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Montag, 11. November 2019

Kaffee & Laudes - Das Wochen-Briefing (32. Woche im Jahreskreis)

Was bisher geschah: Leute, wenn ich ehrlich bin, habe ich ziemlich wenig Bock auf einen Wochenrückblick. Die Woche war nicht toll. Die meiste Zeit war ich teils mehr, teils weniger unterschwellig gestresst, fühlte mich kränklich und hatte zudem den Eindruck, dass nichts so läuft wie es soll. Das erreichte seinen Höhepunkt am Mittwoch, als außer meiner Liebsten, dem Kind und mir niemand zum Dinner mit Gott kam. (Das hätte ich Euch am liebsten verschwiegen, und sei es nur, damit ein gewisser Herr Greifenstein sich nicht wieder Sorgen um mein "Gemüt" macht.) Wir verschmähten es daraufhin, nur für uns selbst Kürbissuppe zu kochen, und gingen stattdessen spontan in ein italienisches Restaurant, in dem wir zuvor noch nie gewesen waren. Wir waren die einzigen Gäste, und eine der Mitarbeiterinnen saß am Flügel und spielte Jazzklassiker. So gesehen eigentlich doch kein schlechter Abend. Dass die Profanierung der Herz-Jesu-Kirche in Nordenham-Einswarden auf den 28. November festgesetzt worden ist, erfuhr ich auch erst mit Verspätung; darauf werde ich eventuell noch gesondert zurückkommen müssen. Immerhin wurde zum Ende der Woche meine Laune graduell besser, obwohl ich es verpeilte, am Samstag zu einem Musikquiz im Brit-Pub in Hermsdorf zu gehen, das ich vermutlich total gerockt haben würde. 


Was ansteht: Für heute Vormittag haben sich erneut die Handwerker angekündigt, weshalb die Krabbelgruppe im Pfarrhaus erneut entfallen muss. Am Abend ist ökumenische St.-Martins-Feier; sie beginnt mit einer Andacht in der evangelischen Dorfkirche Alt-Tegel, dann folgt ein Laternenumzug zu "unserer" Kirche, und zum Abschluss soll es Waffeln und Würstchen geben. Kernstück der Andacht soll, wie man sich denken kann, ein von Kindern aufgeführtes Martinsspiel sein, und ich habe den Text bereits vorab zu sehen bekommen. Natürlich geht es um die bekannte Episode, in der Martin als römischer Reiteroffizier einem frierenden Bettler die Hälfte seines Offiziersmantels schenkt. Die vorliegende Textfassung vollbringt allerdings das Kunststück, jedweden Bezug zum Christentum konsequent zu eliminieren. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben und habe mir das Anspiel daher dreimal durchgelesen, aber es bleibt dabei: Gott, Jesus, christlicher Glaube werden darin mit keinem Wort erwähnt. Verantwortlich dafür ist offenbar unsere evangelische Nachbargemeinde, aber ich denke, eine Grundsatzdiskussion zur Frage "Was soll der Scheiß?" wäre durchaus auch in den Gremien unserer Pfarrei fällig. Wie dem auch sei, hingehen werde ich zu der Feier allemal, schließlich habe ich eine zweijährige Tochter, und zumindest der Laternenumzug wird für sie sicherlich toll. Und danach gehen wir schön Gans essen, basta! -- Am Wochenende findet in Altötting der "Adoratio"-Kongress statt, von dem hier im Zusammenhang mit einem garstigen Artikel auf häretisch.de schon einmal die Rede war; meine Liebste und ich haben lange erwogen, daran teilzunehmen, haben uns aber aus zeitlichen und organisatorischen Gründen schließlich schweren Herzens dagegen entschieden. Immerhin, Radio Horeb und EWTN übertragen in großem Umfang live, da werden wir uns sicher einiges ansehen oder -hören, und vielleicht schaffen wir es sogar, kurzfristig ein "Public Viewing" im Pfarrsaal zu organisieren. Im Übrigen ist am Samstag wieder Krabbelbrunch, und am Sonntagnachmittag gibt es in St. Rita eine Tauferinnerungsfeier für Kinder. Genauer gesagt für Kinder, die innerhalb des letzten Jahres getauft wurden; wir waren somit schon voriges Jahr "dran", aber ich sehe ehrlich gesagt überhaupt nicht ein, wieso man daran pro Kind nur einmal teilnehmen dürfen sollte. Noch ehrlicher gesagt denke ich, wir sollten da schon allein deshalb hin, weil das eine seltene Gelegenheit ist, Kontakte zu anderen Eltern kleiner Kinder innerhalb der Pfarrei bzw. des "Pastoralen Raums" zu knüpfen. 


aktuelle Lektüre: 

