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Samstag, 13. Februar 2016

Let's Do It Like They Do On The Discovery Channel

In der Facebook-Gruppe Ein ungenanntes Bistum hat kürzlich ein Visual - d.h. ein graphisch gestalteter Text, wie er gern in Sozialen Netzwerken verbreitet wird - aus dem Erzbistum Bamberg für Diskussionen gesorgt: 
"Wer ständig online ist, ist offline für Gott"
ein Zitat von Erzbischof Ludwig Schick soll das sein. Und ein Impuls für die Fastenzeit. Gott ist im Internet nicht zu finden! Also loggt euch aus! Verzichtet aufs Smartphone! -- Und wo publiziert das Erzbistum Bamberg diesen tollen Fastenimpuls? Auf Facebook. Finde den Fehler. 

Dieser Widerspruch ist leider nur allzu bezeichnend für das Verhältnis der Katholischen Kirche in Deutschland zur Öffentlichkeitsarbeit im Internet, speziell in den Sozialen Medien: Man sieht ein, dass man da irgendwie präsent sein muss, aber gleichzeitig findet man das Internet irgendwie doof oder sogar gefährlich, jedenfalls misstraut man ihm. Erzbischof Schick - der in seiner Eigenschaft als Weltkirche-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz zweifellos Verdienstvolles leistet und über den ich auch sonst nichts Schlechtes sagen will - ist da ja (sofern er obigen Satz überhaupt wirklich gesagt hat) kein Einzelfall: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz weiß nicht so genau, was Blogs sind, und findet Netzwerke, in denen "Alle mit Allen über Alles reden" können, suspekt; und selbst dem "Medienbischof", d.h. dem Vorsitzenden der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, wird nachgesagt, er lasse sich seine eMails von einem Mitarbeiter ausdrucken. 

Man könnte sagen - und das habe ich ja im Prinzip schon mehrfach -, bei einer solchen Einstellung unserer Bischöfe dem Internet gegenüber brauche man sich über die Qualität der kirchlichen Online-Präsenz dann auch nicht mehr zu wundern. Aber man muss wohl Geduld haben. Das Internet ist für uns alle Neuland. Genau wie die Eisenbahn damals. Vor der wurde auch viel gewarnt. Sowohl aus gesundheitlichen Gründen (der menschliche Körper sei gar nicht in der Lage, eine derartige Beschleunigung zu verkraften) wie auch aus sozioökonomischen (die Sozialstruktur auf den Dörfern werde zusammenbrechen, wenn jeder mal eben schnell in die Stadt fahren könne). Inzwischen kann man aber doch feststellen, dass die Menschheit den Siegeszug der Eisenbahn einigermaßen überlebt hat, und so wird sie wohl auch den Siegeszug des Internets überleben. Nur bis die geistig-moralischen Stützen der Gesellschaft sich damit abgefunden haben werden, wird es wohl noch ein bisschen dauern. 



Das merkt man z.B. auch einem Buch an, das ich gerade lese: "Im Glauben das 'Ja' wagen" von Markus Graulich und Ralph Weimann (Freiburg i.Br. 2015). Ein Buch zur Ehevorbereitung, ja, so etwas lese ich zur Zeit vor dem Schlafengehen. Aus Gründen. Ein Geistlicher unseres Vertrauens hat meiner Liebsten und mir dieses Buch empfohlen. Es steht auch tatsächlich viel Wertvolles drin. Rein stilistisch finde ich es hingegen nicht besonders toll geschrieben, und inhaltlich gibt es genau eine Sache, die an diesem Buch wirklich nervt: Die permanenten Warnungen vor den Gefahren des bösen, bösen Internets. 

