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Samstag, 31. Dezember 2016

Weihnachten mit Owie und Harm - Teil 2

Die Christmette in St. Willehad war auf 22 Uhr angesetzt; zuvor hatte es bereits um 15 Uhr eine "Krippenfeier" und um 18 Uhr eine Abendmesse in der kleinen Filialkirche Herz Mariae in Burhave gegeben. "Da müsste für jeden was dabei sein", hatte Pfarrer Jasbinschek beim Kaffeetrinken im Seniorenheim angemerkt. "Mit der Uhrzeit für die Christmette sind natürlich nie alle zufrieden - den einen ist das zu spät, den anderen noch zu früh: Die wären da noch nicht mit dem Essen fertig. Aber wenn man um Sieben anfängt, muss das doch wohl zu schaffen sein..." 

Da es bei uns schon um 18:30 Uhr Abendessen gab, hatten meine Liebste und ich jedenfalls ausreichend Zeit für Festessen und Bescherung und trotz des verlockenden "bunten Tellers" auf dem Gabentisch auch keine ernsthaften Schwierigkeiten, die eucharistische Nüchternheit einzuhalten, und erreichten die Kirche (zu Fuß) gut zehn Minuten vor Beginn der Messe. Vor dem Kirchenportal standen zwei jugendliche Ministranten und verteilten Kerzen an die Eintretenden; diese Kerzen konnte man drinnen am "Friedenslicht von Betlehem" entzünden. 

Als wir die Kirche betraten, wurden wir sehr herzlich von einer Frau aus der Gemeinde begrüßt, die ich im Zuge meiner Berichterstattung über die "Turbulenzen" rund um den Rücktritt von Pfarrer Jortzick kennengelernt hatte. Sie hatte sogar ein kleines Geschenk für meine Liebste und mich -- zu Weihnachten und zugleich wohl auch nachträglich zu unserer Hochzeit. Ich war sprachlos. 

Die oben erwähnten Kerzen hatten übrigens den Nachteil, dass sie sehr leicht von den Kirchenbänken herunterfielen - besonders, wenn der kleine Junge in der Reihe vor uns mit dem Rücken gegen die Bank stieß. Der Vater entschuldigte sich jedesmal dafür. Sehr nette, ziemlich orientalisch aussehende Familie -- der Vater sprach allerdings tadelloses Deutsch, sogar mit ausgeprägtem norddeutschen Akzent. Der kleine Junge war beim Mitvollzug der Liturgie anfangs eifrig bei der Sache, wurde dann aber so müde, dass der Vater ihn schließlich dauerhaft im Arm halten musste. 

Krippe in der Kirche St. Willehad, mit Panorama von Nordenham im Hintergrund. Rechts ist der berüchtigte Rathausturm zu sehen. 

Die Messe begann schön und feierlich mit dem Martyrologium, gesungen von Diakon Christoph Richter. Zum Bußakt gab es die weihnachtliche Kyrie-Litanei "Licht, das uns erschien" (Gotteslob Nr. 159), zum Gloria das Weihnachtslied "Menschen, die ihr wart verloren" (GL Nr. 245). Das kann man ja dank des Kehrverses "Ehre sei Gott in der Höhe" mit etwas gutem Willen durchaus als Gloria-Lied durchgehen lassen. Hätte man - wie es, das sei vorausgeschickt, in der Vormittagsmesse am 1. Weihnachtstag gemacht wurde - stattdessen GL 250, "Engel auf den Feldern singen", genommen, hätte man den Gloria-tauglichen Kehrvers sogar auf Latein gehabt. So jedoch kam im Nachmittagsprogramm von NDR 1 Niedersachsen an diesem 24. Dezember mehr Latein vor als in der Christmette. Aber das nur am Rande. Positiv zu vermerken (und vor dem Hintergrund meiner bisherigen Erfahrungen mit dem "Nordenhamer Ritus" durchaus unerwartet) war es, dass keine Lesung weggelassen wurde. Allerdings machte sich hier bereits eine der Eigenarten des "Nordenhamer Ritus" bemerkbar, nämlich die, an Weihnachten möglichst viele Weihnachtslieder in eine Messe zu quetschen. Nicht nur wurde der Antwortpsalm nach der 1. Lesung durch ein Weihnachtslied ersetzt, sondern zwischen der 2. Lesung und dem Evangelium folgte noch eins. Wirklich ärgerlich wurde es aber erst, als im Anschluss an die Predigt "Es ist ein Ros entsprungen" angestimmt wurde. Dass die Gemeinde dazu aufstand, ließ darauf schließen, dass dieses Lied offenbar allen Ernstes das Credo ersetzen sollte. Ich muss doch sehr bitten! So sehr ich "Es ist ein Ros entsprungen" mag, ja liebe: Ein Credo-Lied ist es nun wirklich beim allerbesten Willen nicht! (Mal ganz abgesehen davon, dass ich ohnehin ganz generell kein Fan davon bin, das Credo durch ein Lied zu ersetzen.) Nun bin ich ja von früheren Weihnachtsmessen in Nordenham Kummer gewöhnt, aber über dem Haupt meiner Liebsten ballten sich bereits bedrohliche Wolken zusammen. Dass im weiteren Verlauf auch Sanctus und Agnus Dei durch Weihnachtslieder ersetzt wurden, machte die Sache natürlich nicht besser. 