Die Lektüreliste, über die ich mich hier schon vorige Woche geäußert habe, weiter abzuarbeiten, hat sich als teilweise recht strapaziös erwiesen; in besonderem Maße galt das für das Buch "Selig die keine Gewalt anwenden" vom damaligen Innsbrucker und jetzigen Linzer Bischof Manfred Scheuer. Eigentlich soll es in dem Buch ja um den 1943 unter dem Nazi-Regime hingerichteten, 2007 seliggesprochenen Franz Jägerstätter gehen, und der ist ohne Frage eine interessante Figur; aber in dieser Hinsicht erinnert mich Scheuers Buch an eine Passage aus Donna Tartts Roman "Die geheime Geschichte", wo einer der Hauptcharaktere, der College-Student Bunny, eine Seminararbeit über den Dichter John Donne verfassen soll. Als er seinen Freunden und Kommilitonen die fertige Arbeit zeigt, fragen diese ihn: 
"'Aber findest du nicht, daß du John Donne ein bisschen öfter erwähnen solltest? War das nicht dein Thema?'
'Ach, Donne', sagte Bunny abschätzig. 'Den will ich da nicht reinziehen.'" (Tartt, Die geheime Geschichte, S. 128)
Tja, und so ähnlich verfährt Scheuer mit Franz Jägerstätter. Die diversen Themen, die der Autor aufgreift und auf mehr oder weniger weit hergeholte Weise zu Jägerstätter in Beziehung zu setzen versucht, sind jeweils für sich gesehen überwiegend durchaus interessant, aber mit der beliebig erscheinenden Auswahl der Themen und der oberflächlichen Art, in der er sie abhandelt, tut Scheuer ihnen keinen Gefallen -- und dem Leser schon gar nicht. Auf die Dauer hatte ich tatsächlich das Gefühl, ich könne spüren, wie ich vom Lesen dieses Buches dümmer werde. Deshalb brach ich die Lektüre auf S. 111 erst einmal ab und nahm das Buch erst wieder zur Hand, nachdem ich "Herrn Lehmann" und "The Beach" durch hatte und auch mit Kohl und Klepper ein gutes Stück weiter gekommen war. Und dann musste ich die Wiederaufnahme beinahe bereuen, las ich doch Sätze wie: "Franz Jägerstätter sieht es schon lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht als Privileg oder als Sonderweg an, nach Heiligkeit zu streben" (S. 121). Alter. Jetzt lass mich doch mal mit deinem blöden Konzil in Frieden. -- Interessant ist allerdings der Hinweis, dass Franz Jägerstätter durch das 1964 erschienene Buch "In Solitary Witness" von Gordon Zahn "in den USA und international" erheblich frühere und breitere Popularität erlangte als in der eigenen Heimat und dadurch "großen Einfluss auf die katholische Friedensbewegung", insbesondere im Zusammenhang mit Protesten gegen den Vietnamkrieg, entfaltete (S. 129). Und dann ist der von Bischof Scheuer verfasste Teil des Buches gottlob vorbei. Es folgt noch ein Anhang mit Beiträgen anderer Autoren, und da fällt zunächst einmal auf, dass der Satzspiegel des Buches sich ändert. Statt 32 Zeilen à 61 Zeichen sind es plötzlich 37 Zeilen à 73 Zeichen pro Seite; was nichts anderes bedeutet, als dass der Scheuer-Teil des Buches um gut 35 Seiten kürzer hätte ausfallen können, wenn man das ganze Buch im Satzspiegel des Anhangs gedruckt hätte. Ich finde, das sagt eine Menge aus. Die drei in den Jahren 2005-2007 beim Jägerstätter-Gedenken gehaltenen Vorträge, die den Hauptteil des Anhangs ausmachen, haben durchweg ein erheblich höheres Niveau als Scheuers Text, das heißt aber noch nicht automatisch, dass sie gut sind. Der Vortrag von Józef Niewiadomski über Jägerstätters Traum von dem Zug, der in die Hölle fährt (S. 142-153), gefällt mir passagenweise recht gut, nämlich da, wo er sich kritisch und durchaus sarkastisch-polemisch von einem allzu harmlosen, "Wellness"-orientierten und individualistischen Christentumsverständnis abgrenzt, dem die Frömmigkeit eines Franz Jägerstätter viel zu "fundamentalistisch" ist oder wäre. Ein Paar Sätze aus diesem Vortrag konnte ich sogar direkt für einen "Tagespost"-Artikel verwenden, der wohl in der übernächsten Ausgabe erscheinen wird. -- Im Ganzen scheint Niewiadomskis Vortrag aber doch von einem gewissen Bemühen geprägt, das Beunruhigende an Jägerstätters Höllentraum kleinzureden und eine "Hermeneutik" zu finden, die es ihm und seinen Zuhörern/Leser erspart, Hölle und Teufel für buchstäblich real zu halten. So fragt er schon auf S. 145: "Was soll diese Metapher überhaupt bedeuten?" Da möchte man doch laut ausrufen: Es ist keine Metapher, Mann! 

Erhebliche Bedenken hatte ich, ob ich mir nun wirklich den Vortrag eines Theologen mit dem vielsagenden Namen Wolfgang Palaver antun sollte, aber tatsächlich war dieser Beitrag (S. 154-167) dann gar nicht mal schlecht, insbesondere der 2. Abschnitt, in dem er, anknüpfend an Simone Weil, das "große Tier" aus Platons Politeia ("das ist die Herrschaft der Masse", S. 157) mit dem Tier der Apokalypse (vgl. Offb 13 u. 17) in Beziehung setzt. Überhaupt lohnt sich dieser Beitrag schon allein wegen der weiterführenden Literaturhinweise. -- Den abschließenden Vortrag von Roman A. Siebenrock (S. 168-191) fand ich dagegen wiederum eher ermüdend, pedantisch und aufgeblasen. Die letzten fünf Seiten habe ich nur noch sehr flüchtig überflogen und bin jetzt froh, das Buch abhaken zu können. 

