Salvete, hochgeschätztes Publikum! Wie alle Jahre wieder schreitet die Adventszeit fast schneller voran als einem lieb ist – wenn man mal von den Kindern absieht, denen Weihnachten gar nicht schnell genug kommen kann. Es ist daher wohl nicht verwunderlich, dass dieses Wochenbriefing stark von adventlichen Themen und adventlicher Stimmung geprägt ist; im Epizentrum des Advents sind wir damit jedoch noch nicht angekommen – das ist dann vielleicht nächste Woche dran...
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| Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum ich dieses Bild aufgenommen habe, aber irgendwie gefällt es mir. Und deshalb verwende ich es hier als Vorschaubild: um ihm einen Zweck zu geben. |
Nikolaustag in Spandau
Seit meine Familie sich, was Gottesdienstbesuch und Mitarbeit in der Pfarrei angeht, von Tegel nach Spandau umorientiert hat, ist die Nikolausandacht in St. Joseph Siemensstadt für uns eigentlich ein fester Programmpunkt in der Vorweihnachtszeit; nur vor zwei Jahren waren wir krankheitsbedingt nicht dabei, dafür durfte ich voriges Jahr und auch schon vor drei Jahren selbst ins Kostüm des bärtigen Geschenkebringers schlüpfen. Das war durchaus eine lustige Erfahrung, aber ich hatte trotzdem nichts dagegen, dass es dieses Jahr wieder jemand anders übernahm.
Als die Kinder morgens aufwachten und in ihren Schuhen allerlei Süßigkeiten (und je ein kleines Kuscheltier) vorfanden, zeigte sich allerdings bald, dass sie zu aufgeregt waren, um den ganzen Vormittag zu Hause zu verbringen. Also unternahmen wir erst mal einen Ausflug zum Weihnachtsmarkt in der Spandauer Altstadt. Da war's sehr stimmungsvoll:
Die Kinder durften je zweimal mit zwei Karussells und einmal mit dem Riesenrad fahren und ihr Glück beim Entenangeln und beim Pfeilewerfen auf Luftballons versuchen, für die Erwachsenen gab's derweil Gratisproben von heißem Kirschlikör und Schnaps mit Bratapfelaroma.
Zu Protokoll geben möchte ich übrigens, dass die musikalische Gestaltung dieses Weihnachtsmarkts recht eindeutig von maßvoll angejazzten säkularen Weihnachtsschlagern angloamerikanischer Herkunft ("Santa Claus is Coming to Town", "Rocking Around the Christmas Tree", "Sleigh Ride", "Let It Snow") dominiert wurde; auf durchaus erfrischende Weise aus dem Rahmen fiel dabei die Musik am Kettenkarussell; da lief u.a.
- "Lasst uns froh und munter sein" in einer leicht HipHop-angehauchten Version von den Giraffenaffen feat. Lina Larissa Strahl
- "Es ist Weihnacht" von Kalle Klang und den Flohtönen und
- "Plätzchen Rapzept" von Pelemele.
Auf dem Weg nach St. Joseph zur Nikolausandacht kamen wir an einem Infostand der Partei Die Linke vorbei, und da wir sowieso reichlich früh dran waren, blieben wir ein Weilchen dort stehen, aßen Kuchen und tranken alkoholfreien Punsch. Danach gingen wir noch kurz in die Kirche, wo es schön ruhig war (die Andacht fand im Gemeindesaal statt), und das war auf jeden Fall hilfreich für die Kinder, um ein bisschen "runterzukommen". – Einschließlich zweier schon etwas größerer Mädchen, die als Helferlein des Nikolaus beim Einlass eine Namensliste führten, nahmen zwölf Kinder an der Nikolausfeier teil; das waren schon mal deutlich mehr gewesen, allerdings hatten wir noch am selben Vormittag festgestellt, dass der Termin der Veranstaltung nicht einmal auf der Website der Pfarrei angekündigt worden war. Darauf angesprochen, erklärte der Gemeindereferent, er kenne niemanden, der sich auf der Website über Veranstaltungstermine der Pfarrei informiere; worauf meine Liebste erwiderte: "Ja eben – es geht ja gerade darum, die zu erreichen, die man nicht kennt." Habe ich nicht eine kluge Frau?
