Es mag komisch wirken, wenn ausgerechnet ich hier von Fußball anfange; aber in den letzten Tagen musste ich immer mal wieder an ein Erlebnis denken, das ich während der Fußball-WM 2010 hatte. Eine der links-alternativen Kneipen, in denen ich gern zu Gast war - eine vergleichsweise gemäßigte, muss man hinzufügen-, zeigte alle Spiele der WM auf Leinwand, und da ging ich öfter mal hin. Als das Vorrundenspiel Portugal-Nordkorea anstand, betrat eine Gruppe von fünf oder sechs jungen Männern - Deutsche ohne Migrationshintergrund, soweit ich das beurteilen konnte - mit einer nordkoreanischen Flagge die Kneipe - musste sich aber vom Tresenpersonal darauf hinweisen lassen, dass Nationalflagen in diesem Lokal nicht geduldet würden. "Aber Nordkorea ist doch ein kommunistischer Staat!", protestierten sie - erhielten jedoch zur Antwort, so sei nun einmal die Hausordnung, und das Verbot gelte unterschiedslos für alle Nationalflaggen.
Die Nordkorea-Fans verstauten die Flagge also murrend in einem Rucksack, ließen sich aber im Großen und Ganzen die Laune nicht verderben; auch davon nicht, dass ihre Lieblingsmannschaft, nachdem sie sich in der ersten Halbzeit noch recht tapfer gegen die klar favorisierten Portugiesen behauptet und nur ein Gegentor kassiert hatte, in der zweiten Spielhälfte völlig einbrach und schließlich mit einem Spielergebnis von 0:7 vom Platz ging. Die jungen Männer feuerten die Sportler des kommunistischen Regimes unverdrossen an und trösteten sich über den Spielverlauf, indem sie jedes Tor der Portugiesen bejubelten, als wäre es eins für Nordkorea gewesen. So errangen Kim Jong-ils Kicker wenigstens in der Phantasie dieser Zuschauergruppe einen historischen Sieg, und die Nordkorea-Fans verließen die Kneipe in bester Stimmung, wobei sie lautstark "Hoch! Die! Internationale! Solidarität!" skandierten.
So skurril diese Episode anmuten mag, so bezeichnend erscheint sie mir im Rückblick. Vor allem, wenn ich mir ansehe, welche Bilanz die "What the Fuck?"-Fraktion von ihren Störaktionen gegen den Marsch für das Leben zieht.
Über den Marsch habe ich hier ausführlich berichtet; ergänzend dazu empfehle ich den Bericht meiner Liebsten (hier). Auf YouTube gibt es ein eindrucksvolles Video, das Ansichten des Marsches und Bilder der gegen ihn gerichteten Proteste, einschließlich der Sitzblockade Unter den Linden, einander gegenüberstellt.
Wie schon berichtet, wurde der Marsch für das Leben durch die Sitzblockade für eine Zeitspanne zwischen einer und zwei Stunden aufgehalten, was, wie ich bereits ausgeführt habe, für mein Empfinden nicht unbedingt zum Schaden der Demonstration war - schließlich war sie die ganze Zeit gut sichtbar für eine Vielzahl von Passanten, und wieso sollte man im Stehen nicht genauso gut demonstrieren können wie im Gehen? 14 Polizeibeamte wurden im Einsatz gegen die Störer verletzt, 43 Blockierer festgenommen (laut FOCUS). Während zum Marsch für das Leben laut Veranstalterangaben 7.000 Menschen gekommen waren (in der Presse war von 5.000 die Rede), bekamen die beiden Gegenkundgebungen - die des "What the Fuck?"-Bündnisses und die des "Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung" - nach unterschiedlichen Quellen zwischen 1.700 und 2.500 Teilnehmer auf die Straße; im Vorfeld war mit rund 3.000 Gegendemonstranten gerechnet worden. Ein Erfolg?