Nachdem ich von Sven Regeners "Herr Lehmann" über weite Strecken begeisterter war, als ich es erwartet hätte, fand ich den Schluss eher enttäuschend. In den letzten vier Kapiteln zerfasert die Handlung, als wäre dem Autor kein vernünftiger Schluss eingefallen; aber je länger ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher kommt es mir vor, dass der Autor ganz bewusst keinen befriedigenden Schluss wollte. Nachdem es zeitweilig so aussah, als würde der Protagonist eine Entwicklung durchmachen und als würde irgendwie so etwas wie eine Perspektive in sein Schluffi-Dasein treten, reißt der Autor das, was er an "Entwicklung" aufgebaut hat, in den letzten Kapiteln sprichwörtlich mit dem Arsch wieder ein. Konzeptionell ist das womöglich ganz stimmig, aber deswegen muss es mir ja nicht gefallen

Das heißt übrigens nicht, dass es nicht auch noch in den letzten Kapiteln des Romans einige exzellente Passagen gäbe. Äußerst bemerkenswert erscheint mir etwa, was der Arzt im Urbankrankenhaus, der mit Herrn Lehmann über dessen Freund Karl spricht, auf S. 269f. über das "Zerbrechen des Selbstbildes" ausführt: nämlich, dass es ein recht verbreitetes Phänomen sei, dass junge Männer aus Westdeutschland sich in Westberlin, insbesondere in Kreuzberg, mit Hilfe der günstigen Lebenshaltungskosten und des räumlichen Abstands zu ihrem bisherigen Leben eine Scheinexistenz aufbauen, eine Art Phantasieversion ihrer selbst, beispielsweise als Künstler, dann aber irgendwann mit der Erkenntnis konfrontiert werden, dass sie sich selbst und allen anderen nur etwas vormachen, und daraufhin psychisch kollabieren. Irgendwie hätte ich daraus gern eine Begründung konstruiert, dem Buch ein gewisses Mindestmaß an #BenOp-Relevanz zuzuerkennen, bin aber doch zu dem Schluss gekommen, dass das nicht reicht. Gleiches gilt für die hier und da zur Sprache kommende Einstellung verschiedener Charaktere zur Arbeit, zum Stellenwert der Arbeit im Leben. Was den zeitgeschichtlichen Kontext angeht, wird auf S. 271 erwähnt, dass Herrn Lehmanns mit Furcht und Schrecken erwarteter 30. Geburtstag auf den 9. November 1989 fällt; und dann sieht es, zumindest für mich, kurzzeitig so aus, als würde der Mauerfall im Roman überhaupt nicht vorkommen, was ich bewunderungswürdig dreist gefunden hätte. Tatsächlich fällt die Mauer dann aber auf S. 280 doch, also ganz kurz vor Schluss, und ironischerweise scheint gerade diese historische Zäsur den Umstand zu besiegeln, dass sich in Herrn Lehmanns Leben nichts ändert. Ich sag ja, das hat der Autor mit Absicht gemacht. Im Ganzen auf jeden Fall, auch wenn der Schluss mir nicht zusagt, ein sehr lesenswertes Buch. 

Walter Kohls "Leben oder gelebt werden" lässt in der zweiten Hälfte ganz erheblich nach, was wohl vor allem daran liegt, dass die Küchenpsychologie gegenüber den autobiographischen Zügen die Oberhand gewinnt. Sobald Kohl junior nach Ameriko abgedampft und so dem unmittelbaren Einfluss des Übervaters erst einmal entronnen ist, gibt es eben nicht mehr so viel zu erzählen, und nach dem unfreiwilligen Rückzug des Vaters aus der aktiven Politik erst recht nicht mehr. Und dann ist es auf einmal 2001, und Hannelore Kohl stirbt. "Ich wusste sofort: Mutter hat von sich aus einen Schlussstrich gezogen" (S. 161). Wir hatten das Thema Selbstmord letzte Woche bei Jochen Klepper, jetzt kommt es auch bei Kohl zur Sprache; und ich frage mich: Wann ist uns eigentlich der Konsens darüber abhanden gekommen, dass Selbstmord ohne Wenn und Aber zu ächten, mindestens keinesfalls zu beschönigen oder zu glorifizieren ist? Auf S. 175 rutscht dem Kohl-Sohn sogar der abscheuliche Ausdruck "Freitod" heraus. Warum abscheulich? Darum: Das einzige, was einen Selbstmord verzeihlich machen kann, ist die (in den allermeisten Fällen wohl sehr wahrscheinliche) Annahme, dass der Täter so verzweifelt, so depressiv oder anderweitig so vom Gewicht des Lebens niedergedrückt war, dass er für sein Handeln nicht mehr voll verantwortlich gemacht werden konnte. Den Selbstmord als souveränen Akt der Selbstbestimmung, ja als die ultimative Verwirklichung von Freiheit darzustellen, beraubt ihn dieser Entschuldigung. Es ist übrigens durchaus folgerichtig, dass Walter Kohl sich dann auf S. 181ff. selbst mit Selbstmordgedanken befasst, sogar schon konkrete Pläne dafür schmiedet. Das kommt nämlich dabei heraus, wenn man den Konsens über die unbedingte Ächtung von Selbstmord außer Kraft setzt: Auf einmal erscheint er als erwägenswerte Option, und wenn das für andere gilt, warum dann nicht auch für einen selbst? Die Vorstufe zu Selbstmordgedanken schrint übrigens ein miserabler Musikgeschmack zu sein, denn auf S. 179 schreibt Kohl: "Ein Song der Rockband Cinderella drückte meine Gefühle aus. Er trug den Titel 'You don't know what you got until it's gone.'" Cinderella! Also ehrlich! Ein erwachsener Mensch sollte bei dieser Textzeile ja wohl eher an Joni Mitchell denken

