Wetter angemessene Klamotten anziehen und nicht will, dass sie zwischendurch etwas zu spielen, zu malen oder zu basteln anfangen, dann denke ich oft: Kinder, ich mache das für euch, in eurem eigenen Interesse – warum beschwert ihr euch? Und dann denke ich manchmal: Wahrscheinlich denkt Gott dasselbe über mich


Wie war das mit "dummdreist und tantig"? 

Das Echo auf mein voriges Wochenbriefing hat mich einigermaßen überrascht, Freunde: Die Zugriffszahlen waren durchaus überdurchschnittlich und es gab auch erfreulich viele Leserkommentare, aber womit ich nicht gerechnet hätte, war, dasss diese sich fast ausschließlich um das Thema "musikalische Gestaltung von Kinder-, Jugend- bzw. Familiengottesdiensten" drehten. Dabei hätte ich gedacht, dass andere Inhalte dieses Artikels weit mehr zu kontroversen Debatten einlüden; wozu es nicht zuletzt gehört, dass ich es gewagt habe, einen Beitrag aus der Zeitschrift Communio als "dummdreist und tantig" zu bezeichnen. Da hätte ich ja nun mit dem einen oder anderen Ordnungsruf gerechnet, gerade aus dem, sagen wir mal, "volkskirchlich-konservativen" Lager, das den Ansichten der Verfasserin tendenziell mehr Sympathie entgegenbringen dürfte als ich. Auch wenn das möglicherweise ein Missverständnis wäre – aber jetzt greife ich mir vor. 

Also mal der Reihe nach: Der Artikel, um den es geht, heißt "Glaube als Event?", und wie ich vorige Woche schrieb, wird darin der "Normalbetrieb der abnippelnden Volkskirche als angebliche 'normale katholische Spiritualität' gegen 'Großevents, Gebetshäuser [und] Influencer-Christentum' verteidigt". Und was hat mich daran nun so sehr geärgert? An und für sich ist es schließlich vollkommen legitim, zu sagen "Ich bin kein Fan von Massenevents, diese poppige Lobpreismusik empfinde ich nicht als andachtsfördernd, überhaupt ist dieses Charismatische nicht mein Ding, und vor allem mag ich es nicht, wenn Leute über religiöse Fragen in einem Tonfall reden, als wären sie Motivationstrainer oder Teleshopping-Präsentatoren". (Full Disclosure: Ersteres und Letzteres gilt für mich selbst auch.) Es ist auch nichts verkehrt daran, wenn jemand mit der Art von religiöser Praxis, die er an einem durchschnittlichen Sonntagmorgen in seiner örtlichen Pfarrkirche erlebt, mehr anfangen kann als mit der Spiritualität mehr oder weniger deutlich charismatisch angehauchten Geistlicher Gemeinschaften oder Gebetskreise. Wenn es sich dabei aber nur um eine Angelegenheit persönlicher Vorlieben oder Neigungen handelte, müsste man sich fragen, aus welcher Motivation heraus bzw. mit welcher Absicht jemand darüber schreibt, und das nicht auf einem privaten Blog, sondern in der doch recht renommierten theologischen Zeitschrift Communio. – Okay: Der Artikel erschien im Rahmen einer Kolumne der Verfasserin, das ist schon ein bisschen so ähnlich wie ein persönlicher Blog. Gleichwohl fand ich schon die Titel-Unterzeile des Artikels einigermaßen dreist: "Meine Frömmigkeit braucht kein emotionales Feuerwerk" – ja also #sorrynotsorry, liebe Verfasserin, aber was geht den geneigten Leser denn deine Frömmigkeit an, bzw. warum glaubst du, sie hätte ihn zu interessieren? Hinzu kommt, dass die Aussage "Ich brauch das nicht" doch sehr herablassend gegenüber jenen klingt, die "das" eben doch zu "brauchen" meinen. 

Zu dieser "bedürfnisorientierten" Sichtweise wird zweifellos noch mehr zu sagen sein, halten wir zunächst aber noch fest: Der einzige plausible Grund, einen Artikel des Inhalts "Ich finde xy nicht gut" zu veröffentlichen, ist, dass man dem Leser suggerieren möchte: "Und du solltest das auch nicht". So sehr die Verfasserin sich bemüht, den Anschein von Ausgewogenheit zu erwecken, indem sie "Fundamentalismus"-Vorwürfe an die Adresse der neuen Frömmigkeitsbewegungen lediglich referiert, ohne sie sich zu eigen zu machen, und die hierfür exemplarisch zitierte Kritik der Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer als "überspitzt" bewertet, so unverkennbar legt sie dennoch eine ablehnende Haltung zu "Gebetshäusern, Jüngerschaftsschulen und ähnlichen charismatischen Initiativen" an den Tag. Wohlgemerkt, ich bestreite der Autorin nicht das Recht, in ihrer Kolumne ihre Meinung kundzutun; hingegen nehme ich für mich selbst das Recht in Anspruch, ihre Meinung doof zu finden

Aber warum nun genau? Wenn die Verfasserin schreibt "Mir reicht die Sonntagsmesse, immer wieder die Beichte oder gelegentliche Wallfahrten", dann kann man ja durchaus sagen, das sei gar nicht so wenig. Damit nicht genug, zündet sie "auch mal eine Kerze auf dem Hausaltar an, wenn jemand in der Familie einen wichtigen Termin hat oder etwas anderes ansteht". Ist doch schön. Warum muss sie diese Frömmigkeitsformen partout gegen andere, mit denen sie eingestandenermaßen nichts anfangen kann, ausspielen? Worum geht es ihr dabei wirklich? – Ich würde sagen, einen recht deutlichen Fingerzeig bietet der Satz "Der Rosenkranz beruhigt meine Nerven, wenn sie es brauchen": Die Verfasserin beurteilt religiöse Praktiken, und letztlich Religion überhaupt, rein nach ihrem Gebrauchswert, und zwar speziell nach ihrem therapeutischen Gebrauchswert. Und diese Sichtweise erscheint ihr offenbar so selbstverständlich, dass sie überhaupt nicht darüber reflektiert oder auf die Idee käme, dass es auch anders sein könnte. An der Oberfläche mag ihre sogenannte Spiritualität "konservativ" aussehen (Beichte, Rosenkranz, Wallfahrten), aber das ist offenbar tatsächlich nicht viel mehr als eine ästhetische Vorliebe; was sich dahinter verbirgt, ist eine zutiefst liberale, subjektivistische Wellness-Spiritualität: Alles kann, nichts muss

Was die Communio-Kolumnistin hier also tatsächlich gegen den charismatischen Impetus der Gebetshäuser und Jüngerschaftsschulen zu verteidigen sucht, sind – auch wenn sie gern diesen Eindruck erwecken möchte – nicht so sehr die hergebrachten Frömmigkeitsformen der abnippelnden Volkskirche, sondern vielmehr eine "Frömmigkeit, die eint und trägt, aber nicht überfordert. Die ein Wertefundament ermöglicht, auf dem man gut in der Welt bestehen kann und das einem Halt und Haltung gibt. Ist das ein 'Christentum light'?", fragt sie trotzig – worauf ich erwidern möchte: Das ist an und für sich erst mal noch überhaupt kein Christentum, sondern allenfalls Moralistisch-Therapeutischer Deismus. Wenn die Verfasserin dann noch hinzufügt "Ich bin dankbar, dass der Glaube selbstverständlich und unaufgeregt zu einem Teil meiner Biografie werden konnte. Dass er mich nicht extrem vereinnahmt, aber trotzdem stützt. Das wünsche ich auch meinen Kindern", dann denke ich mir, so etwas in der Art habe ich doch schon öfter gelesen. Und mich schon öfter darüber gewundert, dass es Leute gibt, denen dieses "bisschen Religion", das wie ein Sahnehäubchen auf den säkularen Alltag obendrauf kommt, einem ein gutes Gefühl gibt, aber letztlich zu nichts verpflichtet, so wertvoll ist, dass sie das an ihre Kinder weitergeben wollen. Man sollte darüber sicherlich nicht spotten: Gäbe es diese Leute nicht, wo kämen dann wohl Jahr für Jahr die vielen Erstkommunionkinder her? Da liegt ein Potential, mit dem man behutsam umgehen muss. Das geknickte Rohr nicht zerbrechen, den glimmenden Docht nicht auslöschen und so. Die eigentlich spannende Frage ist aber natürlich, was die Eltern wohl sagen, wenn die Kinder religiöser werden als sie selbst... 


