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Montag, 19. Mai 2025

Predigtnotizen aus Reinickendorf-Süd

Spulen wir mal ein paar Wochen zurück: Am Mittwoch der zweiten Osterwoche ging ich, wie so oft mittwochs, mit meinem Jüngsten in St. Marien Maternitas in Heiligensee in die Messe, und diese wurde wieder einmal von Pater Mephisto zelebriert. Über diesen Geistlichen habe ich schon mal geschrieben, man habe bei ihm manchmal den Eindruck, er entscheide morgens vor dem Spiegel ganz spontan, was für eine Art von Priester er heute sein wolle; und an dem besagten Mittwoch war er offenbar mal wieder in seine liberale Erscheinungsform geschlüpft. 

Zu Beginn seiner kurzen – nur ungefähr drei Minuten langen – Predigt nahm er auf das Rosenkranzgebet Bezug, das der Messe vorangegangen war und bei dem, wie vielerorts üblich, am Ende jedes Gesätzes das "Fatima-Gebet" ("O mein Jesus...") gesprochen worden war; speziell ging es ihm dabei um den Satz "Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle". Dies sei, so meinte er, "ein Gedanke, der heutzutage Vielen nicht mehr so ganz nachvollziehbar ist oder den man ein bisschen von sich wegweist": Der "Gedanke der Höllenstrafe" sei "unsa ein bisschen fremd geworden". Was wahrscheinlich eine realistische Einschätzung ist, aber dann fügte er hinzu "Und das ist auch gut so" – und genau in dem Moment fiel, ohne erkennbare äußere Ursache, das Gotteslob von seinem Priestersitz. Rumms. Ist ja mal ein Statement, dachte ich insgeheim. 

Tags darauf, am Fest Hl. Josef der Arbeiter, war in St. Joseph Tegel Patronatsfest; wie bereits berichtet, wurde die Festmesse von Pater Brody zelebriert, die Predigt hielt jedoch der Diakon. Der Mann mit der progressiven Eisenfaust im Samthandschuh. Okay, vielleicht tut ihm diese Beschreibung schon zu viel Ehre an, aber jedenfalls weiß ich bei ihm immer nicht, was mir eigentlich mehr gegen den Strich geht: die Positionen, die er inhaltlich vertritt, oder der sanft-säuselnde Stil, in dem er sie vorträgt. – Das Evangelium zum Fest Hl. Josef der Arbeiter war Matthäus 13,54-58, die Ablehnung Jesu in seiner Heimat; und in der Predigt über diesen Text ging der Diakon von der Annahme aus, die Nazarener hätten Jesus deshalb nicht für voll genommen, weil er sozusagen "aus einfachen Verhältnissen" kam. Ein Fall von "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", wenn man so will. Ich halte es ja eher für zweifelhaft, ob der Text diese Deutung wirklich hergibt oder ob das nicht eher Eisegese als Exegese ist; umso mehr gilt es, sich zu fragen: Worauf wollte der Prediger mit dieser Deutung hinaus? Die Antwort auf diese Frage ist, wenn man diesen Diakon und/oder andere Leute seines Schlages kennt, keine Überraschung: Es ging darum, der Kirche vorzuwerfen, sie sei – zumindest früher™️, was wahlweise "bis zum II. Vatikanischen Konzil", "bis zu Papst Franziskus" oder "bis zum Synodalen Weg" bedeuten kann – nicht "jesuanisch" genug (gewesen). Die aus den "Kindheitstagen" des Diakons stammende Erinnerung an einen Seelsorger, der sich "hochgearbeitet" hatte und dadurch einen "Standesdünkel" entwickelt hatte, weshalb die Eltern des Diakons, "selbst kleine Leute", über ihn zu sagen pflegten "Der hat doch seinen Geburtsschein vergessen", wird da gewissermaßen pars pro toto als symptomatisch für die Kirche insgesamt herausgestellt: "Manchmal könnte man durchaus glauben, die Kirche habe ihren Geburtsschein vergessen. So als wolle sie nicht mehr wissen, woher Jesus kam. Ja als schäme sie sich des einfachen Jesus und seiner einfachen Eltern." Inwiefern? "Die Herkunft der Familie Jesu", so meinte der Diakon, sei "schon früh verdrängt worden. Nur die Evangelien" – mit anderen Worten: "nur" die am weitesten verbreiteten, am häufigsten kopierten Texte der gesamten Antike! – "berichteten immer wieder vom Menschen Jesus, seiner Herkunft, seinem Leben, seinem Leiden und seinem Sterben. Vergessen wurde jedoch immer mehr, wer der Mann aus Nazaret war: ein einfacher Mensch." Und: "Die Kirche jedoch gewann Macht und Reichtum, und mancher Nachfolger des Fischers vom See Gennesaret fühlte sich als der Herr der Welt." 