Kurz und gut, nach Scheuer drängte mich nun auch Kohl dazu, sein Buch lieber beiseite zu legen und stattdessen mehr Klepper zu lesen; auf S. 196 brach ich die Lektüre von "Leben oder gelebt werden" vorläufig ab, las es dann aber ebenso wie "Selig die keine Gewalt anwenden" doch noch zu Ende. Mit Mühe. "Wenn Freude ein Treibstoff der Seele ist, dann wurde ihr Tank zu selten aufgefüllt", schreibt Walter Kohl auf S. 211 über seine Mutter, und auf S. 212 über seinen Vater: "Seine Emotionalität kann situativ sehr volatil sein." Gibt es eigentlich keine Lektoren mehr, die einem Autor das Manuskript, in dem solche Sätze stehen, freundlich, aber entschieden um die Ohren hauen? -- Enttäuschend ist das Buch auch und nicht zuletzt in Hinblick auf die im Klappentext behaupteten christlichen Überzeugungen des Verfassers. Nehmen wir nur mal Anja Hradetzkys "Cowgirl"-Buch zum Vergleich: Da hatte, wie die Autorin mir mitgeteilt hat, der Verlag die christlichen Bezüge eigentlich konsequent herausdrängen wollen, und der Co-Autor Hans von der Hagen hat Anja geholfen, sie durch die Hintertür wieder hineinzuschmuggeln. Im Gegensatz dazu wird hier ausdrücklich mit einem angeblichen christlichen Gehalt geworben, und dann findet man keinen. Oder allenfalls in Form von Versatzstücken, die sich in subjektivistischer Aneignung (wir erinnern uns: der Dom von Speyer als "Kraftort") und in trauter Eintracht mit Elementen anderer spiritueller Traditionen ("Lao-Tse sagt dazu", S. 240) und allerlei Psychobabbel zu einer bedarfsgerechten Wellness-Religion verquirlen. Zwar liest man etwa auf S. 222 "Was mich selbst betrifft, so ging es dabei auch um meine Beziehung zu Gott", aber der Satz hängt einfach so in der Luft, für den Leser folgt nichts daraus. Stattdessen schwadroniert Kohl über "fast magische Kräfte" (S. 253f.) und urteilt über die heilsame Wirkung der Vergebung: "Ob dies Teil der Gnade ist, die man erfährt, oder, nüchtern betrachtet, eine Befreiung der eigenen Wahrnehmung aus den Fesseln des Schubladendenkens und des Vorurteils, sei dahingestellt" (S. 254). Merke: Ob es diesen Gott wirklich gibt oder man ihn sich nur einbildet, ist im Grunde egal, solange man sich gut dabei fühlt. Na herzlichen Dank. 

Nachdem der Verfasser sich zum Ende des Buches hin lang und breit und mit großem Pathos über Versöhnungsbereitschaft als Erfordernis der Psychohygiene ausgeassen hat ("Schritte auf dem Weg zur Versöhnung" lautet auch die Titel-Unterzeile des Buches), gerät ihm das letzte Kapitel zu einer geharnischten Abrechnung mit dem Vater, und das lässt die salhungsvollen Lebenshilfe-Ratgeber-Allüren, die weite Teile des Buches geprägt haben, auf fast tragikomische Weise unglaubwürdig wirken. Letztlich ist der zwiespältige Eindruck, den das Buch auf diese Weise hinterlässt, aber wohl unvermeidlich in ihm angelegt. Die ganze Zeit geht es dem Autor darum, sich davon freizustrampeln, der Sohn Helmut Kohls zu sein, aber wäre er nicht der Sohn Helmut Kohls, würde sich für dieses Buch niemand interessieren, und da das schon beim Verleger anfängt, heißt das, es würde dieses Buch schlichtweg nicht geben. Auf den letzten Seiten musste ich an einen "Hägar der Schreckliche"-Cartoon denken, wo Hägar den Mönch Bruder Olaf fragt, wozu das Lesen eigentlich gut sein solle. Der Mönch erklärt: "Man erfährt etwas über das Leben anderer Menschen, interessiert dich das nicht?" - "Nein", entgegnet Hägar entschieden, "das ist Klatsch!" So geht es mir mit diesem Buch von Walter Kohl. Ich finde es passagenweise interessant, habe dabei aber immer irgendwie das Gefühl, eigentlich sollte es mich nicht interessieren. 

Was Alex Garlands "The Beach" angeht, hatte ich ja bereits erwähnt, dass meine Erwartungen an dieses Buch unrealistisch hoch waren, und gemessen daran kann ich sagen, dass ich verhältnismäßig wenig enttäuscht bin. Abgesehen von Kleinigkeiten habe ich eigentlich nur einen ernsthaften Kritikpunkt: Dass so viele destabilisierende Faktoren auf einmal über die Strandkommune hereinbrechen - die Furcht vor einer Entdeckung durch die auf der Nachbarinsel gelandeten Touristen, die Lebensmittelvergiftung, der Haiangriff auf die Fischer -, wirkt wenig überzeugend,  zumal es mehr oder weniger zwangsläufig die Frage nach sich zieht, wie die Geschichte wohl weitergegangen wäre, wenn das nicht alles auf einmal passiert wäre. Das ist ein gewichtigerer Kritikpunkt, als es den Anschein haben mag, denn wenn das Umschlagen der vermeintlichen Idylle in eine brutale Dystopie durch eine Verkettung von Zufällen ausgelöst wird, dann ist diese Peripetie - nach Aristoteles - nicht tragisch, denn eine tragische Handlung sollte sich mit zwingender innerer Notwendigkeit vollziehen. 

