Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Samstag, 9. März 2024

Creative Minority Report Nr. 20

Ich traue meinen Augen selber kaum, Leser: Dies ist schon die 20. Ausgabe des "Creative Minority Report", dabei kommt es mir so vor, als hätte ich erst "vor ein paar Wochen" mit dieser Artikelserie begonnen. Damit läuft dieses Wochenbriefing-Format nun schon länger ununterbrochen, als die Vorgängerserie "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" es im Zeitraum vor meiner "großen Blogpause" geschafft hat – von kurzlebigen Projekten wie "Grüße aus dem Corona-Park" (3 Folgen) und "Spandau oder Portugal" (5 Folgen) ganz zu schweigen. – Ich denke, man kann sagen, dass die in der Vorschau auf die Reihe "Creative Minority Report" angekündigte verstärkte Konzentration auf das Thema Basisarbeit in Kirchengemeinde, Familie und Nachbarschaft im Laufe der zurückliegenden 20 Wochen Fortschritte gemacht hat – und das noch nicht mal durchweg mit Absicht; teilweise hat es sich auch einfach so ergeben. "Einfach so ergeben" hat sich beispielsweise, dass die vorliegende Wochenbriefing-Folge in den Rubriken "Predigtnotizen", "Auf der anderen Straßenseite" und im ersten der zwei Linktipps einen recht stark ausgeprägten thematischen roten Faden aufweist; und das verbindende Thema lautet "Wie wird der Mensch zum Christen?". – Dann mal los! 

Ja ist denn schon wieder Palmsonntag? – Nein, noch nicht ganz, aber ich fand die Lichtreflexe sehr interessant. (Aufnahme aus St. Joseph Tegel) 


Was bisher geschah 

Am vorigen Samstag war mal wieder Gorkistraßenfest – das findet ungefähr zweimal im Jahr statt: Da gibt's Karussells, Zuckerwatte, Kinderschminken und so weiter, alles (oder fast alles) gratis, weil's von den Geschäftsbetreibern in der Fußgängerzone gesponsert wird. Da ließ ich Frau und Kinder aber allein hingehen, was mir einerseits ein bisschen leid tat, aber andererseits brauchte ich die Zeit auch – zum Bloggen, für Tätigkeiten im Haushalt und um einfach mal durchzuschnaufen. Am Sonntag gingen wir in der Spandauer Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen in die Messe, denn diese Messe hielt Erzbischof Koch im Rahmen seiner Visitation der Pfarrei Heilige Familie, und alle anderen Sonntagsmessen in der Pfarrei fielen deswegen aus. Die Begegnung mit dem Erzbischof – speziell die Begegnung unserer Kinder mit dem Erzbischof – habe ich bereits in einem auf der Patreon-Seite des Mittwochsklubs veröffentlichten Artikel thematisiert, der mit der üblichen Verzögerung auch hier erscheinen wird; auf die Predigt, die Erzbischof Koch in dieser Messe hielt, werde ich weiter unten (in der bewährten Rubrik "Predigtnotizen") eingehen. – Am Montag war mal wieder "Omatag"; das erste Mal seit gut drei Wochen, dass wir meine Schwiegermütter trafen. Am Dienstag hielt ich vormittags zusammen mit dem Jüngsten mal wieder eine kleine Lobpreisandacht ("Beten mit Musik") in St. Joseph Tegel ab; als wir dort ankamen, wurde an der vorderen Fassade der Kirche gerade ein Baugerüst hochgezogen, im Schaukasten fanden sich indes keine Informationen darüber, was für Arbeiten am Gebäude vorgenommen werden sollen. Dafür erfuhr man dort aber, dass eine der bisher drei wöchentlichen Werktagsmessen in der Pfarrkirche Herz Jesu – nämlich die am Donnerstagmorgen – ab sofort nach St. Joseph verlegt wird, um dem Missstand abzuhelfen, dass es hier seit Monaten überhaupt keine regelmäßige Werktagsmesse gegeben hat. Nachmittags fuhr dann die ganze Familie zu einem namhaften schwedischen Einrichtungshaus, um zum bevorstehenden Geburtstag unseres Jüngsten eine Erweiterung für seine heißgeliebte Holzeisenbahn zu kaufen, und Abendessen gab es dort auch. 

Köttbullar herbeikullar! 

