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Samstag, 17. Oktober 2015

Neues aus Nörgelham

Am Montag ist es endlich soweit: Ich fahre in Urlaub. Zusammen mit meiner Liebsten, für eine knappe Woche. Und zwar in mein in verschiedenen Beiträgen dieses Blogs bereits geschildertes Heimatstädtchen, wo ich zuletzt über Weihnachten war. Ich will meiner Liebsten mal zeigen, wo ich herkomme - und sie meiner Mutter vorstellen. Davon abgesehen wird es mir auch sicher gut tun, mal für ein paar Tage aus Berlin rauszukommen und die Hektik der Großstadt gegen den diskreten Charme der norddeutschen Tiefebene einzutauschen. 

Zur Vorbereitung dieses Urlaubs wollte ich mich heute mal im Internet schlau machen, was denn zur Zeit so los ist in Nordenham und Umgebung. Das erste, was mir im Lokalteil der NWZ Online ins Auge fiel, war: Ach ja, da wird demnächst ein neuer Bürgermeister gewählt. Wieso habe ich eigentlich nicht kandidiert? Die Frist zur Abgabe der Kandidatur habe ich offenbar verpasst. Letztes Jahr hat ein alter Schulfreund von mir für das Bürgermeisteramt in der südlichen Nachbargemeinde Nordenhams, Stadland, kandidiert. Gewonnen hat er die Wahl zwar nicht, aber mit über 20% immerhin ein achtbares Ergebnis erzielt, und ich finde es schon prima, dass er es überhaupt probiert hat. 

Der erste NWZ Online-Artikel mit Bezug zur anstehenden Bürgermeisterwahl, über den ich stolperte, trug die Überschrift "Rezepte gegen 'Nörgelham' gefragt". Im Mittelpunkt des Artikels stand die Frage: "Welche Rezepte haben die vier Bürgermeister-Kandidaten gegen die Stimmung in der Stadt, die dazu führt, dass Nordenhamer schlecht über ihre Stadt reden und Positives ausblenden?" Das Schlagwort "Nörgelham", das die besagte schlechte Stimmung auf den Punkt bringen soll, stammt übrigens, wie der Artikel ebenfalls verrät, von Noch-Bürgermeister Hans Francksen. Ich weiß nicht, wie es anderen NWZ-Lesern, insbesondere denen vor Ort, geht, aber mir entlockte die einleitende Fragestellung ein Stirnrunzeln. Das ist ja so typisch, dachte ich - da wird so getan, als wäre das Hauptproblem der Stadt die schlechte Stimmung. Als wäre alles gut, oder zumindest wesentlich besser, wenn die Bürger der Stadt weniger "nörgeln" würden. Als hätten sie nicht das Recht dazu. In einer Stadt, die länger als ich denken kann von Umweltskandalen, Korruption und einer katastrophal verfehlten Infrastrukturpolitik geprägt ist und in der die Lebensqualität seit Jahrzehnten kontinuierlich den Bach runtergeht. "Was müsste man denn machen, damit die Leute nicht mehr so viel nörgeln?", fragte mich meine Liebste. "Erster Schritt: Bevölkerung austauschen", witzelte ich. 

Für unsere Herren und Damen Lokalpolitiker wäre das vermutlich tatsächlich die beste Lösung. Eines muss man bei dieser Nörgel-Debatte übrigens beachten: Wie vermutlich für die meisten Kleinstädter ist es auch für die Nordenhamer ausgemachte Sache, dass nur sie, also nur Einheimische, über dieses Städtchen nörgeln dürfen. Besucher von auswärts haben Nordenham gefälligst prima zu finden. Und das ist nur fair, denn die müssen schließlich nicht da wohnen

