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Dienstag, 31. Mai 2016

Seht, wie sie einander lieben - Bloggupy Leipzig, Teil 3

Vor der "Global-Spirit-Jurte": Eine Frage und - links im Bild - die Antwort <3 
"Katholikentage sind bisweilen wie große Familienfeste" - das sagte Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln, in einem vom Domradio veröffentlichten Video, und ich dachte unwillkürlich: Das passt. Große Familienfeste beginnen ja gern damit, dass Leute, die sich seit 30 oder noch mehr Jahren nicht leiden können, gute Miene zum bösen Spiel machen und voreinander mit ihren Errungenschaften und ihren wohlgeratenen Kindern angeben; und später, wenn alle besoffen sind, fliegen dann die Teller, manchmal auch die Stühle. 

Aber jetzt mal Scherz und Polemik beiseite: Die Kirche als eine große Familie zu betrachten, ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht gar nicht so verkehrt; nicht nur, aber eben auch insofern, als es in einer Familie naturgemäß Konflikte gibt. Bei allem Konfliktpotential sind Christen jedoch in besonderer Weise dazu aufgerufen, einander zu lieben: "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben", spricht Christus in Johannes 13,34, und wenn Er das ausdrücklich als "neues Gebot" bezeichnet, dann ist klar, dass das etwas Außergewöhnliches sein muss. "Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele", heißt es denn auch in der Apostelgeschichte (4,32); und der frühchristliche Autor Tertullian (ca. 150-220) berichtet, die heidnischen Römer hätten über die Christen gesagt "Seht, wie sie einander lieben". Der Befund ist eindeutig: Liebe ist das Merkmal, das Christen auszeichnen soll, an dem man sie als Christen erkennen soll.  

Gesehen im "Schreibcafé" der Propsteikirche 
Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Thema Liebe in vielen Veranstaltungen des Katholikentags eine große Rolle spielte; meist war damit allerdings vor allem die geschlechtliche Liebe gemeint. So waren unter den Veranstaltungen, die meine Liebste und ich allein am Samstag verpasst haben, ein Gesprächskreis "Glaubensstark. Katholisch. Homosexuell" (11:00-12:30 Uhr in der Anton-Philipp-Reclam-Schule) sowie Workshops zu Themen wie "Sexuelle Identität - Was ist das?" (14:00-15:30 Uhr im Landesgymnasium für Sport) und "Let's Talk About Sex - Zeit, sich der sexuellen Vielfalt zu widmen" (16:30-18:00 Uhr im Eva Schulze). Natürlich, Sex ist ein wichtiges Thema, über das es auch kirchlicherseits Mancherlei zu sagen gibt; aber man konnte schon den Eindruck einer gewissen Überrepräsentanz dieses Themas gewinnen, die geeignet war, die Tatsache, dass der Begriff "Liebe" noch mehr und Anderes umfasst, in den Hintergrund zu drängen.

An der Wand des "Schreibcafés" der Propsteikirche entdeckte ich einen Zettel, auf dem in kindlicher Handschrift und mit Buntstiften in verschiedenen Farben kritische Anfragen an die Morallehre der Kirche gestellt wurden, und praktisch alle Punkte drehten sich direkt oder indirekt um die katholische Sexualmoral:


Nun ist es natürlich grundsätzlich legitim, Kritik in Form von Warum-Fragen zu äußern; das Fazit "Es wird Zeit, dass die katholische Kirche moderner wird!!!" erweckt allerdings den Eindruck, dass an einer Beantwortung dieser Fragen gar kein Interesse besteht. Denn die Kirche hat ja durchaus Antworten darauf, die Frage ist nur, ob man sie hören will bzw. bereit ist, sie zu akzeptieren. Nebenbei bemerkt finde ich ja, die Forderung, die Kirche müsse ihre Lehre an die heutige Zeit anpassen, ist so ziemlich die dümmste Forderung, die man an die Kirche stellen kann. Wie schon Chesterton sinngemäß schrieb: Eine Lehre mit Wahrheitsanspruch kann richtig oder falsch sein, aber ob sie richtig oder falsch ist, kann nicht davon abhängen, ob sie in die Zeit passt. Zudem: Wozu wäre eine Kirche nütze, die den Leuten das sagt, was sie hören wollen? Um abermals Chesterton zu bemühen: "Ich brauche keine Kirche, die mir sagt, dass ich im Unrecht bin, wenn ich weiß, dass ich im Unrecht bin. Ich brauche eine Kirche, die mir sagt, dass ich im Unrecht bin, wenn ich meine, im Recht zu sein."