Und was ist jetzt mit dem Projekt "Pfarrhausfamilie"? 

Also, auf gepackten Koffern sitzen wir noch nicht direkt; aber die Anzeichen verdichten sich, dass es tatsächlich klappen könnte – dass wir also ab Herbst auf dem Kirchengrundstück einer (vorerst noch) ungenannten Brandenburgischen Kleinstadt leben und dort so allerlei Projekte zur Gemeindeerneuerung und Neuevangelisierung erproben und weiterentwickeln dürfen. Unlängst habe ich auf der Grundlage früherer Entwürfe ein kleines Konzeptpapier zum Thema "Warum wir Pfarrhausfamilie werden möchten" zusammengebastelt, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, bei eventuellen Bedenkenträgern in der betreffenden Pfarrei Überzeugungsarbeit zu leisten; zu diesem Zweck habe ich mich bemüht, nicht übertrieben ambitioniert, sondern eher pragmatisch und bescheiden (aber gleichzeitig trotzdem visionär) 'rüberzukommen – was mich gleichwohl nicht davon abgehalten hat, so schöne Sätze zu formulieren wie "Eine Familie, die auf dem Kirchengrundstück wohnt und in der Kirche aktiv ist, bildet schon durch ihre alltäglichen sozialen Interaktionen eine natürliche Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft". Mal sehen, ob's was nützt. Einstweilen möchte ich mal all den Leuten zwischen Falls Church/Virginia und Budapest, die für unser Projekt beten, ein herzliches "Vergelt's Gott!" sagen – und gleichzeitig darum bitten, damit nicht nachzulassen. Wir sind noch nicht am Ziel! 


Geistlicher Impuls der Woche 

Bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheiligt werdet! Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten. Meine Brüder, wenn einer bei euch von der Wahrheit abirrt und jemand ihn zur Umkehr bewegt, dann sollt ihr wissen: Wer einen Sünder, der auf Irrwegen ist, zur Umkehr bewegt, der rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu.

(Jakobus 5,16.19-20) 


Ohrwurm der Woche 

NimmZwei: Mr. Pharao 

Dieser Ohrwurm war wohl unvermeidlich, nachdem es in der 1. Lesung der Sonntagsmesse um den Brennenden Dornbusch ging. – Die Gruppe NimmZwei, später infolge eines Rechtsstreits mit dem Süßigkeiten-Hersteller Storck in SuperZwei umbenannt, habe ich in meiner "ersten Fundi-Phase", wie ich sie im Rückblick gern nenne, rauf und runter gehört, vorrangig allerdings ihr Album "Unter 4 Augen" von 1991; als 1993 das Nachfolgealbum "Wir wollen nur deine Seele!" rauskam, war ich schon so halbwegs aus meiner Fundi-Phase raus, und die Band, wie sich zeigte, auch. Ich erinnere mich, seinerzeit eine Rezension von Andreas Malessa (dem Diedrich Diederichsen der evangelikalen Popmusikkritik) gelesen zu haben, in der dieser das Album "Wir wollen nur deine Seele!" sehr zwiespältig beurteilte: Die musikalische Qualität der Platte lobte er, mit den Texten war er jedoch, gelinde gesagt, unzufrieden. Einer der beiden Köpfe von NimmZwei – und zwar derjenige, aus dessen Feder der Text von "Mr. Pharao" stammt, Jakob "Jay" Friedrichs – wurde später Co-Host des "postevangelikalen" Podcasts "Hossa Talk"

Aber wie dem auch sei: "Mr. Pharao" ist in jedem Fall eins der herausragenden Stücke auf "Wir wollen nur deine Seele!", auch wenn bzw. gerade weil es ganz und gar nicht repräsentativ für den Stil des Albums ist. In gewissem Sinne ist es geradezu als kulturhistorisches Dokument anzusehen, insofern, als es unverkennbar eine Reaktion auf den damaligen Aufschwung des Deutsch-HipHop darstellt; man könnte auch sagen, dass es diesen Trend persifliert, bis hin dazu, dass einzelne Textstellen recht deutlich auf den im Jahr zuvor erschienenen Hit "Die da" der Fantastischen Vier anspielen. Im Übrigen enthält der Song Samples aus dem Monumentalfilm "Die Zehn Gebote" mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als Ramses. 


Vorschau / Ausblick 

Ob wir es heute Abend zur Community Networking Night im Baumhaus schaffen würden, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest; falls ja, wird es darüber nächste Woche zweifellos so allerlei zu berichten geben. Morgen steht jedenfalls der KiWoGo zum "Verlorenen Sohn" auf dem Programm, und ab Montag ist das Tochterkind auf einer Schulfahrt: Wie schon letztes Jahr ungefähr um diese Zeit gibt es wieder eine für die Jahrgangsstufen 1-3 konzipierte "Lernreise". Am Mittwoch erwartet mich außerdem eine digitale Themenkonferenz für die Familienseiten der Tagespost; ich bin gespannt. Außerdem erwarte ich Neuigkeiten in Sachen Pfarrhausfamilien-Projekt... 


Dienstag, 25. März 2025

Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen

So, Freunde: Ich mag ein bisschen "late to the party" sein, nachdem die offizielle Buchpremiere zur Neuerscheinung "Urworte des Evangeliums" schon fast acht Wochen her ist; aber das soll mich nicht davon abhalten, den bereits erschienenen Rezensionen meine eigene hinzuzufügen. Denn, soviel sei als Gesamturteil schon mal vorweggenommen: Ich betrachte die "Urworte des Evangeliums" als die spannendste Neuerscheinung zum Thema Glaube und Kirche, die ich in den letzten Jahren auf den Schreibtisch bekommen habe. 

Das Buch enthält Beiträge von nicht weniger als 30 Personen, von denen indes "nur" drei als Herausgeber auf dem Buchdeckel genannt werden; von links nach rechts sind dies: Martin Brüske, freier theologischer Schriftsteller und Dozent für Dogmatik; Bernhard Meuser, Publizist und Verleger, bekannt als Mitinitiator des YouCat und des Mission Manifest; und Christiana Reemts OSB, Äbtissin der Benediktinerinnen-Abtei Mariendonk am Niederrhein. Insbesondere die beiden erstgenannten sind in jüngerer Zeit vor allem als Sprecher der Initiative "Neuer Anfang" hervorgetreten, und so liegt es nahe, die "Urworte des Evangeliums" als eine Programmschrift dieser Gruppierung aufzufassen – umso mehr, als die Unterzeile des Buchtitels "Für einen neuen Anfang in der Katholischen Kirche" lautet. Die im Frühjahr 2021 aus dem "Arbeitskreis Christliche Anthropologie" heraus entstandene Initiative "Neuer Anfang" war in der Absicht gegründet worden, den "Synodalen Weg" der Deutschen Bischofskonferenz und des "Zentralkomitees der deutschen Katholiken" kritisch zu begleiten; dennoch sind die "Urworte des Evangeliums" kein Buch über den Synodalen Weg geworden – ja, man könnte es geradezu provokant finden, wie sehr es das nicht ist, wie der Synodale Weg lediglich so nebenbei mit ein paar Sätzen abgehandelt wird. Im Zuge einer "Standortbestimmung" unter der Überschrift "Der reale Zustand der katholischen Kirche – eine schonungslose Analyse" beschreibt Mitherausgeber Martin Brüske den Synodalen Weg als "verzweifelte[n] Versuch der Restauration": "Noch einmal wollte man die rapide schwindende Religionsverwaltungskompetenz durch spektakuläre Anpassungsleistungen reparieren und gesellschaftlich legitimieren. Der Versuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er antwortete an keiner Stelle auf die wirklichen Herausforderungen des christlichen Glaubens heute. Er verriet zudem auch das historische Christentum. Und musste notwendigerweise scheitern" (S. 24f.). Das war's. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. 