Das Eucharistische Hochgebet war übrigens - bis auf ein kleines Detail, auf das ich später noch zurückkomme - in Ordnung, und das heißt schon viel, wenn man die Gepflogenheiten von Pfarrer Jasbinscheks Vor-Vorgänger Bögershausen kennt. Und sogar das Robbenbaby überlebte. Als dann jedoch Pfarrer, Diakon, Kommunionhelferin und Ministrantenschar erst nach dem "Volk" kommunizierten (und zwar, soweit es die Hostie betraf, alle gleichzeitig), knurrte meine Liebste: "So langsam bin ich richtig sauer." Und womit? Mit Recht! Auch auf diesen Punkt komme ich später noch zurück; vorerst sei nur angemerkt, dass dieser sicherlich nicht nur in Nordenham praktizierte Brauch laut der Instruktion Redemptionis Sacramentum, Nr. 97, ausdrücklich VERBOTEN ist. 

In seiner Schlussansprache vor dem Entlassungssegen würdigte Pfarrer Jasbinschek besonders die Organistin: eine alte, gebrechliche Protestantin aus der Nachbar- und Kreisstadt Brake, die trotz ihres Alters und trotz ihrer Gebrechlichkeit kurzfristig eingesprungen war, da es sonst gar keine Orgelbegleitung gegeben hätte - denn alle anderen theoretisch in Frage kommenden Organisten waren teils krank, teils in Urlaub. Als Auszugslied wurde "Stille Nacht, heilige Nacht" gesungen, was an genau dieser einen Stelle im ganzen Kirchenjahr ja auch absolut passend war. Anschließend wünschten die Gottesdienstteilnehmer einander (also auch uns) mit einer wirklich bewegenden Herzlichkeit "Frohe Weihnachten". -- Beim Verlassen der Kirche stellte meine Liebste fest: "Oh, ich hab vergessen, Weihwasser zu nehmen, und jetzt hab ich mir schon die Handschuhe angezogen." Daraufhin tauchte ich meinen Zeigefinger ins Weihwasserbecken und zeichnete ihr ein kleines Kreuz auf die Stirn. "Das ist ja eine liebe Geste", freute sich eine mir unbekannte Frau aus der Gemeinde, die das sah. Sie wünschte uns "Frohe Weihnachten", fragte uns, woher wir kämen, ob wir "neu hier" seien oder nur zu Besuch. Ich fand das alles ausgesprochen nett. 

Länger auf dem Kirchvorplatz verweilen mochte meine Liebste dennoch nicht - sie war einfach zu genervt von den diversen liturgischen Fehlleistungen dieses Gottesdienstes. Auf dem Heimweg fand ich mich daher in der ungewohnten Rolle des Beschwichtigers wieder. Besonders war mir daran gelegen, den Pfarrer in Schutz zu nehmen - von dem wir beide ja am Tag zuvor einen weit überwiegend positiven Eindruck gewonnen hatten. "Ich glaube nicht, dass es am Pfarrer liegt", sagte ich daher. "Das ist einfach der 'Nordenhamer Ritus', den hat selbst Pfarrer Jortzick nicht besiegen können. Das steckt bei den Leuten so drin. Und im direkten Vergleich zu Bögershausen ist der Neue geradezu ein Ausbund an Orthopraxie." 

