Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Freitag, 11. Juli 2014

Wir backen uns einen Erzbischof

Rainer Maria Kardinal Woelki, seit 2011 Erzbischof von Berlin, wechselt im September nach Köln. Seine Ernennung zum dortigen Erzbischof und mithin zum Metropoliten der Rheinischen Kirchenprovinz, zu der gut achteinhalb Millionen Katholiken gehören, wurde am heutigen Freitag, dem 11.07.2014, bekannt gegeben, und zwar traditionsgemäß gleichzeitig im Vatikan und an seinem zukünftigen Bischofssitz, also in Köln. Die deutschen Medien wussten es allerdings schon ein bisschen früher, wenn auch nur rund zwei Tage; und anders als es bei gezielten Indiskretionen "aus Kirchenkreisen" (wie kommt es bloß, dass ich bei dieser Fomulierung immer an die legendären südenglischen Kornkreise denken muss?) sonst der Fall zu sein pflegt, waren es diesmal sogar kircheneigene Nachrichtenkanäle, die an vorderster Front standen: zunächst verbreitete die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) die Neuigkeit, dann auch das Online-Portal katholisch.de.

Im Vorfeld war der gebürtige Kölner Woelki, der vor seiner Berufung nach Berlin achteinhalb Jahre lang Weihbischof in der Domstadt gewesen war, durchaus als Kandidat für die Nachfolge des emeritierten Kardinals Meisner gehandelt worden, aber zu den Topfavoriten aus Sicht der weltlichen Medien hatte er eher nicht gezählt - da wurde weit eher auf Stephan Ackermann, seit 2009 Bischof von Trier, oder auch auf Franz-Josef Overbeck, seit 2009 Bischof von Essen, gesetzt. Diese beiden Namen sollen auch - neben einem Dritten, versteht sich - auf der Vorschlagsliste gestanden haben, die das Domkapitel nach Rom gesandt hat. Noch so etwas, was offiziell niemand wissen dürfte. Nun betrachten die Medien es aber weithin als ihre Aufgabe, möglichst alles schon im Voraus zu wissen oder zumindest zu ahnen; und da durch die Ernennung Kardinal Woelkis zum Kölner Erzbischof ja nun wieder ein anderer Erzbischofsstuhl vakant wird, nämlich eben der von Berlin, verlieren die Medien keine Zeit, auch hier wieder das Blaue vom Himmel herunterzuspekulieren.

"Drei Kirchenfürsten vor dem Wechsel", orakelt etwa Welt Online: "In Rom" werde, so heißt es da, "über eine Rochade nachgedacht". (Wohl, wohl. Ich bin sicher, dass in einer 2,6-Millionen-Einwohner-Metropole wie Rom ständig über alles Mögliche nachgedacht wird. Von wem, wird hier ja nicht verraten.) Nachfolger Kardinal Woelkis in Berlin, so erfährt der staunende Leser, könne oder solle Reinhard Kardinal Marx werden, seit 2009 (immer wieder dieses ominöse Datum!) Erzbischof von München und Freising. Und wer soll dann dessen Diözese übernehmen? Man halte sich fest: none other than Georg Gänswein, der "einstige [sic!] Privatsekretär von Benedikt XVI."! Potzblitz. Man fragt sich, wer sich so etwas ausdenkt. Zugegeben, Kardinal Marx, der neben seinem Bischofs- und Metropolitenamt auch noch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (seit 2014), Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (seit 2012) und obendrein Mitglied des von Papst Franziskus persönlich berufenen achtköpfigen Kardinalsrats ist, kann einem schon mal in den Sinn kommen, wenn große Aufgaben innerhalb der Katholischen Kirche in Deutschland zu verteilen sind. Nur ist Marx eben bereits Erzbischof von München und Freising, und wenn man nicht auf den irrwitzigen Gedanken verfallen will, jemand, der so viele Ämter auf einmal bewältigt, könne auch zwei Erzbistümer in Personalunion leiten, dann hieße seine Ernennung zum Erzbischof in Berlin ja, dass er aus der katholischen Sonne Bayerns in die nasskälteste Diaspora wechseln müsste - aus einem Bistum mit knapp 1,8 Millionen Katholiken in eines mit rund 400.000, und als Metropolit müsste er künftig einer Kirchenprovinz mit nur gut 570.000 statt bisher mehr als 5 Millionen Mitgliedern vorstehen! Das käme doch geradezu einer Degradierung, ja fast schon einer Strafversetzung gleich.

Allerdings wird Kardinal Marx ein gewisser Hang zur großen Politik nachgesagt, und so gesehen wäre das Bischofsamt im politischen Zentrum der Republik zweifellos nicht ohne Reiz für ihn. Drum ruft die WELT ihn auch kurzerhand mit bemerkenswertem Stilgefühl zum "Bischofs-Bundeskanzler" aus.



