Neulich ist mir mal wieder aufgefallen, wie sehr die digitalen Medien mit ihren Algorithmen darauf abzielen, jedem Nutzer seine eigene Filterblase zu bauen. Das grundlegende Prinzip, das dabei am Werk ist, ist denkbar simpel: Woran man Interesse zeigt, davon bekommt man mehr gezeigt. Das gilt auch und gerade für Nachrichten; und hier kann dieses Phänomen durchaus dazu führen, die gesamtgesellschaftliche Relevanz von Themen, für die man sich besonders interessiert, zu überschätzen: "Die Nachrichten sind voll davon!", denkt man, dabei sind in Wirklichkeit nur die für das eigene Nutzererlebnis optimierten Nachrichtenseiten im Internet voll davon.
Aufgefallen ist mir das in jüngster Zeit besonders daran, dass ich auf meiner persönlichen Google News-Startseite vermehrt Nachrichten vorfinde, bei denen das Stichwort "KiTa" in der Überschrift auftaucht, seit ich für meinen "Lufthoheit über den Kinderbetten"-Blogartikel recherchiert habe. Nicht dass mich das stören würde, denn das Thema interessiert mich ja tatsächlich. Aber es wäre wohl voreilig, daraus den Schluss zu ziehen, das Thema habe derzeit tatsächlich Hochkonjunktur in den Medien.
Zu den KiTa-Schlagzeilen, die mir in den letzten Tagen sozusagen auf dem Silbertablett serviert wurden, gehörten etwa die folgenden: "Kind 48-mal auf Warteliste – Kita-Planung ist hinfällig" (Hamburger Abendblatt); "Kinderbetreuung: Nur ein Bruchteil der Kitas hat noch nach 18.00 Uhr geöffnet" (Die Zeit); "Zweijähriger erstickt in Kita-Bett – Bewährungsstrafen für Tagesmütter" (FAZ). Okay, den letzteren Fall sollten wir uns wohl doch etwas genauer ansehen, auch wenn der in der Überschrift angesprochene Todesfall bereits rund dreieinhalb Jahre zurückliegt: Der Anlass für den FAZ-Bericht ist die Verurteilung der verantwortlichen Tagesmütter wegen fahrlässiger Tötung. – Was also war passiert? In einer von zwei Tagesmüttern betriebenen "Mini-Kita" in Gelsenkirchen hatte ein zweijähriger Junge "in einem Etagenbett eine als Lattenrost dienende Spanplatte des oberen Bettes angehoben und sie nicht halten können. Sein Hals wurde eingequetscht, er erstickte". Dass "die elf Kilogramm schwere Spanplatte nicht angeschraubt" gewesen sei, sei "Konstruktionsfehler" gewesen, "der den Angeklagten nicht bekannt gewesen sei", heißt es. "Ihre Sorgfaltspflicht hätten sie trotzdem verletzt" – und das in mehrfacher Hinsicht:
"Im Prozess hatte sich herausgestellt, dass der Zweijährige bereits zuvor völlig unbemerkt aus der Kita ausgebüxt war. Er war aus einem Bett geklettert und barfuß über eine Straße zu einem nahen Spielplatz gelaufen. Von dort war er später von einer Passantin zurück in die Einrichtung gebracht worden. 'Durch diesen Vorfall hätten die Angeklagten gewarnt sein müssen', sagte Richterin Vanessa Bergmann bei der Urteilsbegründung. 'Von da an hätten sie dieses Kind nicht mehr unbeaufsichtigt lassen dürfen.'"
An dieser Stelle fühle ich mich übrigens an einen selbst miterlebten, wenngleich weniger dramatischen Fall erinnert, aber ehe ich dazu komme, bleiben wir mal noch bei dem tödlich verunglückten Jungen aus Gelsenkirchen: Es wird hervorgehoben, "dass der Junge schon seit mehr als einem Jahr keinen Mittagsschlaf mehr gemacht habe"; dies sei "den Tagesmüttern bekannt gewesen", trotzdem hätten sie ihn ins Bett gesteckt, "ein seitliches Schutzgitter hochgezogen und die Tür des Schlafraums zugezogen. Als sie rund anderthalb Stunden später wiederkamen, war der Zweijährige tot". Ich sag's mal ganz direkt: Selbst wenn weiter nichts Schlimmes passiert wäre, fände ich es ganz schön krass, ein zweijähriges Kind, das bekanntermaßen keinen Mittagsschlaf hält, in ein Gitterbett zu stecken und es daraufhin eineinhalb Stunden lang allein zu lassen.
