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Samstag, 17. Februar 2024

Creative Minority Report Nr. 17

Na, Leser – seid ihr gut in die Fastenzeit gestartet? Ich kann nur sagen, hinter mir und meiner kleinen Familie liegt eine Woche, die man in mancherlei Hinsicht als anstrengend und chaotisch bezeichnen kann, auf alle Fälle aber als ereignisreich und reich an Eindrücken. An Stoff fürs Wochenbriefing fehlt es folglich ganz und gar nicht... 

Herz-Jesu-Donuts. Wenn der Valentinstag auf den Aschermittwoch fällt. 


Was bisher geschah 

Am Samstagabend gingen wir in St. Rita in Reinickendorf-West zur Vorabendmesse. Der Grund dafür war, dass meine Schwiegermütter am Sonntagvormittag mit den Kindern ins Puppentheater wollten, und zwar in Bernau. Leider bestätigte sich einmal mehr die Erfahrung: Wenn man meint, man könne aus praktischen Erwägungen ja ruhig auch mal woanders zur Kirche gehen als sonst, rächt sich das nicht selten fürchterlich. Aber ich will mir nicht vorgreifen, denn dieser Gottesdienstbesuch verdient definitiv ein eigenes Unterkapitel – und ich nenne es "Karneval in Synodalien". – Den Sonntag verbrachten wir größtenteils bei den Omas, und das war ziemlich entspannend, obwohl die Kinder nach dem Puppentheater arg aufgekratzt waren. Am Montag ging dann die Schul-und Arbeitswoche wieder los, und nach der Schule kam eine der Freundinnen unseres Tochterkindes spontan (aber mit Wissen und Einwilligung ihrer Eltern) mit zu uns, blieb allerdings nicht über Nacht. Am frühen Morgen des Aschermittwochs erlebte ich einen recht eindringlichen Einstieg in die vorösterliche Bußzeit, indem das Bettgestell unseres Familienbettes auf meiner Seite einbrach. Die nächsten Nächte schlief ich auf dem Sofa im Wohnzimmer... Aber keine Sorge, eine Lösung für das Bettproblem zeichnet sich bereits ab. Am Aschermittwoch jedenfalls hatten wir buchstäblich von morgens bis abends volles Programm, was wohl ebenfalls ein eigenes Unterkapitel rechtfertigt. Am Donnerstagabend hatte ich in St. Joseph Siemensstadt ein Treffen mit dem Gemeindereferenten, bei dem es hauptsächlich bzw. vorrangig um die Vorbereitung des nächsten Kinderwortgottesdienstes (am kommenden Sonntag, also morgen!) ging, aber daneben sprachen wir auch über den Kinderkreuzweg in der Karwoche, die Wichtelgruppe und die anstehende Visitation des Erzbischofs. Mehr gibt es erst mal nicht zu berichten... 


Was ansteht 

Am morgigen 1. Sonntag der Fastenzeit komme ich, wie erwähnt, in St. Joseph Siemensstadt zu meinem nächsten Einsatz als KiWoGo-Co-Leiter; darüber dürfte es im nächsten Wochenbriefing allerlei zu berichten geben. Ansonsten scheint alles auf eine "ganz normale" Schul- und Arbeitswoche hinzudeuten, wobei "normal" natürlich relativ ist. Nächsten Samstag soll vormittags endlich mal wieder Wichtelgruppe sein – und abends Community Networking Night im Baumhaus, aber das gehört eigentlich schon in den Berichtszeitraum des übernächsten Wochenbriefings... 