Am Mittwoch ging ich vormittags wieder einmal mit dem Jüngsten in Heiligensee in die Messe, die diesmal von dem nigerianischen Pfarrvikar zelebriert wurde, den wir schon ziemlich lange (genauer gesagt: seit vier Monaten) nicht mehr gesehen hatten. Der im letzten Wochenbriefing ausführlich gewürdigte "Erzlaie" hatte diesmal keinen liturgischen Dienst, saß ein paar Reihen hinter uns und traute sich diesmal offensichtlich nicht, dem Zelebranten beim Vaterunser ins Wort zu fallen; allerdings hatte ich den Eindruck, dass der Pfarrvikar sich sehr bemühte, zwischen "sondern erlöse uns von dem Bösen" und dem Beginn des Embolismus möglichst keine Atempause zu machen; er wird schon gewusst haben, warum. – Am Nachmittag ging dann die ganze Familie zum JAM; mehr dazu weiter unten in der Rubrik "Auf der anderen Straßenseite". Am Donnerstag erschien in der Tagespost die neue (zweite) Ausgabe meiner Kolumne "Klein.Kram", außerdem hielten der Jüngste und ich abermals eine Lobpreisandacht in St. Joseph ab, diesmal zur Sext; das Baugerüst reichte inzwischen schon bis zum Turm. 

Auch wenn's auf diesem Foto nicht so aussieht: Der Eingang zur Kirche ist weiterhin frei und offen! 

Am gestrigen Freitag war, wie schon vorige Woche angekündigt, in Berlin Feiertag, in Brandenburg aber nicht, wodurch das Tochterkind schulfrei hatte, meine Liebste aber trotzdem zur Arbeit musste. Obendrein streikten S-Bahn und Regionalbahn, was die Möglichkeiten, mit den Kindern "etwas Besonderes" zu unternehmen, einigermaßen einschränkte. Schließlich gestalteten wir den Tag, bis meine Liebste von der Arbeit zurückkam, so, wie wir es früher™️, als unsere Große noch kein Schulkind war, auch oft gemacht haben: erst mal die Kinder ausschlafen lassen, dann in aller Ruhe frühstücken, Twist tanzen in der Küche, ein bis zwei Stunden auf den Spielplatz und schließlich ein Spaziergang zur Hundewiese. Heute vormittag war dann Wichtelgruppentreffen – aber darüber berichte ich aus Zeit- und Platzgründen erst im nächsten Wochenbriefing. 


Was ansteht 

Die bevorstehende Woche verspricht spannend zu werden – nicht zuletzt für unsere Große, die auf ihre erste Schulfahrt geht. Manch einer mag jetzt denken "Waaas, schon im ersten Schuljahr?!?", und ich müsste lügen, wollte ich behaupten, dass ich diesen Gedanken nicht auch gehabt hätte. Aber eine ganz so große Sache ist das auch wieder nicht, denn es handelt sich lediglich um eine Fahrt innerhalb Berlins; die Unterkunft ist von unserem Zuhause nur unwesentlich weiter entfernt als die Schule selbst – wenn unsere Tochter also beschließt, doch lieber zu Hause schlafen zu wollen, können wir sie jederzeit abholen. Der Zweck dieser speziell auf Kinder der ersten drei Schuljahre zugeschnittenen Fahrt ist, wenn man so will, ein Intensivkurs im Lesen und Schreiben – und ich bin wirklich gespannt auf das Ergebnis, nachdem unsere Große schon jetzt praktisch immer und überall Lesen übt, etwa indem sie Plakate und Straßenschilder entziffert... 

Vorher, am morgigen Sonntag, steht aber noch das erste Treffen der Garten-AG in St. Stephanus an, und zwar nach der Messe. Ich bin mal gespannt, wer da alles kommt und was bei dem Treffen herauskommt. Für Mittwoch haben wir geplant, ausnahmsweise mal nicht zum JAM zu gehen, sondern stattdessen zu einem Konzert des Kinder-Lobpreis-Liedermachers Mike Müllerbauer in der "Gemeinde auf dem Weg". Am Donnerstag trifft sich dann der KiWoGo-Arbeitskreis (ausnahmsweise in St. Stephanus, weil der Gemeindereferent dort anschließend noch einen weiteren Termin hat), um den nächsten, am darauffolgenden Sonntag anstehenden Kinderwortgottesdienst aber auch den für den Dienstag der Karwoche geplanten Kinderkreuzweg zu besprechen. Am Freitag, dem Gedenktag des Hl. Klemens Maria Hofbauer, wird unser Jüngster drei Jahre alt, die Geburtstagsfeier findet aber aus praktischen Gründen erst am Samstag statt. Und dann ist die Woche auch schon wieder rum! 


Predigtnotizen 

Wie bereits erwähnt, war der vergangene Sonntag ein besonderer Tag für die Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland: Der Erzbischof war zur Visitation da, zum ersten Mal seit dem Bestehen dieser Großpfarrei in ihrer jetzigen Gestalt; und aus diesem Anlass gab es in der Spandauer Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen eine zentrale Sonntagsmesse für die gesamte Pfarrei. Erzbischof Koch zelebrierte, der Pfarrer und die Pfarrvikare konzelebrierten. 

