Willkommen zu einem thematisch ausgesprochen bunten Wochenbriefing, Leser! Derzeit herrscht bei mir wahrhaftig kein Mangel an "Stoff zum Bloggen"; tatsächlich konnte ich aus Zeit- und Platzgründen gar nicht alles in diesem Artikel unterbringen, was ich gern thematisiert hätte, aber Manches davon wird sich wohl nachholen lassen. Ein schönes Fotomotiv fürs Vorschaubild ist mir in der zurückliegenden Woche hingegen nicht über den Weg gelaufen, daher habe ich auf mein Archiv zurückgegriffen:
Dritter Fastensonntag in Siemensstadt
Am Sonntag fuhren wir erneut nach St. Joseph Siemensstadt zur Messe, die wieder von dem Pfarrvikar zelebriert wurde, den ich vorige Woche als "meine[n] Lieblings-Prediger unter den örtlichen Geistlichen" gewürdigt hatte. Die Erstkommunionkinder waren diesmal wieder (etwas) zahlreicher vertreten, und so war der erste Teil der Predigt, ungefähr fünf Minuten, wieder speziell an sie gerichtet. Als Evangelium wäre in Lesejahr C eigentlich Lukas 13,1-9 an der Reihe gewesen, das Massaker an den Galiläern, der Einsturz des Turms von Schiloach und das Gleichnis vom Feigenbaum; und ich hatte mich schon auf eine Predigt zum Gleichnis vom Feigenbaum gefreut, da ich dieses als einen zentralen Text zum Thema Gemeindeerneuerung betrachte. Der Pfarrvikar entschied sich jedoch stattdessen für das Evangelium aus Lesejahr A, die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Kurzfassung: Johannes 4,5-15.19b-26.39a.40-42). Meine Enttäuschung darüber hielt indes nicht lange vor, denn auch zu dieser Perikope hatte der Pfarrvikar manches zu sagen, was man als Impuls für unsere aktuellen Pläne in Sachen "Pfarrhausfamilie" auffassen konnte. Zunächst einmal: Jesus geht "nach Samarien, er bleibt nicht im frommen Judäa", sondern geht bewusst dorthin, wo er weiß, dass er im Grunde unerwünscht ist. Sodann: Was die Juden von den Samaritern trennt – nicht das, was sie in ihrem Glauben voneinander unterscheidet, aber was den alltäglichen Umgang miteinander be- oder sogar verhindert – ist eine "Mauer von Nebensächlichkeiten"; "deswegen müssen wir in der Kirche aufpassen: Was ist wichtig und was ist nicht wichtig." Und weiter:
"Wir sind gewohnt, von einer Volkskirche zu kommen, wo alles perfekt ist, alles wunderbar – obwohl es nicht stimmt – und sozusagen hinter unseren Mauern zu bleiben. Denn es ist viel einfacher, sich hinter der Fassade zu verstecken, als sich auszusetzen."
In diesem Zusammenhang erwähnte der Pfarrvikar auch, es gebe in der Spandauer Pfarrei in dieser Osterzeit "eine ganze Menge von Erwachsenentaufen", "auch viele Jugendliche": "Wir leben in einer spannenden Zeit." Auch für das nächste Jahr gebe es schon jetzt sechs oder sieben Anmeldungen zum Taufkurs:
"Das heißt, wir haben Leute, die nach der Taufe fragen, und wir in der Kirche müssen eine Sprache lernen und eine Form lernen, mit den Leuten zu reden außerhalb unserer Schablonen. Das war schon immer das Problem der Kirche."
Die Predigt endete mit dem Aufruf, die Fastenzeit vor Ostern als eine "Verlobungszeit" aufzufassen, in der es darum gehe, "die Tiefe Seiner Liebe zu verstehen und zu verstehen, zu welcher Schönheit und Größe Er uns beruft." –
Übrigens erfuhr ich vom Gemeindereferenten, dass er für den Samstag vor Palmsonntag einen Einkehrtag für Jugendliche plant; er deutete an, ich könnte mich da, wie man so sagt, "einbringen", zum Beispiel was die musikalische Gestaltung angeht. "Solange du noch hier bist, muss ich das ja ausnutzen", merkte er augenzwinkernd an. – Ich signalisierte Interesse und erhielt am nächsten Tag einen Konzeptentwurf für den Jugendeinkehrtag per Mail; sieht schon mal recht vielversprechend aus, finde ich. Mehr dazu zu gegebener Zeit!