Und wo ich gerade sagte "Selbst wenn weiter nichts Schlimmes passiert wäre": Genau das ist ja ein heikler Punkt. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die Öffentlichkeit von Missständen in KiTas erst dann erfährt, wenn etwas Schlimmes passiert. Wenn das nicht der Fall ist, sind es aber trotzdem Missstände.
Daher an dieser Stelle mal zu dem andeutungsweise bereits erwähnten selbst miterlebten Fall: Bei uns in der Nachbarschaft gibt es ebenfalls eine von zwei Tagesmüttern betriebene "Mini-Kita", und da die Tagesmütter mit den von ihnen betreuten Kindern sehr häufig auf denselben Spielplatz gehen, auf dem ich auch oft mit meinen Kindern bin (bzw., seit die Große zur Schule geht, hauptsächlich mit meinem Jüngsten), kennen wir die recht gut und einige der Kinder sind mit unseren befreundet. Irgendwann im letzten Sommer (vor den Ferien) begab es sich, dass die KiTa-Gruppe sich zum Verlassen des Spielplatzes bereit machte, als mein Jüngster und ich gerade erst ankamen; umso überraschter war ich, als mein Sohn mich einige Zeit später darauf hinwies, dass eins der Kinder aus der Gruppe immer noch da war. Es handelte sich um ein knapp vierjähriges Mädchen, das wir glücklicherweise ziemlich gut kannten, sie hat einen älteren Bruder im Alter meiner Tochter und wir kennen auch die Eltern. "Irgendwie haben die mich vergessen", stellte das Mädchen bemerkenswert gefasst fest. "Aber ich kann doch nicht alleine hier bleiben." – "Stimmt, das geht nicht", gab ich ihr Recht. Sie fragte mich daraufhin, ob ich in ihrer KiTa anrufen könne; ich erwiderte, ich hätte die Nummer nicht, könnte sie aber hinbringen. Wir wollten gerade losgehen, da kam eine der beiden Tagesmütter aufgeregt zurück – und meckerte erst mal das Mädchen an, weil es nicht mit der Gruppe mitgekommen sei. Das muss man auch erst mal bringen, dachte ich mir: ein Kind auf dem Spielplatz vergessen und dann dem Kind die Schuld daran geben. Mein zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alter Sohn empfand das offenbar genauso, denn etwas später sagte er aus heiterem Himmel zu mir: "Du sagst doch auch Entschuldigung zu uns." Ich wusste zuerst gar nicht, worauf er hinauswill, erwiderte aber: "Stimmt, wenn ich etwas Doofes gemacht habe oder mich euch Kindern gegenüber falsch verhalten habe, dann entschuldige ich mich bei euch." – "Dann hätte die Tagesmutter das doch auch machen können!", meinte mein Jüngster. Da hatte er wohl Recht.
Eigentlich, also vorrangig, wollte ich mich hier aber zu einem Artikel äußern, den ich zuerst in der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau gesehen habe, der ursprünglich aber bei BuzzFeed erschienen ist (darüber, in welchem Verhältnis BuzzFeed und die Frankfurter Rundschau zueinander stehen, bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, aber dazu später). "'So erleichtert': Vater geht drastischen Schritt und nimmt Tochter aus der Kita", lautet die Überschrift des Artikels, und zunächst mal musste ich ein bisschen darüber schmunzeln, dass die Frankfurter Rundschau, bzw. BuzzFeed, die Entscheidung, ein Kind lieber nicht in die KiTa gehen zu lassen, als einen "drastischen Schritt" betrachtet. Immerhin aber, so sagte ich mir, ließ das Thema des Artikels einen tendenziell wohlwollenderen Blick auf die Anliegen der #kindergartenfrei-Bewegung erwarten als vor Jahren in der Berliner Zeitung, wo – wir erinnern uns – diese Bewegung als "Sammelbecken für Alternative, Esoteriker, Impfgegner, konservative Christen" beschrieben und als antiemanzipatorisch und potentiell extremistisch angeschwärzt wurde.
