Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 26. Januar 2016

Hostienfrevel bei eBay

In den letzten Tagen gab es unter meinen katholischen Facebook- und Twitter-Freunden große Aufregung und Empörung über ein beim Online-Flohmarkt eBay eingestelltes Angebot: Ein eBay-Nutzer mit dem Alias 20maximilian02 bot dort eine "[v]om Papst geweihte Hostie" feil. Diese stamme "aus einer Eucharistiefeier, die der Papst zu Weihnachten 2015 persönlich gehalten hat", hieß es in der Artikelbeschreibung. Als ich zum ersten Mal auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wurde, stand der Verkaufspreis des Artikels nach vier abgegebenen Geboten bei 10,50 €; am nächsten Morgen hieß es auf Facebook, der Preis habe sich inzwischen auf 61 € erhöht. Offenbar herrscht in den Weiten des Internets also eine gewisse Nachfrage nach vom Papst geweihten Hostien. 

Und was ist daran nun so schlimm? - Für gläubige und praktizierende Katholiken, die in der Erstkommunion-Katechese ein bisschen aufgepasst und seither nicht alles wieder vergessen haben, dürfte sch diese Frage von selbst beantworten -- sollte man meinen. Aber einerseits ist die Lehre von der Realpräsenz Christi in der Eucharistie wohl selbst unter Katholiken so selbstverständlich doch nicht - wir hatten das Thema ja neulich erst -; und andererseits schreibe ich meinen Blog ja nicht nur für Katholiken, und schon gar nicht nur für Leute, die sowieso schon alles wissen. Daher hier eine kurzgefasste und stark vereinfachte Erklärung. 

Die Katholische Kirche lehrt, dass bei der Wandlung in der Heiligen Messe die eucharistischen Gaben - Brot und Wein - wirklich und wahrhaftig zu Leib und Blut Christi werden. Man nennt das Transsubstantiation. Von ihrer Materie her, ihrer äußeren Gestalt, verändern sie sich zwar nicht, aber von ihrer Substanz her sind sie nach der Wandlung eben nicht mehr Brot und Wein, sondern Christus selbst. In Johannes 6,51 sagt Jesus Christus: "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt." Und kurz darauf, in Vers 55, bekräftigt Er noch einmal: "Mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank." Anders als einige andere christliche Konfessionen versteht die Katholische Kirche diese Aussagen sehr wörtlich. Leib und Blut Christ sind für gläubige Katholiken so wertvoll, dass diejenigen Hostien, die nicht noch in derselben Messfeier verzehrt (sumiert) werden, im Tabernakel eingeschlossen werden - das ist eine Art Tresor, nur prächtiger. Man bezeichnet die gewandelten (konsekrierten) Hostien auch als "das Allerheiligste". Und das Allerheiligste verkauft man nicht - das sollte Jedem, der mit dem Begriff des Heiligen überhaupt etwas anfangen kann, unmittelbar einleuchten. 

Hinzu kommt natürlich, dass man nicht wissen kann, was der prospektive Käufer mit der Hostie machen würde, wenn er sie erst mal hätte. Auch ganz abgesehen vom kommerziellen Aspekt ist es nach katholischer Lehre ein schweres Sakrileg, eine konsekrierte Hostie aus der Kirche zu entwenden (vgl. die Instruktion Redemptionis Sacramentum, Nr. 132 u. 172 a). Die Kirchengeschichte kennt Erzählungen über Gläubige, die ihr Leben dafür eingesetzt haben, das Allerheiligste vor dem Zugriff Unwürdiger zu schützen - ein bekanntes Beispiel ist der Hl. Tarsitius

Nun haben wir allerdings bereits festgestellt, dass eine konsekrierte Hostie sich rein materiell betrachtet in nichts von einer nicht-konsekrierten unterscheidet. Es gibt zwar mystisch begabte Menschen, die laut eigener Aussage spüren können, ob eine Hostie konsekriert wurde oder nicht, aber das ist natürlich letztlich nicht überprüfbar. Es könnte sich somit bei der bei eBay angebotenen Hostie natürlich auch um eine nicht-konsekrierte handeln; das ist im Grunde sogar erheblich wahrscheinlicher - denn wie 20maximilian02 es geschafft haben will, eine konsekrierte Hostie aus einer vom Papst zelebrierten Weihnachtsmesse herauszuschmuggeln, in der meines Wissens üblicherweise nur Mundkommunion zugelassen ist, das müsste er mir erst mal erklären. An eine ungeweihte Hostie kommt man viel leichter - die liegen in vielen Kirchen vor Beginn der Messe offen aus. Ja, vielleicht ist das, was da auf eBay angeboten wurde, sogar nur eine stinknormale Backoblate aus dem Supermarkt. Mit einer solchen könnte 20maximilian02 nun im Prinzip machen, was er will; aber wenn er sie zu Verkaufszwecken fälschlich als vom Papst geweihte Hostie ausgibt, dann ist das eben Betrug