Wer die Herrschaften nicht kennt, kann ja mal raten, wer wer ist.

Die Leseordnung für diesen Sonntag hatte es ganz schön in sich: Als 1. Lesung gab es die Verkündung der Zehn Gebote in der Fassung aus Exodus 20,1-17, als 2. Lesung 1. Korinther 1,22-25 ("Das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen") und als Evangelium die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel nach Johannes 2,13-25. Das Potential für eine spannende Predigt war also ohne Frage vorhanden; gleichzeitig lag es aber auch einigermaßen auf der Hand, dass der Erzbischof in seiner Predigt nicht bloß die genannten Schriftstellen auslegen wollte, sondern dabei zugleich so etwas wie eine Ansprache zur "Lage der Nation" im Sinn hatte – oder richtiger gesagt: zur Situation der Kirche in der Gesellschaft. So widmete er die ersten Sätze seiner Predigt der Feststellung, unsere Gegenwart sei geprägt von "dramatischer Unsicherheit, Unklarheit, Ängsten und Sorgen": 

"Man braucht ja bloß die Nachrichten von heute morgen wieder hören. Krieg in der Ukraine, im Gazastreifen, in Israel, und die große Sorge, wohin diese Kriege sich noch ausbreiten. Die wirtschaftliche Situation – allein wenn wir mal zusammenzählen, wie viele Streiks wur letzte Woche hatten und wie viele wir kommende Woche haben werden, und die Frage: Wer soll das alles bezahlen, wie lange macht unsere Wirtschaft das noch mit? Die Kämpfe in der Gesellschaft um Einheit und Zusammengehörigkeit; Antisemitismus, Populismus, Rechtsradikalismus, Sie kennen die Worte und alles, was damit verbunden ist. Die Frage nach der Umwelt, die Frage, ob wir diese Umwelt überhaupt noch werden schützen und retten können oder ob das alles schon verloren ist." 

Ich konnte mich des Gedankens nicht ganz erwehren, dass es schon hart sein müsse, Bischof zu sein – noch dazu in der Bundeshauptstadt! –, wenn in der Öffentlichkeit die Erwartung herrscht, ein Bischof müsse so etwas Ähnliches wie ein Politiker sein und sich folglich ständig zu allen möglichen politischen Themen äußern. Man könnte sicherlich lang und breit darüber philosophieren, inwieweit die deutschen Bischöfe im Laufe der letzten Jahrzehnte selbst zu dieser Erwartungshaltung beigetragen haben, aber Erzbischof Koch ist durchaus jemand, von dem ich annehme, dass er eigentlich lieber über etwas anderes reden würde. So kam er in seiner Predigt auch ziemlich schnell von den politischen Themen weg und stellte – auch unter Verweis auf die Ergebnisse der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung – die Frage: "Wie soll man Menschen die Botschaft vom Evangelium nahe bringen, die sagen: 'Ich brauch keinen Gott, ich will keinen Gott, den gibt es sowieso nicht'?" Und weiter: "Wie können wir erfahren, dass auch in den Wirren dieser Zeit Gott uns nahe ist?" In diesem Zusammenhang verwies er auf die "Begegnung mit den Erwachsenen, die in der Osternacht getauft werden": "115 erwachsene Berlinerinnen und Berliner lassen sich in der kommenden Osternacht hier in Berlin taufen. Das ist ein Rekord." Diesen Umstand betrachtete Erzbischof Koch offenbar – und mit einigem Recht, wie ich finde – als Beleg dafür, dass die Glaubensweitergabe auch an Menschen, die von Haus aus erst mal gar keinen Bezug haben, eben doch möglich ist; gleichzeitig machten die Beispiele, die er anführte, aber auch deutlich, dass die Erst-Evangelisierung nicht selten auf Wegen geschieht, die nicht planbar und organisierbar sind. Wie etwa im Fall eines Elternpaares, dessen Kind in eine katholische KiTa geht und von dort die Gewohnheit, vor den Mahlzeiten zu beten, mit nach Hause gebracht hat – und den Eltern damit einen ersten Anstoß gab, sich zu fragen, ob es womöglich doch einen Gott gebe. (Ob mich dieses Fallbeispiel veranlassen sollte, meine insgesamt sehr negative Einstellung zu KiTas in kirchlicher Trägerschaft zu überdenken, oder ob es eher illustriert, dass Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann, sei mal dahingestellt.) 