Und wird der von BuzzFeed-Redakteurin Jana Stäbener verfasste Artikel dieser Erwartung gerecht? – Nun ja: tendenziell. Die Entscheidung eines Vaters aus Bielefeld, seine Tochter aus der KiTa zu nehmen, wird durchaus mit Sympathie geschildert, wenn auch nur deshalb, weil diese Entscheidung eine Reaktion auf die mangelhafte Betreuungssitiation in den KiTas ist. Es wird suggeriert, wenn die KiTas besser ausgestattet wären, wenn nicht "[b]esonders kleine Kitas [...] mit bürokratischen und finanziellen Hürden und mit Personalmangel" zu kämpfen hätten, dann wäre ein so "drastische[r] Schritt" nicht notwendig gewesen. Der betroffene Vater selbst wird mit der Einschätzung zitiert, "dass politische Entscheider und Entscheiderinnen einfach nicht verstehen, wo es konkret im Alltag hakt": "Das System versagt an der Stelle Kita komplett. Da gibt es nichts schönzureden." Weiter beklagt er, die Kita, in die seine Tochter gegangen sei, sei zuletzt "nur noch 'ein Sammelbecken für Kinder' gewesen": "Ich finde das super traurig. In meiner Idealvorstellung ist eine Kita ein Ort, an dem Kinder miteinander spielen, herumturnen" – was ja, wie ich finde, als "Idealvorstellung" noch recht bescheiden ist. "Dass das nicht mehr funktioniere, weil Kitas marode und das Personal überfordert seien, findet er 'total schade'" – und fragt: "Ist das unser Anspruch an Kita? Ganz ehrlich: Dann lieber gar keine Betreuung!"
Die letztere Formulierung ist natürlich missverständlich (und zwar auf bezeichnende Weise, wie ich finde), denn die Alternative zur KiTa ist ja nicht, die Kinder gar nicht zu betreuen (und sie sich selbst zu überlassen, oder wie?), sondern dies im Kreis der Familie zu tun. Darauf wird, auch mit Blick auf den konkreten in diesem Artikel geschilderten Einzelfall, noch zurückzukommen sein. Zunächst aber gilt es nochmals zu unterstreichen, dass die Perspektive des FR- bzw. BuzzFeed-Artikels grundsätzlich "kitanormativ" ist, wie ich das zu nennen beschlossen habe: Es wird prinzipiell davon ausgegangen, dass Kinder im Vorschul-, wenn nicht sogar schon im Kleinkindalter in die KiTa gehen sollten. Der Umstand, dass "deutschlandweit [...] 306.000 Dreijährige [...] keinen Kitaplatz" haben – mithin "13,6 Prozent der Kinder in diesem Alter" – erscheint aus dieser Perspektive unhinterfragt als problematisch; diese Sichtweise wird offenbar als selbstverständlich und keiner Begründung bedürfend vorausgesetzt.
Zur Einordnung des Artikels sei übrigens gesagt, dass die Autorin Jana Stäbener "soziale Gerechtigkeit" als ihr "Herzensthema" bezeichnet und unter diesem Begriff etwa die Fragen subsumiert, "wie viel uns das Leben kosten darf, wie wir wahre Gleichberechtigung schaffen (in Sachen Feminismus und Rente) und wie es gelingt, (Rechts)Extremismus zu verhindern". In jüngster Zeit schrieb sie u.a. über Bodyshaming in der Zeichentrickserie "Peppa Wutz" sowie darüber, dass laut Umfragen überdurchschnittlich viele Homosexuelle mit der AfD sympathisieren, obwohl "die in Teilen rechtsextreme Partei immer wieder auch durch Queer- und Homofeindlichkeit" auffalle. Aber das mal nur am Rande. Was die Frage nach dem Verhältnis zwischen BuzzFeed und Frankfurter Rundschau angeht, habe ich inzwischen immerhin herausgefunden, dass sowohl der deutsche Ableger des von Tante Wikipedia als "Mischung aus Blog, Nachrichtenticker und Online-Magazin" beschriebenen Medienportals BuzzFeed als auch die einstmals renommierte Frankfurter Tageszeitung, aus der mein stramm linker Sozialkundelehrer in der 10. und 11. Klasse gern politische Artikel kopierte und als Grundlage für das Unterrichtsgespräch nutzte, seit einigen Jahren zum Medienimperium von Dirk Ippen gehören. Das sagt allerdings nicht sonderlich viel aus, denn das gilt für zahlreiche andere Zeitungen auch, von der Allgemeinen Zeitung der Lüneburger Heide bis hin zum Oberbayerischen Volksblatt.