Nun ja, die Organisatoren und Teilnehmer der Proteste sehen es offenbar so. Oder wollen es zumindest so sehen. Das verrät u.a. ein Blick auf die Facebook-Seite des What the Fuck?-Bündnisses. Am Abend nach dem Marsch für das Leben wurde dort ein Beitrag gepostet, der das folgende Fazit zog:
"Es ist uns heute zusammen gelungen die Fundis vom Marsch fürs Leben über 2 Stunden zu blockieren. Aber auch nachdem die Bullen ihnen brutal den Weg frei geschlagen haben" -
(Das war ja so klar, dass "die Bullen" jetzt wieder die Bösen sind. Zur Erinnerung: "Die Bullen" haben lediglich das Demonstrationsrecht geschützt; die Gewalt ging von euch aus. Ich hoffe, ihr fühlt euch wohl in eurer Opferrolle. Anders ausgedrückt: Heult doch.)
- "wurden die schwer genervten Mittelalterfans" -(Komisch, ich habe keine "Mittelalterfans" gesehen, und "schwer genervt" war, soweit ich das sehen konnte, auch niemand.)
- "neben lautstarken Protest mit illustren Gaben wie Konfetti, Kondomen und Pferdescheiße bedacht."(Ach, das wart ihr, mit der Pferdescheiße? Ich dachte, die läge da immer rum.)
"Ihre Party ist auf jeden Fall ins Wasser gefallen :) "(Meint ihr. Na ja. Als Party war es allerdings von vornherein nicht so direkt geplant gewesen.)
"Ihr wart alle absolut Spitze!
Viele Grüße an alle Verletzten und Festgenommenen!"
In einem Kommentar zu einem anderen Beitrag auf der Seite wurde Freude darüber geäußert, "dass die erste Ansage im Lustgarten die war, dass man den
Gottesdienst in einer Kurzversion abhalten würde". Am Montag folgte dann eine Pressemitteilung:
"'Marsch für das Leben' in Berlin erfolgreich gestört
Am 19.09 beteiligten sich rund 2500 Menschen an den Gegenprotesten gegen den sogenannten Marsch für das Leben. Am Vormittag führte das 'What the Fuck!?' Bündnis eine Demonstration vom Anhalter Bahnhof bis zur Wilhelmstraße durch, an der 2000 Demonstrant*innen teilnahmen.
Nachdem am Gendarmenmarkt eine gemeinsame Kundgebung mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung stattfand, machten sich zahlreiche Demonstrant*innen auf den Weg, um die sogenannten 'Lebensschützer' zu blockieren. Diese mussten ihre Route um mehr als die Hälfte kürzen.
Der Marsch wurde auf 'Unter den Linden' durch eine Sitzblockade von rund 1200 Menschen gestoppt und konnte für lange Zeit nicht weiterlaufen.Die Blockade wurde schließlich von der Polizei gewaltvoll geräumt, es gab mehrere Verletzte auf Seiten der Demonstrant*innen.Der Marsch ist auch nach der Blockade durch weitere Störaktionen akut eingeschränkt worden und erreichte sein Ziel, den Lustgarten, erst sehr viel später als erwartet.
'Unser Konzept, den Aufmarsch der FundamentalistInnen entschlossen und wirkungsvoll zu sabotieren ist aufgegangen. Wer reaktionäre und antifeministische Positionen durchsetzen möchte hat kein Recht auf eine ungestörte Versammlung.'"
(Hervorhebung von mir. Gut, dass wir das geklärt haben.)
"Wir haben es geschafft, den Marsch für eine längere Zeit zu stoppen und mit unserer bunten, lauten Demo ein Zeichen für unsere queer-feministischen Kämpfe zu setzen. Wir bedauern allerings, dass die Überforderung und das gewaltvolle Verhalten der Polizei zu Verletzungen geführt hat.“ schätzte Lotte Schäfer, Pressesprecherin des Bündnis 'What the Fuck!?' den Tag ein."