Und warum nicht? – In der Einleitung wird betont, das Buch sei darauf ausgerichtet, sich "weniger mit den Gründen [des] scheinbar unaufhaltsamen Niedergangs" der Kirche "in ihren einstigen Kernländern" zu befassen "als vielmehr mit der Suche nach ihrem geheimnisvollen Vitalprinzip": 

"Angenommen, alles ist kaputt, was einst ihre Größe und Strahlkraft ausmachte – ihre Heiligtümer sind entweiht, über ihre Immobilien wächst Gras, in ihren Lehrgebäuden nisten die Raben, ihre Reputation hat sich in Verachtung verwandelt –, was ist es dann, was neues Leben aus den Ruinen ermöglicht? Was sind die Essentials, ohne die 'Kirche' nicht sein kann?" (S. 9) 

Will man diesen Ansatz im Sinne des guten alten bösen alten innerkirchlichen Lagerdenkens "kirchenpolitisch einordnen", so fällt es, angefangen von der Einleitung, immer wieder auf, dass die Autoren sich in ihrer Vision von der Zukunft der Kirche vielfach und betont auf Papst Franziskus berufen – insbesondere auf das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium (2013), aber auch auf diverse andere Schreiben und Ansprachen des amtierenden Papstes. Damit verbietet es sich eigentlich von vornherein, das Buch und/oder seine Verfasser in die "konservative" Ecke zu stellen. Dasselbe könnte man auch darüber sagen, dass wiederholt Dokumente des II. Vatikanischen Konzils sowie Werke bedeutender Konzilstheologen zitiert werden – wobei zu diesen neben Hans Urs von Balthasar, Henri de Lubac oder Karl Rahner natürlich auch Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., gehört, und der wurde in "nachkonziliarer" Zeit ja seinerseits gern als "erzkonservativ" eingeordnet bzw. abgestempelt. Wie dem auch sei: Ich betrachte diese betonte Berufung auf gemeinhin als "progressiv" wahrgenommene Traditionsstränge der neueren Kirchengeschichte und Theologie durchaus nicht als bloße Taktik, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen; ich bin vielmehr überzeugt, dass es tatsächlich zu kurz greifen würde, den Standpunkt des Buches einfach als "konservativ" einzuordnen. Ich bin sogar geneigt zu sagen: Wenn man unter "konservativ" das Festhalten am Bestehenden und Gewohnten versteht und dieses Bestehende und Gewohnte auf die Sozialgestalt der Kirche in unserem Land bezieht, dann ist die Perspektive für die Zukunft der Kirche, die die "Urworte des Evangeliums" eröffnen, weitaus weniger konservativ als etwa diejenige, die auf dem Synodalen Weg propagiert wurde. Um zu erläutern, wie ich das meine, lässt man am besten das Buch selbst sprechen. –

In derselben "Standortbestimmung", in der der Synodale Weg so knapp und beiläufig abgefertigt wird, argumentiert Martin Brüske, die neuzeitliche Entwicklung "des westlichen Christentums zur effizienten Religionsverwaltung" sei zwar "vermutlich historisch unvermeidbar" gewesen "und mit unbestreitbaren Leistungen verbunden" (S. 25), habe aber mit einer gewissen inneren Folgerichtigkeit zu der Krise der religiösen Institutionen geführt, die wir seit Jahrzehnten erleben und die ihren "Kipppunkt bereits überschritten" habe: "Wir befinden uns im Stadium des vollständigen und nicht mehr aufzuhaltenden Zerfalls" (S. 24). Mit anderen Worten, ein Zurück zu einer vermeintlich heilen Welt, in der das System Volkskirche noch funktionierte, ist nicht nur nicht möglich, sondern auch gar nicht wünschenswert

Auf den Punkt gebracht: Indem etwa der Synodale Weg, aber auch schon andere aus dem Institutionellen Apparat hervorgegangene Initiativen zur Reform der Strukturen der Kirche in letzter Konsequenz darauf abzielten, diese Strukturen zu bewahren, erwiesen sie sich als im Wortsinne erheblich strukturkonservativer als die Vertreter des Neuen Anfangs, die sagen: Was an der Strukturen der Kirche bloß menschengemacht, bloß historisch gewachsen ist und nicht zwingend mit dem von Gott gegebenen Auftrag und Daseinszweck der Kirche zusammenhängt, dann muss man es, wenn es sich überlebt hat und nicht mehr zweckmäßig, ja womöglich sogar kontraproduktiv geworden ist, vielleicht einfach loslassen. Umso wichtiger ist es dann aber, zu fragen, was für den Fortbestand der Kirche wirklich wesentlich, unverzichtbar und unaufgebbar ist. Dieser unveräußerliche Kern dessen, was die katholische Kirche als authentische Kirche Jesu Christi ausmacht, ist Gegenstand dieses Buches. 

Und wie lauten nun die "Urworte des Evangeliums"? Das Buch zählt ganze 15 auf: Jesus; Liebe; Volk Gottes; Wort Gottes; Heiliger Geist; Rettung; Eucharistie; Verkündigung; Leib; Sakrament; Jünger; Gebet; Mission; Umkehr; Freude. Zu jedem einzelnen davon präsentiert das Buch einen oder zwei Essays, die die Bedeutung dieser Kernbegriffe für die Kirche auszuloten suchen und nach Wegen fragen, wie diese "Urworte" in der Kirche wieder stärker zur Geltung kommen und ihr neues Leben einhauchen können. Hinzu kommt abschließend "ein Urbild, in dem sich die Urworte zu einer Ikone verdichten" (S. 241); und dieses Urbild der Kirche ist – wie es auch im Schlusskapitel der Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils ausgeführt wird – Maria, das Original, nicht das vermeintliche "Update" mit der Endung "2.0". Abschließend berichtet Mitherausgeberin Christiana Reemts OSB über die Entstehungs(vor-)geschichte des Buches, die mit einem Symposium in "ihrer" Abtei begann. 

Den Ansatz des Buches, sich ganz darauf zu konzentrieren, was für die Kirche wesentlich ist, und Unwesentliches beiseite zu lassen, möchte ich als ausgesprochen gelungen einstufen: Zu jedem der genannten "Urworte" wird Wesentliches ausgesagt, auch wenn der individuelle Leser sich sicherlich von einzelnen Abschnitten stärker angesprochen fühlen wird als von anderen. Dazu trägt natürlicherweise auch der unterschiedliche Stil der Autoren und ihre unterschiedliche Herangehensweise an ihr jeweiliges Thema bei. Ich will daher mal ein paar Passagen herausgreifen, die mir persönlich besonders viel sagen: So weist Achim Buckenmaier, der im Abschnitt "Die Kirche mit dem Volk Gottes versöhnen!" über "das Jüdische an der Kirche" schreibt, eindringlich darauf hin, wie die Erfahrungen des Diaspora-Judentums vorbildlich für ein zur Minderheit gewordenes Christentum sein könnte: "Jahrhundertelang haben Juden so gelebt. Warum sollten wir nicht auch so leben können? Die Wüste, die Ruinen verlassen, und uns zusammentun aus Freude, dass Gott treu ist, und als Freude, seine Leute zu sein, zu seinem Volk, dem Gottesvolk, zu gehören?" (S. 69). "Kirche als leuchtende Minderheit", nennt Buckenmaier das (S. 67), ganz im Sinne der "Benedikt-Option", wie ich anmerken möchte. 

Faszinierend auch, wie Horst G. Herrmann unter der Überschrift "Wider das Unbehagen in der Erlösung" die biblische Erzählung vom Auszug aus Ägypten als eine Befreiung "aus der Knechtschaft der reinen Immanenz" deutet – "aus den menschengemachten Ordnungen; den Bindestrich-Gerechtigkeiten, den Moralen, die wir uns geben, den buchstäblichen Gewohnheiten, [...] die stets eine Frucht der menschlichen Erkenntnis von Gut und Böse ist" (S. 99). "Aber wie oft hören wir von deutschen Bischöfen etwas zu diesem 'Ägypten in uns'?", fragt Herrmann zu Recht. "Zu Gottes befreiendem Herausrufen aus den Trutzburgen unserer kunterbunten 'Lebenswirklichkeit'? Verkünden viele Hirten diese 'Lebenswirklichkeit' nicht mittlerweile als neo-normativ, 'unhintergehbar' 'alternativlos'? Und sitzen sie damit, zusammen mit den meisten Theologen, nicht längst wieder an den Ufern des Nils vor Finanz- und Fördermitteltöpfen [...]?" (S. 99f.). 