Eine solche Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Erzielen eines höheren Verkaufspreises ist aus katholischer Sicht durchaus ebenfalls sündhaft, aber einem Katholiken, der an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie glaubt, wird ein derartiges Vergehen vergleichsweise geringere Schmerzen bereiten als ein missbräuchlicher Umgang mit dem Leib Christi. Aus der Perspektive des weltlichen Rechtsverständnisses dürfte es genau umgekehrt sein. In jedem Fall stellte der Umstand, dass die Echtheit des angebotenen Artikels schlechterdings nicht überprüfbar ist, einen ausreichenden Grund dar, bei eBay eine Beschwerde gegen dieses Angebot einzulegen - mit einer Begründung, die man bei eBay auch versteht. Zahlreiche Katholiken nutzten diese Möglichkeit und meldeten das Angebot als missbräuchlich; u.a. schaltete sich der namhafte Tiroler Moraltheologe Josef Spindelböck in die Angelegenheit ein. Daraufhin wurde das Angebot tatsächlich zunächst gelöscht - aber wenig später stellte 20maximilian02 den Artikel unverdrossen erneut ein. 

Mir stellt sich bei alledem vor allem die Frage: Wer macht denn sowas? Und diese Frage geht in zwei Richtungen: an die Adresse des Anbieters und der prospektiven Käufer. Wobei die Frage nach den prospektiven Käufern natürlich auch wieder an den Anbieter zu stellen wäre: Was stellt der sich vor, was für Kunden sich von seinem Angebot angesprochen fühlen sollten? Gläubige Katholken, die von ihrem Glauben einigermaßen was verstehen, dürften es aus den oben genannten Gründen schon mal nicht sein. Bzw. wenn der Verkäufer denkt, dass sein Angebot für diese Zielgruppe reizvoll wäre, dann versteht er selbst nicht viel vom katholischen Glauben. Das ist ziemlich wahrscheinlich - schon weil er es für relevant hält, dass es sich (angeblich) um eine vom Papst geweihte Hostie handelt. Okay, der Papst ist ein Promi. Und die Reliquienvereherung, für die die Katholische Kirche in der Vergangenheit oft gescholten wurde und z.T. noch heute gescholten wird, hat längst ihren Platz im weltlichen Starkult gefunden, gerade in Form von Berührungsreliquien. Für Gegenstände, die einmal dem Prominenten X oder Y gehört haben, zahlen Fans oft horrende Preise. Da ist es dann umso weniger überraschend, dass die Verehrung von Berührungsreliquien auch innerhalb der Kirche, wo sie ja eine lange Tradition hat, nach wie vor ihren Platz hat - und sich für manche Gläubige nicht allein auf "offizielle" Heilige beschränkt, sondern sich zum Beispiel eben auch auf den aktuellen Papst erstreckt. Jedoch: Wir reden hier von einer geweihten Hostie - und die ist, wie gesagt, nach katholischem Glauben der wahrhaftige Leib Christi, völlig unabhängig davon, ob die Wandlung vom Papst vollzogen wurde oder von irgendeinem Dorfkaplan. Dass 20maximilian02 in seiner Artikelbeschreibung anmerkt, die von ihm feilgebotene Hostie habe "ja eine besondere Segnung erfahren", ist nach katholischem Verständnis somit kompletter Unsinn. Wobei natürlich die Möglichkeit besteht, dass manche Katholiken sich dessen nicht bewusst sind. Es soll ja auch Leute geben, die sich den Segen "urbi et orbi" auf Video aufzeichnen und jeden Tag anschauen, in der Annahme, sie würden auf diese Weise jeden Tag vom Papst gesegnet. 