Meine Liebste war allerdings nicht ganz überzeugt. Sie war auch mit der Predigt unzufrieden. Sie fand, das Festmysterium von Weihnachten - die Menschwerdung Gottes - sei darin allzu verkürzt dargestellt worden: zu menschelnd, zu innerweltlich-diesseitig, kurz, da habe die eschatologische Dimension gefehlt. Ich selbst fand die Predigt eigentlich gar nicht so schlecht, jedenfalls gemessen an dem Standard, den der frühere Pfarrer Bögershausen in dieser Gemeinde etabliert hatte. Immerhin war eine eindeutig christliche Botschaft zu erkennen gewesen. 

Eine konstruktive Idee, wie man wenigstens einem Teil der liturgischen Übelstände abhelfen könnte, ohne den Leuten ihre liebgewonnenen Gewohnheiten zu rauben, hatte meine Liebste übrigens auch: "Wenn die Leute so scharf aufs Weihnachtsliedersingen sind, warum macht man das dann nicht VOR der Messe? So etwa eine halbe Stunde Weihnachtsliedersingen, und direkt im Anschluss daran dann die Messe?" Würde ich eigentlich für einen sehr guten Vorschlag halten. Aber natürlich müssten die sangesfreudigen Willehadianer dann Abendessen und Bescherung bei sich zu Hause entsprechend vorverlegen.

"Müssen wir da morgen nochmal hin?", fragte ich abschließend. Meine Liebste zuckte mit den Achseln. "Es ist ein Hochfest", stellte sie fest, "und wir haben keine Ausrede, nicht hinzugehen." - "Also ja." Im Grunde war meine Frage ohnehin nicht ganz ernst gemeint gewesen. Rückblickend fällt mir allerdings ein bzw. auf, dass es zur 10:30-Uhr-Messe am 1. Weihnachtstag durchaus eine Alternative gegeben hätte: Um 15 Uhr war Messe in polnischer Sprache. Womöglich hätten wir davon mehr gehabt, obwohl wir kein Polnisch verstehen. 

Die Messe am Vormittag des 25.12. war deutlich schwächer besucht als die Christmette (und auch da war die Kirche nicht wirklich voll gewesen). Wegen des bereits erwähnten Organistenmangels musste Diakon Richter die Orgel spielen und stand daher für die üblichen Aufgaben eines Diakons in der Messe nicht zur Verfügung. Im Großen und Ganzen lief die Messe sehr ähnlich ab wie in der Nacht zuvor - im Guten wie im Bösen (Ersetzung liturgischer Texte bzw. Gesänge durch Weihnachtslieder, richtiges Hochgebet, Vaterunser MIT Embolismus, falsche Kommunionreihenfolge). Es wurden sogar überwiegend dieselben Lieder gesungen, wenn auch in anderer Reihenfolge (was umso deutlicher unterstreicht, dass auf ihre sinnvolle Einbindung in die Liturgie kein besonderer Wert gelegt wurde). Selbst "Stille Nacht, heilige Nacht" wurde wiederholt, was am helllichten Vormittag denn doch recht sonderbar wirkte. Die Predigt war allerdings tendenziell stärker, fordernder als in der Christmette: Der Pfarrer hob das Verhalten der Hirten in der Heiligen Nacht - dass sie auf die Botschaft des Engels hin alles stehen und liegen lassen und zum Stall eilen, ohne Fragen zu stellen oder lange zu diskutieren - als vorbildlich hervor und sprach eindringlich darüber, was es bedeute, dem Ruf Gottes zu folgen

Als im Anschluss an diese Predigt erneut irgendein Weihnachtslied gesungen wurde, ergriffen meine Liebste und ich die Gelegenheit zum zivilen Ungehorsam: Wir standen auf und sprachen, anstatt das Lied mitzusingen, vernehmlich das Apostolische Glaubensbekenntnis. Das schien niemanden sonderlich zu verunsichern, aber das wiederum verunsicherte auch uns nicht: Beim Sanctus und beim Agnus Dei verfuhren wir genauso. 