So gibt es für die Traumstrand-Community zwar ein Ende mit Schrecken, aber es bleibt fraglich, was der Leser eigentlich daraus lernen soll -- außer vielleicht, dass man sich, wenn man eine utopische Gemeinschaft aufbauen will, nicht gerade die Drogenmafia als Nachbarn aussuchen sollte. -- Nein, im Ernst: Wenn man ein bisschen darüber reflektiert, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass der zentrale Punkt der Story die Gratwanderung der Community zwischen Geschlossenheit und Offenheit ist; das ist eine Herausforderung für jede Art von Gemeinschaft, und genau darin liegt die #BenOp-Relevanz des Romans begründet. 

In "The Beach" besteht das Dilemma darin, dass es das erklärte Ziel der Community ist, ein Refugium vor den zerstörerischen Auswirkungen des Massentourismus zu schaffen bzw. zu erhalten; dazu ist es notwendig, den Traumstrand geheim zu halten, aber hätten die drei Leutchen, die den Strand entdeckt haben, niemandem davon erzählt, dann gäbe es die Community nicht; "alleine zu dritt" hätten sie so eine weitgehend autarke Kommune nicht betreiben können. Die Community wächst also zunächst einmal dadurch, dass die Gründer handverlesene Einzelpersonen an den Traumstrand "mitbringen", aber dabei bleibt es nicht aus, dass auch unbeteiligte Dritte zumindest gerüchteweise von der Existenz dieses Strandes erfahren, und mit der Ankunft "uneingeladener" Neuzugänge gerät das heikle Gleichgewicht der Community ins Wanken. 

Interessant ist übrigens, wie stark die Verfilmung (die ich nicht gesehen habe, aber die deutsch- und englischsprachige Wikipedia haben recht detaillierte Inhaltsangaben) in einigen entscheidenden Details vom Buch abweicht. Dass im Film mehr Sex vorkommt als im Buch und im Gegenzug das dramatische Finale erheblich weniger brutal und eklig ist: geschenkt. Viel gewichtiger erscheint es mir, dass der große Showdown im Film ein erheblich optimistischeres Menschenbild verrät als im Buch. Als sich im Film nämlich zeigt, dass Sal buchstäblich über Leichen zu gehen bereit ist, um die Strandkommune zusammenzuhalten, wenden sich alle schockiert von ihr ab. Ein größerer Kontrast zu der korrespondierenden Szene des Buches ist wohl kaum denkbar. 

Übrigens, da wir gerade von Filmen reden: Die oben beschriebene Thematik der Gratwanderung zwischen Geschlossenheit und Offenheit als prinzipielle Herausforderung für jede Art von Gemeinschaft hat mich auf den Gedanken gebracht, dass ich mir "The Village" von M. Night Shyamalan gerne einmal unter diesem Gesichtspunkt anschauen würde. Ja, der Großteil der Menschheit ist sich einig, dass der Film Kacke ist. Und ich glaube mich zu erinnern, dass er mir seinerzeit, als ich ihn im Kino gesehen habe, auch nicht gefallen hat. Trotzdem, ich würde es auf einen zweiten Versuch ankommen lassen. Vielleicht sollte ich aber auch (stattdessen oder zusätzlich) das Buch "Running Out of Time" von Margaret Peterson Haddix lesen, dessen Plot so große Gemeinsamkeiten mit "The Village" haben soll, dass es seinerzeit zu Plagiatsvorwürfen (allerdings nicht zu einer Klageerhebung) kam. 

Abschließend sei noch auf eine Kuriosität in "The Beach" hingewiesen, nicht zuletzt auch als Pendant zur Signifikanz des 9. November 1989 in "Herr Lehmann": In einer Ansprache der Strandkommunen-Anführerin Sal fällt auf S. 327 der bemerkenswerte Satz "Und es könnte euch interessieren, daß heute der elfte September ist." Aha?! Dazu sollte man sich vor Augen halten, dass die Romanhandlung Mitte der 90er spielt; erschienen ist das Buch im Original 1996, auf Deutsch 1997; die mir vorliegende, als "Buch zum Film" herausgebrachte Taschenbuchausgabe wurde im Jahr 2000 gedruckt. Von "dem" 11. September konnte da also noch gar keiner wissen. Verschwörungstheorie, anyone? --Tatsächlich wird das Datum an dieser Stelle nur erwähnt, weil drei Tage später das "Tet-Fest", das Jubiläum der Strandkommune, ansteht. 