Soweit, so plump; es sollte aber noch blöder kommen. "Intellektuelle waren sie nicht", urteilte der Diakon über die Familienangehörigen Jesu; "auch Jesus nicht. Sie lebten wohl eher aus ihrem Gefühl heraus, ohne groß darüber nachzudenken, wie es einfache Leute eben oft tun." Ach so? "Und Jesus tat es ihnen gleich. Er wollte ja nicht gelehrt sein. Er redete über Gott wie über Essen und Trinken. Oder er erzählte von Ackerbau und Viehzucht und sagte damit etwas über den Himmel. Das Gesetz, die Staatsräson, die scherten ihn nicht. Der einzelne sollte leben können und dürfen." 

Jesus, wie der Diakon von St. Klara ihn sich vorstellt (Abb. ähnlich) 

Vor dem Hintergrund eines derartigen Blödsinns bekommen selbst Aussagen der Predigt, die an sich nicht verkehrt sind – etwa: "Unser Platz soll auf der Seite der Kleinen und Armen sein. Das ist es auch, was uns Papst Franziskus in den letzten zwölf Jahren täglich gezeigt hat" – eine bedenkliche Schlagseite; wie man z.B. daran sehen kann, dass unmittelbar auf die zuletzt zitierten Sätze diese hier folgten: 

"Dann bauen wir nicht immer größere Gebäude aus 'Du sollst' und 'Du darfst nicht', sondern wir freuen uns, wenn Menschen Luft und Lust haben zu leben, wenn sie frohen Herzens sich für ihr Leben entscheiden." 

Wie ich neulich schon schrieb: Hätte ich kommen sehen, dass der Diakon in dieser Messe predigen würde, hätte ich vorsorglich eine Kiste angematschter Tomaten zum Werfen mitgenommen. – In anderer Hinsicht ärgerlich waren die Fürbitten, die von einer (ebenfalls schon öfter erwähnten) pensionierten Gemeindereferentin in Mantelalbe vorgetragen wurden. Wer auch immer für die Auswahl der Fürbitten in dieser Messe verantwortlich war, hatte sich offenbar gedacht, die Tatsache, dass der 1. Mai ein politischer Feiertag ist – und auch die Stiftung des Festes Hl. Josef der Arbeiter durch Papst Pius XII. im Jahr 1955 unschwer die Absicht erkennen lässt, dem säkularen Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse ein religiöses Pendant aus dem Geist der Katholischen Soziallehre gegenüberzustellen –, rechtfertige es oder verlange sogar, bei den Fürbitten nicht nur so gut wie ausschließlich politische Themen anzusprechen, sondern sich darüber hinaus auch noch in den Formulierungen am gängigen Politikerjargon zu orientieren. "Für den sozialen und gesellschaftlichen Frieden in unserem Land" wurde an erster Stelle gebetet, und dann wurde das weiter ausdifferenzert: 

"Um Ehrlichkeit und Anstand in der Politik; dass um Gemeinsames gerungen wird, statt Trennendes zu provozieren." – "Bitten wir für die Menschen, die in Deutschland Zukunft suchen; dass wir menschenwürdige und richtige Lösungen für sie finden." – "Bitten wir für alle, die Arbeit suchen, für alle, die Sorge um ihren Arbeitsplatz haben, für alle, die in prekären Arbeitsverhältnissen stecken." – "Bitten wir für unsere Schulen, für unser Bildungssystem; bitten wir für die Lehrer, aber auch für die Eltern und die Kinder, dass alle gemeinsam gute Weichen für die Zukunft stellen." – "Für die alten Menschen, die Pflegebedürftigen, die Kranken; dass unser Gesundheitssystem, aber auch unser Sozialsystem nicht ausgehöhlt, aber auch nicht ausgenützt wird." 