Wenn es um die Frage nach der Organisierbarkeit "von Kirche" geht, fällt mir ja immer ein, wie Papst Franziskus schon im Jahr 2015 die deutschen Bischöfe davor warnte, ihr "Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat". Erzbischof Koch schätze ich – nicht erst seit dieser Predigt – eigentlich als jemanden ein, der dieser Warnung durchaus zugänglich sein müsste. Das Problem ist allerdings wohl, dass diese Strukturen nun einmal da sind und fordern, dass man sich ihrer bedient. Zudem steht natürlich stets die klassische Frage "Ja, was sollten wir denn sonst tun?" im Raum. Mir scheint, dass auf den Leitungsebenen der deutschen Bistümer insgesamt nicht allzu viel Phantasie und Kreativität darauf verwandt wird, auf diese Frage eine sinnvolle Antwort zu finden. Vielleicht ändert sich das, wenn der institutionelle Apparat der Kirche in seiner jetzigen Gestalt schlichtweg nicht mehr finanzierbar ist. Vorerst wird dieser Umdenkprozess allerdings dadurch aufgehalten, dass konsequent am falschen Ende gespart wird: in den Pfarrgemeinden, an der Seelsorge. 


Auf der anderen Straßenseite 

Zum JAM kamen wir diesmal pünktlich; obwohl es noch recht kühl war, fand das freie Spiel am Anfang der Veranstaltung zum ersten Mal in diesem Jahr im Garten statt, und im katechetischen Teil wurde, wie vorige Woche schon angekündigt, das "Lebensbild" über den Unternehmer und Erfinder Robert LeTourneau fortgesetzt. Und obwohl ich zugeben muss, dass mir diese Fortsetzung erheblich besser (oder sagen wir: "weniger schlecht") gefallen hat als der erste Teil, will ich doch meine Ankündigung wahr machen, einige Worte darüber zu verlieren, was ich an diesem "Lebensbild" auszusetzen habe. 

Zur Einordnung des Folgenden sei zunächst gesagt: Wer meinen Blog schon länger verfolgt, dem wird schon mal aufgefallen sein, dass ich nicht nur speziell der EFG The Rock Christuskirche in Haselhorst mit großer Sympathie gegenüberstehe, sondern auch insgesamt ziemlich offen gegenüber der Idee bin, wir Katholiken könnten und sollten uns angesichts des Niedergangs des Systems Volkskirche so allerlei von freikirchlichen Gemeinden abgucken. Diese Auffassung ist sicherlich davon beeinflusst, dass ich seit meiner Zeit auf dem Gymnasium vielfältige Kontakte zu freikirchlichen Christen gehabt habe, und nicht wenige dieser Kontakte haben an verschiedenen Punkten meiner – wenn man das so nennen möchte – "Glaubensbiographie" bedeutende Rollen gespielt. Das schließt einen kritischen Blick auf bestimmte Aspekte evangelisch-freikirchlicher Frömmigkeit nicht aus; im Gegenteil, könnte man sagen, schließlich bin ich nicht von ungefähr nach wie vor katholisch. Bei allen Übereinstimmungen und aller Wertschätzung: So ganz derselbe Glaube ist es eben doch nicht. 

Bei Kinderkatechesen zu biblischen Texten fallen diese Unterschiede in der Regel nicht so auf, schließlich haben wir dieselbe Bibel – na ja, fast: Der protestantischen Bibel fehlen bekanntlich sieben Bücher, aber realistisch betrachtet kommen diese wohl auch "bei uns" in der Kinderkatechese eher selten vor. – Als es nun letzte Woche beim JAM statt einer biblischen Katechese ein "Lebensbild" geben sollte, war ich von vornherein eher skeptisch. Bereits letzte Woche habe ich zu Protokoll gegeben, dass ich den ersten Teil des Lebensbildes unangenehm moralisierend fand: Robert war ein schwieriges Kind, das den Eltern Kummer machte, nicht gern zum Gottesdienst ging, in seinem ersten Schüler-Nebenjob versagte und, wie sollte es anders sein, unter den Einfluss falscher Freunde geriet, durch die er mit der Polizei in Konflikt kam. – Zugegeben, diese Art von Moralismus auf Struwwelpeter-Niveau kann man zuweilen auch in der katholischen Kinderkatechese antreffen; aber hier war die Absicht erkennbar eine andere. Das zeigte sich spätestens an der Stelle, an der der junge Robert zu der Erkenntnis kommt: "Würde ich jetzt sterben, dann würde ich in die Hölle kommen, denn ich bin kein Christ." – Sicherlich könnte man schon zu der Auffassung, Nichtchristen kämen automatisch und zwangsläufig in die Hölle, so manches anmerken, aber mich interessiert an dieser Passage etwas anderes: Wie plausibel ist es, dass jemand von sich selbst sagt, er sei kein Christ, und gleichzeitig überzeugt ist, dass Nichtchristen in die Hölle kommen? Man könnte das einfach für einen logischen Schwachpunkt in der Erzählung halten, aber ich glaube, es steckt mehr dahinter: Es verrät etwas über die Sicht darauf, was einen Menschen zum Christen macht. Dass der Umstand, dass Robert in einer Familie gläubiger Christen aufwächst und regelmäßig, wenn auch oft ungern, am Gottesdienst teilnimmt, nicht ausreicht, um ihn zum Christen zu machen, entspricht dem common sense im freikirchlichen Christentum, und dieser Auffassung kann und will auch ich ihre Berechtigung nicht absprechen. Auch dass ein sozusagen bloß theoretisches "Für-wahr-Halten" der christlichen Erlösungsbotschaft noch kein Glaube im vollumfänglichen Sinne ist, kann ich grundsätzlich unterschreiben. Was aber fehlt Robert nun eigentlich noch, um Christ zu sein bzw. zu werden? Die klassische evangelikale Antwort auf diese Frage scheint mir zu sein: Christ wird man durch einen bewussten willentlichen Akt der Lebensübergabe an Christus. Wie sich diese Auffassung mit Bibelworten wie "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt" (Joh 15,16) verträgt, wäre vielleicht mal ein interessantes Diskussionsthema. 