Mit Jochen Kleppers "Unter dem Schatten Deiner Flügel" bin ich immerhin bis zum Ende des Jahres 1935 und somit bis S. 326 gekommen; das sind mehr Seiten, als die anderen Bücher dieser Leseetappe, mit Ausnahme von "The Beach", überhaupt haben, und allein daran sieht man wohl schon, dass das Buch mich allmählich doch erheblich mehr gefesselt hat, als ich es anfangs für möglich gehalten hätte. Allerdings habe ich noch mehr als bei Walter Kohl das ungute Gefühl, der Reiz, der von der Lektüre ausgeht, habe irgendwo etwas Voyeuristisches. Umso mehr, als diese Aufzeichnungen ja eigentlich gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren; ich bin mir wahrhaftig nicht sicher, ob die Schwester des Verfassers ihrem Bruder mit der Herausgabe dieses Bandes einen guten Dienst erwiesen hat. Man fühlt sich bei der Lektüre doch immer wieder wie ein unbefugter Eindringling in Privaträume. Zeitdokument hin oder her, in erster Linie ist das, was sich zwischen diese Buchdeckel drängt, Anamnesematerial für den Psychotherapeuten. Nur dass es für eine Therapie zu spät ist, da der Patient bereits tot ist. -- In diesem Zusammenhang kann ich nicht verschweigen, dass es mir durchaus fragwürdig erscheint, Klepper als Opfer der Nazidiktatur zu vereinnahmen -- worauf doch im Grunde sein ganzer Nachruhm beruht. Fragwürdig nicht nur deshalb, weil er sich aus seiner ebenso lutherischen wie preußischen Obrigkeitstreue heraus immer wieder bemüht, der Naziherrschaft etwas Gutes abzugewinnen, sondern auch und vor allem, weil sich mir immer wieder der Eindruck aufdrängt: Der Typ hätte sich auch unter anderen politischen Rahmenbedingungen umgebracht.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass Kleppers Verhältnis zu Christentum und Kirche sich bei längerer Lektüre als komplexer (und kaputter) erweist, als es zunächst den Anschein hatte. Auf S. 159 schreibt er, dass er seine "eigene Religiosität ablehne"; auf S. 192 gar, dass er sich "vor der Inzucht und der Kontroll-Losigkeit meines religiösen Denkens" fürchte (zu Recht, würde ich behaupten) und darum "'geistlich' wie ausgehungert" sei; und immer wieder ringt er mit sich, ob er in die Kirche gehen soll oder nicht:
"Aber wie mir sonntags die Kirche fehlt, kann ich gar nicht sagen. Doch kann man sich nicht immer der gleichen Enttäuschung aussetzen." (S. 190)  
"Ich bin nicht in die Kirche gegangen, gerade weil es mich so zieht und mir so fehlt; es kommt sonst so, daß ich in jedem Gottesdienst sitze, und das birgt seine großen Gefahren in sich, könnte die Zone des Schwärmertums berühren; darum gehe ich auch nicht zum Abendmahl." (S. 229) 
Auf S. 242 merkt er an: "Ich kann ganz und gar nicht behaupten, daß mir vom Christentum eine Beruhigung herkäme. Dazu sind seine Widersprüche zu quälend." Wiederholt sinniert er auch über "die Todfeinde Ethik und Glaube" (S. 178) und meint beispielsweise:
"Ich habe mich immer am Verantwortungsgefühl gerieben, weil es mir als ein gefährlicher Einbruch der Ethik in den Glauben erschien" (S. 262).  
Gut möglich, dass ich solche Äußerungen Kleppers schlichtweg nicht verstehe und dass das daran liegt, dass ich lutherische Theologie nicht verstehe. Aber wenn das so ist, möchte ich lieber gar nicht erst versuchen, sie zu verstehen; das scheint mir gesünder. Zwischenhinein kommt mir der Gedanke, ob lutherische Theologie womöglich der religiöse Ausdruck von Depression ist. Luthers eigene Biographie könnte durchaus Anhaltspunkte für diese These bieten. Ist aber nicht mein Thema.  

Gut gefallen hat mir allerdings, was Klepper auf S. 197 aus "Luthers Brief an Melanchthon vom 27.6.1530" zitiert:
"Deinen jämmerlichen Sorgen, von denen du, wie du schreibst, verzehrt wirst, bin ich von Herzen feind. Daß sie in deinem Herzen so herrschen, kommt nicht von der Größe der Sache, sondern von der Größe unseres Unglaubens ... Aber laß die Sache groß sein: Groß ist auch der, der sie führt und veranlaßt; denn es ist nicht unsere Sache. Warum quälst du dich so beständig und ohne Ruhe? Ist die Sache falsch, so wollen wir widerrufen. Ist sie wahr, warum machen wir den trotz seiner hohen Verheißungen zum Lügner, der uns befiehlt, unser Herz soll sorglos wie im Schlafe sein? 'Wirf deine Sorge', spricht er, 'auf den Herrn!' 'Der Herr ist nahe allen, die bekümmerten Herzens sind, die ihn anrufen'." 
Dass Klepper auf S. 306 schreibt "Der Katholizismus ist mir manchmal wie eine letzte Vorstufe des Glaubens" - und es offenkundig wohlwollend meint! -, möchte ich am liebsten überhaupt nicht kommentieren; einigermaßen bizarr wirkt es, dass er auf der nächsten Seite bekennt, er habe "zum ersten Male [...] überhaupt mit einem Katholiken" gesprochen (nämlich mit Reinhold Schneider), und anmerkt, dies sei "quälender" gewesen, "als alle Gespräche sonst schon für mich sind." -- Und damit schließe ich meine Klepper-Lektüre dann auch erst mal ab. Ich habe zwar nicht mal ein Drittel des ganzen Bandes geschafft, und irgendwann werde ich mich wohl mal zum Weiterlesen aufraffen, aber nicht mehr in diesem Jahr.