Über den Vater, der im Mittelpunkt des hier besprochenen Artikels steht – Jannis Johannmeier, 36, aus Bielefeld – hat Jana Stäbener übrigens schon einmal einen Artikel für BuzzFeed und die Frankfurter Rundschau geschrieben, und auch da ging es schon um das Thema KiTa-Krise: "Personalmangel in der Kita: Vater nimmt seine Tochter mit ins Büro – 'im Winter ist es krass'" lautete da die Überschrift, und Johannmeier wurde da als "Co-Gründer und Geschäftsführer" einer PR-Agentur vorgestellt, für dem es "selbstverständlich" sei, "dass seine Angestellten ihre Kinder zur Arbeit mitbringen dürfen". "Kinder sind bei uns nicht nur geduldet, sondern es ist einfach normal", wird Johannmeier in dem Artikel von Anfang Dezember 2024 zitiert: "Kinder sind schließlich der zentrale Baustein im Leben aller Eltern." Das wirkt sehr sympathisch; und wenn Johannmeier es in dem neueren Artikel ausdrücklich als die beste Entscheidung" bezeichnet, "[d]as eigene Kind aus dem System Kita zu nehmen", scheint das die oben angesprochene "kitanormative" Grundeinstellung des Artikels doch einigermaßen zu unterlaufen: Geradezu wider Willen schleicht sich in den Text die Erkenntnis ein, dass kitafreie Kindererziehung nicht unbedingt nur eine Notlösung sein muss, sondern einen positiven Wert haben kann. – "Es hat uns so erleichtert, uns einzugestehen, dass es so nicht funktioniert", bekennt Johannmeier. Nun wird er seine Tochter aber sicherlich nicht jeden Tag mit in seine Agentur nehmen, oder? – Nein, durchaus nicht: "Die Großeltern betreuten seine zweieinhalbjährige Tochter jetzt dreimal die Woche fünf Stunden lang." In einer eigentümlichen Art von vorauseilendem Gehorsam beteuert Johannmeier aber sogleich, "er wisse, dass Großeltern als Betreuungsangebot ein Privileg seien, das nicht viele hätten". Tja. Da müsste man sich vielleicht mal fragen, warum das so ist – was da eigentlich in den letzten Generationen in unserer Gesellschaft schief gelaufen ist.
Ein weiterer zum Thema passender Artikel, den mir meine persönliche Google News-Startseite kürzlich präsentierte und der auf dem ebenfalls zur Ippen-Gruppe gehörenden Portal HNA.de ("Hessische/Niedersächsische Allgemeine") erschien, trägt die Überschrift "Elternteil [!] lässt Kinder nicht in Kita gehen und erklärt, was sie 'fassungslos' macht". Dieser Artikel basiert im Wesentlichen auf einem anonym veröffentlichten Beitrag auf dem Blog "Echte Mamas" (den ich hier auch schon mal am Wickel hatte) sowie den Facebook-Kommentaren zu diesem; den (schon über ein Jahr alten) "Echte Mamas"-Artikel habe ich mir daraufhin mal selbst angesehen, er trägt die Überschrift "Ich erziehe kitafrei und werde dafür angefeindet", und einige der Anfeindungen, denen sich die Verfasserin ausgesetzt sieht, seien hier mal zitiert:
"'Haha du Helikoptermama, kannst du deine Kinder nicht abgeben?', 'Spätestens in der Schule werden deine Kinder total verhaltensauffällig', 'Ihr seid ja solche Hippie-Eltern, musiziert ihr dann Zuhause auch immer wie die Kelly Family?', 'Du hast es ja gut, dass dein Mann so viel verdient, dass ihr euch das "leisten" könnt…'"
Damit nicht genug: Die Verfasserin gibt an, sie sei sogar schon gefragt worden, "ob das Jugendamt dann schon einmal bei uns war. Wie bitte? Als ob eine akute Kindeswohlgefährdung vorliegt, nur weil ich als Mama meine Kinder zuhause betreue."