Karneval in Synodalien 

Also nochmal von vorne: Als meine Schwiegermütter anregten, am Sonntag mit den Kindern (und ohne uns) in Bernau ins Puppentheater zu gehen, erwogen meine Liebste und ich zunächst, in Herz Jesu Bernau in die Messe zu gehen; aber wie sich zeigte, harmonierten die dortigen Messzeiten nicht so recht mit der Anfangszeit des Puppentheaters, und so kamen wir überein, es sei wohl praktischer, am Samstag irgendwo in eine Vorabendmesse zu gehen. Aber nicht gerade zur Jugendmesse in St. Joseph Tegel, von der ich ja schon im vorigen Wochenbriefing angemerkt habe, dass ich sie mir eher "cringe" vorstellte. In unserer "Wahlgemeinde" in Siemensstadt gab es zwar auch eine Vorabendmesse, aber die war schon um 17 Uhr, und unter Berücksichtigung der Zeit, die wir für den Weg einplanen mussten, war uns das schlichtweg zu früh. Im St. Rita hingegen gab es um 18:30 Uhr eine Vorabendmesse, und dorthin brauchten wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur halb so lange wie nach St. Joseph Siemensstadt. Gegen St. Rita sprach zwar, dass diese Kirche zur Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd gehört, mit der meine Liebste und ich bekanntlich gründlich zerfallen sind; aber da wir früher so gut wie nie dort waren, mussten wir nicht unbedingt damit rechnen, dass man uns dort kennt, und zudem verriet der Online-Wochenplan, dass der "neue" Pfarrvikar diese Messe zelebrierte. Mit dem haben wir, eben weil er neu in der Pfarrei ist, keinen "Beef", und zudem hatte er sich ja erst unlängst bei einer Werktagsmesse in Heiligensee als ausgesprochen kinderfreundlich erwiesen – was ja schon viel wert ist. Zwar war dem besagten Wochenplan auch zu entnehmen, dass dieser Gottesdienst von der Gruppe Rita(r)dando mitgestaltet wurde, aber ich dachte mir: Wie schlimm kann das schon werden. 

Ich hatte ja keine Ahnung. 

Eigentlich hätte es mich misstrauisch stimmen sollen, dass die Frau, die unmittelbar vor uns die Kirche betrat – und die ich übrigens "von früher" aus der Pfarrbriefredaktion kannte – ihre silbergrauen Haare türkis gefärbt und sich ein großes Herz auf die Wange geschminkt hatte. Die Frau, die am Eingang Liederzettel verteilte, kannte ich übrigens ebenfalls aus der Pfarrbriefredaktion. Den Liederzettel sah ich mir zunächst gar nicht genauer an, aber als ich es doch tat, stellte ich fest, dass lauter Karnevalsschlager darauf standen; und nun registrierte ich, dass der Altar mit Luftschlangen geschmückt war (sofern man das als "Schmuck" bezeichnen will und kann). Die bittere Wahrheit: Wir waren in einen Karnevalsgottesdienst geraten! 

Die Band war auf der Orgelempore platziert, und da sie glücklicherweise nicht nur Karnevalsschlager spielte, fand ich sie zunächst gar nicht mal so schlecht – sehr viel besser jedenfalls als die Band Exodus, die vor ein paar Wochen einen  Gottesdienst in Siemensstadt musikalisch begleitet hatte. Zur Eröffnung gab's erst mal ein längeres Instrumentalstück und dann das Lied "Kommt herbei, singt dem Herrn" (GL 140; Text: Diethard Zils nach Psalm 95, Melodie: aus Israel); ein Lied, das ich eigentlich notorischerweise nicht leiden kann, aber in der Version von Rita(r)dando gefiel es mir doch überraschend gut: Die Band spielte es mit recht authentisch anmutendem 70er-Jahre-Sacropop-Flair, mit funkigem Bass und psychedelisch angehauchten Keyboard-Zwischenspielen. 

Weniger überzeugend fand ich sie bei den "flotteren" Nummern – die interpretierten sie für mein Empfinden allzu sehr im Pop-Schlager-Sound à la Flippers. Aber reden wir lieber mal über die Liedauswahl, und zwar konkret über die Verwendung von Karnevalsschlagern in der Liturgie. Ich sag mal so: Es gehört schon ein gehöriges Maß an Schmerzfreiheit dazu, zum Kyrie das Lied "Wir sind alle kleine Sünderlein" zu spielen; es wurde aber noch bizarrer: Zum Agnus Dei gab es "Wir kommen alle in den Himmel"! – Dass die Band während der Kommunion "Drink doch eine met" spielte, es aber trotzdem keine Kelchkommunion gab, fand ich demgegenüber schon fast subversiv. 