Währenddessen in Reinickendorf-Süd
Vergangenen Samstag, während meine Liebste mit den Kindern im Zoo war, nahm ich – wie ich es schon öfter getan hatte, wenn ich samstags vormittags "frei hatte" – in Herz Jesu Tegel an der Rosenkranzandacht der Legio Mariae teil. Anschließend warf ich noch einen Blick auf das Büchertauschregal im Vorraum der Besuchertoilette – und entdeckte dort zu meinem Ärger dieses Schild:
Regelmäßige Leser werden wissen, dass ich dieses Büchertauschregal immer erwähne, wenn es darum geht, welche bleibenden Früchte das Engagement hervorgebracht hat, das meine Liebste und ich fünf Jahre lang in die Tegeler Gemeinde investiert haben. Und jetzt fahren die Spießer aus dem Förderverein das auch noch an die Wand – und noch nicht mal aus böser Absicht, sondern einfach, weil ihnen das grundsätzliche Verständnis für Graswurzelarbeit abgeht. Echt, ich könnt' mich schon wieder aufregen.
Am Mittwoch wurde die reguläre Werktagsmesse in Heiligensee als Requiem für ein verstorbenes Gemeindemitglied gefeiert, und tatsächlich handelte es sich dabei um jemanden, den ich gekannt hatte – hauptsächlich daher, dass er zu der Zeit, als ich in Herz Jesu Tegel aktiv war, dort zeitweilig ehrenamtlich im Pfarrbüro aushalf. Die Nachricht von seinem Tod hatte mich ziemlich überrascht, da ich ihn noch vor ein paar Wochen beim Gemeindefrühstück in Heiligensee gesehen hatte und er mir ausgesprochen gesund und munter vorgekommen war, mehr als einige andere Leute aus der Stammbesetzung dieser Veranstaltung. Aber mit dem Sterben ist es wohl wie mit vielen Dingen, es trifft nicht immer die, von denen man es erwarten würde. Wie ich im Zuge des Requiems erfuhr, war der Verstorbene 95 Jahre alt gewesen – ich hätte ihn mindestens zehn Jahre jünger geschätzt –, und sein Tod war tatsächlich ganz plötzlich und unerwartet gekommen. Die kleine Kirche war jedenfalls voll: Neben zahlreichen Familienangehörigen des Verstorbenen waren auch einige Ehrenamtliche aus der Tegeler Gemeinde gekommen, ein Enkel des Verstorbenen ministrierte, ein Organist und ein kleiner Chor gestalteten die Messe musikalisch. Zelebriert wurde das Requiem vom Pfarrer, der auch eine kurze Predigt hielt – wobei er allerdings betonte, die eigentliche Gedenkansprache für den Verstorbenen werde Pater Mephisto bei der Beerdigung halten. Die Predigt des Pfarrers stellte demgegenüber einem Versuch dar, etwas zu den Lesungstexten vom Tag (1. Lesung: Deuteronomium 4,1.5-9; Evangelium: Matthäus 5,17-19) zu sagen und dabei gleichzeitig einen Bezug zur Persönlichkeit des Verstorbenen herzustellen. Als Aufhänger nutzte er dabei die Tatsache, dass der Verstorbene das vom Jesuitenorden geführte Canisius-Kolleg besucht hatte – ebenso wie er selbst ein paar Jahrzehnte später auch; womit es dem Pfarrer wieder einmal gelang, nicht zuletzt sich selbst zum Thema seiner Predigt zu machen. Der "jesuitischen Erziehung", die sie beide genossen hätte, sage man ja so Manches nach, meinte er: "eine gewisse Schläue, auch eine gewisse Freiheit, aber natürlich durchaus auch das Ernstnehmen dessen, was hier in der Bibel steht". So möchte er sich selbst gern sehen, der Pfarrer von St. Klara; ich sag mal lieber nicht viel dazu, nur dies: Sein Problem ist, dass er sich mit diesem Anspruch permanent selbst überfordert, nicht zuletzt deshalb, weil er leider nicht so intelligent ist, wie er gern wäre. Was er in knapp sechs Minuten über "das Gesetz und die Propheten" auszuführen versuchte – angefangen davon, der Lehre Jesu die starre Gesetzlichkeit der Pharisäer gegenüberzustellen, was ja geradezu ein locus classicus des liberalen Christentums ist, über Fachsimpeleien zu verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten von Schlüsselbegriffen des hebräischen bzw. griechischen Urtexts bis hin zum schon fast zwanghaften Ausweichen auf politische Themen (so verwies er zum Stichwort "Gesetz" einerseits auf "kleinkarierte" EU-Verordnungen, betonte aber andererseits, "wie ein Rechtsstaat auch helfen kann, den Menschen wirklich Recht zu verschaffen" – und "wir haben genug Beispiele in der Geschichte, in der Gegenwart, wo der Rechtsstaat mit Füßen getreten wird") – ist im Grunde ein sehr illustratives Beispiel dafür, aber das nun im einzelnen zu analysieren, habe ich hier nicht die Zeit und den Platz. Vielleicht ein andermal.