Unter der Überschrift "Anbeten. Hinzutreten. Mahl halten." nähert sich Elisabeth Bock dem Mysterium der Eucharistie von der Praxis der Eucharistischen Anbetung her an – und bietet eine intuitiv einleuchtende Begründung für diese von der modernen Theologie vielfach in Zweifel gezogene Frömmigkeitsform: "Die Eucharistische Anbetung führt uns tiefer in das unendliche Geheimnis ein, dass Jesus Christus mit uns Mahl hält. Er reicht uns ja nicht irgendeine Speise zum Mahl – er selbst ist die Speise. Was für ein Geheimnis! Als ein solches muss es betrachtet und durchdrungen werden, damit es besser erfasst werden kann. Wie könnten wir tiefer in dieses Mysterium eindringen, als wenn wir Ihn selbst anschauen – in Ehrfurcht und Stille, eben in der Monstranz" (S. 118). 

Zum Stichwort "Jüngerschaft" merkt Dominique Haas an, zunächst habe sie gemeint, hinter diesem Schlagwort verberge sich "ein neuer Trend, erfunden von amerikanischen Freikirchen" (S. 187); erst allmählich sei ihr aufgegangen, "dass Jüngerschaft keine menschliche Erfindung unserer Zeit, sondern vielmehr eine grundlegende biblische Kategorie ist" (ebd.) – "ein notwendiger biblischer Auftrag, dem sich die ganze Kirche stellen muss" (S. 194). 

Wenn ich sage, dass ich die "Urworte des Evangeliums" als Beitrag zur Debatte über die Zukunft der Kirche ebenso richtungsweisend finde wie etwa Fr. James Mallons "Divine Renovation – Wenn Gott sein Haus saniert", das "Mission Manifest" oder auch die "Benedikt-Option" meines Freundes Rod Dreher, muss ich allerdings auch ansprechen, worin sich dieses Buch deutlich von den anderen genannten unterscheidet: Es ist erheblich weniger praxisorientiert. Wie es in der Einleitung explizit heißt, betreiben die Verfasser "zuerst Theologie und fragen: Warum ist das Jesus wichtig? Dann erst betreiben wir Pastoral: Was können wir tun, damit die Kirche an vielen Orten wieder aufblüht?" (S. 13). Diese Konzentration auf theologische Grundfragen führt jedoch, wie ich schon in meiner "Preview" zu dieser Rezension betont habe, durchaus nicht dazu, dass das Buch "rein theoretisch"  oder "abgehoben" 'rüberkäme; dafür sorgt nicht zuletzt der Umstand, dass in den einzelnen Beiträgen immer wieder auch persönliche Glaubenszeugnisse der Verfasser zur Sprache kommen. Diese Zeugnisse decken eine beachtliche Bandbreite unterschiedlicher Glaubenserfahrungen ab: So schreibt Alexander von Lengerke über Erfahrungen mit der Begleitung und Betreuung behinderter und chronisch kranker Menschen im Rahmen seines Dienstes im Malteserorden, Constantin Maasburg über seine Tätigkeit im Gebetshaus Augsburg

Aber auch im Ringen um theoretische Grundlagen ist die Frage, wie eine Rückbesinnung der Kirche auf diese Kernelemente ihres Wesens und Auftrags praktisch aussehen könnte – und zwar auch und gerade im konkreten Alltag der Gemeindepastoral –, nie ganz fern. In besonderem Maße widmet sich der Beitrag von Pfarrer Bodo Windolf im Kapitel "Das Heute Jesu in den Sakramenten der Kirche finden!" dieser Frage: Pfarrer Windolf, der die Pfarrei Christus Erlöser in Neuperlach im Erzbistum München und Freising leitet, schildert aus eigener Erfahrung, was sich in Hinblick auf das Ziel, "das Geschenk der Sakramente" (S. 170) in der pastoralen Praxis (wieder) stärker zur Geltung zu bringen, in seiner Gemeinde "als heute schon möglich und durchführbar erwiesen hat" (S. 172). Ich muss allerdings sagen – und betrachte es als keineswegs zufällig –, dass mich gerade dieses so betont praxisorientierte Unterkapitel mehr als alle anderen des Buches zu Widerspruch und Kritik reizt. So sehr ich hinsichtlich des grundsätzlichen Anliegens mit Pfarrer Windolf übereinstimme, erscheinen mir die konkreten Maßnahmen, die er vorstellt, zum Teil als kontraproduktiv, zum größeren Teil sind sie mir aber einfach "zu wenig": zu zaghaft, zu halbherzig, zu sehr auf eine Zielgruppe ausgerichtet, der man eine im Grunde desinteressierte Haltung unterstellt. Vielleicht sehe ich das aber auch falsch, und Pfarrer Windolf ist mit seinen aus der Praxis gewonnenen Einsichten auf dem richtigen Weg. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass es in diesen Fragen kein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt: dass es, solange das Ziel klar ist – in diesem Fall: den Menschen die Sakramente näher zu bringen –, durchaus unterschiedliche Wege dorthin geben kann, darf und auch muss, da sie, je nach Umständen, mal "funktionieren" und mal nicht. Pfarrer Windolf sagt selbst: "Niemand kann sagen, er hätte den Stein der Weisen gefunden und wüsste, 'wie es geht'" (S. 170). Oder, wie Petra und Franz-Josef Roth in ihrem "Liebe in der Grauzone" betitelten Beitrag über ihre Erfahrungen mit der Sakramentenkatechese für Kirchenferne ("getaufte Heiden") schreiben: "Was immer man tut, es bleibt am Ende allenfalls halb richtig. [...] Zu viel steht auf dem Spiel: Zum einen für die konkreten Menschen, zum anderen für die Integrität des Glaubens. Wer will hier behaupten, die richtige Entscheidung zu kennen? Nur Gott kennt die Zukunft eines Menschen" (S. 60). 

Wie schon gesagt: "Konservativ" sind der Ansatz und die Perspektive dieses Buches nicht unbedingt, oder jedenfalls sind sie Vieles von dem nicht, was man so gemeinhin mit der Bezeichnung "konservativ" zu assoziieren pflegt. Aber ist es – um einen anderen Kampfbegriff aus der innerkirchlichen Debatte zu bemühen – vielleicht "fundamentalistisch"? – Nun ja: In dem Sinne, dass das Buch dezidiert nach den Fundamenten der Glaubenslehre und –praxis und damit der Kirche überhaupt fragt und eine innere Erneuerung der Kirche aus diesen Fundamenten heraus anstrebt, erscheint diese Bezeichnung nicht ganz unpassend; aber wenn man den Begriff so versteht, erscheint es nicht recht einsichtig, wieso das ein Schimpfwort sein sollte. Auch das Schlagwort vom "evangelikalen Katholizismus" mag sich dem Leser an der einen oder anderen Stelle aufdrängen: Wenn etwa Christoph Ohly in seinem Beitrag unter der Überschrift "Jesus, sei mir Jesus!" schreibt "Jesus darf niemals zu einer entrückten Gründergestalt werden; er kann nicht der fromme Überbau unserer kirchlichen Ziele, nicht die ideologische Basis unserer Annahmen sein. Es müsste die katholische Kirche beschämen, dass andere, außerhalb ihrer Grenzen, es mit der Nähe und der Liebe zu Jesus offensichtlich ernster nehmen als nicht wenige Katholiken" (S. 45), dann ist damit wohl nicht zuletzt auch an freikirchliche Christen gedacht, an denen sich Katholiken in mancher Hinsicht durchaus ein Beispiel nehmen könnten

Zum Schluss noch ein persönliches Wort: Ein Freund, dem ich das Buch empfahl, merkte an: 
"Leider ist dein Name nicht bei den Autoren." 
Worauf ich erwiderte: 
"Das finde ich ehrlich gesagt auch schade." 