– Ich bin kein Theologe und will diesen Punkt auch aus Platzgründen nicht allzu breit auswalzen, aber ich schätze, eine grundlegende Meinungsverschiedenheit zwischen traditionellem und evangelikalem Christentum hinsichtlich der Frage "Wie wird der Mensch zum Christen?" wurzelt im unterschiedlichen Verständnis von Johannes 3,3-5, wo Jesus zu Nikodemus sagt "Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen". Nach traditionellem christlichen Verständnis vollzieht sich diese Wiedergeburt im Sakrament der Taufe. Im evangelikalen Christentum dagegen gibt es keine Sakramente im eigentlichen Sinne des Begriffs: Taufe und Abendmahl werden zwar praktiziert, werden aber als Handlungen verstanden, die nichts bewirken, sondern lediglich etwas ausdrücken. Man müsste diesen Punkt eigentlich noch vertiefen, aber wie schon gesagt: nicht hier und jetzt. 

Die Auffassung, dass der Mensch nur und erst durch eine bewusste willentliche Entscheidung zum Christen wird, hat übrigens auch logisch zwingend zur Folge, dass Kinder in evangelikaler Sicht grundsätzlich (noch) keine Christen sein können. Das hat natürlich weitreichende Konsequenzen für die Kinderkatechese: Man spricht die Kinder nicht als Christen an, noch nicht einmal als potentielle Christen, sondern will sie lediglich darauf vorbereiten, zu einem späteren Zeitpunkt Christen werden zu können. Da möchte ich aus katholischer Sicht dann doch mit Nachdruck sagen: Bei uns aber soll es nicht so sein! 

Dass mir der zweite Teil dieses Lebensbildes, wie schon gesagt, erheblich weniger schlecht gefallen hat als der erste, lag zu einem nicht unwesentlichen Teil ganz einfach daran, dass er von einer anderen Mitarbeiterin vorgestellt wurde. Beim ersten Teil war es eine ältere Frau aus der Gemeinde, die unter den regelmäßig zum JAM kommenden Kindern (mindestens) zwei Enkelkinder hat. Eine Frau, die in einer Katechese über die Sintflut den Kindern erklären wollte, die meisten Fossilien im Erdboden seien durch die Sintflut entstanden und die Menschen seien nach der Flut deshalb nicht mehr so alt geworden wie vorher, weil sich das Klima und die Zusammensetzung der Atmosphäre infolge der extremen Regenfälle verändert habe; und in einer Katechese über die Josefserzählung aus dem Alten Testament meinte sie, die Moral von der Geschicht' sei, dass Eltern keine Lieblingskinder haben sollten. Davon abgesehen finde ich, dass sie einfach nicht erzählen kann: Sie verhaspelt sich in fast jedem Satz, hat erhebliche Wortfindungsschwierigkeiten und neigt dazu, Kindern gegenüber einen unangenehm gekünstelten Tonfall anzunehmen. – Den zweiten Teil übernahm hingegen die Hauptverantwortliche für den Aufgabenbereich "Kinderkirche" in dieser Gemeinde, und die hat nicht nur von Natur aus einen besseren "Draht" zu Kindern, sondern ist auch methodisch erheblich fitter. Die Kinder wurden stärker einbezogen, anstatt nur zuhören zu müssen; etwa nach dem ersten Drittel wurde die Erzählung zugunsten eines Spiels unterbrochen, damit die Kinder nicht die ganze Zeit stillsitzen mussten. 