Der Ablauf der Veranstaltung selbst folgte im Wesentlichen einem seit Jahren etablierten Schema: Der Gemeindereferent begrüßt die Anwesenden und eröffnet die Andacht mit einem Gebet; ein paar Lieder werden gesungen; während des zweiten Liedes betritt der Nikolaus den Saal. Anschließend wird er vom Gemeindereferenten "interviewt" und erzählt in Ich-Form eine Legende aus dem Leben des populären Heiligen nach; anschließend trägt eine Lektorin einen thematisch passenden Bibeltext vor (dieses Jahr handelte es sich dabei um Lukas 6,30-35). Dann werden die anwesenden Kinder einzeln namentlich aufgerufen und erhalten je ein kleines Geschenk aus dem großen Sack des Nikolaus, ehe dieser erklärt, er müsse jetzt leider weiter, und mit einer weiteren Liedstrophe verabschiedet wird. Der Abschluss der Veranstaltung liegt dann wieder in den Händen des Gemeindereferenten, der auf Weihnachten hinweist und mit den Kindern ein Vaterunser betet, ganz zum Schluss wird ein weiteres Lied gesungen. Das ist alles nicht unbedingt große Wissenschaft, aber es funktioniert – zumindest und vorrangig für Kinder im Vorschulalter. Und den Ansatz, zwar der kindlichen Erwartungshaltung "Der Nikolaus kommt, und wir kriegen Schokolade" gerecht zu werden, zugleich aber auch eine religiöse Botschaft 'rüberzubringen, finde ich grundsätzlich lobenswert.
Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang übrigens auch noch, dass meine Liebste auf der Hallow-App (jaaa, dieses krasse Fundamentalisten-Tool, wir hörten davon) eine Hörspielreihe für Kinder entdeckt hat, in der die Heiligen der Adventszeit vorgestellt werden. Am Montag auf der Rückfahrt von unserem wöchentlichen "Omatag" – eine Situation, in der es erfahrungsgemäß oft eine Herausforderung ist, die Kinder bei Laune zu halten – hörten wir uns die Abschnitte über die Hl. Barbara und den Anfang des Beitrags über den Hl. Nikolaus an, zu dem in den folgenden Tagen noch Fortsetzungen erschienen. Die hörten wir uns daraufhin auch an. Schöne Sache, auch wenn es mich wirklich unverhältnismäßig triggert, dass die Sprecherin permanent das weiche und das harte ch ("Ich-Laut" und "Ach-Laut") verwechselt...
Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst: Advent-Edition
Die Entscheidung, wo wir am 2. Adventssonntag zur Kirche gehen sollten, fiel nicht leicht und kam in den letzten Tagen davor noch ein paarmal leicht ins Wanken: zuerst, als der Jüngste mir erzählte, er habe in einer Krippenspielprobe für den KiTa-Gottesdienst Josef gespielt. Bei genauerem Nachfragen stellte sich allerdings heraus, dass er lediglich bei einem Durchgang der Probe für den eigentlichen Josefs-Darsteller eingesprungen war und dass nur diejenigen Kinder für die Mitwirkung am Gottesdienst eingeplant worden waren, deren Eltern ihre Teilnahme verbindlich zugesagt hatten. Und dann wurden wir am Rande der Nikolausandacht gefragt, ob wir zu dem Empfang anlässlich des Weihejubiläums des örtlichen Pfarrvikars kommen würden, der an diesem Sonntag im Anschluss an die Messe in St. Joseph Siemensstadt stattfand. Letzten Endes konnte uns aber auch das nicht davon abbringen, dem Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst den Vorzug zu geben. Und das erwies sich alles in allem auch als die richtige Entscheidung.