Das Gemeindefrühstück fiel wegen der Beerdigung aus; statt zum Friedhof mitzugehen, machten mein Jüngster und ich lieber eine Snackpause beim Bäcker.
Nach Reinickendorf-Süd gehören auch unsere "Beten mit Musik"-Andachten in St. Joseph Tegel, und davon hatten wir in der zurückliegenden Woche zwei, am Dienstag und am Freitag. Am Dienstag war das Hochfest der Verkündigung des Herrn, da wollte ich unbedingt eine Andacht abhalten und ließ mich auch dadurch, dass das einzige dafür in Frage kommende Zeitfenster ausgerechnet in die Mittagsschlafzeit des Knaben fiel, nicht davon abhalten; tatsächlich schlief er wieder einmal auf dem Weg zur Kirche ein und wachte auch von der Musik nicht auf. Dafür war er aber am Freitag umso engagierter bei der Sache, tanzte vor dem Altar wie weiland König David vor der Bundeslade und benutzte einen Lolli als Mikrofon-Attrappe; eigentlich hätte man das filmen sollen, aber mit meinem Handy kann ich nicht gleichzeitig Musik abspielen und Videos aufnehmen.
Neues vom Schulkind
Die Frage, wie zufrieden wir mit der freien Alternativschule sind, die unser Tochterkind besucht – eine Frage, der ich mich hier zuletzt in den Herbstferien ausführlich gewidmet habe – hat in letzter Zeit eine neue Aktualität gewonnen, nicht zuletzt deshalb vor dem Hintergrund der Überlegung, dass ein Wegzug aus Berlin (sofern es denn dazu kommt) auch einen Schulwechsel unvermeidlich machen würde. Offensichtlich ist, dass für das Tochterkind die Aussicht, nicht mehr auf diese Schule gehen zu können, das stärkste Argument gegen einen Umzug darstellt; aus Elternsicht ist das, bei aller Wertschätzung für diese Schule, ihre Mitarbeiter und ihr Lernkonzept, nicht ganz so eindeutig. Auf der einen Seite stellt sich nach eineinhalb Schuljahren durchaus gelegentlich die Frage, ob eine Schule, die etwas mehr Wert auf Disziplin und Struktur legt und in der das Lernen nicht ganz so selbstbestimmt ist, unser Tochter nicht vielleicht ganz gut tun könnte, auf der anderen Seite machen wir uns aber auch Gedanken, wie man dafür Sorge tragen könnte, dass der Wechsel an eine Schule mit erheblich weniger freiem Unterrichtskonzept nicht allzu hart für sie wird. Mit Blick darauf haben wir uns auch schon über Schulen an unserem potentiellen zukünftigen Wohnort informiert, die vielleicht einen Mittelweg zwischen ihrer jetzigen und einer "stinknormalen Regelschule" bieten könnten.
Derweil hatten wir in den zurückliegenden Wochen ein paar Erlebnisse, die ein recht buntes Bild von den Kompetenzen ergeben, die unserer Tochter an ihrer Schule vermittelt und nicht vermittelt werden. Zum einen hatte unser Jüngster ja gerade Geburtstag, und in dem Geburtstagspaket, das meine Mutter uns zu diesem Anlass schickte, fand sich auch ein kleines Geschenk für die große Schwester: ein "Lern- und Übungsblock für die 2. Klasse" mit Übungsaufgaben zum Lesen, Schreiben und Rechnen. Und kaum hatte sie diesen ausgepackt, fing unsere Tochter auch schon an, mit Leichtigkeit und Freude diese Aufgaben zu bearbeiten. Damit nicht genug, fing sie am nächsten Tag an, sich selbst Rechenaufgaben auszudenken und in ihr Notizbuch zu schreiben.