Dazu eine spontane Assoziation: Rod Dreher erwähnte unlängst in seinem Substack-Newsletter, er habe es einmal, als er noch für die New York Post schrieb, erlebt, dass ein Redakteur eine Kolumne über den Gottesdienstbesuch in evangelikalen und charismatischen Gemeinden mit der Begründung abgelehnt habe, Religion sei nur relevant, sofern sie sich mit Politik überschneide. Ich habe manchmal den Eindruck, diese Auffassung ist hierzulande sogar und gerade innerhalb der Kirche selbst arg verbreitet, bis hinauf zur Deutschen Bischofskonferenz. 

– Am darauffolgenden Mittwoch wurde, wie ich ebenfalls bereits zu Protokoll gegeben habe, die Messe in St. Marien Maternitas von einem Gastpriester gehalten, der gebürtig aus der dortigen Gemeinde stammt, aber im Erzbistum München und Freising inkardiniert ist. Auf der Basis dessen, wie ich ihn bei früheren Gelegenheiten erlebt habe, würde ich sagen, er ist nach den üblichen Kriterien des innerkirchlichen Lagerdenkens ziemlich eindeutig als konservativ einzuordnen. – In seinen Begrüßungsworten ging er auf die besondere Bedeutung der Osterzeit im Kirchenjahr ein: So sei die Osteroktav "eine ganze Woche, die gewissermaßen wie ein Tag gefeiert wird: Die Zeit bleibt stehen, und wir können uns innerlich vergewissern, dass das Leben aus der Ewigkeit kommt, dass wir mit der Ewigkeit verbunden sind – dass wir mit dem Ewigen, mit Gott selber verbunden sind. Und nach dieser Osteroktav geht Ostern weiter bis Pfingsten. Wir werden immer tiefer eingeführt in das Geheimnis der Auferstehung, immer tiefer eingeführt auch in die Begegnung mit Jesus." 

In meinem Wochenbriefing zur betreffenden Woche hatte ich festgehalten, der Priester habe an diesem dritten Mittwoch der Osterzeit "eine schöne Osterpredigt" gehalten, "die allerdings weder auf die Lesungstexte vom Tag noch auf das Konklave Bezug nahm", das am selben Tag begann; bezüglich der Lesungstexte muss ich diese Aussage indes etwas revidieren: Im letzten Drittel der nicht ganz fünf Minuten langen Predigt stand dann doch ein Vers aus dem Tagesevangelium im Mittelpunkt, genauer gesagt ein Teil eines Verses, nämlich Johannes 6,35a: "Ich bin das Brot des Lebens". Damit, so führte der Priester aus, sage Jesus im Grunde: "Ihr könnt mich verinnerlichen, ich komme tief in euer Leben hinein, ich werde eins mit euch." Weiter hieß es in der Predigt, der Mensch werde "im Grunde von Jesus erhoben zu diesem erlösten Kind Gottes, indem wir Ihn verinnerlichen, indem wir Ihn konsumieren, indem wir Ihn essen." Und schließlich: "Diese Heilige Kommunion – Kommunion bedeutet ja Gemeinschaft; Gemeinschaft mit Gott, Gemeinschaft mit Jesus, aber auch gerade durch die Gemeinschaft mit Jesus eine innige Gemeinschaft untereinander –, gerade diese Kommunion ist es, die eben im Grunde das Leben ausmacht. Und keiner von uns, der nachher die Kommunion empfangen hat, der jetzt das Wort Gottes hört, geht einsam nach Hause." 