Die Messe in St. Stephanus war vergleichsweise schwach besucht – möglicherweise deshalb, weil einige Gemeindemitglieder, die sonst hier zur Kirche gegangen wären, an diesem Sonntag St. Joseph Siemensstadt den Vorzug gaben, wegen des anschließenden Empfangs –; immerhin waren aber ungefähr sechs Erstkommunionkinder und auch ein paar Jugendliche. Zelebriert wurde die Messe von demselben Pfarrvikar, der an diesem Tag sein Weihejubiläum feierte, aber die Predigt, die er hielt, war – wie ich später via YouTube in Erfahrung brachte – nicht dieselbe wie in der späteren Messe in Siemensstadt. Während er dort das Weihejubiläum zum Anlass nahm, über seine Berufung zu sprechen – ein beeindruckendes, sehr berührendes Zeugnis, bei dem er es obendrein noch fertigbrachte, auf die Lesungstexte vom Tag Bezug zu nehmen –, wandte er sich in Haselhorst zunächst an die Kinder, um ihnen den Vers "Der Wolf findet Schutz beim Lamm" (Jesaja 11,6) aus der 1. Lesung auszulegen: "Manchmal sind wir Wölfe, manchmal auch Schafe. Wenn ihr mit den Geschwistern streitet – manchmal passiert eine Ungerechtigkeit, aber manchmal sind auch wir ungerecht mit den anderen." – "Der Advent hilft, nicht der Wolf zu sein. Denn der Wolf ist einer, der sagt 'Ich ich ich ich ich'." – "Der Wolf findet Schutz beim Lamm, wenn das Lamm verzeiht, was der Wolf falsch gemacht hat. Dann wird was Neues draus. Das ist Advent: Da kommt Christus." – An die Erwachsenen gewandt, sprach er anschließend über die heilsgeschichtliche Rolle Johannes des Täufers, was ich nicht zuletzt auch deshalb interessant fand, weil davon am vorangegangenen Mittwoch beim JAM-Elterncafé (um das ich mich nicht hatte herumdrücken können) die Rede gewesen war: Da war im Zuge der gemeinsamen Lektüre des Markusevangeliums der Abschnitt über die Enthauptung des Täufers (Mk 6,14-29) drangekommen, übrigens die einzige Passage dieses Evangeliums, in der jemand anderes als Jesus im Mittelpunkt steht. Wie die Diskussion zeigte, konnten einige der Teilnehmer mit der Gestalt Johannes des Täufers nicht so recht etwas anfangen oder zumindest nicht verstehen, warum er so wichtig ist. Möglicherweise hätte die Predigt dieses Sonntags in St. Stephanus da einiges zur Klärung beitragen können; vielleicht aber auch nicht: Der Pfarrvikar betonte die priesterliche Herkunft des Täufers und führte aus, das Besondere an Johannes sei, dass er anders als noch sein Vater seine priesterliche Berufung nicht im Tempeldienst verwirklicht, sondern in der Wüste – als dem ursprünglichen Ort der Gottesbegegnung des Volkes Israel – ein missionarisches Priestertum praktiziert. (Dieser Teil der Predigt fand übrigens auch im Berufungszeugnis des Pfarrvikars in Siemensstadt erneut Verwendung.) Dieses missionarische Priestertum, so führte er weiter aus, sei aber eine Aufgabe für alle Gläubigen: "Wir alle haben diesen Dienst durch die Taufe, Propheten, Priester und Könige zu sein – das heißt, diesen Dienst des Johannes, den Menschen den Bräutigam zu zeigen." Mit Blick auf die erwachsenen Taufbewerber in der Pfarrei betonte er, die Hälfte davon sei einfach deshalb da, "weil sie einen Christen gesehen haben – weil sie einen Christen kennen, der sie zu Gott geführt hat; wo sie etwas gesehen haben, wovon sie sagen: Das möchte ich auch haben."
Lobend zu erwähnen ist übrigens, dass unsere Kinder während der Messe gut bei der Sache waren und sich untadelig benahmen. Nach der Messe gingen wir direkt 'rüber auf die andere Straßenseite zur EFG The Rock Christuskirche – wo im Foyer Klemmbretter und Arbeitsblätter zur Predigt ausgeteilt wurden. Wenn ich so etwas sehe, pflegt mein linker Fuß nervös Richtung Ausgang zu zucken an, aber ich riss mich zusammen, sagte mir "Es ist eben ein sehr anderes Gottesdienstverständnis" und erinnerte mich daran, dass ich, wenn wir hier zum Gottesdienst gingen, von der Predigt ja ohnehin meist nicht viel mitkriegte; und das würde mir ja wohl auch diesmal gelingen.
Zur Eröffnung wurde ein Lobpreislied katholischer Herkunft – "Wo ich auch stehe" von Albert Frey – gesungen, und ich glaube, ich war der einzige im Saal, der dazu aufstand. Ich habe es bestimmt schon nal gesagt, aber ich finde, im freikirchlichen Gottesdienst wird allgemein zu viel gesessen. Auch das hat natürlich mit dem anderen Gottesdienstverständnis zu tun, mit der Auffassung, man komme in erster Linie zu dem Zweck in die Kirche, eine Predigt anzuhören.