Gewaltvoll, so so. Deswegen spricht man vermutlich auch vom "Gewaltmonopol des Staates". Ihr eigenes Handeln würden die Blockierer wohl nicht als "gewaltvoll" bezeichnen, aber die Definition von "Gewalt" in diesen Kreisen ist ohnehin hochinteressant. "Gehsteigberatungen" etwa, aber auch Gebets-Mahnwachen vor Abtreibungskliniken, sind "Gewalt gegen Frauen". Abtreibung dagegen ist Gesundheitsfürsorge. - Im Vorfeld des Marschs für das Leben wurde übrigens eine Apotheke in Neukölln, deren Betreiber aus Gewissensgründen die Abgabe der "Pille danach" verweigert, zum wiederholten Male zum Ziel von Vandalismus. Das ist vermutlich auch keine "Gewalt". Im Gegenteil, "Gewalt" ist, was der Apotheker tut.
Auch der Humanistische Pressedienst (hpd) meinte, es sei "Kein guter Tag für christliche Fundamentalisten" gewesen. Wäre ja auch noch schöner, wenn die einen "guten Tag" gehabt hätten. Schließlich handelte es sich um einen "reaktionären Marsch" von "homophoben und antifeministischen" Gruppen, ja von "Rechtspopulisten". Darum hätten sich auch - was ich doch stark anzweifeln möchte - "[v]iele Passanten [...] spontan hinter die Blockade" gestellt, "um ihre Solidarität zu bekunden".
Klar ist: Da die Blockierer sich als "links" und ergo fortschrittlich definieren, im Gegensatz zu den "reaktionären", ja "mittelalterlichen" Lebensschützern, sind sie per definitionem "Sieger der Geschichte". Genau wie Nordkorea. Und dank linientreuer Presseorgane wie "Neues Deutschland" ("Reaktionärer 'Lebensschützer'-Aufmarsch blockiert") und "Junge Welt" ("Mit phantasievollen Losungen [!] wandten sich am Samstag bis zu3.000 Frauen und Männer gegen die Prozession der selbsternannten Lebensschützer") erreicht eine Pressemitteilung ja wesentlich mehr Leute als live dabei waren und sich ihr eigenes Bild machen konnten. Man braucht also nur laut genug zu behaupten, man hätte gewonnen, dann hat man gewonnen. Dann spielt auch die Frage keine Rolle mehr, warum man eigentlich stolz darauf sein sollte, friedliche Demonstranten (und ich glaube, ich habe noch nie eine so große Demonstration erlebt, die so friedlich war) mit hasserfüllten Parolen niedergebrüllt, beschimpft und bedroht und außerdem die Feier eines Gottesdienstes (!) behindert zu haben. Hier muss man berücksichtigen, dass die Blockierer nicht nur einen imaginären Sieg errungen haben, sondern ihn - Don Quixote lässt grüßen - auch gegen einen imaginären Gegner errungen haben. Während sie es in Wirklichkeit nur mit harmlosen, friedfertigen Zeitgenossen zu tun hatten, bunt gemischt in Hinblick auf Alter, Herkunft, Geschlecht und Familienstand, haben sie sich in ihrer Phantasie tapfer einer zu Allem entschlossenen Phalanx finsterer, nach Inquisition und Scheiterhaufen lechzender Fanatiker entgegengestellt - und haben es überlebt. Da kann man sich dann schon mal feiern.
Bezeichnend für die Konstruktion eines knalligen Feindbilds, dem der Marsch für das Leben bzw. seine Teilnehmer in Wirklichkeit nicht annähernd entsprechen, ist eine schriftliche Stellungnahme der Thüringer Landtagsabgeordneten Kati Engel (Die Linke) - als Antwort auf eine Einladung des Bundesverbands Lebensrecht zur Teilnahme am Marsch für das Leben. Dass der BVL auch und gerade seine erklärten Gegner persönlich zur Teilnahme am Marsch einlädt, ist in meinen Augen eine schöne, von christlicher Gesinnung durchdrungene Geste - die die Abgeordnete mit dem unpassenden Namen allerdings wenig zu würdigen wusste: "Hackt's bei Ihnen?! [...] Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich als emanzipierte, linke Frau Ihre Einladung annehme?" Den Versendern der Einladung warf Frau Engel u.a. vor:
"Sie als Organisator*innen dieses Marsches und Ihre Teilnehmer*innen vertreten ein rückständiges Weltbild, in dem der Schwangerschaftsabbruch als eine 'vorgeburtliche Kindestötung' dargestellt wird."
