Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Sonntag, 28. Februar 2016

Anders einen sitzen haben - oder: Pastoral der Sitzengelassenen

Manche Dämonen lassen sich einfach nur durch Gelächter austreiben. 

Das ist ein sehr wesentlicher Grund, warum ich so froh bin, dass es die Facebook-Gruppe "Ein ungenanntes Bistum" gibt. Zwar bringt die inhaltliche Ausrichtung dieser Gruppe es einerseits mit sich, dass man mit bizarren Fundstücken aus der Welt des pastoralen und liturgischen Irrsinns konfrontiert wird, von denen einem sonst wohl ein Großteil erspart bliebe; aber andererseits führen die in dieser Gruppe geposteten Beiträge regelmäßig zu hinreißend witzigen Diskussionen im Kommentarbereich - und das hat vielfach eine unbestreitbare kathartische Wirkung. 

Neulich zum Beispiel wurde in dieser Gruppe auf eine Website mit dem an sich unverdächtigen  (wenn auch teilweise etwas redundanten) Namen "kirchbau.de - das Portal zum Kirchenbau, Sakralarchikektur, Kirchenpädagogik und sakraler Architektur" hingewiesen. Die Seite bietet eine umfangreiche Kirchendatenbank, Informationen zu Kirchenbaugeschichte und Kirchbautheologie, allerdings auch eine "Sammlung kirchenraumpädagogischer Elemente, mit denen junge und ältere Menschen den Kirchenraum neu erleben können auf kreative, diskursive, spielerische und spirituelle Weise" - und da bietet sich dem Auge des staunenden Lesers dann allerlei Befremdliches dar. So etwa das ausdrücklich für Erwachsene konzipierte Projekt
"Anders sitzen - andere Eindrücke". 
Beschrieben wird es wie folgt:
"In der Kirche sind verschiedenste Sitzmöbel aufgestellt. Es sollten einige mehr sein als Personen teilnehmen.
Die TN bewegen sich durch die Kirche und nehmen verschiedene Sitzmöbel ein. Sie sollen den Ort mit dem ganzen Körper erspüren.
Durch akustisches Zeichen werden alle gebeten, sitzen zu bleiben bzw. sich auf ein freies Möbel zu setzen. Eindrücke werden ausgetauscht. Dies kann auch in weiteren Runden geschehen.
Schließlich können die TN gebeten werden, zum Sitzmöbel zu gehen, das ihnen zum Erleben des Raumes heute am meisten weitergeholfen hat. Dort setzen sie sich bzw. bleiben beim Möbel stehen. Gemeinsamer Austausch über die Wirkung von Sitzmöbeln auf das Befinden, die Aufmerksamkeit, die Ausrichtung, usw.
Sitzmöbelbeispiele: Stuhl, Hocker, Sitzsack, Sitzball, Bobby-Car, Bierbank, Gesundheitsliege, Strandliege, Polstersessel, Baumstumpf (Holzrugel), Bodensitzkissen, Kirchentagshocker, Barhocker, Schemel, Eimer, Meditationskniebank". 
Alles klar soweit? Die Facebook-Freundin, die in den Weiten des Netzes auf dieses kirchenpädagogische Konzept gestoßen war und es nun der Gruppe vorstellte, merkte an, sie müsse sich jetzt erst einmal darum kümmern, dass ihre 94jährige Mutter sich "nach dieser Lektüre wieder beruhigt"; in der Folge griffen mehrere Gruppenmitglieder die Anregungen des Projektvorschlags auf ihre eigene Weise auf.
"Reise nach Jerusalem?" - "Ja, mit Erfolgserlebnis, weil keiner verliert."

"Nehmen Sie den Sitzsack? Ich nehme den Gymnastiksitzball, den kenne ich noch von der Geburtsvorbereitung." 

"Ich nehme die Bierbank. Die hilft mir meist am besten. Da erlebt man den Raum voll intensiv und so." -  "Mist, die wollte ich doch nehmen. Na dann eben den Barhocker." - "Ich glaube, da sitzt schon mein Mann!" - "Macht nichts, wie man sieht, ist genug Platz vorhanden und in Gesellschaft schmeckt es eh besser."

"Meine Mutter nimmt den Eimer - 'für alle Zwecke, die mich dort überkommen', sagt sie..."

"Ich nehme den Eimer... den kann man so schön rumdrehen und rein***..." - "Den hat schon meine Mutter! Wie wäre es mit dem Bobbycar?" - "Nee, dann spiele ich nicht mehr mit!" [*Bobbycar in die Ecke donner und schmollend weg geh*] - "Dann tun wir Sie auf die Massageliege für Auszeit." 

"Huch, was ist das denn für ein Waldorf-Katholizismus?" - "Lasst uns die Pfingstsequenz tanzen. Oder die Allerheiligenlitanei. Namen tanzen ist eh groovy." 

"Ich nehme die Eselsbank." 

"Ist eigentlich auch eine Couch vorgesehen? Es scheint mir da doch ein gewisser Behandlungsbedarf vorhanden..."
Nach stundenlangem Herumgeblödel wurde aber schließlich doch noch substantielle Kritik an dem Projektentwurf geübt:
"Wenn alle sitzen, wie soll man sie dann abholen, wo wie stehen? Das ist aber pastoral nicht sehr gut durchdacht!" 
Doch keine Bange: Die Seite kirchbau.de hat im Bereich "Kirchenraumpädagogik" noch mehr Schönes zu bieten. Zum Beispiel das Projekt "Kirchenschlaf". Wobei, ganz so innovativ ist das wohl auch nicht: Für eine Erfahrung dieser Art sorgt in manch einer Kirche schon die Predigt...


2 Kommentare:

  1. Bedenke: Kirchen bauen nicht nur die Katholen sondern auch andere. Bei meiner letzten griechisch-orthodoxen Messe gab es gar keine Sitzmöbel und ich war bei gefühlten 35 °C im Schatten dem Kreislaufkollaps nahe ...

    AntwortenLöschen
  2. Kennt Ihr noch diese Hüpfbälle mit zwei Hörnern zum Festhalten?
    Ich stelle mir gerade vor, alle Kirchenbänke durch Hüpfbälle zu ersetzen. Und dann eine Werktagsmesse, morgens, mit zehn Frauen und einem Mann (außer dem Priester) zwischen 55 und 80.
    Einen neuen Aufbruch wagen!

    AntwortenLöschen