Als ein Glücksfall erwies es sich, dass die "Kinderkirche" für die Altersgruppe der 6-11Jährigen diesmal von derjenigen Mitarbeiterin geleitet wurde, die auch beim JAM die Gesamtleitung hat und die wir daher gut kennen; da war es nicht nur kein Problem, dass ich zur Kinderkatechese mitkam, sondern sie lud ausdrücklich auch unseren Jüngsten ein, daran teilzunehmen, obwohl der ja erst vier ist. Inhaltlich ging es in der Katechese darum, die Prophezeiung aus Jesaja 7,14 – "Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben" – zu der Verkündigung des Engels Gabriel an Maria in Lukas 1,31 in Beziehung zu setzen, und gestaltet war das Ganze als Detektivspiel:
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| Indizien sammeln, Zusammenhänge herstellen – und den Roten Faden beachten! |
Das Konzept gefiel mir ausgesprochen gut, und meine Kinder waren mit großem Eifer dabei – auch der Kleene. Und zum Schluss gab's sogar Geschenke. Eigentlich handelte es sich um die Auswertung eines Gewinnspiels, an dem meine Kinder gar nicht teilgenommen hatten; wobei die Bezeichnung "Gewinnspiel" vielleicht einen etwas falschen Eindruck erweckt, es handelte sich vielmehr um eine "Challenge", für die über einen längeren Zeitraum hinweg Punkte gesammelt werden mussten – genauer erkläre ich das eventuell bei einer späteren Gelegenheit, da ich finde, so etwas könnte man in der Kinder- und Jugendarbeit in St. Joseph/St. Stephanus auch mal machen. – Wie dem auch sei: Diejenigen Kinder, die bei der besagten Challenge die meisten Punkte gemacht hatten, durften sich als erste einen Preis aussuchen, und am Ende blieben auch für meine Kinder noch Preise übrig.
Währenddessen hörte meine Liebste sich nicht nur die Predigt an, sondern ging nach dem Gottesdienst sogar noch zum Predigtnachgespräch. Sie erzählte hinterher, in der Predigt, in der es um Fragen in Bezug auf das Leben nach dem Tod gegangen sei, habe sie eine größere Nähe zur katholischen Lehre über die Letzten Dinge festgestellt, als man es in einer evangelikalen Freikirche eigentlich hätte erwarten sollen – etwa was die Frage des persönlichen Gerichts und der Läuterung (sprich: Fegefeuer!) anging; damit nicht genug, habe der Prediger sich im Nachgespräch ausdrücklich auf die Einheitsübersetzung der Bibel berufen und den Teilnehmern diese Übersetzung empfohlen. Es geschehen erstaunliche Dinge – das sollte man wohl mal im Auge behalten...
Weiteres vom Abenteuer christliche Kindererziehung
Am Mittwoch hatte meine Liebste ihre Kollegiums-Weihnachtsfeier, daher musste ich allein mit den Kindern zum JAM. Im Vorfeld war davon die Rede gewesen, dass eventuell wieder einmal eine Schulfreundin unseres Tochterkindes zum JAM mitkommen würde; dann entschied sie sich aber doch dagegen. Beim Bastelangebot im Rahmen der Ankunftsphase wurden diesmal Krippen aus Eisstielen hergestellt, und unsere Große baute gleich zwei – eine davon als Geschenk für ihre Freundin, die nicht mitgekommen war.
Da meine Liebste, wie gesagt, nicht dabei war, verdonnerte unser Jüngster mich dazu, zum katechetischen Teil mit ihm nach oben zu den "Minis" zu gehen statt ins Elterncafé – wogegen ich wenig einzuwenden hatte. Inhaltlich ging es da um die Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers und Marias Besuch bei Elisabet. Man sieht, Johannes der Täufer ist eine wichtige Figur in der diesjährigen Adventszeit.
Am Donnerstag beim Frühstück kam die Große überraschend noch einmal auf das unlängst durchgekaute Thema Wahrsagerei zu sprechen, und zwar speziell auf das Thema "Wahrsagen aus Büchern": Sie habe sich gefragt, was wohl passieren würde, wenn man dafür die Bibel benutzte. Ich nahm das zum Anlass, ihr etwas über die Praxis des sogenannten "Bibelstechens" zu erzählen; zu Demonstrationszwecken griff ich nach einer praktischerweise gerade auf dem Tisch liegenden Taschenausgabe der alten Einheitsübersetzung, schlug sie aufs Geratewohl auf, tippte mit dem Finger auf die Seite – und da stand:
"Der Eifer für dich verzehrt mich, / denn meine Gegner vergessen deine Worte." (Psalm 119,139)
Echt wahr! Für ein bloßes Demonstrationsbeispiel war das ja fast schon zu gut. – Wie dem auch sei, ich bemühte mich, meiner Tochter zu erklären, diese Methode sei durchaus legitim, um daraus Anregungen, Denkanstöße, so etwas wie geistliche Orientierung zu gewinnen; aber wenn man sie als eine Form der Wahrsagerei betrachte und praktiziere, sei das eben doch wieder problematisch. Meine Große bewies mir daraufhin, dass sie mich verstanden hatte, indem sie anmerkte: "Klar, wenn man zufällig die Stelle erwischt, wo David Goliat besiegt, kann man ja auch nicht einfach losgehen und den größten Menschen, den man kennt, totschlagen." Kluges Kind, nicht?