Ich wäre wirklich gespannt, wie Frau Engel die Behauptung begründen wollte, eine Abtreibung sei keine "vorgeburtliche Kindstötung" - und worauf genau sie sich bezieht, wenn sie zudem behauptet:
"Sie verbreiten Lügen über den Schwangerschaftsverlauf und über biologische Fakten."
Ich werde den Verdacht nicht los, dass es sich bei diesen "Lügen" um Wahrheiten handelt, die Frau Engel und ihre GesinnungsgenossInnen schlicht nicht wahrhaben wollen. - Und dann noch dies:
"Sie sprechen von 'Babycaust' und relativieren so den nationalsozialistischen Holocaust."
Diesen Vorwurf habe ich schon öfter gehört, aber: Ich war bislang viermal beim Marsch für das Leben, und das Schlagwort "Babycaust" oder vergleichbare Parolen sind mir dort nie begegnet, weder mündlich noch etwa als Schriftzug auf einem Plakat oder Transparent. Bei der diesjährigen Kundgebung hat Martin Lohmann sich sehr nachdrücklich von Relativierungen nationalsozialistischer Verbrechen distanziert. Ich weiß schon, das kann man zur Not noch mit dem guten alten Spruch "Wer sich verteidigt, klagt sich an" abtun. Aber als Abgeordnete der Linken wäre ich angesichts des massiven Antisemitismusproblems in der eigenen Partei sehr vorsichtig damit, Andere der Relativierung von NS-Verbrechen zu bezichtigen.
Abgesehen von der "Babycaust"-Unterstellung fehlt in Frau Engels Schreiben allerdings der explizite Vorwurf des Rechtsextremismus. Hingegen sind mir in den letzten Tagen auch Stellungnahmen von Personen untergekommen, die zwar mit dem Anliegen des Lebensschutzes durchaus sympathisieren, aber mit dem Marsch für das Leben trotzdem nichts zu tun haben wollen: Der sei ihnen zu polemisch, zu radikal oder auch zu "rechts". Da sieht man mal, wie die Propaganda der Gegenseite wirkt. Auf Twitter las ich z.B. die Aussage, der Marsch sei "diskreditiert", solange seine Veranstalter sich nicht "von AfD und Junger Freiheit distanzieren". Nun ja. Tatsächlich hat der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann der Jungen Freiheit, die laut Wikipedia von Politikwissenschaftlern im "Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus" verortet wird, wiederholt Interviews gegeben. Allerdings wurden in diesem Blatt, das sich selbst als "Wochenzeitung für Debatte" bezeichnet, auch schon der angesehene Philosoph Robert Spaemann, SPD-Politiker wie Egon Bahr und Peter Glotz, Charlotte Knobloch vom Zentralrat der Juden in Deutschland und Altbundespräsident Roman Herzog interviewt. Alles Nazis? -- Ja, der Arbeitskreis "Christen in der AfD" hat zur Teilnahme am Marsch aufgerufen. Ja, die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch ist, nicht zum ersten Mal, in der ersten Reihe mitmarschiert. Mir persönlich wäre es auch lieber, sie würde das sein lassen, aber wer wäre ich, Frau v. Storch die Teilnahme an einer Demonstration verbieten zu wollen, nur weil ich daran teilnehmen möchte, aber nicht zusammen mit ihr gesehen werden will? Weder ihre Teilnahme noch der Teilnahmeaufruf der "Christen in der AfD" machen den Marsch zu einer AfD-Veranstaltung. Es gab weder ein AfD-Grußwort auf der Kundgebung, noch wurden AfD-Plakate oder -Banner bei der Demonstration herumgetragen. Übrigens auch von keiner anderen Partei oder politischen Organisation. Von einer parteipolitischen Vereinnahmung kann somit keine Rede sein, und das ist schon mehr, als man von den meisten anderen Demonstrationen sagen kann. Wollte man jede Demonstration meiden, bei der Leute mitlaufen, mit denen man politisch uneins ist, könnte man auf gar keine mehr gehen.