– Und inhaltlich? Einerseits fiel es auf, dass der moralische Zeigefinger weitgehend in der Tasche blieb; selbst die rekapitulierende Zusammenfassung des ersten Teils kam infolge anderer Schwerpunktsetzung erheblich weniger moralisierend 'rüber. Andererseits drehte sich die Erzählung infolge ebendieser anderen Schwerpunktsetzung ziemlich stark um das Thema Geld – was angesichts der Tatsache, dass es um die Biographie eines Unternehmers ging, wohl nicht unbedingt überraschend war. Dabei ging die Erzählung gar nicht so sehr in Richtung prosperity gospel, wie man vielleicht hätte denken können; vielmehr ging es darum, dass Robert LeTourneau, auch als er noch nicht sehr viel Geld verdiente, konsequent den Zehnten seiner Einkünfte an seine Kirchengemeinde spendete und später, als erfolgreicher Unternehmer, seinen Wohlstand nutzte, um Missionsprojekte in aller Welt zu fördern – denn: "Wir brauchen auf der anderen Seite Missionare, aber wir brauchen auf der anderen Seite auch Leute, die das finanzieren." Eine Aussage, deren sachliche Richtigkeit wohl kaum zu bezweifeln steht; es bleibt aber natürlich die Frage, mit welcher Absicht man gerade diese Geschichte wählt, um sie Kindern zu erzählen. 


Linktipps 

Eins vorweg: Dass dieser Artikel schon ein paar Tage älter ist, ist mir zunächst gar nicht aufgefallen, scheint mir aber auch nicht sonderlich relevant für seine Beurteilung. Über den Weg gelaufen ist er mir bei Facebook (ja, ich habe eine Menge "Elternseiten" in meiner Timeline), und wie man sich anhand der Überschrift wohl schon vorstellen kann, hatte ich von vornherein nicht die Erwartung, ihn gut zu finden. In meine Linktipps hat der Artikel es eher deshalb geschafft, weil ich es hin und wieder – ähnlich wie neulich bei diesem taz-Artikel über den Synodalen Weg – recht erhellend finde, zu sehen, wie Leute über Themen urteilen, von denen sie nichts verstehen.

Dies gilt wohlgemerkt unbeschadet der Tatsache, dass dieser Artikel erheblich mehr um Ausgewogenheit bemüht ist, als die polemische Überschrift es vermuten lassen würde. Über sich selbst sagt die Verfasserin, sie sei "nicht einmal eingefleischte Atheistin (allerdings auch nicht unerschütterlich gläubig)"; und genau dieser "irgendwo dazwischen"-Standpunkt ist es offenbar, von dem aus sie die Frage, ob "man" sein Kind heutzutage noch taufen lassen sollte, überhaupt als diskussionswürdig betrachtet. Denn: "Für diejenigen, die gläubig und in der Kirche verankert sind, ist die Entscheidung für eine Taufe vermutlich genauso schnell getroffen, wie sich Kirchengegner dagegen entscheiden." In einer vernünftigen Welt wäre damit alles gesagt und der Rest des Artikels überflüssig. (Halten wir am Rande fest: Der Umstand, dass es auch christliche Konfessionen gibt, die keine Kindertaufe praktizieren und sie auch nicht als gültig anerkennen, kommt hier gar nicht in den Blick. Man kann allerdings argumentieren, dieser Umstand sei hier vernachlässigenswert, da sich für gläubige Eltern dieser Konfessionen die im Artikel diskutierte Frage erst recht nicht stellt.) 

In der realen Welt hingegen gibt es offenbar Eltern, die sich so unsicher sind, ob sie ihre Kinder taufen lassen sollen, dass sie in dieser Frage Rat bei einem Elternratgeber-Portal im Internet suchen. Wäre das eine ganz und gar abwegige Vorstellung, dann wäre dieser Artikel wohl nicht erschienen. Und woher kommt diese Unsicherheit? Merke auf, o Leser: Sie ist, wenn man so will, ein Zerfallsprodukt des Systems Volkskirche. Die Verfasserin drückt es so aus: 

"Früher wurden Babys quasi standardmäßig getauft. Auch für viele Eltern, die nicht besonders gläubig waren, war dies ein Ritual, das einfach zur Geburt gehörte. [...] Heute läuft die Taufe nicht mehr automatisch mit". 