Samstag, 22. März 2025

Die 3 K der Woche (17): Kinder, Kirche, Konfessionen

Der Frühling ist da, Freunde! Während ich diese Einleitung schreibe, sind Frau und Kinder gerade auf einem Ausflug in den Zoo, und es kommt mir so vor, als sei dies der erste Tag seit mehr als einer Woche, an dem ich mal zum Durchschnaufen komme; wobei ich sagen muss, dass es nicht so sehr "blogrelevante" Aktivitäten oder Ereignisse waren, die mich so auf Trab gehalten haben, sondern eher die Kinder und der Haushalt (vgl. dazu auch den "Geistlichen Impuls der Woche"). Insbesondere diejenigen Leser, die darauf brennen, zu erfahren, wie es mit dem Projekt "Pfarrhausfamilie" weitergeht, muss ich vorerst enttäuschen: Auch wenn es sich so anfühlt, als rücke eine definitive Entscheidung in dieser Angelegenheit näher, gibt es im Augenblick noch keine konkreten Neuigkeiten. Dieses Wochenbriefing hat aber, wie ich hoffe, trotzdem allerlei zu bieten... 


Warum ich nicht beim Jugendgottesdienst in St. Rita gewesen bin 

Dass am vergangenen Samstag in St. Rita ein Jugendgottesdienst stattgefunden hat, zu dem ich, wenn ich gekonnt hätte, durchaus gern gegangen wäre, hatte ich im vorigen Wochenbriefing gar nicht erwähnt, da mir im Grunde schon klar war, dass ich es dahin nicht schaffen würde. Und zwar deshalb, weil mein Jüngster an diesem Tag im Holland-Park in Schwanebeck, einem Ortsteil von Panketal, seinen 4. Geburtstag feierte. 

Ich nenne Panketal ja gern "Gondor-Ost", wegen des weißen Baums im Stadtwappen.

Die Geburtstagsfeier ging zwar schon vormittags los, sodass es theoretisch denkbar gewesen wäre, rechtzeitig zum Jugendgottesdienst, der um 18:30 Uhr beginnen sollte, zurück zu sein; aber mir war im Grunde klar, dass das keine realistische Kalkulation war. Im Holland-Park herrschte ein enormer Betrieb, es war extrem laut und die Kinder entsprechend überdreht, mit dem Ergebnis, dass meine Liebste und ich, als wir den Rückzug antraten, möglichst nur noch ins Bett wollten. – Reden wir also lieber mal darüber, warum ich überhaupt in Erwägung gezogen hatte, zu diesem Jugendgottesdienst zu gehen; also mal abgesehen von meinem Interesse an Jugendpastoral im Allgemeinen und in der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd im Speziellen. Auf Facebook und Instagram war dieser Jugendgottesdienst als "musikalisch begleitet von der Gruppe InSpirit" angekündigt worden; nun habe ich ja eigentlich schon so meine Erfahrungen mit dem Ansatz, "nur wegen der Band" zu einem Gottesdienst zu gehen, aber der Hinweis, die Band sei "bekannt vom Nightfever", machte mich dann doch neugierig. Andererseits wurde dieser Jugendgottesdienst vom leitenden Pfarrer von St. Klara zelebriert, und wie ich schon bei früherer Gelegenheit mal schrieb: Das stelle ich mir eher cringe vor, wie die jungen Leute angeblich sagen. Nachdem ich am Sonntag einige Auszüge aus dem Jugendgottesdienst, teils als Foto, teils als Video, in der Instagram-"Story" von St. Klara bewundern durfte, möchte ich sagen, ich kann mich für die Entscheidung, da nicht hinzugehen (auch wenn man sagen könnte, dass es eigentlich keine "Entscheidung" war), nur beglückwünschen: Neben dem Pfarrer wirkte auch der Diakon, dem notorischerweise der Rasierpinsel ins Klo gefallen ist, an dem Gottesdienst mit; es gab eine "Dialogpredigt"; am Altar prangte das aktuelle Misereor-Hungertuch, das aussieht, als hätte eine KI es erstellt; und was die Band angeht, zeigte sich, dass es sich bei den Musikern schon um ältere Semester handelte. Das spricht zwar nicht zwingend gegen sie, aber man fragt sich so langsam doch, warum es eigentlich keine Jugendlichen gibt, die Jugendgottesdienste musikalisch gestalten könnten. – Im ersten Ausschnitt spielte die Gruppe "Bahnt einem Weg unserm Gott" von Lothar Kosse, das ist an und für sich ein sehr ordentlicher Lobpreis-Song, der in ihrer Interpretation jedoch sehr nach NGL klang; fairerweise muss man allerdings einräumen, dass die Akustik in der Kirche und die Aufnahmequalität jeweils das Ihre zu dem nicht sehr erfreulichen Klangerlebnis beigetragen haben dürften. In zweiten Ausschnitt spielten sie das auch im Gotteslob enthaltene "Herr, erbarme dich" vom unvermeidlichen Peter Janssens. Das ist ja nun nicht direkt schlecht, aber dass dieser Musikstil in katholischen Kreisen immer noch als "state of the art" für Jugendgottesdienste gilt, sagt dann wohl doch einiges aus. 

Bei dieser Gelegenheit kann ich übrigens – thematisch passend, wenn auch chronologisch vorgreifend – erwähnen, dass ich dank der Tatsache, dass ich dem Arbeitskreis Kinderwortgottesdienst der Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus in der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland angehöre, eine Einladung zu einer vierteiligen Online-Fortbildung zur Gestaltung von Familiengottesdiensten erhalten habe. Ausgerichtet wird diese Fortbildung vom "Netzwerk Kindergottesdienst-katholisch", einer "Initiative deutscher Bistümer", und der erste Teil, bei dem es um das Thema "Lieder und Gesänge für den Familiengottesdienst auswählen" gehen sollte, fand bereits am vergangenen Mittwoch statt. Da hätte ich ja durchaus gern zumindest mal reingeguckt, und sei es per Handy; ging aber nicht, denn um den Zoom-Link zur Teilnahme zu erhalten, hätte man sich spätestens eine Woche vorher anmelden müssen. Was ich besonders deshalb erwähnenswert finde, weil die Referentin für Familienpastoral im Erzbistum Berlin die Einladung erst fünf Tage nach dem Ende der Anmeldefrist verschickte. Wohlgemerkt an die hauptamtlichen Mitarbeiter in den Pfarreien, die sie dann ihrerseits an ehrenamtliche "Aktive im Bereich Familiengottesdienste/Kinderliturgie" (wie z.B. eben mich) weiterleiten sollten. Tolle organisatorische Leistung. Nicht. 

Ob diese Online-Fortbildung, wenn ich denn an ihr hätte teilnehmen können, positiv anregend gewesen wäre oder eher Stoff für Spott und Polemik geboten hätte, kann man nun strenggenommen nicht wissen; aber es gibt Indizien. Zum Beispiel, dass die Fortbildungseinheit zu Liedern und Gesängen für den Familiengottesdienst unter dem Motto "Kommt herbei, singt dem Herrn" stand. 

Okay, ich bin da persönlich voreingenommen, weil ich mit genau diesem Lied – das genaugenommen "noch nicht mal" ein NGL ist, sondern nur ein Text von Diethard Zils zur Melodie eines israelischen Volksliedes – die lebhafte Erinnerung verbinde, es schon als Kind doof gefunden zu haben. So oder so verweist der Umstand, dass dieses Lied an dieser Stelle zitiert wird, für mein Empfinden nur allzu deutlich auf die häufig gemachte Erfahrung, dass bei der Musikauswahl für Kinder- bzw. Familiengottesdienste quasi automatisch auf 40 bis 60 Jahre alte NGL-Ladenhüter zurückgegriffen wird, als gäbe es nichts anderes. Präziser gesagt: Wenn die Leut' vom "Netzwerk Kindergottesdienst-katholisch" ihre Fortbildungseinheit zu Liedern und Gesängen für den Familiengottesdienst so nennen, erweckt das bei mir nicht gerade den Eindruck, als sei die Fortbildung darauf ausgerichtet, dem genannten Übelstand abzuhelfen. – Sagen wir mal so: Wenn Leute, die auf Gemeindeebene ehrenamtlich tätig sind, für die Gestaltung von Familiengottesdiensten auf Lieder zurückgreifen, die sie vor 30 oder mehr Jahren selbst im Kindergottesdienst gehört haben, einfach deshalb, weil sie keine anderen kennen, ist das vielleicht noch halbwegs verständlich; aber spätestens wenn man hauptamtlich in diesem Bereich arbeitet, sollte man vielleicht doch mal zur Kenntnis nehmen, dass es nicht nur Ludger Edelkötter, Rolf Krenzer und Detlev Jöcker gibt (von denen zwei bereits tot sind und der dritte nächstes Jahr 75 wird), sondern z.B. auch einen Daniel Kallauch, einen Mike Müllerbauer und einen Peter Menger. Okay, die sind alle nicht katholisch. Wozu mindestens zweierlei zu sagen wäre; erstens: Auch das Gotteslob enthält eine Vielzahl von Liedern evangelischer Verfasser, angefangen von Paul Gerhardt. Und zweitens: Woran mag es denn wohl liegen, dass es keine katholischen Kinderliedermacher (mehr) gibt, die denen aus dem evangelisch-freikirchlichen Bereich das Wasser reichen könnten? 