Was das nun für mich als gebürtigen, aber schon lange im selbstgewählten Exil lebenden Nordenhamer bedeutet, darüber bin ich mir nicht ganz im Klaren. Grund zum Nörgeln fand ich jedenfalls gleich im nächsten Artikel: "Turm am Rathaus soll fallen". Ich dachte, ich seh' nicht richtig. Den Rathausturm abreißen? Tatsächlich wollen das "[a]lle vier Bürgermeister-Kandidaten" - "wegen zu hoher Sanierungskosten" in Höhe von geschätzten 1,9 Millionen Euro. Haben sie die noch alle? Der Rathausturm ist ein Wahrzeichen der Stadt! Okay, schön ist er nicht, aber gerade deshalb eignet er sich ja so gut als Wahrzeichen. "Siehst du", sagte ich zu meiner Liebsten, "hätte ich kandidiert, wäre ich jetzt der einzige Kandidat, der den Rathausturm erhalten will. Was glaubst du, wie viele Stimmen mir allein das einbringen würde!" Ich meine, was sind schon 1,9 Millionen Euro für einen öffentlichen Haushalt, wenn es um ein so prominentes Element des Stadtbildes geht? Die Summe kann man doch durch Crowdfunding aufbringen! Gibt schließlich genug prominente "Söhne und Töchter der Stadt", wie Wikipedia das nennt, die man für eine diesbezügliche Kampagne einspannen könnte. Okay, so viele sind es nicht, aber darunter sind immerhin Roy von Siegfried & Roy und zwei Bundesligaprofis. -- Nicht abreißen wollen die Lokalpolitiker den seit Jahren ungenutzten Bahnhof. Genauer gesagt halten da zwar noch Züge - Nordenham ist Endhaltestelle einer Regio-S-Bahn-Linie der NordWestBahn GmbH -, aber das Bahnhofsgebäude steht seit Langem leer und ist arg heruntergekommen. Deshalb regt Bürgermeisterkandidatin Sabine Dorn "einen Fassadenanstrich an – durch Sponsoren oder ein Arbeitslosenprojekt". Mit anderen Worten: Hauptsache, es kostet nichts. Überhaupt: Fassadenanstrich -- bin ich der Einzige, der da an Potemkinsche Dörfer denkt? 

Schon länger war mir bekannt, dass ein Altbau-Komplex in der Nähe des Bahnhofs demnächst abgerissen wird. Davon betroffen ist u.a. die Location der auch schon seit über einem Jahr geschlossenen Diskothek "Tiffany"; als dort unlängst einmal aus ungeklärten Gründen abends die Außenbeleuchtung angeschaltet war, kursierten prompt Gerüchte über eine "Abrissparty". Grund für die Schließung soll, wie ich gehört habe, massiver Schimmelbefall gewesen sein; der Betreiber hatte noch rund drei Monate nach der faktischen Einstellung des Betriebs behauptet, die Gerüchte um eine Schließung seien "absoluter Quatsch" und man mache nur "Sommerpause". Na was soll's, ich bin da auch früher nur äußerst selten gewesen. Nicht abgerissen wird das direkt nebenan gelegene Eldo. Da muss ich folglich mit meiner Liebsten unbedingt hin. Ist schließlich DIE Nordenhamer Kult-Kneipe, und viele Alternativen gibt es ja ohnehin nicht mehr. 

Was wir sonst noch so unternehmen können in dieser Urlaubswoche, ist noch weitgehend unklar. Die Suche nach Veranstaltungen in Nordenham und Umgebung vom 19.-23.10. war bislang wenig erfolgreich, aber es kann natürlich sei, dass man vor Ort an mehr Informationen herankommt als online. Ein Programmpunkt ist jedenfalls schon fest geplant: Am Mittwochabend gibt's einen "Theologischen Gesprächskreis". Veranstaltet von der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde, aber es ist ausdrücklich "[j]ede und jeder [...] herzlich willkommen". Im Gemeindebrief wird die Gesprächsrunde unter der Überschrift "Einfach mal über Gott reden?" beworben, und es ist von einer "harmonischen und vorurteilsfreien Runde" die Rede. Na, mal sehen, was aus der Harmonie wird, wenn da ein dunkelkatholisches Pärchen reinschneit und den Laden aufmischt. -- Nee, Spaß. Wir gehen da ja nicht hin, um Konflikte vom Zaun zu brechen. Die werden sich schon von allein einstellen. (Und wenn nicht, auch okay.) 

Bei der katholischen Pfarrei St. Willehad müssen wir natürlich auch bzw. erst recht vorbeischauen. Am Sonntag sind wir zwar schon wieder weg, aber am Dienstag gibt's am frühen Abend eine Werktagsmesse, und was das Gemeindeleben sonst noch so zu bieten hat, wird sich zeigen. Der Diakon der Pfarrei hat mir schon vor Monaten über Facebook mitgeteilt, er freue sich darauf, mich mal persönlich kennen zu lernen. 

Ich freue mich auch. 



2 Kommentare:

  1. Wir erwarten eine zeitnahe Dokumentation der Exkursion.

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  2. "9,20 € zzgl. Versandkosten, Sammlungsstück Sonderregelung ohne Mwst. Ausweisung" steht auf dem Link zum Rathausturm. Schade, das meint wohl nicht das Original.
    Aber wenn man von den Materialkosten ausgehend den Preis der Ansichtskarte vom Rathausturm und den des Originals vergleicht, sind 1,9 Mio. Euro eigentlich günstig. Man bekommt dafür fast 207.000 historische Postkarten der Gegend.

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