Aber schauen wir uns die Fragen mal im Einzelnen an -  wenn auch nicht notwendigerweise in der Originalreihenfolge, und schon gar nicht in gleichmäßiger Ausführlichkeit. Ein paar Punkte lassen sich ja ganz schnell und leicht erledigen: "Warum darf ich keinen Sex vor der Ehe haben?" "Warum soll ich keine Kondome benutzen?" - Weil du erst ZWÖLF bist, mein Kind.

Insgesamt haben wir es bei der Auswahl der Kritikpunkte natürlich mit lauter "Klassikern" der Debatte zu tun, was nicht nur ein bisschen langweilig ist, sondern in der direkten Zusammenschau auch etwas nach "Hauptsache, man hat etwas zu meckern" aussieht: "Warum dürfen Frauen keine Priester werden?" "Warum dürfen Pfarrer keine Familie haben?" Hier lauert ein Dilemma: Ist Priester sein nun etwas Erstrebenswertes oder nicht? Würde den Frauen, die unbedingt Priester werden wollen, ihr Herzenswunsch erfüllt, hätten sie dann nicht anschließend gleich wieder etwas zu bemängeln? Aber wahrscheinlich ist gerade das das Gute daran.

Wie machen das eigentlich die Altkatholiken? Ist bei denen alles erlaubt? Gibt es da gar nichts, woran man sich als moderner, aufgeklärter Mensch reiben kann?  Besonders attraktiv scheint das diese Konfession (knapp 16.000 Mitglieder in Deutschland) allerdings nicht zu machen. Vielleicht sollten die Altkatholiken sich mal überlegen, ihren Gläubigen irgendwas Schräges zu verbieten. Weiße Socken zum Beispiel. 

Und dann gibt es noch Fragen, die von vornherein falsche Unterstellungen enthalten. "Warum kommen Homosexuelle in die Hölle?" Also bitte, wer behauptet denn sowas? Die Auffassung, Homosexuelle kämen prinzipiell und zwangsläufig in die Hölle, mag ja von manchen extremen Hardlinern gehegt werden - katholisch ist sie jedenfalls nicht. Ob ein Mensch zum Zeitpunkt seines Todes so vollständig und unwiderruflich alle Brücken zu Gott abgebrochen hat, dass ihm kein anderer Weg mehr bleibt als der in die Hölle, das ist etwas, was außer Gott und (vielleicht) dem betreffenden Menschen selbst niemand wissen kann und somit auch niemand zu beurteilen hat. Und dafür, ob jemand nach menschlichem Ermessen akut Gefahr läuft, in der Hölle zu landen, sind ganz andere Kriterien ausschlaggebend als die sexuelle Neigung. 

Zugestanden, die Katholische Kirche lehrt, dass "homosexuelle Handlungen in sich nicht in Ordnung sind", wie es etwa in der Erklärung "Persona humana" der Hl. Kongregation für die Glaubenslehre heißt. Da, wie man kaum wird leugnen können, sexuelles Begehren eine starke Triebfeder menschlichen Handelns ist, stehen homosexuell empfindende Menschen somit vor besonderen Schwierigkeiten, wenn sie ihr Leben mit der Lehre der Kirche in Einklang bringen wollen. Diese Schwierigkeiten sind sehr ernst zu nehmen, daher heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 2358), homosexuell empfindenden Menschen müsse "mit Achtung, Mitleid und Takt" begegnet werden. Dennoch kann die Kirche nicht einfach aus Rücksicht auf die Gefühle Homosexueller ihre Lehre ändern.