Auf der anderen Seite erhielt ich am Montag gegen Mittag einen besorgten Anruf aus der Schule: Eine Freundin unserer Tochter hatte aus Pilzen, die an einem Baumstumpf auf dem Schulgelände wuchsen, eine "Suppe" zubereitet – nur als Spiel natürlich, aber ein paar Kinder, darunter auch unsere Tochter, hatten tatsächlich davon gegessen und daraufhin Bauchschmerzen bekommen. Als ich in der Schule ankam, um meine Tochter abzuholen, ging es ihr schon wieder besser, aber ich wollte der Sache doch lieber auf den Grund gehen und rief daher das Gifttelefon der Charité an. Dort hing ich erst mal ewig in der Warteschleife ("Gut, dass das nicht der Kreissägenverletzungs-Notruf ist – da wäre so eine Wartezeit schon grenzwertig", murrte ich vor mich hin), und dann erklärte mir der freundliche Mitarbeiter, die Giftnotrufzentrale kenne sich zwar mit allen Arten von Giftstoffen aus, also auch mit Pilzgiften; um Pilze zu bestimmen, also erst einmal zu klären, ob es sich um einen Giftpilz handelt und, wenn ja, was für Toxine er enthält, müsse er mich jedoch zunächst an einen externen Pilzexperten verweisen. Er gab mir zwei Telefonnummern von Pilzexperten, die ehrenamtlich mit der Giftnotrufzentrale zusammenarbeiten; zunächst erreichte ich beide nicht, aber einem konnte ich immerhin auf die Mailbox sprechen und bekam dann ziemlich bald einen Rückruf. Der Pilzexperte stellte einige Fragen, ließ sich ein Foto des betreffenden Pilzes, das ich vorsorglich aufgenommen hatte, per WhatsApp schicken, und gab dann Entwarnung: Diese Art von Pilzen sei an sich nicht giftig; essen sollte man sie trotzdem nicht, da die Möglichkeit besteht, dass sie Schadstoffe einlagern, um sich selbst vor Schädlingen zu schützen, und dies könnte dazu führen, dass nach dem Verzehr Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall aufträten – eine Pilzvergiftung im eigentlichen Sinne sei das aber nicht, und wenn innerhalb von zwei Stunden nach dem Verzehr keine schlimmeren Symptome aufgetreten seien als leichte Bauchschmerzen, sei auch nicht mehr mit etwas Schlimmerem zu rechnen. Na, da haben wir ja mal wieder was gelernt – unter anderem hoffentlich auch, dass man nicht einfach irgendwas essen sollte, wovon man nicht verlässlich weiß, dass es essbar ist...
Und heute hatte das Tochterkind in einer Schulaufführung von "Peter Pan" eine kleine Rolle als Mond. Allerdings erst nach Redaktionsschluss, weshalb ich hier noch nichts Genaueres darüber berichten kann. Aber stolz bin ich schon im Voraus: Nach ihrem Auftritt als "Engel 2" im Krippenspiel in St. Stephanus ist das ihre zweite Bühnenrolle...
Gott als Vater: Ein paar Schlaglichter aus dem JAM-Elterncafé
Am Mittwochnachmittag waren wir wieder beim JAM, die Schulfreundin unserer Großen, die seit November schon mehrmals mit dabei war, kam auch wieder mit, und während in der Kinderkatechese die Passionsgeschichte fortgesetzt wurde, entschied ich mich nach einigem Abwägen dafür, diesmal wieder am Elterncafé teilzunehmen, wo es um das Thema "Gott als Vater" gehen sollte. Wenn ich meinen Gesamteindruck dahingehend zusammenfasse, dass ich mir von dem Thema mehr versprochen hätte, muss ich mir eigentlich gleich selbst ins Wort fallen und mich fragen, worauf sich diese Erwartung eigentlich stützte; denn dass dem geneigten Publikum im Wesentlichen ein bunter Strauß an Bibelzitaten präsentiert wurde, zu denen dann jeder, dem etwas dazu einfiel, seine Assoziationen äußern durfte und sollte, kenne ich von meinen wenigen bisherigen Teilnahmen am Elterncafé eigentlich kaum anders. Und dann gab's noch nicht mal Kekse. Ich glaube, nächstes Mal bleibe ich lieber wieder bei der "Kids"-Katechese.