Neues aus Synodalien: Bischöfe von der traurigen Gestalt
Im Erzbistum Paderborn haben die Gläubigen zum Advent von ihrem Erzbischof nicht wie ehedem einen Hirtenbrief erhalten, sondern ein "Wort des Erzbischofs", in dem es um Fragen der Bistumsreform geht – und wer mit dem Sprachgebrauch unserer Tage vertraut ist, der weiß oder ahnt, dass mit diesem Begriff nicht, wie man ja theoretisch hoffen könnte, das Bemühen um eine geistliche Erneuerung gemeint ist, sondern eine Sanierung von Strukturen, die auf Rationalisierung durch Verwaltungszentralisation und Standortschließungen hinausläuft. Doppelt ärgerlich ist es da natürlich, wenn diesen Rationalisierungsmaßnahmen auf Biegen und Brechen eine geistliche Qualität zugeschrieben werden soll. Aus Berlin kennen wir das schon seit Jahren, nun ist es auch in Paderborn soweit. Aufmerksam geworden bin ich darauf durch einen außerordentlich kraftvollen Text von Peter Winnemöller, der am "Wort des Erzbischofs" kein gutes Haar lässt. Da heißt es unter anderem:
"Selbst nach dreimaliger Lektüre bleibt der Eindruck einer entsetzlichen Leere. Der Erzbischof hat mir nichts zu sagen. Er hat kein Evangelium zu verkünden. Der Advent ist das Warten auf den Niedergang."
Ernüchternd ist das alles natürlich nicht zuletzt deshalb, weil, wie ich mich noch recht gut erinnere, vor zwei Jahren, als der bisherige Mainzer Weihbischof Bentz zum Erzbischof von Paderborn ernannt wurde, einige Gläubige damit die Hoffnung verbanden, mit ihm würde im Erzbistum manches wenigstens tendenziell besser werden. Und nun ist er, wie Peter Winnemöller schreibt, als "Reisender in Sachen Bistumsreform" unterwegs: "Wäre er Staubsaugervertreter, hätte ich ihm bis dato nicht einmal einen Staubsaugerbeutel abgekauft, von einem neuen Gerät ganz abgesehen." Das hier gewählte Bild erinnert an ein berühmtes Wahlkampfplakat aus dem Jahr 1960, das ein unvorteilhaftes Foto des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Richard Nixon mit dem Satz "Würden Sie diesem Mann einen Gebrauchtwagen abkaufen?" kombinierte. – Ich betone zwar immer wieder gern, Bischöfe seien keine Politiker und sollten auch nicht wie solche agieren, aber mindestens eines haben sie doch mit Politikern gemeinsam: Es kommt nicht nur darauf an, welche Positionen sie vertreten, sondern auch darauf, wie glaubwürdig sie dabei wirken. Und in dieser Hinsicht macht ein großer Teil unseres Episkopats, gelinde gesagt, keine besonders glückliche Figur.
Zum Nachfolger von Udo Bentz als Weihbischof im Bistum Mainz hat Papst Leo jetzt übrigens den aus Indien stammenden Ordenspriester Joshy George Pottackal OCarm ernannt. Dass ein gebürtiger Inder in Deutschland Bischof wird, ist ein Novum mindestens der neueren Kirchengeschichte, daher verwundert es nicht, dass diese Personalie allerlei Aufmerksamkeit auf sich zieht. Als ich auf der Facebook-Seite des Bistums Limburg das wie üblich grinsende Konterfei des dortigen Bischofs Bätzing sah, garniert mit der Aussage, er freue sich über die Ernennung des neuen Weihbischofs im Nachbarbistum, konnte ich es mir nicht verkneifen, zu kommentieren: "Ich finde ja, man sollte den Mann nicht schon öffentlich beschädigen, bevor er sein Amt auch nur angetreten hat." Das provozierte natürlich irritierte Nachfragen, woraufhin ich erläuterte, von Bätzing gelobt zu werden "dürfte so ziemlich das Schlimmste sein, was einem Bischof passieren kann". – Den Widerspruch, den ich darauf ernetete, fand ich in seiner Vehemenz überraschend:
"Bätzing ist mutig, schwimmt gegen den Strom, macht sich stark für die Ausgegrenzten und Diskriminierten. Rampenlicht und Beifall aus Rom interessieren ihn nicht. Das alles ehrt ihn."