Was mich übrigens darauf bringt, dass meine Liebste - wie sie selbst schon geschildert hat - auf der "Kirchenmeile" eine angeregte Diskussion mit einer Dame vom "Netzwerk Katholischer Lesben" hatte, der ich interessiert zuhörte, mich aber nur sehr sporadisch einmischte. (Ein paar Meter weiter war der Stand der "Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen", da hätte man gleich noch eine heiße Diskussion über den Zölibat führen können, aber um diesen stand machten wir dann doch lieber einen Bogen.) Die Diskussion am Stand des NkaL wurde ausgelöst durch eine Pinnwand, auf der die KatholikentagsbesucherInnen ihre Gedanken zu dem Satz "Eine lesbische Gemeindereferentin ist besonders wertvoll, weil..." hinterlassen sollten. 


Ich sagte es zwar nicht, aber im Grunde fand ich schon die Fragestellung diskriminierend. Man könnte darüber diskutieren, wieso Gemeindereferentinnen nicht lesbisch sein dürfen sollten; man könnte argumentieren, für die Tätigkeit einer Gemeindereferentin sei ihre sexuelle Orientierung irrelevant. Indem man aber suggeriert, eine lesbische Gemeindereferentin könne "besonders wertvoll" für ihre Gemeinde sein, unterstellt man ja eben doch, dass die sexuelle Orientierung für diese Tätigkeit von Bedeutung ist. Für mein Empfinden spricht daraus ein ausgesprochen problematisches Menschenbild, das dem oben bereits einmal gefallenen Schlagwort von der "sexuellen Identität" tendenziell von vornherein anhaftet - nämlich die Ansicht, die geschlechtlichen Neigungen eines Menschen seien nicht nur ein Teilaspekt seiner Persönlichkeit, sondern die zentrale Eigenschaft, die seine Identität definiert: Wer sich sexuell (überwiegend oder ausschließlich) zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, der ist ein "Homosexueller", und das ist er nicht nur im Ausleben seiner Sexualität, sondern in allen Lebenslagen. Ich wiederhole mich: Das finde ich diskriminierend. Aber ich glaube, dieses Thema sprengt hier den Rahmen. Ich sollte versuchen, das an anderer Stelle näher auszuführen.

Als die Dame vom Lesbenstand beklagte, die Kirche würde mit ihrer Morallehre Menschen verurteilen und in ihrer Entscheidungsfreiheit einengen - auch dies ja ein Punkt auf dem Buntstift-Kinderschrift-Zettel: "Warum soll ich mich in meinen Entscheidungen eingrenzen lassen?" -, musste ich mich doch mal zu Wort melden. Ich argumentierte, Entscheidungsfreiheit gegenüber den Lehren der Kirche habe der einzelne Mensch sehr wohl, aber Entscheidungen hätten eben auch Konsequenzen, und jede Entscheidung für etwas bedinge auch eine Entscheidung gegen etwas. Darin stimmte mir unsere Gesprächspartnerin sogar zu. Insgesamt muss ich hervorheben, dass die ganze Diskussion von beiden Seiten ausgesprochen respektvoll und aggressionsfrei geführt wurde - das ist ja nicht gerade selbstverständlich.  

Andere gehen da etwas grobschlächtiger zu Werke. - Geschickte Imitation des Corporate Design des Katholikentags, übrigens. 
Ein Gedanke, der mir im Nachhinein kam - und der vielleicht sehr offensichtlich ist, den ich hier aber dennoch festhalten möchte - lautet: Es ist in vielen Fällen verständlich, wenn Menschen Probleme mit bestimmten Aspekten der kirchlichen Lehre haben - ja, vielleicht gibt es überhaupt niemanden, der niemals irgendwelche Probleme damit hat -, aber daraus die Forderung abzuleiten, die Kirche müsse ihre Lehre ändern, liefe auf die Aussage hinaus: "Ich glaube nicht das, was die Kirche lehrt, will aber trotzdem meinen Platz in der Kirche - und deshalb soll die Kirche das lehren, was ich glaube." Und, sorry, das kommt mir nicht besonders erwachsen vor. 