Ein paar Details möchte ich hier dennoch festhalten, da sie, wie ich finde, ganz gut illustrieren, dass es Momente gibt, in denen man sich als Katholik in einem evangelikalen Bibelkreis doch nicht so recht zu Hause fühlt. So stolperte ich über die Aussage der Leiterin, Christ werde man nicht dadurch, dass einem als Säugling ein bisschen Wasser über den Kopf gegossen bekäme; im Stillem dachte ich "Öööh... doch!!", sagte aber nichts dazu, da für eine Debatte über die Kindertaufe und letztlich über das Sakramentenverständnis hier offenkundig nicht der richtige Rahmen war und es auch nichts gebracht hätte, dieses Fass aufzumachen. – Dass die Elterncafé-Leiterin zudem an einer Stelle ganz überflüssigerweise ihre antikatholischen Ressentiments durchblicken ließ, indem sie etwas sagte wie "Um von Gott Vergebung zu erlangen, muss man nicht auf den Knien nach Rom rutschen", wäre mir völlig entgangen, wenn meine Liebste es nicht auf dem Nachhauseweg erwähnt hätte; offenbar hatte ich in dem Moment gerade nicht zugehört. Aber geschenkt. Viel interessanter fand ich die Reaktionen und Nicht-Reaktionen auf eine Wortmeldung meiner Liebsten zu Markus 10,14 ("Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran!"): Sie wies darauf hin, dass das Wort für "Kinder", das Jesus hier verwende, Säuglinge und Kleinkinder einschließe, und folgerte daraus, auch Kinder, die noch so klein sind, dass sie "sowieso nichts mitkriegen", und noch kein Konzept davon haben, "wie man sich in der Kirche benimmt", hätten einen legitimen Platz im Gottesdienst (und nicht nur in der parallelen Kinderbetreuung). Das ist in einem freikirchlichen Setting natürlich eine gewagte Aussage, denn wenn der Gottesdienst im Wesentlichen aus einer Predigt mit etwas Rahmenprogramm besteht, ist es ja tatsächlich nicht so leicht einzusehen, was jemand, der (noch) nicht in der Lage ist, der Predigt zu folgen, "da soll". Somit war es recht bezeichnend, dass niemand etwas dazu sagte – wobei aber doch zu bemerken war, dass einige Eltern, die Kinder im Teenageralter (oder knapp darunter) haben, wissend bis betroffen nickten, als meine Liebste ausführte, irgendwie müsse man die Kinder schließlich auch darauf vorbereiten, den Übergang von einer kindlichen zu einer erwachsenen Glaubenspraxis hinzukriegen. Nicht direkt als Antwort darauf, aber inhaltlich dennoch passend klagte eine Mutter von drei Söhnen, es werde immer schwieriger, ihre beiden Ältesten dazu zu motivieren, zum Gottesdienst mitzukommen. Was wahrscheinlich ein ganz natürlicher Effekt ist, wenn die Sprösslinge aus dem Programm der "Kinderkirche" herausgewachsen sind und man dann plötzlich von ihnen erwartet, sich eine ellenlange und für Erwachsene konzipierte Predigt anzuhören. (Was man in diesem Zusammenhang allerdings auch erwähnen sollte, ist, dass den Freikirchen ihre Jugendlichen offenbar trotzdem nicht im selben Ausmaß davonlaufen wie den Großkirchen. Das sollte uns dann doch zu denken geben.)
Ein Aspekt, der mir in der ganzen Diskussion ein wenig fehlte – den ich aber auch selbst nicht einbrachte, weil sich irgendwie keine passende Gelegenheit ergab und ich ohnehin schon den Eindruck hatte, meine Liebste und ich beteiligten uns stärker am Gespräch als die meisten anderen – war die Frage, was wir aus unserer eigenen Alltagserfahrung als Eltern über Gott als Vater lernen können. Dazu wäre mir eine Menge eingefallen. Zum Beispiel: Wenn ich die Kinder morgens rechtzeitig wecke, darauf achte, dass sie halbwegs vernünftig frühstücken, halbwegs saubere und dem Wetter angemessene Klamotten anziehen und nicht will, dass sie zwischendurch etwas zu spielen, zu malen oder zu basteln anfangen, dann denke ich oft: Kinder, ich mache das für euch, in eurem eigenen Interesse – warum beschwert ihr euch? Und dann denke ich manchmal: Wahrscheinlich denkt Gott dasselbe über mich.
Wie war das mit "dummdreist und tantig"?
Das Echo auf mein voriges Wochenbriefing hat mich einigermaßen überrascht, Freunde: Die Zugriffszahlen waren durchaus überdurchschnittlich und es gab auch erfreulich viele Leserkommentare, aber womit ich nicht gerechnet hätte, war, dasss diese sich fast ausschließlich um das Thema "musikalische Gestaltung von Kinder-, Jugend- bzw. Familiengottesdiensten" drehten. Dabei hätte ich gedacht, dass andere Inhalte dieses Artikels weit mehr zu kontroversen Debatten einlüden; wozu es nicht zuletzt gehört, dass ich es gewagt habe, einen Beitrag aus der Zeitschrift Communio als "dummdreist und tantig" zu bezeichnen. Da hätte ich ja nun mit dem einen oder anderen Ordnungsruf gerechnet, gerade aus dem, sagen wir mal, "volkskirchlich-konservativen" Lager, das den Ansichten der Verfasserin tendenziell mehr Sympathie entgegenbringen dürfte als ich. Auch wenn das möglicherweise ein Missverständnis wäre – aber jetzt greife ich mir vor.