Zur musikalischen Untermalung der Kommunion griff der Diakon zur Klampfe. Was ich nicht grundsätzlich verwerflich gefunden hätte, wäre das Lied, das er spielte und sang, nicht eine so schröckliche Schnulze gewesen. Es handelte sich um "Mitten in der Nacht" von none other than Rolf Zuckowski. Ja, dem Rolf Zuckowski

"Da wurde mitten in der Nacht ein Kind geboren 
Da war mit einem Mal der Himmel nicht mehr fern 
Und wer dies Liedchen hört, dem bluten bald die Ohren..." 

Nein, so geht der Text natürlich nicht. Wer den tatsächlichen Text in voller Länge nachlesen möchte, kann das hier tun. Aber ich warne davor. 

Zwischen Kommunion und Entlassungssegen schlug dann die Stunde der Erzlaiinnen. Die Kommunionhelferin und eine Frau ähnlichen Alters und ähnlicher Frisur, die ich in früheren Gottesdiensten in dieser Gemeinde auch schon als Kommunionhelferin und/oder Lektorin erlebt hatte, traten an den oder das Ambo und trugen im Wechsel einen Text von Werner Schaube vor, den man evtl. als modernes Gedicht bezeichnen könnte - als Gebet jedenfalls nicht, da der Text nicht an Gott gerichtet war. Man könnte sagen, in diesem Text wurde die von meiner Liebsten schon anlässlich der Predigt in der Christmette bemängelte Verkürzung des Weihnachtsmysteriums auf eine reine, ahem, Gutmenschen-Message auf die Spitze getrieben. "Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird und alles bleibt, wie es ist", lautete der erste Vers, und in den sechs weiteren wurde diese bescheidene Aussage lediglich variiert. Gnarf. Noch peinlicher als den Text selbst fand ich allerdings die Wichtigtuerei der Erzlaiinnen - für mein Empfinden eins der größten, vielleicht das größte Übel, an dem das geistliche Leben dieser Gemeinde (und sicherlich auch vieler anderer) krankt.


Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder - jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen. 

-- Okay, "Wichtigtuerei" ist vielleicht zu hart gesagt. Man sollte immer von guten Absichten ausgehen. Es geht mir auch - das möchte ich ausdrücklich betonen -  nicht um konkrete Einzelpersonen. Ich bin überzeugt, dass es dieselben (oder strukturell ähnliche) Phänomene auch in vielen anderen Pfarreien gibt; gerade deshalb erscheint mir das Thema als so wichtig. Also, noch einmal: Man sollte davon ausgehen, dass "engagierte Laien" in Kirchengemeinden prinzipiell gute Absichten haben. Und grundsätzlich ist das Engagement von Laien in der Kirchengemeinde ja wirklich eine gute, ja notwendige Sache. Besonders das II. Vatikanische Konzil hat die Bedeutung des Laienapostolats nachdrücklich betont. WENN und sofern dieses Engagement denn wirklich ein Apostolat IST. An dieser Stelle muss ich auf die Beobachtung zurückkommen, dass Pfarrer Jasbinschek im Eucharistischen Hochgebet - soweit ich es bemerkt habe - in einem einzigen Detail vom vorgeschriebenen Text abgewichen ist: In den Interzessionen ersetzte er die Formulierung "alle, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind" durch "alle, die sich in Kirche und Welt engagieren". Vielleicht meinte er lediglich, das klinge moderner und sei daher verständlicher; aber mir erscheint es signifikant, dass von "zum Dienst bestellt sein" zu "sich engagieren" eine erhebliche Verschiebung des Schwerpunktes stattfindet. Was dabei unter den Tisch fällt, ist der Aspekt der Berufung - und damit auch, dass der Dienst des Christen "in Kirche und Welt" nicht darin besteht, sich selbst zu verwirklichen, sondern sich Gott zur Verfügung zu stellen und Ihn wirken zu lassen. Will man vermeiden, dass Leute ihren eigenen Vogel mit dem Heiligen Geist verwechseln, dann braucht es, damit Laienapostolat funktionieren kann, erst einmal eine solide Katechese. Hingegen ist das, was in St. Willehad und vergleichbaren Pfarreien über einen langen Zeitraum stattgefunden hat, im Grunde negative Katechese. Die Gemeindemitglieder - sicher nicht alle, aber doch ein beträchtlicher Teil gerade jener, die "den Ton angeben" - haben effektiv verlernt, "wie katholisch geht". Sie wissen nicht mehr, was eine Messe ist, sie wissen nicht mehr, was ein Priester ist, sie wissen nicht, was die Kommunion ist - und gemäß dem Grundsatz lex orandi - lex credendi muss man davon ausgehen, dass sie dann auch nicht mehr wissen, wer Jesus Christus ist.
"Ich glaube, Bögershausen war wirklich ein Schamane", meinte meine Liebste. "Der hat die Gemeinde verhext."
"Ja", pflichtete ich ihr bei. "Mit seinem Zauberkaktus."