Was mich abermals auf den Buntstift-Kinderschrift-Zettel im "Schreibcafé" bringt. Die Frage "Warum ist Abtreibung schlecht?" fand ich schon fast tragikomisch, denn die Antwort stand im Grunde nur wenige Zeilen weiter unten auf demselben Zettel: "Gott liebt alle Menschen!" Eben. Und somit auch die ungeborenen Kinder, die bei Abtreibungen getötet werden - und nicht nur getötet, sondern grausam zerstückelt. Sich zu einem Gott zu bekennen, der alle Menschen liebt, und gleichzeitig in Frage zu stellen, das Abtreibung schlecht sei, lässt für mein Empfinden schwerwiegende Bildungsmängel erkennen - denen man auf dem Katholikentag durchaus hätte abhelfen können: Auf einem zugegebenermaßen etwas versteckt gelegenen Abschnitt der "Kirchenmeile" hatten verschiedene Lebensschutzorganisationen ihre Infostände. Am Stand des Bundesverbands Lebensrecht (BVL) trafen wir bekannte Gesichter - bekannt nicht nur vom Marsch für das Leben, sondern auch von verschiedenen Informations- und Diskussionsveranstaltungen und der Peter-Singer-Demo im letzten Jahr. Direkt daneben hatte das Zentrum für natürliche Familienplanung seinen Stand, und gegenüber der Verein SOLWODI - Solidarität mit Frauen in Not, der sich u.a. für die Opfer von Zwangsprostitution einsetzt. Hingegen war der Verein Donum vitae, der in offenem Widerspruch zu einem expliziten Verbot des Hl. Johannes Paul II. Beratungsscheine für straffreie Abtreibungen ausstellt, in der Nachbarschaft von "Pfarrerinitiative", "Wir sind Kirche" und LGBT-Aktivisten anzutreffen. Bezeichnend. 

Auch an anderen Stellen gab es auf dem Katholikentag zu den Themen Liebe und Partnerschaft noch so allerlei zu entdecken. Eines der ersten heiteren Mitmachspiele auf der "Kirchenmeile", an dem wir uns beteiligten - denn meine Liebste wollte es so - war der "Paar-Check" am Stand der Akademie für Ehe und Familie. Warum nicht, wenn man sich dafür ein Ehevorbereitungsseminar in der vorpommerschen Pampa (oder wo das Erzbistum Berlin dergleichen sonst veranstaltet) sparen kann. Dieser "Paar-Check" bestand aus drei Spielen, die jeweils einem bestimmten Aspekt der Beziehung zugeordnet waren und für die man jeweils drei Minuten Zeit hatte. Zuerst sollte man - zum Thema "Kreativität und Spontaneität" - aus Knetmasse Figuren oder Symbole formen, die Zuneigung, Geborgenheit oder Vertrautheit ausdrücken. Zum Thema "Kommunikation und Wertschätzung" sollte man aufschreiben, was man an seinem Partner besonders mag und schätzt und was man glaubt, was der Andere an einem selber besonders schätzt und mag - und dann wurden die Ergebnisse verglichen. Besonders spannend war die dritte Aufgabe - zum Thema "Interaktion und Teamfähigkeit". Hier wurde einem Partner eine Sichtblende aufgesetzt, und er musste nur anhand mündlicher Beschreibungen des anderen Partners mit verschiedenfarbigen Bauklötzen bestimmte vorgegebene Figuren nachbauen. Hierbei wurden nach drei Minuten die Rollen getauscht. Eine spannende Erfahrung, und das sage ich ganz ohne Ironie. Wer wollte, konnte sich nach vollbrachtem Partnertest noch fotografieren lassen. Wir wollten - und die Mitarbeiter des Infostands fanden, unser Foto sei "eindeutig das herzigste Bild des Tages". Das hört man doch gern. 