Also mal der Reihe nach: Der Artikel, um den es geht, heißt "Glaube als Event?", und wie ich vorige Woche schrieb, wird darin der "Normalbetrieb der abnippelnden Volkskirche als angebliche 'normale katholische Spiritualität' gegen 'Großevents, Gebetshäuser [und] Influencer-Christentum' verteidigt". Und was hat mich daran nun so sehr geärgert? An und für sich ist es schließlich vollkommen legitim, zu sagen "Ich bin kein Fan von Massenevents, diese poppige Lobpreismusik empfinde ich nicht als andachtsfördernd, überhaupt ist dieses Charismatische nicht mein Ding, und vor allem mag ich es nicht, wenn Leute über religiöse Fragen in einem Tonfall reden, als wären sie Motivationstrainer oder Teleshopping-Präsentatoren". (Full Disclosure: Ersteres und Letzteres gilt für mich selbst auch.) Es ist auch nichts verkehrt daran, wenn jemand mit der Art von religiöser Praxis, die er an einem durchschnittlichen Sonntagmorgen in seiner örtlichen Pfarrkirche erlebt, mehr anfangen kann als mit der Spiritualität mehr oder weniger deutlich charismatisch angehauchten Geistlicher Gemeinschaften oder Gebetskreise. Wenn es sich dabei aber nur um eine Angelegenheit persönlicher Vorlieben oder Neigungen handelte, müsste man sich fragen, aus welcher Motivation heraus bzw. mit welcher Absicht jemand darüber schreibt, und das nicht auf einem privaten Blog, sondern in der doch recht renommierten theologischen Zeitschrift Communio. – Okay: Der Artikel erschien im Rahmen einer Kolumne der Verfasserin, das ist schon ein bisschen so ähnlich wie ein persönlicher Blog. Gleichwohl fand ich schon die Titel-Unterzeile des Artikels einigermaßen dreist: "Meine Frömmigkeit braucht kein emotionales Feuerwerk" – ja also #sorrynotsorry, liebe Verfasserin, aber was geht den geneigten Leser denn deine Frömmigkeit an, bzw. warum glaubst du, sie hätte ihn zu interessieren? Hinzu kommt, dass die Aussage "Ich brauch das nicht" doch sehr herablassend gegenüber jenen klingt, die "das" eben doch zu "brauchen" meinen.
Zu dieser "bedürfnisorientierten" Sichtweise wird zweifellos noch mehr zu sagen sein, halten wir zunächst aber noch fest: Der einzige plausible Grund, einen Artikel des Inhalts "Ich finde xy nicht gut" zu veröffentlichen, ist, dass man dem Leser suggerieren möchte: "Und du solltest das auch nicht". So sehr die Verfasserin sich bemüht, den Anschein von Ausgewogenheit zu erwecken, indem sie "Fundamentalismus"-Vorwürfe an die Adresse der neuen Frömmigkeitsbewegungen lediglich referiert, ohne sie sich zu eigen zu machen, und die hierfür exemplarisch zitierte Kritik der Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer als "überspitzt" bewertet, so unverkennbar legt sie dennoch eine ablehnende Haltung zu "Gebetshäusern, Jüngerschaftsschulen und ähnlichen charismatischen Initiativen" an den Tag. Wohlgemerkt, ich bestreite der Autorin nicht das Recht, in ihrer Kolumne ihre Meinung kundzutun; hingegen nehme ich für mich selbst das Recht in Anspruch, ihre Meinung doof zu finden.
Aber warum nun genau? Wenn die Verfasserin schreibt "Mir reicht die Sonntagsmesse, immer wieder die Beichte oder gelegentliche Wallfahrten", dann kann man ja durchaus sagen, das sei gar nicht so wenig. Damit nicht genug, zündet sie "auch mal eine Kerze auf dem Hausaltar an, wenn jemand in der Familie einen wichtigen Termin hat oder etwas anderes ansteht". Ist doch schön. Warum muss sie diese Frömmigkeitsformen partout gegen andere, mit denen sie eingestandenermaßen nichts anfangen kann, ausspielen? Worum geht es ihr dabei wirklich? – Ich würde sagen, einen recht deutlichen Fingerzeig bietet der Satz "Der Rosenkranz beruhigt meine Nerven, wenn sie es brauchen": Die Verfasserin beurteilt religiöse Praktiken, und letztlich Religion überhaupt, rein nach ihrem Gebrauchswert, und zwar speziell nach ihrem therapeutischen Gebrauchswert. Und diese Sichtweise erscheint ihr offenbar so selbstverständlich, dass sie überhaupt nicht darüber reflektiert oder auf die Idee käme, dass es auch anders sein könnte. An der Oberfläche mag ihre sogenannte Spiritualität "konservativ" aussehen (Beichte, Rosenkranz, Wallfahrten), aber das ist offenbar tatsächlich nicht viel mehr als eine ästhetische Vorliebe; was sich dahinter verbirgt, ist eine zutiefst liberale, subjektivistische Wellness-Spiritualität: Alles kann, nichts muss.