Unentschlossene Eltern möchte die Autorin nicht in die eine oder andere Richtung beeinflussen, sondern ihnen vielmehr "Gedankenanstöße" in beide Richtungen mitgeben. Wobei ich sagen muss, dass ich die Argumente, die sie für die Kindertaufe vorbringt, tendenziell noch blöder finde als die dagegen. Teilweise zweifle ich auch an der sachlichen Korrektheit ihrer Aussagen. So behauptet sie, ein Kind, das getauft sei, komme "in der Schule automatisch in den Religionsunterricht". Ich kann nur sagen, in Berlin ist das nicht so – was freilich damit zusammenhängen mag, dass Religion an Berliner Schulen kein reguläres Unterrichtsfach, sondern lediglich ein freiwilliges Zusatzangebot ist. 

Mindestens ebenso illustrativ wie den Artikel selbst fand ich die Reaktionen auf Facebook – die, wie das in den Sozialen Netzwerken wohl häufig der Fall zu sein scheint, den Eindruck erweckten, ein großer Teil der Kommentarschreiber habe den Artikel gar nicht gelesen, sondern nur die Überschrift. Diese stößt wegen der Schärfe der Formulierung auf Kritik – sie sei respektlos gegenüber gläubigen Menschen, monieren mehrere Facebook-Nutzer. Ansonsten ist in den Kommentaren von "Natürlich lassen wir unsere Kinder taufen" bis hin zu "Natürlich lassen wir unsere Kinder nicht taufen" alles dabei; besonders populär scheint indes die Position "Unser Kind soll sich später einmal selbst entscheiden" zu sein. Man fühlt sich geradezu an das Midwit Meme erinnert. Darüber, was ich an dieser Haltung falsch, ärgerlich und in letzter Konsequenz unehrlich finde, könnte ich fast einen eigenen Artikel schreiben; hier mal nur soviel: Eltern treffen ständig Entscheidungen für ihre Kinder, solange diese es noch nicht für sich selbst tun können; das ist ihre Aufgabe als Eltern und ist auch praktisch gar nicht anders möglich. Und tatsächlich ist es auch eine Entscheidung, ein Kind erst mal nicht taufen zu lassen – es tut nur so, als wäre es keine, und da kommt die Unehrlichkeit ins Spiel. Dass das Kind sich später, wenn es selbst entscheiden kann und darf, vielleicht doch taufen lässt, kann auch in eingefleischten Atheistenfamilien vorkommen, ebenso wie es auch in sehr religiösen Familien vorkommt, dass Kinder sich vom Glauben und von der Kirche abwenden. Wer die Entscheidung, sein Kind nicht taufen zu lassen, damit begründet, dass das Kind sich später selbst entscheiden solle, möchte damit zumeist einen besonderen Respekt vor der Tragweite der Entscheidung für oder gegen eine Religionszugehörigkeit signalisieren, aber ich möchte behaupten, in den meisten Fällen steckt tatsächlich das Gegenteil dahinter, nämlich Desinteresse und Indifferenz. 

Erneut gibt's Interessantes aus der Rubrik "Ehe und Familie" der Tagespost: Ostern rückt mit Riesenschritten näher, aber wie kann man Kindern vermitteln, worum es da eigentlich geht, außer um Eier und Schokohasen? "Weihnachten mit Kindern ist einfach", meint Magdalena Rauter, selbst Mutter von drei Kindern. "Der Zauber des Jesuskinds in der Krippe, die Tiere, der Stall, das Kerzenlicht und die Lieder sind geradezu prädestiniert für das Feiern in der Familie. Mit den Kartagen wird es schon schwieriger: Wie genau kann ich den Kindern die Details des Leidens und Sterbens Christi erzählen, ohne sie zu verschrecken? Was können Kinder mit Opfer, Leiden und Tod anfangen?" Den Schlüssel dazu, auf diese Fragen praktische Antworten zu finden, sieht die Verfasserin darin, "nicht das Leid, sondern die Liebe in den Mittelpunkt zu stellen": "Gott liebt jeden von uns so sehr, dass Er das alles auf sich genommen hat, um uns von Tod und Sünde zu befreien und uns den Himmel zu öffnen." 

Ausgehend von diesem Kerngedanken präsentiert Magdalena Rauter eine Reihe von Anregungen dafür, wie man "Kindern die Ereignisse der Kartage begreiflich" und mit "allen Sinnen" erlebbar machen kann. Dabei fehlen auch Links zu Bastelanleitungen und ein Rezept für ungesäuertes Brot nicht. Die eine oder andere dieser Anregungen werden wir in meiner Familie dieses Jahr sicherlich mal ausprobieren, denke ich --- ich werde berichten... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Wenn Jesus vom Tempel spricht, den er in drei Tagen aufrichten will, dann spricht er von seinem "Leib", der in der Auferstehung der Anfang der neuen Schöpfung sein wird. Sein Leib ist aber auch die Kirche. Die verdeckte Aufforderung an uns: Kirche bauen! Du baust mit an der Kirche durch alles, was du im Namen Jesu gemeinsam mit anderen tust. 