Da das Ende des Kirchenjahres näher rückt und ich im Advent einen besonderen Schwerpunkt auf geistliche Lektüre legen möchte, habe ich mir für die kommenden zwei Wochen nur noch drei Bücher vorgenommen, nämlich die folgenden: 
Eine Biographie über Larry Norman, einen der Pioniere der christlichen Rockmusik. Ha'ick mir jekooft, wa. Als eBook. Ich wollte dieses Buch haben, seit ich via Twitter davon erfahren habe, dass es existiert. Bereits gelesen habe ich das Vorwort, und das macht ausgesprochen neugierig. Thornbury zeichnet Larry Norman als die herausragende Persönlichkeit des "Jesus Movement" der frühen 70er, einer Art christlichen Flügels der Hippie-Bewegung "ohne die Drogen und die freie Liebe" (S. 10f.) und nennt ihn den "Forrest Gump des evangelikalen Christentums" (S. 11); man erfährt, dass Norman als Mitglied der Band People! zusammen mit Künstlern wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, den Grateful Dead, den Byrds und Jefferson Airplane auf Tour ging und dass beispielsweise Frank Black von den Pixies und John Mellencamp ihn als Inspiration und Vorbild benennen (ebd.), und zugleich, dass Norman mit dem religiösen Establishment permanent auf Kriegsfuß stand. Ebenfalls bereits im Vorwort verrät Thornbury, dass frühere Weggefährten des 2008 im Alter von 60 Jahren verstorbenen Norman diesen als skrupel- und zügellos, verlogen und narzisstisch darstellen; zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gehört es ebenso, dass er "nicht regelmäßig zur Kirche gegangen sei", wie auch, dass er "ein uneheliches Kind (oder möglicherweise zwei) gezeugt habe, ein autoritärer Kontrollfreak oder schlicht und einfach ein Betrüger gewesen sei" (S. 13). Klingt nach einer schillerenden Persönlichkeit, was? Tendenziell problematischer als die genannten Punkte finde ich es aber ehrlich gesagt, dass Norman, wie Thornbury hervorhebt, schon vor 40 Jahren die Idee eines sozusagen "unkirchlichen" Christseins verfochten hat -- "die Idee, junge Leute könnten Gott nahe sein, ohne auf religiöse Autoritäten zu hören oder treue Kirchgänger zu sein": "In einem seiner Songtexte wandte er sich explizit gegen das Ansinnen, 'nette kleine Kirchen zu bauen', denn die jungen Leute, die Jesus nachfolgten, hätten 'ihre Kirche draußen auf der Straße'" (S. 14). Gewiss muss man hier Normans evangelikalen Hintergrund bedenken: Aus Sicht einer protestantischen Ekklesiologie ist es tatsächlich gar nicht so leicht einzusehen, wozu es überhaupt eine institutionelle Kirche braucht. Das stellt sich aus katholischer Sicht natürlich anders dar. Wie dem auch sei, Thornbury sieht in Norman einen Vorreiter der seither "praktisch zum Klischee gewordenen" Idee, sich als "spirituell, aber nicht religiös" zu definieren, und somit jemanden, auf den sich junge Leute von heute berufen können, die zwar "weder Atheisten noch Materialisten sind, sich aber gleichzeitig auch mit keinem bestehenden religiösen System identifizieren" (ebd.) Das ist in meinen Augen, egal ob Thornbury es so meint oder nicht (wahrscheinlich eher nicht), ein sehr hartes Urteil über den vielleicht größten christlichen Rockstar aller Zeiten. Nun, immerhin lässt das Vorwort erwarten, dass der Autor seinen Protagonisten - bei aller unverkennbaren Sympathie - nicht unkritisch schildern wird; und dann bleibt es ja auch noch dem Leser vorbehalten, sich sein eigenes Urteil zu bilden. 
Aus dem Nachlass von Pfarrer Silvers: Eine Sammlung von 22 Krimi-Geschichten verschiedener Autoren, herausgegeben anlässlich des 15jährigen Jubiläums der Lesereihe "Reinickendorfer Kriminacht". Nun hoffe ich natürlich, der Titel der Sammlung wird insofern wörtlich zu verstehen sein, als die einzelnen "Fälle" ein gerüttelt Maß an Lokalkolorit zu bieten haben. Schauen wir mal. 
Ebenfalls aus dem Nachlass von Pfarrer Silvers. Ich erwähnte dieses Buch bereits im Zusammenhang mit Karl Aloys Altmeyers Dokumentation "Katholische Presse unter NS-Diktatur", da der Verfasser Walter Adolph in den von Altmeyer zusammengestellten und kommentierten Dokumenten des öfteren vorkommt: Er war ab 1932 Chefredakteur der Berliner Bistumszeitung und von 1933-36 Leiter der Fachschaft der katholisch-kirchlichen Presse in der Reichspressekammer. Dieser Hintergrund lässt erwarten, dass seine eigene Darstellung des Verhältnisses zwischen katholischer Kirche und NS-Regime recht spannend wird -- auch wenn man wie im Falle Altmeyers damit rechnen muss, dass sie nicht ohne Schönfärberei auskommt.


Linktipps:
Ernsthaft jetzt? Die Kirche soll von der Sesamstraße lernen? Russell Moore, ein prominenter Repräsentant der Southern Baptist Convention in den USA, ist sich sehr bewusst, dass die Überschrift dieses Artikels (der übrigens durch das 50jährige Bestehen der Sesamstraße veranlasst wurde) zu Fehldeutungen einlädt, und stellt klar: "Pastoralprogramme nach Art von 'Kitzel-mich-Elmo' haben wir schon mehr als genug." Wenn Dr. Moore mit seiner provokanten Überschrift also nicht meint, die Kirche brauche mehr bunte, flauschige Handpuppen mit großen Nasen, die Buchstabier-Lieder singen -- was meint er dann? Im Wesentlichen dies: Die Sesamstraße, so Moore, habe gerade in ihrer Anfangszeit eine klare gesellschaftsverändernde Agenda gehabt; sie habe diese jedoch nicht in der Form vertreten, dass sie belehrend und/oder moralisierend über sie geredet hätte, sondern indem sie die bessere Gesellschaft, die sie anstrebte, darstellte, als gäbe es sie schon. Das scheint mir ein durchaus profunder Gedanke. 