Das geht auf S. 11f. los: 
"Auch die virtuelle Welt stellt eine neue Herausforderung für die Menschen dar. Ein Großteil der sozialen Kontakte spielt sich heute in den social media ab und unterliegt den Gesetzen der sozialen Kommunikationsmittel. [...] Diese neue Wirklichkeit verändert auch das In-Beziehung-Treten und die zwischenmenschliche Kommunikation grundlegend. Wenn Liebesbeziehungen auf der Grundlage von chatten, twittern oder ähnlichen Mitteln basieren, dann unterliegen sie leicht einem Trugschluss. Man ist 'vernetzt', statt in Beziehung zu stehen. Wirkliche Begegnung aber findet bei aller scheinbaren Vertrautheit zwischen den 'virtuell Vernetzten' nur sehr bedingt statt, sie kann keineswegs die persönliche Begegnung ersetzen." 
Ich sag mal so: Wovon man keine Ahnung hat, davon sollte man vielleicht lieber schweigen. Wer irgendwie irgendwo mal Begriffe wie "chatten" und "twittern" aufgeschnappt hat und sie verwendet, ohne so genau zu wissen, was sie eigentlich bedeuten, der hört sich an wie Walter Ulbricht, der 1965 verkündete, niemand habe etwas "gegen eine gepflegte Beatmusik", aber "mit der Monotonie des yeah, yeah, yeah und wie das alles heißt [!] sollte man doch Schluss machen". -- Ich meine, okay, man spricht gern von der "realen Welt" in Abgrenzung zur "virtuellen Welt". Das ist halt so'ne Redensart. Aber im Grunde ist sie unsinnig, denn selbstverständlich sind auch zwischenmenschliche Kontakte, die sich über das Internet abspielen, "real". Es wäre sogar ausgesprochen schädlich, so zu tun, als wären sie das nicht. Es gibt durchaus Ehepaare - ich persönlich weiß von mindestens einem solchen Fall -, die haben sich in Online-Fantasy-Rollenspiel-Foren kennengelernt. Die sind im realen Leben natürlich keine Elfen und Trolle. Aber das werden sie auch vor der ersten Offline-Begegnung nicht ernsthaft angenommen haben. -- Im Ernst: Sicherlich ist nicht zu leugnen, dass bestimmte Formen des Online-Datings mit realen Gefahren verbunden sind. Gefahren wie Date Rape, sexueller Missbrauch Minderjähriger, Erpressung, Verbreitung pornographischen Materials. Zu solchen Gefahren könnte man sich differenziert äußern, wenn man ein bisschen was von der Materie verstünde. Tut man das nicht, helfen allgemein gehaltene Warnungen vor dem bösen, bösen Internet jedoch auch nicht viel weiter.  

