Verreckt die Kirche an ihrer Sprache? Das behauptete jedenfalls die zentrale These eines Bestsellers des aufstrebenden Kommunikationsgurus Erik Flügge, mit dem dieser es - wie ein Bekannter, der sicher nichts dagegen hat, ungenannt zu bleiben, es unlängst in einer Diskussion auf Facebook formuliert hat - geschafft hat, "die Kirche mit einer Mischung aus harscher Kritik, Lob und der Versicherung, ihr nur helfen zu wollen, dazu zu bekommen, ihm Geld zu geben". Vielleicht könnte man die Frage aber auch anders stellen: "Verreckt der Kirche ihre Sprache?" Anders gefragt: Krankt die kirchliche Verkündigung tatsächlich daran, dass die Kirche es versäumt hat, ihre Sprache den kommunikativen Gewohnheiten und dem Auffassungsvermögen "des modernen Menschen" anzupassen, oder eher daran, dass ihre Versuche, genau das zu tun, im Ergebnis oft so tragikomisch ausfallen? Das Phänomen, dass durchaus gut- und ernstgemeinte Bemühungen der Kirche um eine "zeitgemäße Sprache" vielfach kaum von Parodien auf ebendiese Bemühungen zu unterscheiden sind, ist ja mindestens seit den 70er Jahren bekannt - wofür Otto Waalkes' fulminantes "Wort zum Montag" ein Paradebeispiel darstellt (ich habe dazu schon mal was in der Tagespost geschrieben).
Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel für solche Bemühungen um "zeitgemäße Sprache" stellt die erstmals 2012 erschienene und seither fortlaufend weiter überarbeitete "Volxbibel" dar. Kostprobe gefällig?
"An einem Tag unterhielten sich zwei Propheten, die beide in einer Propheten-WG wohnten. Der eine sagte ganz plötzlich zum anderen: 'Hau mir in die Fresse!'. Aber der Typ weigerte sich, er wollte ihn nicht schlagen. Der erste Prophet sagte dann: 'Das war ein Befehl von Gott, und du hast ihn nicht ausgeführt! Darum wirst du bei einem Autounfall ums Leben kommen, sobald du von hier verschwindest!' Und tatsächlich: Der Typ ging nach Hause, und auf dem Weg wurde er von einem Auto angefahren und starb noch an der Unfallstelle.
Einige Zeit später traf der Prophet einen anderen Typen. 'Hau mir in die Fresse!', sagte er auch zu dem. Der Mann schlug voll zu, so lange, bis der Prophet blutig am Boden lag.
Dann stellte der Prophet sich auf die Straße, auf welcher der Präsident an diesem Tag vorbeikommen sollte. Er hatte sich einen Verband angelegt, so dass er nicht mehr wie ein Prophet, sondern wie ein Soldat aus dem Krieg aussah.Tatsächlich fuhr der Präsident die Strecke entlang. Er hielt sein Auto an, als er den Typen sah. Nachdem er die Scheibe runtergefahren hatte, sagte der Prophet zu ihm: 'Guten Tag, Herr Präsident! Ich war gerade in einem Kriegsgebiet. Mitten auf dem Schlachtfeld kam ein Soldat vorbei und befahl mir, dass ich auf einen Gefangenen aufpassen sollte. ‚Wenn der fliehen kann, kostet dich das dein Leben, oder du zahlst mir hundertausend Euro, bar auf die Kralle. Ist das klar?‘, sagte er zu mir.'"
Das ist, auch wenn's nicht unbedingt danach aussieht, 1. Könige 20, 35-39. Voll krass, oder? Geht aber noch krasser. Der Netzaktivist und Satiriker Shahak Shapira hat jüngst ein Buch mit dem interessanten Titel "Holyge Bimbel. Storys vong Gott u s1 Crew" auf den Markt gebracht. Darin liest man etwa über den "Towerbau zu Basel", "Adolf U Eva" oder "Jesus Chrispus IVIER: das Impressium schlägt zurück"; und der Schöpfungsbericht nach Genesis 1, der in der Volxbibel noch vergleichsweise zahm daherkam ("Alles fing damit an, dass Gott das ganze Universum gemacht hat. Er bastelte das riesige Weltall zusammen und mittendrin die Erde. Auf der Erde war noch nichts los. Überall war totales Chaos. Es war stockdunkel, alles stand unter Wasser, und es gab noch kein Licht"), liest sich hier so:
"Im Anfang war die Universe leer u schwarz wie 1 coke zero am bimsen, also buildete Gott 1 Earth u 1 Heaven. Aber die Earth war dark wie 1 Berghain u needete 1 Boss-Transformation..."