Aber Spaß beiseite: Dass es nicht so einfach ist, liturgisch falsch eingebürgerte Praktiken zu korrigieren, hat ja schon Pfarrer Jortzick schmerzhaft erfahren müssen. Und da kommt dann eben doch auch persönliche Eitelkeit ins Spiel. Besonders deutlich wird das anhand der Überbetonung der Rolle von Kommunionhelferinnen. Es ist in St. Willehad offenbar üblich, dass die Kommunionhelferin das Ziborium aus dem Tabernakel holt und nach der Kommunion auch wieder dorthin zurückbringt. Das ist zwar ein klarer Verstoß gegen die Rubriken des Messbuchs (vgl. Institutio Generalis zum Missale Romanum, Nr. 162); aber wollte man das abschaffen, hätten die Kommunionhelferinnen sicherlich das Gefühl, ihnen würde etwas "weggenommen", das ihnen gewohnheitsrechtlich "zusteht".

Was mich nun wiederum auf die Praxis bringt, erst dem "Volk" die Kommunion zu spenden, ehe dann der Zelebrant und die anderen liturgischen Dienste (das heißt so - da kann ich nichts für) gemeinsam kommunizieren. Mal abgesehen davon, dass das wie gesagt verboten ist, kann ich gedanklich durchaus nachvollziehen, "was das soll": Die Laien sollen gegenüber dem Priester "aufgewertet" werden, es soll deutlich gemacht werden, dass der Priester nicht etwa "etwas Besseres" ist als das "gemeine Volk", sondern vielmehr "der Diener Aller" (vgl. Mt 23,11) - wie jener Knecht im Gleichnis, zu dem gesagt wird: "Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken" (Lk 17,8). Netter Gedanke, nur leider - wenn man ihn auf die Liturgie bezieht - totaler Quatsch. Die herausgehobene Stellung des Priesters in der Messliturgie gilt schließlich nicht seiner Person, sondern seinem Amt - beziehungsweise der Tatsache, dass er, kraft der Weihe, die er empfangen hat, beim Spenden eines Sakraments in persona Christi agiert. Ein Sakrament zeichnet sich schließlich gerade dadurch aus, dass darin Christus selbst handelt; Er bedient sich dazu so zu sagen lediglich der Person des Priesters. Wenn ein Priester also meint, er könne Demut und Bescheidenheit zeigen, indem er sich der Gemeinde gegenüber "zurücknimmt", dann zeigt das in erster Linie, dass er es nicht in hinreichendem Maße versteht, sich Christus gegenüber zurückzunehmen. Diejenige Demut und Bescheidenheit, die einem Priester anstünde, würde sich u.a. darin zeigen, sich an die Rubriken des Messbuchs zu halten.

Auf den Unterschied zwischen der Person des Priesters und seinem Weiheamt kam Pfarrer Jasbinschek bemerkenswerterweise in seiner Predigt in der Christmette zu sprechen. Er erinnerte an das Konzert von Patricia Kelly, das eine Woche zuvor in der St.-Willehad-Kirche stattgefunden hatte, und erwähnte, vor ihrem Auftritt habe die Sängerin ihn gefragt, ob er Priester sei, und auf seine bejahende Antwort hin habe sie ihn um einen Segen gebeten. Das sei ihm "etwas peinlich" gewesen, gestand er; aber es gelte zu verstehen, dass Patricia Kelly, als sie niederkniete, um den erbetenen Segen zu empfangen, eigentlich nicht vor Karl Jasbinschek kniete, sondern vor Christus. Das ist ohne Frage richtig; aber wieso war es ihm dann peinlich? So sehr ich - das sei noch einmal betont - Pfarrer Jasbinscheks menschliche und pastorale Qualitäten und die im Vergleich mit seinem Vor-Vorgänger erheblich größere Klarheit seiner Verkündigung schätze, scheint mir diese Anekdote - gerade in Verbindung mit der oben erwähnten Textänderung in den Interzessionen und dem fehlerhaften Kommunionritus - Fragen hinsichtlich seines Amtsverständnisses aufzuwerfen. Da passt es auch ins Bild, dass er im Alltag keine priesterliche Kleidung trägt. (Ich weiß, und meine Leser wissen es auch, dass das ein "pet peeve" von mir ist - aber "aus Gründen". Nur mal ein Beispiel: Würde er Priesterkleidung tragen, hätte Patricia Kelly ihn nicht erst fragen müssen, ob er Priester sei.)