Später besuchten wir noch die "Global-Spirit-Jurte" vor bzw. neben der Peterskirche (im "Themenbereich Jugend") - eigentlich nur aus Neugier, was es mit diesem Namen auf sich haben mochte. Ich stellte mir darunter mangels genauerer Informationen etwas irgendwie Schamanisch-Naturreligiöses vor, mit Trommeln, Didgeridoos, murmelndem Gesang und Knochen-Mobilés. Dass vor der Jurte ein stark rauchender Grill stand, schien diesen Verdacht zunächst zu bestätigen; aber wie schon Sigmund Freud (oder wer?) sagte: Manchmal ist ein Grill einfach nur ein Grill. 

Ist DAS die Global-Spirit-Jurte
Nein - DAS ist sie! 


Tatsächlich entpuppte sich die Global-Spirit-Jurte als ein gemeinsames Projekt von missio und der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg - zum Thema Liebe. "Hallo. Wollt ihr unseren Rundgang machen?", wurden wir begrüßt. "Hier, jeder bekommt ein Bändchen mit fünf weißen Perlen daran. Vier davon könnt ihr auf dem Rundgang tauschen, die fünfte bleibt, als Lebensperle." -- Waren wir also doch unter die Schamanen geraten? - I wo, alles ganz harmlos. Beim Rundgang durch die Global-Spirit-Jurte kam man an Texten zu verschiedenen Aspekten der Liebe vorbei - "Zärtlichkeit", "Lust", "Vertrauen", "Treue", "Geborgenheit", "Leidenschaft", "Verantwortung" -, und daneben hingen jeweils Schälchen mit bunten Plastikperlen, für jeden Aspekt eine andere Farbe. Sprach einen ein Aspekt besonders an, konnte man eine Perle in der entsprechenden Farbe gegen eine weiße tauschen - aber, wie gesagt, höchstens vier. Besonders interessant war, dass jedem der genannten Aspekte auch eine Kehrseite zugeordnet war - die Dunkle Seite der (Liebes-)Macht, gewissermaßen. "Zärtlichkeit" stand "Gewalt" gegenüber, die Kehrseite von "Lust" war "Missbrauch", von "Vertrauen" natürlich "Misstrauen", "Treue" wurde "Verrat" gegenübergestellt, "Geborgenheit" korrespondierte mit "Einsamkeit", "Leidenschaft" mit "Eifersucht" -- und "Verantwortung" mit AIDS. Aha. 

Was aber waren es für Texte, die in der Jurte zu diesen Schlagwörtern präsentiert wurden? Nun, zu jedem der genannten Aspekte von Liebe gab es ein Bibelzitat - meist aus dem Hohelied, aber auch aus Jeremia, Jesus Sirach und dem Buch der Sprüche, und auch der eingangs schon erwähnte Evangelienvers Johannes 13,34 fehlte nicht. Soweit, so schön. Die Qualität der anderen Texte war durchaus durchwachsen; da wurde - zum Thema "Zärtlichkeit vs. Gewalt" - auch schon mal ein Songtext der Ärzte ("Schrei nach Liebe") zitiert, na klar, man wollte ja Jugendliche ansprechen, und als Hauptamtlicher verfällt man natürlich leicht auf den Gedanken, was man in der eigenen Jugend vor rund einem Vierteljahrhundert toll fand, müsse auch für die heutige Jugend gut genug sein. (Same with NGL, aber ich will nicht vom Thema abkommen.) Zum Thema "Leidenschaft vs. Eifersucht" waren Ergebnisse einer Umfrage zum Thema "Ich bin eifersüchtig, wenn..." abgedruckt, die mit der Quellenangabe www.bauermedia.de versehen waren - was mich darauf schließen lässt, dass die Umfrage aus der BRAVO stammte. Angegeben waren die acht am häufigsten genannten Gründe für Eifersucht, aufgeschlüsselt nach Jungen und Mädchen - was man sich auch hätte sparen können, da die Ergebnisse sich nur marginal unterschieden. Auf Platz 1 bei Jungen wie bei Mädchen: "Wenn er/sie eine/n andere/n küsst". Verständlich. Auf Platz 2 jedoch: "Wenn er/sie mit einer/m anderen Sex hat". Ähm... man könnte denken, wenn es schon so weit ist, ist es für Eifersucht ein bisschen spät. -- Die Abteilung "Verantwortung vs. AIDS" zeichnet sich dadurch aus, dass Kondome darin mit keinem Wort erwähnt werden. Stattdessen heißt es: "Wenn man einander liebt, hat man Verantwortung füreinander. Das kann z.B. heißen, auf riskanten Sex zu verzichten, um sich und den Partner vor einer HIV-Infektion zu schützen." Man spürt ein bisschen das Unbehagen der Autoren, es ihren jugendlichen Lesern zuzumuten, von Verzicht zu sprechen; aber von AIDS-Präventions-Kampagnen, die im wesentlichen nur aus der Aussage bestehen "Macht doch was ihr wollt, Hauptsache ihr benutzt Kondome dabei" hebt sich das doch wohltuend ab. 