Also, da halte ich es ja mit Luke Skywalker:
Im Ernst: Mir ist durchaus klar, dass Leute, die die Agenda des Synodalen Weges – oder anders ausgedrückt: die Dekonstruktion von Amt und Sakrament und die Unterwerfung der christlichen Anthropologie unter das Diktat der Gender-Ideologie – gut und richtig finden, das Wirken von Bischof Bätzing, gerade auch in seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, anders beurteilen als ich. Aber ich hätte doch gedacht, auch diese Menschen müssten wahrnehmen, dass Bätzing beim Vertreten der Positionen, die er nun mal vertritt, eine eher klägliche Figur macht, und würden ihn daher eher unter dem Gesichtspunkt "Einen besseren haben wir nun mal nicht" unterstützen, als dass sie ihn wirklich für genau den richtigen Mann auf seinem Posten hielten. Tja, war wohl ein Irrtum.
Und was sagt derweil der Bischof von Mainz, Peter Kohlgraf, zu "seinem" neuen Weihbischof? "In der Weltkirche ist niemand fremd", erklärte er mit Blick auf Pottackals Herkunft – was einen Kommentator auf Facebook zu der recht hellsichtigen Bemerkung veranlasste: "Wer die Herkunft zum Thema macht, meint wohl selbst, die Herkunft sei ein Thema." Irgendwie muss ich dabei unwillkürlich an Formulierungen in Arbeitszeugnissen denken, die für den unbefangenen Betrachter positiv aussehen, in Wirklichkeit aber das Gegenteil bedeuten. Und genau diesen Eindruck einer gewissen Diskrepanz zwischen dem Wortlaut seiner Aussagen und dem, was er in Wirklichkeit damit sagen will, habe ich bei Bischof Kohlgraf öfter. Das ging mir schon bei seiner Stellungnahme zur "Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung" (KMU) von 2023 so, und jüngst wieder mit seiner Predigt zum Hochfest Mariä Empfängnis. Diese Predigt würde grundsätzlich wohl eine detailliertere Auseinandersetzung verdienen, nicht zuletzt unter dem Aspekt, dass sie durchaus Aussagen enthält, die ich als im Prinzip richtig oder zumindest potentiell richtig einordnen würde; vielleicht komme darauf an anderer Stelle noch zurück. Hier und jetzt möchte ich mich auf die Feststellung beschränken, dass der Bischof von Mainz in dieser Predigt einen zugleich beleidigten und defensiven Eindruck macht – was mir vielleicht deshalb besonders auffällt, weil ich diesen Tonfall vom Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd so gut kenne. Wenn Bischof Kohlgraf den angeblich "immer wieder" gegen ihn "und andere Bischöfe in Deutschland" erhobenen Vorwurf, "dass wir nicht mehr katholisch seien", vollmundig als "Unsinn" zurückweist, ist das im Wesentlichen ein Strohmannargument, mit dem er einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem eigentlich gemeinten Vorwurf ausweicht, einige Bischöfe verträten – gerade im Zusammenhang mit den Beschlüssen des Synodalen Weges – Positionen, die nicht im Einklang mit der katholischen Lehre stehen. Die Vermeidung einer Auseinandersetzung mit dieser Kritik setzt sich fort in dem wohl meistzitierten Satz aus dieser Predigt:
"Katholisch ist nicht der, der den anderen die Glaubenswahrheiten und die Morallehre wie einen Lappen um die Ohren haut, sondern der versucht, den anderen Menschen zu verstehen."
Nicht inhaltliche Positionen werden hier als das Kriterium des Katholischen ausgemacht, sondern die Haltung, mit der man diese vertritt. Eine treffende Erwiderung darauf hat die Initiative Maria 1.0 auf Facebook und Instagram veröffentlicht:
"Nicht um die Ohren schlagen… ja, gut. Franz von Sales sagt, man solle die bittere Medizin mit einem Löffel Honig verabreichen. Aber man darf die Medizin auch nicht weglassen und nur den Honig verabreichen."