Aber "Don Giorgio" Gänswein nach München? Hier nun werden die Spekulationen der WELT vollends bizarr. Über Gänswein, der in den deutschen Medien seit dem Amtsantritt Papst Franziskus' immer wieder gern in der Rolle des Finsterlings, des sinistren Strippenziehers reaktionärer Seilschaften dargestellt wird, die die Reformbestrebungen des ultraliberalen Superpapstes hintertreiben, heißt es, er spiele "im Umfeld von Papst Franziskus keine bedeutende Rolle mehr" und solle "aus Rom weggelobt werden". Das ergibt ja nun vorn wie hinten keinen Sinn. Die erprobte Narrative von Gänswein als grauer Eminenz des Vatikans und verlängertem Arm des als reaktionärer Anti-Franziskus weiter wirkenden Benedikt XVI. würde vielmehr nahe legen, dass man "Don Giorgio" aus dem Vatikan entfernen wolle, um zu verhindern, dass er weiterhin eine "bedeutende Rolle" spielt; täte er das schon jetzt nicht mehr, könnte man ihn ja getrost da lassen, wo er ist. Jedoch: Wollte man ihn tatsächlich - bleiben wir mal bei der Gangsterfilm-Logik, die offenbar mit den WELT-Journalisten durchgegangen ist - unschädlich machen, würde man ihm dann ausgerechnet das zweitwichtigste Erzbistum eines weltkirchlich ja nun auch nicht gänzlich unbedeutenden Landes wie Deutschland anvertrauen, ein Amt zudem, das traditionell mit der Kardinalswürde verbunden ist? Nein, sorry, das leuchtet mir nun gar nicht ein.

Eins haben die phantasievollen Journalisten jedoch schon mal erreicht, jedenfalls bei mir in meiner Eigenschaft als (Wahl-)Berliner: Rein intuitiv und emotional möchte ich, nachdem ich dies gelesen habe, Kardinal Marx nicht als meinen Erzbischof haben. Und zwar allein deshalb nicht, damit "DIE" nicht Recht behalten. Besonders große Sorgen mache ich mir da zwar aus genannten Gründen nicht, aber man weiß ja nie. Da hilft nur eins: eine Gegenkampagne starten, die Medien auf eine andere Fährte locken. Wenn man weiß, wie die Journaille tickt, müsste das doch eigentlich hinzukriegen sein. Wo es, wie es im Falle des nicht wenig umständlichen Wahlverfahrens für Bischöfe der Katholischen Kirche nun mal der Fall ist, keine verlässlichen Informationen von offizieller Seite gibt, da kann die Journaille, wenn sie nun einmal etwas berichten muss oder zu müssen meint, ja nur auf Gerüchte bauen. Und Gerüchte in die Welt setzen kann schließlich jeder - und im Zeitalter des Web 2.0 einfacher denn je!

Also habe ich mir gedacht: Versuche ich doch mal, ein total irres Gerücht zu lancieren. Und zwar so richtig mit Ansage, sodass man hinterher sagen kann: Leute, hättet ihr mal anständig recherchiert, hättet ihr von Anfang an wissen können, dass das ein Hoax ist. Ein bisschen angewandte Medienkritik also, und außerdem eine gute Beschäftigung, um sich darüber zu trösten, dass der zumindest von mir sehr geschätzte Kardinal Woelki Berlin verlässt.

Okay, und hier das Gerücht.

Als neuer Erzbischof von Berlin ist der ehemalige Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, im Gespräch. 

Warum auch nicht? "Im Gespräch sein", das heißt ja noch nicht viel, außer dass Leute über die Möglichkeit reden. Und das ist mit diesem Blogbeitrag ja praktisch schon erfüllt, also nicht mal gelogen. Ganz davon abgesehen, dass ich nicht von alleine auf diese Idee gekommen bin. Ich wurde vielmehr mit der Nase draufgestoßen.






Und es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine guten Argumente dafür, dass der viel gescholtene Tebartz-van Elst nach Berlin ginge. Okay, es hieß, er solle "eine neue Aufgabe im Ausland" bekommen, "wohl nicht im deutschsprachigen Raum". Aber von der westdeutschen Provinz aus gesehen ist Berlin ja praktisch Ausland, und "deutschsprachig" ist ja nun auch relativ. Zudem könnten selbst TvE's erbittertste Gegner (oder gerade diese) nicht leugnen, dass Berlin eine Buße für ihn wäre.



Gleichzeitig und andererseits spricht aber auch Einiges dafür, dass er für die Aufgaben in der Hauptstadt besser geeignet sein könnte als manch Anderer:





(Zur Kritik an den aktuellen Plänen zur Neugestaltung der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale empfehle ich übrigens diesen Artikel.)

So, und ehe ich für diesen Artikel Schelte oder auch Beifall aus der falschen Richtung bekomme, noch ein Disclaimer: Ich mache mich hier nicht über Franz-Peter Tebartz-van Elst lustig. Sondern über die Medien. Was Bischof Tebartz betrifft: Würde er tatsächlich Erzbischof von Berlin - ich hätte nichts dagegen. Ich wäre gespannt, was dabei herauskäme, aber positiv gespannt. Insofern: wer weiß, vielleicht bringt die Kampagne ja sogar was.

Wenn meine Leser kräftig mitmachen.

P.S.: Als ich diese Pressemitteilung der Berliner Senatskanzlei zu Kardinal Woelkis Berufung nach Köln las, fügte mein Gehirn - wohl auch begünstigt durch den Zeilenumbruch - hinter den Worten "Wowereit dankt" in der Überschrift eigenständig das Wörtchen "ab" ein. -- Aber man kann halt nicht alles haben...

1 Kommentar:

  1. Ich frage mich ohnehin, wer dort für die Pressemitteilungen zuständig ist: Der Zeilenumbruch „Woelki wird neuer Kölner Erzbischof – Wowereit dankt“ ist schon schräg genug…

    AntwortenLöschen