Fragen wir also abschließend: Wohin steuert die St.-Willehad-Gemeinde unter ihrem neuen Pfarrer? "[M]an lässt das zu, was verschieden ist", beschreibt Pfarrer Jasbinschek in der Nordwest-Zeitung die Stimmung in der Gemeinde, und das gilt sicher auch und nicht zuletzt für ihn selbst. Bei dieser Einstellung steht es kaum zu befürchten, dass er ähnlich spektakulär scheitern könnte wie sein Vorgänger Jortzick. Ob das der richtige Ansatz ist, um die Gemeinde nicht nur im "sozialen" Sinne zu "befrieden", sondern auch geistliches Wachstum zu wecken, bleibt fraglich. Das Schlusswort sei meiner Liebsten überlassen:

"Um in dieser Gemeinde als Pfarrer Dienst zu tun, bräuchte es einen Heiligen." 




3 Kommentare:

  1. Das hätte ich jetzt kommentieren wollen, bin mir aber nicht sicher, ob der Kommentar geschluckt wurde.

    #wiederkeinesicherungskopieangefertigt #warnichtsowichtig

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  2. Das alles deckt sich so ziemlich mit den Erfahrungen, die ich in der Gemeinde Niels Stensen, bzw. Herrn Jasbinschecks Wirken dort gemacht habe. Ich bin, wie ich schon einmal bemerkte, immer nur als Gast in seiner alten Gemeinde in Lengerich, bei Familienbesuchen, und daher maximal 3 bis 4 mal im Jahr in einer Messe dort. Aber als ich gestern in der Jahresabschlussmesse war, stellte ich fest, dass der Lichtbildvortrag, den der ehemalige Pfarrer immer statt einer Predigt während der Messe veranstaltete, ausfiel. Stattdessen gab es eine recht gute, wenn auch relativ diesseitige Predigt des Pfarrverwalters (der neue Pfarrer kommt erst Ende Januar). Auch das gemeinsame Sprechen der Schlussdoxologie des Eucharistischen Hochgebets - anscheinend hat Herr Jasbinschek das in seiner neuen Gemeinde aufgegeben, Sie erwähnen es jedenfalls nicht - entfiel erfreulicherweise. Dafür wurden alle aufgefordert, sich während des Vaterunser an den Händen zu fassen, was ich nicht über mich brachte. Das Gloria wurde durch das gleiche Lied ersetzt wie in St Willehad, ein Credo gab es nicht, das Confiteor scheint in Deutschland ja ganz allgemein abgeschafft worden zu sein. Insgesamt muss ich sagen, dass ich die Messe - inklusive des eucharistischen Segens am Ende - besser fand, als das, was unter Hochwürden Jasbinschek Standard war (der übrigens, wie Sie richtig sagen, persönlich ein sehr netter Mann ist).
    Bin gespannt, wie das in Lengerich unter dem Nachfolger, Prälat Peter Kossen, wird. Der schein ja ein sozial sehr engagierter Mensch zu sein; was das für die Liturgie verheißt, weiß ich nicht.

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  3. Ich leide zunehmend darunter, dass sich die Mehrheit der Priester nicht an die vorgeschriebene Liturgie hält. Nicht weil es mir grundsätzlich zusetzt, wenn jemand Regeln ignoriert, sondern weil der Aufbau der Messe es mir erleichtert, die Liturgie mit zu vollziehen. Werden Teile weggelassen, wird meine Seele "abgehängt".

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