In derselben Stellungnahme weist Maria 1.0 auch darauf hin, dass Bischof Kohlgraf in seiner Predigt ja sehr wohl bekräftige, "dass es eine unveränderliche Wahrheit gibt". Dennoch scheint er jene, die sich um die Treue der Kirche zu dieser ewigen Wahrheit sorgen und dabei womöglich mal übers Ziel hinausschießen, als das größere Problem zu betrachten als die, die diese ewige Wahrheit leugnen, über Bord werfen wollen oder schlicht ignorieren. – Ich bin geneigt, die Grundhaltung dieser Predigt als ein Buhlen um Beifall von der falschen Seite zu bezeichnen; und das ist eine Haltung, die man an Vertretern der kirchlichen Hierarchie (nicht nur) hierzulande immer öfter beobachten kann. Man wird wohl einräumen müssen, dass dies eine Versuchung ist, der auch solche Amtsträger unterliegen können, die eigentlich gute Absichten haben – denen aber ein durch und durch verweltlichter institutioneller Apparat im Nacken sitzt, ohne den sie nicht arbeiten können und gegen ihn erst recht nicht.
Vom Gesamteindruck her erinnert mich das übrigens an etwas, worüber ich schon seit Jahren mal bloggen wollte, aber bisher nie so richtig den Dreh gekriegt habe: Man könnte sicherlich eine Menge über die Unterwanderung des institutionellen Apparats der Kirche durch die 68er-Bewegung (Stichwort: "Langer Marsch durch die Institutionen") sagen, aber immer öfter habe ich den Eindruck, das Hauptproblem ist, dass aus dem Spektrum dessen, was man mit "68" assoziiert, vorrangig die Laschen und die Lauen, die Spießer und die Langweiler in den kirchlichen Institutionen gelandet sind. Wenn sie ein bisschen mehr Mumm, mehr Feuer und mehr missionarischen Eifer gehabt hätten, wären diese Leute zur RAF gegangen oder hätten wenigstens ein Haus besetzt, statt Pastoralreferenten zu werden oder sich in den Pfarrgemeinderat wählen zu lassen. – Das ist jetzt natürlich etwas überspitzt formuliert, aber einen wahren Kern hat es doch, davon bin ich überzeugt. Deshalb ist es auch alles andere als zufällig, dass der deutsche Verbands- und Gremienkatholizismus unserer Tage – ebenso wie seine evangelisch-landeskirchlichen Pendants – von allen politischen Kräften im Land gerade den Grünen am nächsten steht: Wenn es schon nicht buchstäblich dieselben Leute sind, die da wie dort den Ton angeben, stammen sie doch aus demselben Milieu, haben ähnliche Mentalitäten und eine ähnliche Geschichte. Wer Erfahrungen mit kirchlicher Gremienarbeit hat und sich aus so konträren Quellen wie Christian Y. Schmidts Joschka-Fischer-Biographie "Wir sind die Wahnsinnigen", Svende Merians "Tod des Märchenprinzen" oder der Autobiographie des Öko-Esoterik-Gurus Baldur Springmann über die Parteigründungs-(Vor-)Geschichte der Grünen beliest, wird staunen, was er da strukturell so alles wiedererkennt. Na, auch dazu vielleicht mal bei einer anderen Gelegenheit mehr.