HNA-Autor Thomas Peters stellt fest, auf Facebook hätten "[d]ie meisten Kommentare [...] Verständnis für die kitafreie Erziehung der Mutter" signalisiert; er verweist jedoch auch auf den Kommentar einer Mutter, die "ihr Kind halbtags in die Kita bringt" und dies als "ein gesundes Mittelmaß" einschätzt: "Kinder müssten sich nämlich auch an große Gruppen von 25 Kindern oder mehr gewöhnen, bevor sie in die Schule kommen" – ein Argument, das ich vollkommen bizarr finde, was ich auf Wunsch gern näher erläutern kann; gleichwohl erntete dieser Kommentar "viel Zuspruch im Netz", so Peters.
Mag man den Eindruck haben, die Tatsache, dass die HNA dieses Thema überhaupt (wenn auch mit auffälliger Verspätung) aufgreife, spreche dafür, dass die Akzeptanz für kitafreie Erziehung in den Mainstream-Medien allmählich zunimmt, so relativiert sich dieser Eindruck zum Ende des Artikels hin sehr deutlich dadurch, dass unter Berufung auf das "Leibniz-Institut für Bildungsverläufe" betont wird, "dass Kitabesuche für Kinder förderlich sein können, weil sie dort Dinge lernen, die sie zu Hause oft nicht lernen können". Zudem "stärken Kitabesuche die sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder", heißt es weiter. Was immer man davon halten mag, ist es jedenfalls interessant, dass einerseits hervorgehoben wird, "Kinder aus sozial benachteiligten Familien" profitierten "am meisten von Kitabesuchen, weil ihre Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten eingeschränkter sind", zugleich aber eingeräumt wird, dass "[n]ur 35 Prozent der Kinder aus schlecht aufgestellten Familien" eine KiTa besuchen: "Bei besser gestellten Familien liegen die Kitabesuche ab zwei Jahren hingegen bei 60 Prozent." – Das scheint mir in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Zunächst einmal macht es deutlich, dass die Entscheidung für eine kindergartenfreie Erziehung nicht in erster Linie von der Frage abhängt, ob man sie sich "leisten kann". Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht eigentlich Subventionsmissbrauch ist, wenn der Staat – also letztlich der Steuerzahler – die KiTa-Betreuung für Kinder finanziert, deren Eltern durchaus in der Lage wären, selbst dafür aufzukommen – während weniger begüterte Familien, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder selbst zu betreuen, dafür keine staatliche Förderung erhalten.
Was mir in diesem Zusammenhang auch noch einfällt, ist, dass ich kürzlich einen Flyer von "Hedi Kitas", dem Zweckverband der katholischen Kindertagesstätten im Erzbistum Berlin, zu Gesicht bekommen habe, und der sah so aus:
"Finde eine Kita in deiner Nähe. Für dein Kind. Und deine Karriere." Euer Ernst?, dachte ich. Klar, "Kind" und "Karriere", das ist so eine schön eingängige Alliteration; aber für mein Empfinden spricht aus der Anmutung, seine Kinder in die KiTa zu geben sei gut für die "Karriere", ein Zynismus, der gerade einer kirchlichen Einrichtung ausgesprochen schlecht zu Gesicht steht. Nicht nur, weil der Begriff "Karriere" für mich generell etwas Anrüchiges an sich hat (worin ich mich immerhin mit Theodor Storm einig weiß: "Was du immer kannst, zu werden, / Arbeit scheue nicht und Wachen; / Aber hüte deine Seele / Vor dem Karrieremachen"), sondern auch, weil es mir so realitätsfern erscheint: Wie viele Leute haben denn heutzutage ernsthaft Aussicht, Karriere zu machen? In dieser Wirtschaftslage? "Meine Kinder in die KiTa zu geben, hat es mir ermöglicht, mich voll auf meine Arbeit in der Systemgastronomie zu konzentrieren und den Aufstieg von der einfachen Kassiererin zur Schichtleiterin zu schaffen. Ich bin so froh, dafür darauf verzichtet zu haben, meine Kinder beim Laufen- und Sprechenlernen zu begleiten." – Also, ich hab da meine Zweifel. Wie ich immer sage, die wenigsten Menschen wünschen sich auf dem Sterbebett, sie hätten weniger Zeit mit ihren Kindern und dafür mehr auf der Arbeit verbracht. Und gerade eine kirchliche Einrichtung sollte sich dessen eigentlich bewusst sein.
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