Auch interessant fand ich, dass sich auf der "What the Fuck"-Facebook-Seite mehrfach ein Student der Evangelischen Religionspädagogik zu Wort meldete, der den dezidiert antichristlichen Charakter einiger Parolen (wie z.B. "Kreuze zu Brennholz") bemängelte und erklärte: "Ich bezeichne mich selber als evangelischen Christen und ja,
ich strebe sogar ein Pfarramt an" - dann jedoch hinzufügte: "aber was diese Menschen da angeblich als
Gottes Willen ausgeben, ist nichts weiter als geistiger Dünnschiss." Daher räumte er auch ein: "Der ganze menschenverachtende Kram, den die Neurechten gemeinsam
mit den "christlichen" Fundamentalist_innen da auf die Straße tragen,
gehört blockiert. Keine Frage."
Man sieht, die Verwirrung, die in den Köpfen der Marsch-Gegner herrscht, ist mit Händen zu greifen; besonders auch dann, wenn man wiederholt die Aussage hört und liest, die Christen dürften ja gern "privat" gegen Abtreibung sein und ergo ihre eigenen Schwangerschaften unter allen Umständen austragen, nur sollten sie sich nicht in das Leben Anderer einmischen. Wer so etwas sagt, in dessen Gedankengängen kommt die Idee, ungeborene Kinder hätten ein Recht auf Leben, offenkundig überhaupt nicht vor. Es kann schon recht frustrierend sein, zu sehen, wie schwer diese Ignoranz gegenüber einem eigentlich ganz simplen und einsichtigen Sachverhalt - nämlich, dass bei jeder Abtreibung ein Mensch getötet wird - zu überwinden ist. Andererseits zeigt es aber auch, welcher Manipulationen es bedarf, das Anliegen des Lebensschutzes zu delegitimieren und so den Widerstand gegen den Marsch für das Leben zu mobilisieren: einerseits durch das gebetsmühlenartige Wiederkäuen der unsinnigen Behauptung, die Entscheidung über Austragen oder Abbrechen einer Schwangerschaft sei einzig und allein eine Entscheidung der schwangeren Frau über ihr Leben und ihren Körper; andererseits dadurch, dass man vom eigentlichen Anliegen des Marsches ablenkt, indem man ihn mit rechtsextremen Ideologien in Verbindung bringt und/oder die Lebensschützer zu Fackeln und Mistgabeln schwenkenden Finsterlingen aus dem Mittelalter verzeichnet. Wie schon mehrfach angemerkt, gehe ich davon aus, dass die Mehrzahl der Gegendemonstranten in gutem Glauben handelt, und im Grunde tun sie mir vor allem leid - dass sie so manipuliert werden, dass sie das Gute für böse und das Böse für gut halten.
Als einen großen Erfolg des Marschs für das Leben betrachte ich es daher, wie seine Teilnehmer - soweit ich das überblicken konnte - mit der ihnen entgegengebrachten Feindseligkeit umgegangen sind. Sie haben in geradezu vorbildlicher Weise die Forderung Jesu "Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln" (Lukas 6,28) in die Tat umgesetzt. Wenn dadurch auch nur einige der aufgehetzten Gegendemonstranten ins Grübeln gekommen sind, ob sie wirklich auf der richtigen Seite stehen, dann ist schon viel gewonnen.