Was die Communio-Kolumnistin hier also tatsächlich gegen den charismatischen Impetus der Gebetshäuser und Jüngerschaftsschulen zu verteidigen sucht, sind – auch wenn sie gern diesen Eindruck erwecken möchte – nicht so sehr die hergebrachten Frömmigkeitsformen der abnippelnden Volkskirche, sondern vielmehr eine "Frömmigkeit, die eint und trägt, aber nicht überfordert. Die ein Wertefundament ermöglicht, auf dem man gut in der Welt bestehen kann und das einem Halt und Haltung gibt. Ist das ein 'Christentum light'?", fragt sie trotzig – worauf ich erwidern möchte: Das ist an und für sich erst mal noch überhaupt kein Christentum, sondern allenfalls Moralistisch-Therapeutischer Deismus. Wenn die Verfasserin dann noch hinzufügt "Ich bin dankbar, dass der Glaube selbstverständlich und unaufgeregt zu einem Teil meiner Biografie werden konnte. Dass er mich nicht extrem vereinnahmt, aber trotzdem stützt. Das wünsche ich auch meinen Kindern", dann denke ich mir, so etwas in der Art habe ich doch schon öfter gelesen. Und mich schon öfter darüber gewundert, dass es Leute gibt, denen dieses "bisschen Religion", das wie ein Sahnehäubchen auf den säkularen Alltag obendrauf kommt, einem ein gutes Gefühl gibt, aber letztlich zu nichts verpflichtet, so wertvoll ist, dass sie das an ihre Kinder weitergeben wollen. Man sollte darüber sicherlich nicht spotten: Gäbe es diese Leute nicht, wo kämen dann wohl Jahr für Jahr die vielen Erstkommunionkinder her? Da liegt ein Potential, mit dem man behutsam umgehen muss. Das geknickte Rohr nicht zerbrechen, den glimmenden Docht nicht auslöschen und so. Die eigentlich spannende Frage ist aber natürlich, was die Eltern wohl sagen, wenn die Kinder religiöser werden als sie selbst...
Und was ist jetzt mit dem Projekt "Pfarrhausfamilie"?
Also, auf gepackten Koffern sitzen wir noch nicht direkt; aber die Anzeichen verdichten sich, dass es tatsächlich klappen könnte – dass wir also ab Herbst auf dem Kirchengrundstück einer (vorerst noch) ungenannten Brandenburgischen Kleinstadt leben und dort so allerlei Projekte zur Gemeindeerneuerung und Neuevangelisierung erproben und weiterentwickeln dürfen. Unlängst habe ich auf der Grundlage früherer Entwürfe ein kleines Konzeptpapier zum Thema "Warum wir Pfarrhausfamilie werden möchten" zusammengebastelt, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, bei eventuellen Bedenkenträgern in der betreffenden Pfarrei Überzeugungsarbeit zu leisten; zu diesem Zweck habe ich mich bemüht, nicht übertrieben ambitioniert, sondern eher pragmatisch und bescheiden (aber gleichzeitig trotzdem visionär) 'rüberzukommen – was mich gleichwohl nicht davon abgehalten hat, so schöne Sätze zu formulieren wie "Eine Familie, die auf dem Kirchengrundstück wohnt und in der Kirche aktiv ist, bildet schon durch ihre alltäglichen sozialen Interaktionen eine natürliche Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft". Mal sehen, ob's was nützt. Einstweilen möchte ich mal all den Leuten zwischen Falls Church/Virginia und Budapest, die für unser Projekt beten, ein herzliches "Vergelt's Gott!" sagen – und gleichzeitig darum bitten, damit nicht nachzulassen. Wir sind noch nicht am Ziel!
Geistlicher Impuls der Woche
Bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheiligt werdet! Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten. Meine Brüder, wenn einer bei euch von der Wahrheit abirrt und jemand ihn zur Umkehr bewegt, dann sollt ihr wissen: Wer einen Sünder, der auf Irrwegen ist, zur Umkehr bewegt, der rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu.