Zweiter Fastensonntag in Siemensstadt 

"Jetzt ist Tag", beschloss der Jüngste am Sonntagmorgen gegen 7 Uhr und drängte meine Liebste, aufzustehen und mit ihm die Lego-Sets zusammenzubauen, die er zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Ich blieb noch ein bisschen liegen, dann machte ich Frühstück, und dann weckte ich das Tochterkind. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zur Messe in St. Joseph Siemensstadt, die endlich mal wieder von meinem Lieblings-Prediger unter den örtlichen Geistlichen zelebriert wurde. Er widmete den Erstkommunionkindern – obwohl davon diesmal gar nicht so viele anwesend waren, oder vielleicht gerade deswegen – eine besondere Begrüßung, in der er u.a. sagte: "Erstkommunion bedeutet, dass der Herr bei dir einzieht. Ja, eure Kinderzimmer sind dann nicht mehr sicher vor Ihm." Fand ich gut. 

Eine kleine Panne gab es bei der 1. Lesung: Die Lektorin begann damit, die Opferung Isaaks aus Genesis 22 vorzutragen; der Pfarrvikar stutzte sichtlich, hielt einen Moment inne, stutzte nochmals, dann unterbrach er die Lektorin: Das sei nicht die richtige Lesung für diesen Sonntag. Wie sich zeigte, lag der Fehler allerdings nicht bei der Lektorin, sondern die Küsterin hatte versehentlich das falsche Lektionar herausgelegt. Die eigentliche 1. Lesung dieses Sonntags war Genesis 15,5-12.17-18, Gottes Bundesschluss mit Abraham; dazu kam als 2. Lesung Philipper 3,17-4,1 und als Evangelium Lukas 9,28b-36, die Verklärung Jesu. Schon in seinen Begrüßungsworten hatte der Pfarrvikar betont, diese Lesungstexte zeigten uns "das Ziel der Fastenzeit: die Verklärung. Ja, hell, strahlend und leuchtend zu werden." In der Predigt kam er darauf zurück: 

"In dem Maße, in dem wir auf die Stimme Gottes hören – das heißt: annehmen, dass wir Seine Kinder sind und dass Er das Gute für und vorbereitet hat –, in dem Maße, in dem wir Seine Liebe annehmen, beginnen wir zu strahlen, verklären wir uns." 

Und weiter: 

"Das christliche Leben ist nicht langweilig, sondern hat diese Schönheit des Himmels, eine wirkliche Schönheit, weil du weißt, dass Gott Tag für Tag da ist, dich begleitet und mit dir zusammen Dinge machst, die du alleine nie könntest." 

Insgesamt war die Predigt übrigens nur zehn Minuten lang, dafür aber bemerkenswert gehaltvoll; anders als sonst manchmal war sie nicht so aufgebaut, dass es am Anfang einen speziell auf die Erstkommunionkinder zugeschnittenen Teil gab und dann die Predigt "für die Erwachsenen" folgte, sondern der Pfarrvikar schob fortlaufend an die Kinder gerichtete Erläuterungen in seine Predigt ein, die das jeweils zuvor Gesagte sozusagen näher an die Erfahrungswelt der Kinder heranrückten. Beeindruckend fand ich dabei vor allem, mit welcher Leichtigkeit er den Kindern (und zugleich auch allen anderen Messbesuchern) den aristotelisch-thomistischen Substanzbegriff veranschaulichte: Wenn man einen Menschen nur anhand äußerer Merkmale beschreibe – Haarfarbe, Augenfarbe, zwei Augen, eine Nase, ein Mund –, dann sei damit ja über seine Persönlichkeit noch nichts Wesentliches ausgesagt; ebenso bleibe bei der Wandlung zwar die materielle Gestalt der Hostie unverändert, aber diese materielle Gestalt sei eben nicht ihr eigentliches Wesen, sondern ihr eigentliches Wesen sei Leib Christi

Nebenbei erzählte der Pfarrvikar, tags zuvor habe er den ganzen Nachmittag damit verbracht, in Falkensee 35 Erstkommunionkindern die Erstbeichte abzunehmen. "Aber war sehr schön, die Kinder dort sind sehr lebendig. Ich weiß nicht, wo die unseren geblieben sind." 

Übrigens wurde auch in dieser Messe wieder das schon im vorigen Wochenbriefing gewürdigte Lied "Selig, wem Christus auf dem Weg begegnet" gespielt und gesungen, diesmal nach der Kommunion. So langsam bin ich wirklich gewillt, das als Zeichen zu betrachten, auch wenn man vielleicht sagen könnte, na ja, das steht nun mal im Gotteslob im Abschnitt "Österliche Bußzeit", also was erwartest du? 

Im Anschluss an die Messe tischte der Sozialdienst Katholischer Männer im Pfarrsaal Suppe auf, und wir hatten wieder mal keine Aufbewahrungsboxen dabei, um Reste mit nach Hause zu nehmen... 


Vermischtes aus der religiösen Frühförderung 

Am Montag hatte, wie im vorigen Wochenbriefing schon angekündigt, das Tochterkind keine Schule, weshalb ich am Vormittag mit beiden Kindern in ein Kindercafé mit Indoor-Spielplatz am Helmholtzplatz ging und mich dort mit einer Freundin und deren Sohn traf, der im Alter zwischen unseren beiden Kindern liegt und mit beiden seit Jahren befreundet ist. Am Nachmittag hatten wir dann "Omatag", und da wurde nicht nur der Geburtstag unseres Jüngsten, sondern zugleich auch der seines am selben Tag geborenen Cousins (2. Grades) nachgefeiert. Derweil hatte meine Liebste im Anschluss an ihre reguläre Arbeitszeit noch eine Dienstberatung und konnte erst zum Abendessen zu uns stoßen. Am Ende des Tages war ich ziemlich geschafft, aber als ich mir vor dem Schlafengehen die Zähne putzte, hörte ich, wie meine Liebste den Kindern im Bett einen Psalm vorbetete. "Na, habt ihr die Vesper gebetet?", fragte ich, als ich mich zu ihnen gesellte. Meine Liebste bejahte, und der Jüngste versicherte: "Das war toll! Das war noch besser als Lego Ninjago!" – eine bemerkenswerte Aussage für einen Vierjährigen. "Ich liebe Gott", fügte er noch, schon etwas schläfrig, hinzu. 

Insofern war es einigermaßen folgerichtig, dass auf der Liste der Dinge, die er am nächsten Tag mit mir unternehmen wollte, der Punkt "Beten mit Musik" ziemlich weit oben stand. Wir hielten am Dienstag also eine Lobpreisandacht in St. Joseph Tegel ab, mit vier Liedern – "Denkt daran, dass er heilig ist" von Mire Buthmann, "Jesus, unser Herr (Jetzt beten wir für diese Stadt" von der CD "Es geht um Jesus", "Dankeschön" von Peter Menger und zum Schluss Joe Falks "Magnificat"-Version – und, obwohl es erst um die Mittagszeit war, mit den Fürbitten aus der 1. Vesper zum Hochfest des Hl. Josef (da ich die Laudes schon beim Morgenkaffee gebetet hatte). 