Und am Ausgang prangte dieses Gedicht von Erich Fried. Ich mag es. 
Insgesamt war mein Eindruck von der "Global-Spirit-Jurte" zwiespältig - zum Teil wegen der Texte, zum Teil wegen des irgendwie ja doch etwas esoterisch-synkretistisch anmutenden Brimboriums ("Erfahrungen und Anregungen aus anderen Kulturen und Religionen können helfen, neu auf das eigene Leben und eigene Erfahrungen zu schauen..."); aber zwiespältig heißt eben auch nicht nur schlecht. -- Das kann man, wenn man so will, auch auf das gesamte Programmangebot des Katholikentags übertragen: Manches Ärgerliche, viel Überflüssiges, aber Gutes war eben auch dabei. Dafür sollte man dankbar sein. Wer weiß, bei wie vielen Katholikentagsbesucher diese Samenkörner des Guten, auf die sie ganz unversehens gestoßen sein mögen, auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Man würde sich natürlich wünschen, es gäbe mehr davon; aber deswegen sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und den Katholikentag in Bausch und Bogen verdammen. Damit verändert, ja verbessert man ihn nämlich nicht - im Gegenteil. Dass der Katholikentag eine Veränderung und Verbesserung braucht, ist infolge der mageren Teilnehmerzahlen dieses Jahres unübersehbar geworden - und darin liegt eine große Chance, wenn man sie nicht den falschen Leuten überlässt. Der alte Chesterton würde wahrscheinlich sagen: Man muss den Katholikentag lieben, um ihn verändern zu können.



2 Kommentare:

  1. »Ist Priester sein nun etwas Erstrebenswertes oder nicht?«

    Im "Salz der Erde" (S.224f) berichtet Card. Ratzinger von einer amerikanischen feministischen Theologin, die jahrelang für das Frauenpriestertum gekämpft hat, und dies nun nicht mehr tut, weil sie erkannt hat: „ordination is subordination“

    Ja, wer das Priestertum als „Macht haben“ mißversteht, der kann der Meinung sein, daß der Beruf erstrebenswert ist,
    wer aber erkannt hat, daß unabdingbar die drei evangelischen Räte zum Priestertum hinzugehören, der kommt ganz schnell zu der Überzeugung, daß er den Beruf auch sich heraus (ohne göttliche Berufung) gar ausüben kann, sondern es ein gehöriges Maß an Gnade bedarf.
    Den Beruf kann man nicht erstreben, sondern nur dem Ruf Gottes in Demut folgen (oder auch nicht).

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  2. Ich würde dem Kind mit den Buntstiften gerne sagen:
    Gott liebt mich so unendlich und so zärtlich, daß Er nicht einmal daran denkt, mir so etwas wie ein Priesteramt zuzumuten.
    Vielleicht ließe sich dadurch eine gute Diskussion anstoßen... naja, verpasst.

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