Ohrwurm der Woche
NimmZwei: Mr. Pharao
Dieser Ohrwurm war wohl unvermeidlich, nachdem es in der 1. Lesung der Sonntagsmesse um den Brennenden Dornbusch ging. – Die Gruppe NimmZwei, später infolge eines Rechtsstreits mit dem Süßigkeiten-Hersteller Storck in SuperZwei umbenannt, habe ich in meiner "ersten Fundi-Phase", wie ich sie im Rückblick gern nenne, rauf und runter gehört, vorrangig allerdings ihr Album "Unter 4 Augen" von 1991; als 1993 das Nachfolgealbum "Wir wollen nur deine Seele!" rauskam, war ich schon so halbwegs aus meiner Fundi-Phase raus, und die Band, wie sich zeigte, auch. Ich erinnere mich, seinerzeit eine Rezension von Andreas Malessa (dem Diedrich Diederichsen der evangelikalen Popmusikkritik) gelesen zu haben, in der dieser das Album "Wir wollen nur deine Seele!" sehr zwiespältig beurteilte: Die musikalische Qualität der Platte lobte er, mit den Texten war er jedoch, gelinde gesagt, unzufrieden. Einer der beiden Köpfe von NimmZwei – und zwar derjenige, aus dessen Feder der Text von "Mr. Pharao" stammt, Jakob "Jay" Friedrichs – wurde später Co-Host des "postevangelikalen" Podcasts "Hossa Talk".
Aber wie dem auch sei: "Mr. Pharao" ist in jedem Fall eins der herausragenden Stücke auf "Wir wollen nur deine Seele!", auch wenn bzw. gerade weil es ganz und gar nicht repräsentativ für den Stil des Albums ist. In gewissem Sinne ist es geradezu als kulturhistorisches Dokument anzusehen, insofern, als es unverkennbar eine Reaktion auf den damaligen Aufschwung des Deutsch-HipHop darstellt; man könnte auch sagen, dass es diesen Trend persifliert, bis hin dazu, dass einzelne Textstellen recht deutlich auf den im Jahr zuvor erschienenen Hit "Die da" der Fantastischen Vier anspielen. Im Übrigen enthält der Song Samples aus dem Monumentalfilm "Die Zehn Gebote" mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als Ramses.
Vorschau / Ausblick
Ob wir es heute Abend zur Community Networking Night im Baumhaus schaffen würden, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest; falls ja, wird es darüber nächste Woche zweifellos so allerlei zu berichten geben. Morgen steht jedenfalls der KiWoGo zum "Verlorenen Sohn" auf dem Programm, und ab Montag ist das Tochterkind auf einer Schulfahrt: Wie schon letztes Jahr ungefähr um diese Zeit gibt es wieder eine für die Jahrgangsstufen 1-3 konzipierte "Lernreise". Am Mittwoch erwartet mich außerdem eine digitale Themenkonferenz für die Familienseiten der Tagespost; ich bin gespannt. Außerdem erwarte ich Neuigkeiten in Sachen Pfarrhausfamilien-Projekt...
>> es gebe in der Spandauer Pfarrei in dieser Osterzeit "eine ganze Menge von Erwachsenentaufen",
AntwortenLöschenRandnotiz: Das dürfte übrigens die Ursache für die Samariterin sein. Im Schott (oder alten Gotteslob?) steht jedenfalls, daß am dritten bis fünften Fastensonntag auch in B und C die Texte des Lesejahrs A genommen werden können, „besonders wenn es in der Pfarrei Katechumenen gibt“.
Bekanntlich haben wir in Deutschland in der rk Kirche ein sog. "schmutziges Schisma". Haben Sie und Ihre Frau dieses auch bedacht und auf dem Schirm, wenn Sie nun mit einer Veränderung Ihres Lebensmittelpunkts in eine brandenburgische Diasporagemeinde liebäugelt? Es könnte sonst - auch erst ggf. künftig - unangenehme Überraschungen geben, wenn z.B. Hauptamtliche in der Pfarrei wechseln.
AntwortenLöschenUnd auf dem platten Land ohne vergleichsweise gute Verkehrsverbindungen wie in Berlin, dürfte es schwer werden, solchem elegant auszuweichen und sich Alternativen zu suchen.
Nun, das ist sicherlich alles richtig.
LöschenAber Chancen bedeuten eben immer auch Risiken, wie einem jeder Anlageberater erläutern kann.
Zudem und vor allem: Solange noch nicht sicher ist, ob wirklich etwas daraus wird, will ich den Mund zwar lieber noch nicht zu voll nehmen, aber ich denke doch, die Umstände, die dazu geführt haben, dass diese Option überhaupt im Raum steht, legen den Gedanken nahe, dass Gott uns an diesem Ort haben will. Und wenn das so ist, dann wird Er dort auch für uns sorgen.
Da haben Sie natürlich recht mit Ihrer Antwort. Allerdings könnte es bei einer Entwicklung, wie Sie sie leider in der Tegeler Pfarrei erfahren mussten, in der brandenburgischen Provinz weitaus schwieriger sein als in der Großstadt Erlin, dem angemessen zu begegnen und auszuweichen.
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