Maria Zwonull gibt es jetzt auch in Berlin; im Real Life habe ich davon gottlob noch nichts mitbekommen, aber ich bin im Presseverteiler des Erzbistums und erhielt daher bereits am 29. Oktober eine Pressemitteilung, aus der hervorging, das "Aktionsbündnis Maria 2.0 Berlin" - unterstützt vom Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin, den Frauenverbänden kfd und KDFB sowie dem Ökumenischen Frauenzentrum Evas Arche e.V. - wolle am 3. November um 11.00 Uhr auf dem Bebelplatz - vor der Kathedrale St. Hedwig, die allerdings wegen Umbaus geschlossen ist - "einen Gottesdienst feiern", so nennt man das also heutzutage. "Wieso verbreiten Sie so etwas?", mailte ich unwirsch zurück und erhielt darauf eine formvollendete, lediglich unterschwellig sauertöpfische Antwort vom Pressesprecher des Erzbistums. Ich ging da natürlich nicht hin, ich habe lange genug in einem Gruselkabinett gearbeitet, das genügt mir; aber Marco Gallina war da, und was er von dort berichtet, ist definitiv lesenswert. Ausdenken kann man sich so etwas nämlich nicht. 


Heilige der Woche:

Heute, Montag, 11. November: Hl. Martin 316/17-397), Bischof von Tours. Als Sohn eines heidnischen römischen Beamten in Pannonien (im heutigen Ungarn) geboren, wurde im Alter von 15 Jahren Soldat in Gallien, bekehrte sich während seiner Militärdienstzeit zum Christentum und wurde vom Hl. Hilarius von Poitiers getauft. Nach seinem Ausscheiden aus der Armee wurde er Missionar, lebte zeitweilig als Einsiedler, gründete mehrere Klöster und wurde 372 zum Bischof von Tours geweiht. Einer der populärsten Heiligen des Westens; zum mit seinem Gedenktag verbundenen Brauchtum habe ich mich ja oben bereits geäußert.

Dienstag, 12. November: Hl. Josaphat (1580-1623), Bischof und Märtyrer. Als Sohn russisch-orthodoxer Eltern in Wolhynien in der heutigen Ukraine geboren, trat 1604 in Vilnius (Litauen) in ein griechisch-katholisches Kloster ein, wurde fünf Jahre später zum Priester geweiht und 1618 Erzbischof von Polazk in Weißrussland. Im Zuge von Protesten russisch-orthodoxer Gläubiger gegen die griechisch-katholische Geistlichkeit von einer aufgebrachten Volksmenge erschlagen.

Freitag, 15. November: Hl. Albertus Magnus (ca. 1200-1280), Ordenspriester, Bischof, Kirchenlehrer. Trat 1223 in den Dominikanerorden ein; bedeutender Gelehrter, grundlegend für die Aristoteles-Rezeption des christlichen Mittelalters, zeitweilig Lehrer des Hl. Thomas von Aquin. 1260 zum Bischof von Regensburg ernannt, ein Amt, das er nur widerstrebend annahm und von dem er zwei Jahre später wieder verpflichtet wurde. -- Hl. Leopold (1073-1136), Markgraf von Österreich, Klostergründer. Gründete unter anderem das Chorherrenstift Klosterneuburg, das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz und das Benediktinerkloster Klein-Mariazell im Wienerwald und trug damit bedeutend zur Erschließung des damals noch stark bewaldeten und unzugänglichen Landes bei. Galt 1125 als aussichtsreicher Kandidat für die Königswahl.

Samstag, 16. November: Hl. Margareta von Schottland (ca. 1046/47-1093), Königin, Klostergründerin. Angelsächsische Prinzessin aus dem Königshaus von Wessex, geboren und aufgewachsen in Ungarn, wo ihr Vater und Großvater zeitweilig im Exil lebten. Heiratete 1070 König Malcolm III. von Schottland (der in Shakespeares Tragödie Macbeth vorkommt) und hatte mit ihm acht Kinder. Galt als wohltätige, fromme und beim Volk sehr beliebte Königin; gründete die Benediktinerabtei Dunfermline


Aus dem Stundenbuch: 

Der Herr ist bei mir, ich fürchte mich nicht. * Was können Menschen mir antun? (Psalm 118,6



2 Kommentare:

  1. Ach ja, das unkirchliche Christsein... fast immer, wenn ich von Freikirchlern in irgendeinem Zusammenhang die Frage höre "Wozu soll Jesus überhaupt die Kirche brauchen?" (meist in der Schreibweise: WOZU??? soll JESUS ÜBERAUPT 1 "Kirche" brauchen???!!!???), denke ich: "Vielleicht, um zu bewirken, daß noch irgendjemand genug Grammatik lernt, um die Bibel lesen zu können?"

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  2. Ein wohlgemerkt von christlichen Kindern eingeübtes "ökumenisches" St. Martins-Spiel OHNE JEGLICHEN CHRISTLICHEN BEZUG???

    Da haben Sie recht, wenn Sie schreiben:

    "...ich denke, eine Grundsatzdiskussion zur Frage "Was soll der Scheiß?" wäre durchaus auch in den Gremien unserer [katholischen] Pfarrei fällig."

    Volle Zustimmung zu Ihrem Urteil.


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