("Challenge" aus der YouCat Daily App


Ohrwurm der Woche 

Classics IV: Spooky 

Ein Song, der mir durchaus öfter mal, ohne besonderen Anlass, im Kopf herum"spukt" – meist allerdings in der 1968er Version von Dusty Springfield, die durch den Soundtrack zum Film "Bube, Dame, König, Gras" (1998) erneute Popularität gewann. Die Version der Classics IV ist ein Jahr älter, aber trotzdem nicht das "Original": Ursprünglich war "Spooky" eine Instrumentalnummer, bei der die Melodiestimme auf dem Saxophon geblasen wurde. Zum Hit wurde es aber erst in Verbindung mit dem vom Classics IV-Gitarristen James Cobb und dem Produzenten Buddy Buie verfassten Text – der für die von Dusty Springfield gesungene Version in ähnlicher Weise umgearbeitet wurde, wie ich es mal anhand von "I Heard it Through the Grapevine" geschildert habe


1 Kommentar:

  1. >>So behauptet sie, ein Kind, das getauft sei, komme "in der Schule automatisch in den Religionsunterricht". Ich kann nur sagen, in Berlin ist das nicht so

    Berlin ist ja auch nicht ganz normal.

    Ich meine das gar nicht als Berlin-Bashing (auch wenn es durchaus Spaß macht, das so und dann "das ist gar kein Berlin-Bashing" zu sagen), sondern es ist schlicht tatsächlich so.

    Denn: An und für sich ist der Religionsunterricht nämlich in Deutschland die *einzige* Sache, bei der der Bund den Ländern in die Bildungspolitik hineinredet, und zwar dahingehend, daß er sie zwingt einen solchen zu erteilen. Siehe Artikel 7 II, III GG.

    Dem Sinn nach zeigt sich sich darin wie in der Privatschulfreiheit die Selbstzurücknahme des Staates, der eben keine Lufthoheit über den Kinderbetten will, der eben *nicht* grundlegende Weltanschauung und sittliche Prinzipien beibringen will. (Für Mitleser: Damit sage ich selbstverständlich nicht, daß der gegenwärtige Religionsunterricht das oder eine gute Katechese oder beides *leistet* und unterstelle auch unserem Gastgeber nicht, daß er mich so verstehen würde.)

    Dieser Religionsunterricht ist kein zusätzlicher Angebot zu einem Ethikunterricht. Umgekehrt vielmehr ist der Ethikunterricht - etwas peinlicherweise auf ausdrückliche Aufforderung der Kirchen (bei uns: der Würzburger Synode!) [das habe ich auch nicht gewußt, gerade jetzt beim Nachlesen aufgeschnappt] - eingeführt worden, um... naja sagen-wir... Religionsschülern nicht länger der Versuchung auszusetzen, vom süßen Gefühl von zwei zusätzlichen Freistunden getrieben den Religionsunterricht zu verweigern (was sie ab 14 ja dürfen) oder von ihren Eltern mit dem Versprechen "da werd' ich dann auch ganz bestimmt lernen" verweigern zu lassen.

    *Das* ist die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Ethikunterrichts und vielleicht so mit Bauchschmerzen noch vom Vorwurf totalitärer Weltanschauungsaufnötigung freizusprechen.

    Bremen hatte damals einen ökumenischen Religionsunterricht unter Staatsaufsicht, den wollte man beibeihalten und ließ sich eine Ausnahme ins GG schreiben: die "Bremer Klausel" Art. 141 GG.

    Deren Wortlaut bezieht sich mehr oder weniger zufällig auch auf Berlin, was Berlin leider ("leider" aus säkular-patriotisch-verfassungstreuer Sicht und natürlich aus wenn-der-Unterricht-denn-täte-was-er-sollte-katholischer Sicht, nicht unbedingt aus realistischer katholischer Sicht) dazu nutzt, keinen verpflichtenden Religionsunterricht zu haben, sondern stattdessen alle auf Ethik zu verpflichten.

    Aber das ist ausdrücklich eine Ausnahme zur allgemeinen Regel der Deutschen Verfassung, und deshalb ist Berlin in der Beziehung *tatsächlich* nicht normal.

    - Und soweit ich weiß, wird der Religionsunterricht tatsächlich automatisch an die Getauften erteilt, sofern die oder deren Eltern nicht explizit verweigern. Mit Zustimmung der jeweiligen Kirche kann man sich aber auch als Ungetaufter freiwillig anmelden.

    AntwortenLöschen