Geistlicher Impuls der Woche
Gott hat die eine Zeit bestimmt für Seine Verheißungen und die andere Zeit für deren Erfüllung. Die Zeit der Verheißungen reichte von den Propheten bis zu Johannes dem Täufer; von da an bis zum Ende reicht die Zeit, in der die Verheißungen erfüllt werden. Gott ist treu; Er hat sich selbst zu unserem Schuldner gemacht, nicht dadurch, dass Er von uns etwas angenommen hätte, sondern dadurch, dass Er uns so Großes versprach. Gott versprach ewiges Heil, ein seliges Leben mit den Engeln ohne Ende, ein unverwelkliches Erbe, immerwährende Herrlichkeit, das selige Schauen Seines Angesichts, das Wohnrecht in Seinem heiligen Himmel, und durch die Auferstehung der Toten versprach Er das Ende der Angst, noch einmal sterben zu müssen. Das ist gleichsam Sein endgültiges Versprechen, auf das wir uns ganz ausrichten, und wenn wir dahin gekommen sind, wollen wir nichts weiter suchen, nichts weiter erbitten. Dem Menschen hat Er die Gottheit versprochen, Sterblichen die Unsterblichkeit, Sündern die Rechtfertigung, Verworfenen die Verherrlichung. Aber den Menschen schien unmöglich, was Gott versprach, dass nämlich aus Sterblichkeit, Hinfälligkeit, Verworfenheit, Schwachheit, aus Staub und Asche Menschen werden sollen, die den Engeln gleichen. So setzte Er einen Mittler Seiner Treue ein, nicht irgendeinen Fürsten, einen Engel oder Erzengel, sondern Seinen einzigen Sohn, um durch ebendiesen Sohn darzutun, auf welchem Weg Er uns zu dem versprochenen Ziel führen werde. Es war Gott zuwenig, Seinen Sohn zum Wegweiser zu machen; Er machte Ihn selbst zum Weg, damit Er dich beim Gehen leitet, während Er selbst einherschreitet aus eigener Kraft. So sollte also der einzige Sohn Gottes zu den Menschen kommen und den Menschen annehmen. Durch das, was Er annahm, sollte Er Mensch werden, sterben, auferstehen, in den Himmel aufsteigen, zur Rechten des Vaters sitzen und an den Völkern Seine Verheißungen erfüllen.
(Augustinus, Auslegung zu Psalm 110)
Ohrwurm der Woche
Simply Red: Stars
Steht die Geschmackspolizei schon mit gezückter Dienstwaffe vor meiner Tür? Ich weiß, manche Leute würden sagen, wäre "Musik für frustrierte Hausfrauen" ein eigenes Genre, dann müsste man Simply Red zu dessen Hauptvertretern zählen. Ich selbst stehe durchaus zu der Auffassung, dass Mick Hucknall ein exzellenter Sänger ist, aber nachdem die Band zunächst vor allem mit Coverversionen von Soul-Klassikern bekannt geworden war, schlug sie in dem 90ern mit der Hinwendung zu Eigenkompositionen und einer zunehmend überkandidelten Selbstinszenierung Hucknalls als flamboyanter und zugleich tragischer Liebhaber einen Kurs ein, der oft hart am Rande der Peinlichkeit segelte. Meine persönliche Faustregel lautet: "Stars" (1991) geht noch, "Fairground" (1995) ist schon drüber. Seinen Status als Ohrwurm der Woche verdankt "Stars" dem Umstand, dass der Song neulich in der Lobby der Kampfsportschule unseres Jüngsten lief, und da fiel mir auf, dass ich eine bestimmte Textstelle immer und immer falsch verstanden hatte: "A lover's promise never came with the Navy". Okay, vielleicht eine etwas ungewöhnliche Metapher, aber für mein Empfinden doch überzeugend genug, um sie nie ernsthaft zu hinterfragen. Tatsächlich lautet der Vers aber "A lover's promise never came with a maybe". Ach so, na dann. – Übrigens finde ich, das Video weckt durchaus weihnachtliche Assoziationen: Seinem Stern folgend, zieht Mick Hucknall als Heiliger Dreikönig durch die Wüste und bringt den Hörern Gold, Weihrauch und Myrrhe mit. Oder so.
Vorschau/Ausblick
Heute war die dritte (und vorletzte!) Probe für das diesjährige Krippenspiel in St. Stephanus Haselhorst – allerdings aus bereits geschilderten Gründen erst die zweite, an der wir teilnahmen; davon wird im nächsten Wochenbriefing sicherlich noch die Rede sein. Am morgigen 3. Adventssonntag ist nicht nur Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt (und nebenbei auch Krippensegnung), sondern zudem, am Nachmittag bis gegen Abend, der "Waldadvent" der KPE-Pfadfinder im Düppeler Forst, und ich glaube, das könnte ein ziemlich tolles Erlebnis werden.
Und dann beginnt auch schon die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Weihnachtsferien! Folgerichtig ist so gut wie jeden Tag irgendwas Besonderes los, ständig findet irgendwas "zum letzten Mal vor Weihnachten" statt – z.B. JAM am Mittwoch. In der evangelischen KiTa des Jüngsten gibt's am Freitag eine Weihnachtsfeier, an der säkularen Schule des Tochterkindes dagegen offenbar nicht; aber "gewichtelt" wird da trotzdem, also müssen wir noch ein Geschenk im Wert von bis zu 5 € besorgen. Auch sonst sollten bis dahin die wesentlichen Weihnachstvorbereitungen mach Möglichkeit erledigt sein... Hoffen wir mal das Beste!





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