Dass das Hochfest selbst auf einen Mittwoch fiel, traf sich natürlich günstig, da der Jüngste und ich ja mittwochs sowieso einen Messebesuch auf dem Programm haben, nämlich in St. Marien Maternitas in Heiligensee, wo der Pfarrvikar aus Nigeria die Messe feierte. Auch hier gab es übrigens eine Panne mit dem Lektionar, in diesem Fall allerdings dadurch, dass der Lektor beim Umblättern eine Seite überschlug: So rutschte er, ohne es recht zu bemerken, vom Antwortpsalm mitten ins Evangelium hinein, und man hatte Gelegenheit, die tief verwurzelten Reflexe regelmäßiger Gottesdienstteilnehmer in Aktion zu erleben, denn auf die Schlussformel "Evangelium unseres Herrn Jesus Christus" respondierte die Gemeinde, einschließlich des Zelebranten, brav "Lob sei dir, Christus"

Eine schöne Überraschung gab es beim anschließenden Gemeindefrühstück: Eine der Frauen, die das Frühstück vorbereiten, hatte in der Woche zuvor offenbar aufgeschnappt, dass der Geburtstag meines Jüngsten bevorstand, und so bekam er bei diesem Frühstück eine Geburtstagskerze an seinen Platz gestellt, bekam eine Packung Koala-Kekse inklusive Sammelfigur geschenkt, und die Seniorenrunde sang ihm sogar ein Ständchen ("Viel Glück und viel Segen", als Kanon). Ich war ganz gerührt, nicht zuletzt bel dem Gedanken daran, dass die Stammbesetzung der Mittwochs-Messe in Heiligensee sich anfangs gar nicht so leicht damit getan hatte, plötzlich ein Kind in ihrer Mitte zu haben. Aber okay, inzwischen gehen wir da ja schon seit rund eineinhalb Jahren regelmäßig hin. Aber schön ist es doch, zu sehen, wie sehr die Herrschaften meinen Sohn inzwischen ins Herz geschlossen haben. 

Am Nachmittag war JAM, wo wir trotz BVG-Streik nicht viel später ankamen als sonst. 

Beim Bastelangebot konnte man diesmal einen Ostergarten anlegen, aber da endlich mal wieder schönes Wetter war, wollten unsere Kinder lieber im echten Garten spielen.

Was mich betraf, war ich diesmal wieder erheblich interessierter, die Katechese für die "Kids" (also die Altersgruppe der 6-12jährigen) mitzuerleben, als zum Elterncafé zu gehen: In den Wochen bis zu den Osterferien wird in der JAM-Kinderkatechese nämlich abschnittsweise die Passionsgeschichte behandelt, und diese Woche waren das Gebet Jesu im Garten Getsemane und Seine Verhaftung an der Reihe – gestaltet als Rollenspiel. Einleitend gab es aber, nach dem Prinzip "Was bisher geschah", einen Rückblick auf die in den beiden vorangegangenen Wochen behandelten Inhalte, nämlich Jesu Einzug in Jerusalem und das Letzte Abendmahl. Ich horchte auf, als ein vielleicht zehnjähriger Junge zu den Einsetzungsworten des Abendmahls ("Dies ist mein Leib" – "Dies ist mein Blut") anmerkte, "früher" (!) habe er geglaubt, bei der Abendmahlsfeier im Gottesdienst würden die Leute "wirklich Jesus aufessen". Die Mitarbeiterin, die die Katechese diesmal leitete, überging diesen Einwurf nicht etwa oder erklärte kurzerhand "So ist es aber nicht", sondern wies darauf hin, dass es in verschiedenen christlichen "Denominationen" (das war die Bezeichnung, die sie verwendete) durchaus unterschiedliche Auffassungen über diese Frage gebe: "Wir sind ja evangelisch, das heißt, wir glauben nicht, dass Brot und Wein sich wirklich verwandeln. Aber in der katholischen Kirche zum Beispiel wird das geglaubt." Ich schätze, eine präzisere und differenziertere Darstellung war an dieser Stelle schlechterdings nicht zu erwarten; aber ich bin im Grunde ganz zufrieden, dass das Thema hier überhaupt mal angesprochen wurde, und bis zur Erstkommunion meiner Kinder ist ja noch etwas Zeit. 

Am Donnerstag steuerten der Jüngste und ich erneut um die Mittagszeit die Kirche St. Joseph Tegel an, um dort eine "Beten mit Musik"-Andacht abzuhalten; ungefähr gleichzeitig mit uns betrat allerdings ein älterer Herr die sonst so wenig besuchte Kirche, um einige Opferkerzen anzuzünden und dann vor dem Tabernakel, vor den Statuen von Maria und Josef sowie vor allen 14 Kreuzwegstationen ein stilles Gebet zu verrichten. Dabei wollten wir ihn nicht stören, daher begannen wir mit unserer Andacht erst, als er wieder ging. Während des Liedes zur Eröffnung ("Kein Wort wär Dank genug" von Johannes Hartl & Friends) kam kurz ein Handwerker herein, der im Außenbereich der Kirche irgend etwas zu reparieren hatte, aber der kannte uns schon. Und dann, als ich gerade mit der Kurzlesung aus der Sext vom Tag (Deuteronomium 30,2-3a) beginnen wollte, kam eine mir nicht einmal vom Sehen her bekannte ältere Frau herein. Ich war kurz unschlüssig, wie ich mich nun verhalten sollte, sagte mir dann aber: Wenn jemand außerhalb der regulären Gottesdienstzeiten in eine Kirche kommt, und da läuft gerade eine Andacht, wird derjenige – sofern es sich nicht gerade um eine altgediente Ehrenamtliche der Gemeinde mit Haaren auf den Zähnen handelt – mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das schon seine Richtigkeit habe. Also machte ich einfach weiter, ließ allerdings die Fürbitten in persönlichen Anliegen weg und beschränkte mich auf diejenigen aus der Vesper vom Tag. Die Frau setzte sich derweil still in die letzte Bankreihe. (Aber schon ungewöhnlich, innerhalb einer halben Stunde so viel "Publikumsverkehr" in dieser Kirche zu erleben.) 

Nachdem wir das Tochterkind von der Schule abgeholt hatten, musste meine Liebste noch von zu Hause aus an einer Online-Fortbildung teilnehmen, weshalb ich den Vorschlag machte, mit den Kindern einen Abendspaziergang inklusive "Sonnenuntergang angucken am Tegeler See" zu unternehmen. Wir waren kaum losgegangen, da läuteten die Kirchenglocken von Herz Jesu Tegel, was das Tochterkind mit den Worten "Man könnte jetzt auch zur Kirche gehen" kommentierte. Ich erklärte ihr daraufhin, dass dieses Läuten keinen Gottesdienst ankündige, sondern dass die Glocken jeden Abend um diese Zeit läuten, "zum Angelusgebet. – Und das geht so", fügte ich, einer spontanen Eingebung folgend, hinzu und betete meinen Kindern auf dem Weg zum See den Engel des Herrn vor. 

(Der Ausflug zum See war übrigens wirklich schön, wir sahen nicht nur einen farbenprächtigen Sonnenuntergang, sondern, zum Entzücken der Kinder, auch zahlreiche kleine, pummelige Fledermäuse.) 

Ich lege übrigens Wert auf die Feststellung, dass dieses Foto nicht nachbearbeitet ist. 


Jetzt neu: Eucharistische Anbetung im Gebetshaus Augsburg 

Gaudium magnum: Am Hochfest des Hl. Josef, also vergangenen Mittwoch, hat der Bischof von Augsburg, Bertram Meier, feierlich das Allerheiligste in einen "Oratorium" genannten Raum im Gebetshaus Augsburg eingeführt, womit dieser Raum fortan der Eucharistischen Anbetung gewidmet ist. U.a. auf Facebook und Instagram teilt die Leitung des Gebetshauses dazu mit, diese Neuerung unterstreiche "die Offenheit des Gebetshauses für unterschiedliche christliche Traditionen" und schaffe "für Katholiken eine neue Möglichkeit, ihre Spiritualität in einem für sie wichtigen Bereich zu leben": 

"Die eucharistische Anbetung hat in der katholischen Tradition eine tiefe Bedeutung, da die Eucharistie als 'Quelle und Höhepunkt' des christlichen Lebens gilt." 