Im Gegensatz zu Ihren sonst so fundiert recherchierten Artikeln machen Sie es sich hier etwas zu leicht. In zwei Bereichen dürften wir uns einig sein, erstens sowohl der Marsch für das Leben als auch die Gegendemonstration sind mit ihrer Teilnehmerzahl im Berliner Demogeschehen eher eine Randnotiz, zweitens Beschimpfungen und Blockadeaktionen sind generell abzulehnen. Bei anderen Dingen sehe ich das allerdings differenzierter. Die "Babycaust" Geschichte ist keineswegs so abwegig. Klaus Günter Annen, Betreiber von "babycaust.de" und wegen Verleumdung mehrmals vor Gericht, ist bislang noch bei jedem Marsch einträchtig mitmarschiert und wurde in den Medien von Alfa eV. mehrmals in Artikeln positiv erwähnt - trotz seiner ständigen Holocaust Relativierungen. Die Junge Freiheit - die sogenannte "Wochenzeitung für Debatte" kann man auch kaum als "bürgerliche oder liberale" Zeitung bezeichnen. Kleiner Tipp - geben Sie einfach mal in die Suchfunktion "Asyl" ein und schauen Sie was dann rauskommt. Matthias von Gersdorff, früher Mitorganisator des MfdL ist dort langjähriger Korrespondent und sich niemals auch nur mit einem Wort von ausländerfeindlichen und rassistischen Texten in der JF distanziert. Die sogenannte "Gehsteigberatung" ist in mehreren Städten zum Beispiel Wien oder München aus gutem Grund verboten worden nachdem sich Frauen darüber beschwert hatten vor Kliniken bedrängt, belästigt und bedroht worden zu sein. Maria Grundberger, eine der Ikonen der deutschen Lebensschutzbewegung hat selbst zugegeben, dass sie sich von einer Bekannten ein Baby "ausgeborgt", dieses einer Frau in die Hand gedrückt und sie vor die Wahl gestellt hat dieses entweder fallen zu lassen oder zu behalten. Völlig indiskutables Verhalten und schwere Nötigung. Dann kann man abtreibungswillige Frauen gleich entführen und bis Ablauf der Frist im Keller einsperren.
AntwortenLöschenDen geschilderten Fall z.Th. "Gehsteigberatung" möchte ich denn doch für ein Extrembeispiel halten - das ich in dieser Form auch keinesfalls gutheiße. Auch die Einwände bezüglich JF etc. kann ich nachvollziehen; der betreffende Abschnitt meines Artikels war auch derjenige, bei dem ich mir am unsichersten war, ob man ihn nicht noch etwas präzisieren müsse. Aber na ja, wie schon Pontius Pilatus sagte: Quod scripsi, scripsi. Was ich eigentlich sagen wollte, war dies: Wenn ich zu einer Demonstration gehe und sowohl mit den Wortbeiträgen auf der Kundgebung als auch mit den Schriftzügen auf Plakaten und Transparenten im Wesentlichen einverstanden bin, dann ist es für mich nebensächlich, ob bei der Demonstration auch Leute mitlaufen (oder sie mitorganisiert haben), die in anderer Hinsicht Positionen vertreten, mit denen ich *nicht* einverstanden bin - solange diese Positionen eben nicht auf dieser Demo arikuliert werden.
LöschenAls ich noch bei der Jungen Union war, hat der Nachbar-Ortsverband es einmal abgelehnt, sich an einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit zu beteiligen, weil an dieser Demo u.a. auch Vertreter der Bremer oder Oldenburger Antifa und der PDS beteiligt waren. Ich fand diese Entscheidung damals falsch, und nebenbei bemerkt hat sie der JU viel Kritik eingetragen.
Ich darf daran erinnern, daß man unter "Holokaustrelativierung" gemeinhin Behauptungen versteht, der Holokaust sei so schlimm nicht gewesen.
LöschenIhn, eben *ohne* ihn zu relativieren, zu plakativen Vergleichen heranzuziehen, wie es (von Gerichten mehrfach als zulässig beurteilte) Schlagwort "Babykaust" tut, mag man unter Gesichtspunkten "guter Geschmack", "Zweckmäßigkeit der Argumentation" usw. ja durchaus kritisieren, es ist aber eben keine Relativierung.
Bei der "Jungen Union" - schämen Sie sich!
AntwortenLöschenEcht jetzt......
Ich war jung und... äh... vom Dorf. Na ja. War ne verrückte Zeit damals. ;-)
Löschen