Nanu, könnte man fragen, was ist denn DA kaputt? Aber keine Panik: Es ist nur eine Übersetzung biblischer Erzählungen in die "VONG-Sprache". Nie vong gehört? Nicht schlimm. Es handelt sich da um einen Sprachtrend aus diesem Internet, der vor allem durch die Facebook-Seite "Nachdenkliche Sprüche mit Bilder" populär gemacht wurde. Die sogenannte "VONG-Sprache" erweckt durch Buchstabendreher, Wortverwechslungen (Malapropismen), Grammatik- und Satzbaufehler, die nicht selten zu zwischen Banalität und Absurdität changierenden Aussagen führen, den Eindruck bildungsferner Dumpfbackigkeit, ist dabei aber in Wirklichkeit hoch artifiziell. Diese Kunstsprache hat Shahak Shapira, der ja wie gesagt unter anderem auch Satiriker ist, nun auf biblische Texte angewandt. Das kann man lustig finden. Man kann es aber auch - wie etwa Dirk von Gehlen in der Süddeutschen Zeitung - für eine evangelistische Meisterleistung halten, gerade noch vergleichbar mit der Lutherbibel. Im Ernst? Durchaus: "Im besten Fall wirkt die 'Holyge Bimbel' auf Bibelleser und auf Netzkenner missionarisch", meint Dirk von Gehlen. Und zwar "in beide Richtungen": "Bibelleser lernen das Netz kennen und Netzkenner kommen in Kontakt mit biblischen Geschichten". Weil das ja normalerweise total voneinander getrennte Welten sind, n'est-ce pas? Grund genug, Shahak Shapira kurzerhand zum "Martin Luther des Internet-Quatsch" zu adeln.
Nun ist Dirk von Gehlen sicherlich zu Gute zu halten, dass er seine Lobsprüche auf Shapiras Werk ganz so ernst wohl doch nicht meint; sein Fazit lautet nämlich, die "Holyge Bimbel" sei "bei aller theoretischen Einordnung vor allem eins: wirklich sehr sehr lustig!" -- Nun, meinetwegen. Allerdings wissen wir ja nun nicht erst seit gestern, dass Humor in offiziellen und halboffiziellen kirchlichen Pressestellen oft ein eher trauriges Thema ist. Der ist meist nämlich umso dünner gesät, je mehr man sich um ihn bemüht. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass in der einen oder anderen kirchlichen Social-Media-Redaktion Leute auf die Idee verfielen, die VONG-Sprache sei der Zug, auf den es dringendst aufzuspringen gelte - nachdem das Übersetzen von Bibelzitaten oder geistlichen Liedtexten in WhatsApp-Bildsymbole, sogenannte Emojis, ja nachgerade schon ein bisschen oll ist. Folgerichtig begrüßte der Twitter-Account des Bistums Mainz seine jugendlichen Diözesanen unlängst zum Schulbeginn mit den Worten:
"Remember: halo Schüler! Au weng du 1 Larry bimst so vong Noten her: Gott <3 di vong Niceigkeit her! Halo I bims deim Bistum M1! 0:) "
Symbolbild; Quelle: Pixabay |
Ich bin nun in der glücklichen Lage, mir jedweden eigenen Kommentar zu dieser Leistung sparen zu können - denn ein Bekannter von mir, der sich für den Gesamtbereich Religion - und somit erst recht für das Eigenmarketing der christlichen Kirchen hierzulande - eher aus unbeteiligter Perspektive interessiert, teilte diesen Tweet kurz darauf auf seiner Facebook-Seite, mit der lakonischen Anmerkung "Kirche im Wandel der Zeit". Und die Reaktionen, die er damit erntete, sprechen in Hinblick darauf, "wie sowas bei den Leuten ankommt", Bände:
"Ich sags ja immer: Weihrauch und Myrrhe sind Einstiegsdrogen!"
"Passt doch: Glauben statt denken."
"Wie peinlich und erbärmlich!"
"Da gibt es viele andere 'moderne' Dinge, die die Kirche sich endlich mal zu eigen machen muss."
"Wie stehen die mittlerweile zu Kondomen?"
"Dazu fällt mir eigentlich nur das Wort 'Idiot' ein."
"Deswegen Atheist."
I rest my case, wie der Angloamerikaner so sagt...
Könnten die Verantwortlichen nicht mal darauf kommen, daß die meisten Menschen sich nach Vernunft, Ordnung und Schönheit sehnen - und genau deshalb nach Religion? Und daß es sinnvoll ist, genau deshalb über die vernünftigste, geordnetste und schönste Religion und dito Konfession in klaren, schönen, verständlichen Worten zu berichten? Wäre ja möglich, oder?
AntwortenLöschenAch nein: "Die jungen Leute verstehen das ja nicht." So ähnlich klingen die Gegenargumente. Und wenn man dann nachhakt: "Wie viele junge Leute haben Sie denn mal gefragt, was sie sich wünschen, und bei wie vielen hast Du mal genau darauf geachtet, was sie verstehen können, und ihnen ein bißchen mehr als das zugemutet, damit sie lernen?" - Schweigen.