Zugleich wird betont, es werde "niemand verpflichtet, sich an der eucharistischen Anbetung zu beteiligen. Vielmehr wird ein zusätzlicher Raum eröffnet, um sich mit den Mysterien des christlichen Glaubens auseinanderzusetzen. Das Gebetshaus sieht darin eine Bereicherung der christlichen Vielfalt und ein Zeichen des gegenseitigen Respekts unter den Konfessionen." Dieser defensive Tonfall müsste verwundern, wüsste man nicht, dass das Gebetshaus in gewissen streng evangelikalen Kreisen schon länger im Verdacht steht, eine Tarnorganisation der katholischen Kirche zu sein, die bibeltreue Christen in die Fänge des Vatikan locken will. Klingt übertrieben, aber die meinen das echt so. Folgerichtig hebt die Gebetshausleitung den Charakter der Einrichtung als "ökumenische Organisation" hervor, die "das Miteinander der Konfessionen in ihrer Verschiedenheit" fördern wolle: "Das Gebetshaus ist seit jeher ein Ort des Gebets, an dem Christen verschiedener Konfessionen gemeinsam Gott suchen." Während die Eucharistische Anbetung auf das Oratorium, einen "kleine[n] Raum [...] im Gebetshaus", beschränkt bleibe, sei der "Mittelpunkt" des Gebetshauses "weiterhin der große Gebetsraum, in dem seit 2011 ohne Unterbrechung gebetet wird. Das Gebet dort [...] ist grundsätzlich ökumenisch und sieht auch weiterhin keine konfessionell geprägten Gebetsformen vor." 

Tatsächlich erntete das Gebetshaus auf Facebook und Instagram praktisch ausschließlich positive Reaktionen, auch von Personen, die sich in ihren Kommentaren explizit als "Freikirchler" bzw. "ev. Landeskirchlerin" zu erkennen gaben. Auch die Tagespost berichtet über die neu geschaffene Möglichkeit der Eucharistischen Anbetung im Gebetshaus Augsburg, und auch zu diesem Bericht gibt's auf Facebook weit überwiegend positive Reaktionen – allerdings auch einige aggressive bis passiv-aggressive Unter- und Zwischentöne. "Längst überfällig" finden da manche Kommentatoren diese Neuerung; "Zeit wird's...". Ein Kommentator wirft die Frage auf, "ob der bisherige recht indifferent-ökumenisch-bunte Ansatz im Sinne einer eigentlich katholischen Neuevangelisierung überhaupt passt", ein anderer motzt "Ich lese hier laufend etwas von 'Angeboten'. Sind wir hier auf dem spirituellen Jahrmarkt?", und noch ein anderer stört sich ganz generell an der Bezeichnung "Gebetshaus": "Wer will das denn nicht KIRCHE nennen?" Na, man kennt das: Wenn die Leut' mal nichts zu meckern hätten, wären sie auch nicht zufrieden. 

Ohne direkten Bezug zu dieser Neuerung im Gebetshaus Augsburg, aber terminlich auffallend (un)passend erschien derweil in der beim Herder-Verlag publizierten Zeitschrift "Communio" ein Artikel mit der Überschrift "Glaube als Event? Meine Frömmigkeit braucht kein emotionales Feuerwerk", dessen Verfasserin (Geburtsjahrgang 1991, nach kirchlichen Maßstäben also eine "junge Erwachsene") den Normalbetrieb der abnippelnden Volkskirche als angebliche "normale katholische Spiritualität" gegen "Großevents, Gebetshäuser [und] Influencer-Christentum" in Schutz nimmt, und das auf eine derart dummdreiste und tantige Art, dass ich mich hier lieber gar nicht näher darauf einlasse, sonst kriege ich dieses Wochenbriefing nicht rechtzeitig fertig. Vielleicht komme ich nächste Woche darauf zurück. Erwähnen will ich hingegen noch, dass es das "Oratorium" im Gebetshaus Augsburg – als "Raum für stilles Gebet" – bereits seit 2018 gibt: Im Frühjahr 2018 war ich mit Frau und Tochter für ein paar Tage im Gebetshaus Augsburg zu Gast, und sofern mich meine Erinnerung nicht trügt, stand das Oratorium damals kurz vor der Eröffnung. Weiterhin erinnere ich mich, dass mir Johannes Hartl schon damals bei einem Gespräch im Gebetshauscafé sagte, er strebe an, in diesem Raum auch Eucharistische Anbetung zu ermöglichen. Das ist jetzt fast sieben Jahre her; da sieht man mal, was für einen langen Atem man in der Kirche manchmal braucht. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Wir warten auf die große Passion. Wir warten, aber sie kommt nicht. 

Was kommt, sind die kleinen Geduldsproben. Schon am Morgen suchen sie uns auf: 

Unsere Nerven sind angespannt oder gehen mit uns durch; 
der Bus ist schon voll, 
die Milch kocht über, 
die Kinder machen alles durcheinander; 
der Mann bringt Gäste mit, 
ein Freund kommt nicht; 
das Telefon läutet ununterbrochen, 
die, die wir lieben, streiten sich; 
man möchte schweigen und muss reden; 
man möchte reden und muss schweigen; 
man möchte ausgehen und muss daheim bleiben, 
und zu Hause bleiben, wenn man weg muss; 
man sucht im Mann eine Stütze, 
und der wird schwach wie ein Kind; 
das tägliche Einerlei ödet uns an, 
und wir sehnen uns nach all dem, 
was wir nicht haben können. 

So treten die Geduldsübungen an uns heran, nebeneinander oder hintereinander, und sie vergessen immer, uns zu sagen, dass sie das Martyrium sind, das uns bestimmt ist. 

(Madeleine Delbrêl, Gebet in einem weltlichen Leben)
 

Ohrwurm der Woche 

Titiyo: Come Along 

Nachdem ich letzte Woche an dieser Stelle "Sleeping Satellite" von Tasmin Archer gebracht habe, muss ich jetzt einen Song hinterherschieben, den mein Gehirn irgendwie immer in derselben Kategorie ablegt, obwohl die Stücke sich eigentlich gar nicht so sehr ähneln und in einem Abstand von mehr als acht Jahren erschienen. Das wohl auffälligste Merkmal von "Come Along" ist der bluesige Gitarrensound in Verbindung mit trippigen Beats. Was ich bis vor kurzem nicht wusste, ist, dass Titiyo eine Halbschwester der Rapperin Neneh Cherry und somit wie diese eine Stieftochter des 1995 verstorbenen Free-Jazz-Trompeters Don Cherry ist. 


Vorschau/Ausblick 

Morgen ist der 3. Fastensonntag, ich gehe mal davon aus, dass wir da wieder in St. Joseph Siemensstadt in die Messe gehen werden. Im Übrigen sieht mein Terminkalender bisher so aus, als erwarte uns eine "ganz normale" Schul- und Arbeitswoche; hoffen wir mal, dass sie mir ein bisschen Zeit und Muße verschafft, endlich meine Rezension des Buches "Urworte des Evangeliums" fertig zu kriegen, nachdem ich während der ganzen zurückliegenden Woche nicht dazu gekommen bin, daran zu arbeiten. Wenn das geschafft ist, warten noch mehrere weitere Artikel darauf, von mir geschrieben zu werden, teils für diesen Blog, teils für die Tagespost. Davon abgesehen hoffe ich darauf, dass es bald mal wieder Neuigkeiten in Hinblick auf das Projekt "Pfarrhausfamilie" gibt, und vielleicht werden irgendwann im Laufe der kommenden Woche auch noch letzte Details zum anstehenden Kinderwortgottesdienst geklärt werden müssen. Nächsten Samstag gibt es im Kloster Neuzelle einen Männereinkehrtag, zu dem ich eine Einladung erhalten habe und an dem ich eigentlich auch sehr gern teilnehmen würde, aber am selben Tag spielt meine Tochter in einer Schulaufführung von "Peter Pan" mit, und das hat dann doch Vorrang. Der nächste Männereinkehrtag kommt bestimmt. (Am selben Tag ist übrigens obendrein auch noch Community Networking Night im Baumhaus. Ob wir es da nach der Peter-Pan-Aufführung noch hin schaffen, sei mal dahingestellt; wünschenswert wäre es aber allemal.)