Man könnte natürlich auch auf die Idee kommen, 20maximilian02 beabsichtige mit seinem Hostien-Angebot auf eBay eine Art "Geiselnahme" mit "Lösegelderpressung" - er spekuliere also darauf, dass fromme Katholiken bereit sind, viel Geld für diese Hostie auszugeben, um zu verhindern, dass sie in falsche Hände gerät und zu sakrilegischen Zwecken verwendet wird. In der einen oder anderen Facebook-Diskussion wurde tatsächlich der Gedanke geäußert, vielleicht könne man auf diesem Wege Schlimmeres verhüten - allerdings sprach sich der überwiegende Teil der Diskussionsteilnehmer dagegen aus, mit dem Hinweis, dadurch würde man den an sich schon sakrilegischen Handel mit dem Allerheiligsten ja letztlich nur unterstützen und zu Wiederholungs- bw. Nachahmungstaten ermutigen. Ich glaube auch irgendwie nicht, dass dieser eBay-Händler überhaupt so weit denkt; in seiner Artikelbeschreibung deutet jedenfalls nichts darauf hin. 

Wenn 20maximilian02 seine Hostie nun also bei gläubigen Katholiken nicht loswird - bei wem dann? Wer könnte sonst ein Interesse am Besitz dieses Artikels haben? - Satanisten, flüstert es in meinem Hinterstübchen. Man hört immer wieder, dass Satanisten konsekrierte Hostien in ihren Besitz zu bringen versuchen, um sie bei ihren Schwarzen Messen zu verwenden. Der berühmte Exorzist Gabriele Amorth soll einmal geäußert haben, der Glaube an die Realpräsenz sei unter Satanisten anteilmäßig verbreiteter als unter Katholiken. Was der Katholischen Kirche natürlich zu denken geben müsste. Im vorliegenden Fall würde ich allerdings denken, eine Artikelbeschreibung, die gezielt Satanisten als Käufer anlocken soll, sähe anders aus. Zumal Satanisten im Internet vermutlich ganz andere Foren haben, über die sie sich das Zubehör zu ihren Ritualen beschaffen, als ausgerechnet eBay

Ein besonders bemerkenswertes Detail der Artikelbeschreibung auf eBay ist übrigens der Hinweis, die Hostie eigne sich "sehr gut z.B. für die private Eucharistiefeier Zuhause [sic] im kleinen Kreise". Auch hier fragt man sich natürlich erst einmal: "Private Eucharistiefeier zu Hause im kleinen Kreise"? Wer macht denn sowas? Aber darauf gibt es eine einfache Antwort: Die österreichische "Wir sind Kirche"-Vorsitzende Martha Heizer und ihr Mann, die machen sowas. Die im Jahr 2014 ausgesprochene Exkommunikation des Ehepaares Heizer wurde damit begründet, dass die Heizers "regelmäßig in ihrem Privathaus im österreichischen Absam (Tirol) Messen gefeiert" hätten, "gemeinsam mit anderen Gläubigen, allerdings ohne geweihte Priester".  Darüber, ob sie zu diesem Zweck auch selbst "Wandlung gespielt" oder auf bereits konsekrierte Hostien zurückgegriffen haben, schweigt des Sängers Höflichkeit. Zuzutrauen wäre ihnen gewiss Ersteres. Ein solches Vorgehen verriete freilich das Fehlen des Glaubens an die Wirksamkeit der Weihehandlung des Priesters, der bei der Wandlung in persona Christi agiert - und ließe wiederum an das Diktum Pater Amorths bezüglich der Verbreitung Glaubens an die Realpräsenz bei Satanisten und bei Katholiken denken. 




2 Kommentare:

  1. Ich verstehe diese Aktion so überhaupt gar nicht. Zunächst hatte ich ja selbst überlegt, ob ich biete, um die Hostie zu retten. Aber das wäre falsch gewesen.

    Je mehr ich darüber nachdenke, desto eher denke ich: Da will jemand ohne irgendwelche Mühe zu Geld kommen, und siehe da, es klappt.
    Das stimmt mich nicht sonderlich optimistisch.

    AntwortenLöschen
  2. Hm…
    Man findet den Artikel noch über die Suche mit einem Endpreis von 101 Euro nach 6 Geboten. Klickt man ihn jedoch an, dann kommt eine Fehlermeldung, daß der Artikel entfernt wurde.

    AntwortenLöschen