Dies betrachte ich als ein ernsthaftes Manko des ansonsten, wie gesagt, durchaus lesenswerten Buches. Praktisch jedesmal, wenn Graulich und Weimann das Wort Wort "Internet" benutzen, sehe ich den allerersten TV-Werbespot für das SuperRTL-Online-Portal "Toggolino Club" (für Kinder im Vorschulalter) vor mir, wo ein bemerkenswert hässliches Kindergartenkind mit Zahnlücke am Computer sitzt und seiner Mutter freudestrahlend mitteilt: "Guck mal Mami, ich bin im Internet!" - worauf diese ein Gesicht macht, als habe der Sohnemann ihr feierlich eine tote Maus überreicht, und ungläubig erwidert: "Ümm Ünntörnött?" -- Auf S. 39 liest man:  
"Weit verbreitet ist heute die Abhängigkeit vom Internet, welche nicht nur die Freiheit einschränkt, sondern zwischenmenschliche Beziehungen genauso erschwert, wie eine Abhängigkeit von Drogen und Alkohol." 
Ja sicher. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde angesichts der Ausbreitung von Leihbibliotheken und billigen Flugschriften auch viel vor der "Lesesucht" gewarnt. Besonders für die "einfachen Leute", Dienstboten zum Beispiel, sei das Lesen gar nicht gesund. Das lenke sie nur von ihren Pflichten ab und verführe sie dazu, sich in eine Traumwelt zu flüchten. -- Aber zurück zu Graulichs und Weimanns Ratschlägen für Eheleute und solche, die es werden wollen. Auf S. 41 heißt es: 
"Eine Familie war in eine schwere Ehekrise geraten, die Ehepartner hatten sich längst voneinander entfernt und hohe Mauern errichtet." (So genannte Firewalls, vermutlich.) "In seiner Verzweiflung ging der Vater ins Internet in sich und erkannte..." [S. 41] 
Tja, was erkannte er denn? Vielleicht, dass diese Warnung vor neuen Medien als angeblichen Beziehungskillern im Grunde ziemlich oll ist. Als es noch kein Internet gab, war es das Fernsehen, und davor das Radio, und wer kennt nicht diese sterotypen Bilder von Ehemännern, die sich am Frühstückstisch hinter der aufgeschlagenen Zeitung vor ihrer Frau verstecken? -- Aber wahrscheinlich waren die Ehen statistisch gesehen viel glücklicher, als es noch keine Waschmaschinen gab und die Frauen die Wäsche noch im Fluss waschen mussten. Da waren sie beschäftigt und kamen nicht auf dumme Gedanken. Und viel kommunikativer war es auch, schließlich trafen sie dabei die ganzen anderen Frauen, die ihre Wäsche im selben Fluss wuschen... Hm, ich merke gerade, dass diese Argumente sich tendenziell widersprechen. Aber sei's drum. - Auch im Zusammenhang mit der Betonung des gemeinsamen Gebets für eine gelingende christliche Ehe können Graulich und Weimann es nicht lassen, abermals auf die Gefahren des Internets zu verweisen: 
"Einer der Gründe für die Schwierigkeit mit dem gemeinsamen Gebet liegt im Umgang mit den Medien. Viele Paare verbringen ihre Abende mit Fernsehen oder Internet, nicht selten auch im Schlafzimmer [!]. Das fördert weder das gemeinsame Gespräch, noch das Gebet. Abgesehen davon, dass diese Praxis für die Beziehung sehr schädlich sein kann, da die virtuelle Welt nie die reale Welt zu ersetzen vermag, wird es so noch schwieriger sich zum Gebet aufzuraffen." (S. 53)
Das wirkt nun etwas tragikomisch, wenn man es im Bett liest und gleichzeitig das Tablet am Kopfende liegen hat, auf dem man anschließend noch mittels der Stundenbuch-App die Komplet beten will. Aber ich will mir nicht vorgreifen. Schauen wir uns lieber noch eine der ergreifenden Beispielgeschichten von Graulich und Weimann an: 
"So hatte sich ein Ehepaar zerstritten und der Streit drohte zu eskalieren. Als der Streit im Internet vor den Kindern fortgesetzt wurde, verließen die Eltern für eine Zeit das Internet Haus. Ohne sich abgesprochen zu haben, gingen sie ins Internet fuhr jeder in eine andere Kirche, um zu beten." (S. 54f.) 
Zugegeben, ich werde gerade ein bisschen albern. Entschuldigung. Tatsächlich liegt die Behauptung, das ständige Online-Sein lenke vom Beten ab, ja ganz auf der Linie des eingangs zitierten Bamberger Fastenimpulses. Das Problem an dieser Aussage ist ihre, sagen wir mal, Halbwahrheit. Natürlich kann eine intensive Social-Media-Aktivität einem derartig den Kopf mit Banalitäten zukleistern, dass keine Kapazitäten mehr übrig bleiben, um an Gott zu denken oder gar zu beten. Aber, ich kann mich gar nicht oft genug wiederholen: Ein Medium ist immer nur so gut oder so schlecht, wie der Einzelne es benutzt. Darin liegt ja gerade das Paradoxe des Bamberger Online-Fastenimpulses. Geistliche Impulse im Internet gibt es mittlerweile zuhauf -- und man kann durchaus auch online beten. Das ist ein Trend, der sich inzwischen sogar bis zur FAZ herumgesprochen hat. Neben diversen anderen Angeboten wird dort auch die #Twomplet erwähnt, die seit über zwei Jahren täglich live auf Twitter stattfindet. Es ist also gar nicht alles schlecht und gottlos im Netz. -- Ja, man könnte sogar Materialien zur Ehevorbereitung im Internet publizieren. Also gut, Markus Graulich und Ralph Weimann können das vermutlich eher nicht, aber das ist ja auch keine Schande. Sie könnten ja jemanden fragen, der sich damit auskennt - und der könnte ihnen eine schicke Homepage zu ihrem Buch basteln. Mit Visuals zu den Kernaussagen des Buchs, die man downloaden und in Sozialen Netzwerken teilen könnte. Mit Videos von Zeugnissen erfahrener Ehepaare. Undundund. Könnte man machen. Muss man natürlich nicht. Aber wenn man's nicht tut, muss man sich nicht wundern, wenn Menschen, die auf der Suche nach ein bisschen geistlicher Begleitung in ihrem Liebesleben sind, bei Angeboten wie diesem landen: 
"Wenn Ihr beiden zusammen schlaft..." - Ein Gottesdienst für Verliebte am Valentinstag, Sonntag, 14. Februar, um 15:30 in der Kirche St. Engelbert in Köln. Mit anschließender 'Tour d'Amour' im Kölner Zoo. 
Kein Scherz. Habe ich übrigens auch im Internet entdeckt. Auf der Facebook-Seite des Erzbistums Köln. Interessant ist übrigens, dass die hier recht frei zitierte Bibelstelle Kohelet 4,11 - im Wortlaut der Einheitsübersetzung: "Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; einer allein - wie soll er warm werden?"- überhaupt nichts mit geschlechtlicher Liebe zu tun hat; im Kontext geht es vielmehr darum, dass der Mensch im Allgemeinen besser durchs Leben kommt, wenn er nicht auf sich allein gestellt ist. Nun könnten die Verantwortlichen für den Valentinstags-Gottesdienst in St. Engelbert sich natürlich dumm stellen und erklären, auf ihrem Plakat sei ja ebenfalls nicht von Sex die Rede. Streng genommen stimmt das. Aber hey, wir sind ja wohl alle nicht mit dem Klammerbeutel gepudert worden, und wenn im Zusammenhang eines "Gottesdienstes für Verliebte" von "zusammen schlafen" die Rede ist, da denkt man sich ja wohl seinen Teil - wink wink, nudge nudge, say no more. Hier nun wäre zu fragen, was genau den "Verliebten", an die dieses Gottesdienstangebot sich ja richtet, denn so an geistlicher Orientierung für ihren Lebensweg mitgegeben wird. 