Ich bin geneigt zu sagen, wenn man die Predigt dieses Gastpriesters mit der des Diakons am 1. Mai vergleicht, dann möchte man kaum glauben, dass es sich um dieselbe Religion handelt; und einige hartnäckige Stimme in meinem Inneren fügt hinzu: Das ist es ja im Grunde auch nicht. So viel mal zum Stand des "Schmutzigen Schismas", deren Auswirkungen die Gläubigen selbst innerhalb derselben Pfarrei ausgesetzt sind; und zweifellos ist das ein Problem, das sich nicht auf die eine, hier exemplarisch in den Blick genommene Pfarrei beschränkt. – Die erste Messe unter dem Pontifikat Leos XIV., die ich im Gebiet der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd miterlebte, war wiederum an einem Mittwoch in Heiligensee, und diese wurde von dem aus Nigeria stammenden Pfarrvikar zelebriert. Den mag ich ja bekanntlich sehr, und auch wenn er, wie schon mal erwähnt, in der jüngeren Vergangenheit gelegentlich eine für mein Empfinden allzu große Kompromissbereitschaft gegenüber der deutschsynodal-postchristlichen Fraktion an den Tag gelegt hat, zweifle ich doch nicht grundsätzlich daran, dass er in Hinblick auf das "Schmutzige Schisma" ebenfalls auf der rechtgläubigen Seite steht. Predigen wollte er an diesem Mittwoch, wie er einleitend sagte, eigentlich "nur zwei Minuten", es wurden dann aber doch knapp fünf draus – wobei man durchaus feststellen kann, dass nur ungefähr zwei Minuten der Auslegung (oder, ehrlich gesagt, eigentlich eher einer Paraphrase) des Evangeliums galten und der Rest dem neuen Papst gewidmet war. Schon in seinen Begrüßungsworten hatte der Pfarrvikar erklärt: "Wir haben Grund, Gott zu danken, besonders dass wir einen neuen Papst haben." Hinzugefügt hatte er, im Pastoralteam der Pfarrei gebe es jemanden, der den neuen Papst "sehr, sehr gut kennt" – und das ist... Trommelwirbel... Pater Mephisto. Näheres hierzu konnte man wenig später auf dem Instagram-Auftritt der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd erfahren, nämlich, dass der heutige Leo XIV. im Jahr 2011, damals in seiner Eigenschaft als Generalprior des Augustinerordens, seinen bis dahin in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) tätig gewesenen Ordensbruder Pater Mephisto als Ordensökonom nach Rom berief. Nun könnte man natürlich meinen, wenn jemand wie Pater Mephisto dem neuen Papst auf der Basis persönlicher Bekanntschaft und Zusammenarbeit ein positives Zeugnis ausstellt, dann werfe oder würfe das ein eher zweifelhaftes Licht auf diesen; diese Sichtweise möchte ich mir aber nicht zu eigen machen – und dies nicht nur, weil ich mir meinen bisher sehr positiven Eindruck von Papst Leo XIV. nicht durch sowas kaputtmachen lassen will, sondern auch, weil ich Pater Mephisto als jemanden kennengelernt habe, der durchaus fähig ist, Wertschätzung für Menschen zu empfinden und auszudrücken, die nicht unbedingt "auf seiner Linie" sind. Ganz davon zu schweigen, dass man bei ihm, wie schon gelegentlich angedeutet, ohnehin nie so ganz sicher sein kann, was für eine "Linie" das eigentlich ist

Aber noch einmal zurück zu dem besagten Instagram-Beitrag: Diesem kann man auch entnehmen, dass der jetzige Papst Leo XIV. tatsächlich schon mal hier, also in Berlin-Reinickendorf, war; genauer gesagt in St. Rita, wo es ja ein Augustinerkloster gibt, dem bis 2012 auch die Seelsorge für die damals noch selbständige Pfarrei St. Rita oblag. Im Jahr 2004 besuchte der damalige Augustiner-Generalprior und jetzige Papst St. Rita im Rahmen einer Ordensvisitation und konzelebrierte bei dieser Gelegenheit auch bei einer Familienmesse zum Dreifaltigkeitssonntag. Es gibt Fotos! 

Was bleibt nun noch zu sagen, um diesen Artikel "rund" zu kriegen? Ich könnte noch auf den RBB-Rundfunkgottesdienst vom Weißen Sonntag eingehen, der in St. Bernhard Tegel-Süd aufgenommen wurde und bei dem der leitende Pfarrer der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd die Predigt hielt; aber diese Predigt – die man online nachhören oder –lesen kann, wenn man denn wirklich will – ist dermaßen banal und zugleich geschwätzig, dass sich wirklich jeder Kommentar erübrigt. Wenn man nichts zu sagen weiß, sollte man's vielleicht einfach lassen


2 Kommentare:

  1. "hätte ich vorsorglich eine Kiste angematschter Tomaten zum Werfen mitgenommen."

    Manchmal genügen auch paar Ohrstöpsel, oder man betet, wie in den Zeiten der Altvorderen einfach während der Predigt den Rosenkranz. In Kevelaer war am gestrigen Sonntag 18.5. eine Frauenpredigt in der Basilika angesagt, die auch als solchen bezeichnet wurde. Man muss sich das mal reinziehen: Am Tag der Inthronisation von Leo IVX. "predigt" eine Frau offiziell in einer Wallfahrtskirche an einem bedeutenden Wallfahrtsort in Deutschland. Man kann gar nicht soviele Tomaten ernten wie man werfen möchte....

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  2. Die Predigt aus dem Rundfunkgottesdienst ist ja mal wirklich kraß banal-geschwätzig.

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