Bildquelle: "Christliche Sprüche mit Bilder" auf Facebook

Ich gebe zu, dass ich einer Kirchengemeinde, die auf ihrer Website durchgängig die Schriftart Comic Sans verwendet, von vornherein misstraue. Nur ganz nebenbei erwähnt sei, dass der mündlichen Überlieferung zufolge just St. Engelbert die Kirche war, von deren Kanzel aus Kardinal Frings seinen Schäfchen seinerzeit das Kohlenklauen erlaubte. Doch zur Sache. Ob man es nun unbedingt gut findet, dass die Kirche den vor allem von der Floristen- und Süßwarenbranche gepushten Trend, den Gedenktag des Heiligen Märtyrers Valentin als Fest der Verliebten zu feiern, partout mitmachen muss, darüber mag man streiten - ändern wird man es nicht. Die Kirche will schließlich nah bei den Menschen sein. Wichtig scheint aber allemal die Frage: Wenn die Kirche an diesem Tag spezielle Angebote für Verliebte macht - was hat sie den Verliebten denn bei dieser Gelegenheit zu sagen? Thematisiert sie, dass Verliebtsein nicht zwingend dasselbe ist wie Liebe? Dass das Verliebtsein als solches nach katholischer Auffassung noch keine hinreichende Basis für eine christliche Ehe ist (und somit, ahem, auch nicht dafür, das Bett miteinander zu teilen)? Nutzt man den Anlass des Tages, den Verliebten etwas über das kirchliche Eheverständnis zu vermitteln? Nun: Wolln's hoffen. Wenn aber nicht - wenn die Kirche den Verliebten nichts zu bieten hat, was sie nicht auch woanders bekommen könnten -, warum lockt man sie dann überhaupt erst in die Kirche und schickt sie nicht lieber gleich in den Zoo? Da lernen sie schließlich auch etwas über Geschlechtlichkeit. 


(Man beachte besonders die letzten 20 Sekunden des Videos. Aber das Lied ist auch sonst sehr hübsch. Nein, es ist nicht das von der Bloodhound Gang, auf das der Titel dieses Beitrags anspielt, sondern ein schönes altes von Simon & Garfunkel.) 

Die Facebook-Reaktion des Erzbistums Köln nahm den Hinweis auf die genannte Veranstaltung nach einigen kritischen Anfragen übrigens wieder von ihrer Seite und ersetzte ihn durch einen allgemeinen Hinweis auf verschiedene Valentinstags-Veranstaltungen im Erzbistum, bebildert mit einem Ausschnitt des Plakats, auf dem lediglich bunte Herzchen zu sehen sind. Auf meine Nachfrage bezüglich des Grundes dieser Änderung erklärte man: "Das große Plakat war einfach nur zu fokussiert auf ein Angebot". 

Ah ja. Lassen wir das mal so stehen. 


1 Kommentar:

  1. Ich blicke dann mal versöhnlich in die Zukunft: https://twitter.com/britishmuseum/status/698801534642057216

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