Auch sonst enthielt die Messe einige Elemente, die den "närrischen" Charakter der Veranstaltung unterliefen; dazu gehörten beispielsweise die biblischen Lesungen vom Sonntag, die bemerkenswerterweise nicht an den Anlass angepasst worden waren (wobei ich ehrlich gesagt auch nicht wüsste, was für Texte man da hätte nehmen sollen). So gab's als 1. Lesung die rituellen Vorschriften für die Absonderung von Aussätzigen aus Leviticus 13, und ich fragte mich, ob dieses Thema den versammelten Jecken nicht irgendwie die Luft rauslassen müsste. Aber natürlich kann es sein, dass sie einfach nicht so genau hinhörten. Was den Pfarrvikar betraf, gab er sich zwar redliche Mühe, dem karnevalistischen Charakter der Veranstaltung gerecht zu werden, aber schon seinen Begrüßungsworten war deutlich anzumerken, dass das eigentlich überhaupt nicht sein Ding war; und noch deutlicher wurde es in der Predigt. Dass er sich dazu ein lustiges Hütchen aufsetzte, konnte nicht davon ablenken, dass die Predigt inhaltlich bierernst und sogar ziemlich moralistisch war; dass die Sätze sich in unregelmäßigen Abständen reimten, fiel nur auf, wenn man ganz bewusst darauf achtete. Ein paar Kostproben gefällig? 

"Erinnern wir uns daran, dass Gott in jedem Moment bei uns ist – / 
auch während des Karnevals in Freude und Trubel – und nicht vergisst. / 
Lasst uns darum feiern, doch stets bedenken, / 
dass unser Handeln und Tun Gott soll lenken." 

Das Tagesgebet, das Eucharistische Hochgebet und das Schlussgebet wirkten arg selbstgestrickt, vielleicht stammten sie aber auch aus einer "inoffiziellen" Sammlung von Vorlagen für "Gottesdienste zu besonderen Anlässen". Immerhin blieben wenigstens die Einsetzungsworte bei der Wandlung von kreativen Innovationen verschont, insofern war die Messe gültig, basta. Dass beim Vaterunser wieder einmal ein Robbenbaby gemeuchelt wurde, passte natürlich ins Gesamtbild; wie schon neulich bei der Werktagsmesse in Heiligensee fiel mir allerdings auch diesmal wieder auf, dass der Pfarrvikar an der Stelle, wo eigentlich der Embolismus hingehört hätte, eine kurze Atempause machte, über die die Gemeinde aber ungerührt hinwegdeklamierte. – Ein Thema für sich war das Credo: Das auf dem Liederzettel abgedruckte Credo-Lied – mit dem etwas simplistischen, ansonsten aber untadeligen Text "Ich glaub an Gott, / den Vater, der uns liebt / Ich glaub an Gott, / den Sohn, der sein Leben gibt / Ich glaub an Gott, / den Geist, der bei uns ist / Ich glaub an Gott, der uns niemals vergisst" – wurde als eine Art Refrain verwendet, dazwischen gab es mit Instrumentalmusik unterlegte, von einzelnen Bandmitgliedern gesprochene Glaubenssätze, von denen ich wirklich bedaure, dass ich sie nicht mitgeschnitten habe; aus dem Gedächtnis kann ich nur noch die Formulierung "Gott, der uns Vater und Mutter zugleich ist" sowie den Gesamteindruck wiedergeben, dass dieses Glaubensbekenntnis von Formulierungen geprägt war, die theologisch noch einigermaßen zu rechtfertigen, also nicht geradewegs häretisch waren, den Fokus aber doch sehr auffällig weg von dogmatischen Aussagen und hin zu einer moralistischen und therapeutischen Glaubensauffassung verschoben. Ähnliche Tendenzen ließen sich auch in den oben angesprochenen selbstgestrickt wirkenden Gebeten beobachten, die an die Stelle der regulären liturgischen Texte gesetzt wurden; an einer Stelle wurde der Opfertod Jesu als "Beispiel der Solidarität" gerühmt. 

Betonen möchte ich übrigens, dass in den online veröffentlichten Vermeldungen der Pfarrei und im Wochenplan nicht darauf hingewiesen worden war, dass es sich bei dieser Vorabendmesse um einen Karnevalsgottesdienst handelte. Und das empfinde ich – was immer man grundsätzlich von Karnevalsgottesdiensten halten mag – als eine Unverschämtheit: dass man einer solchen Travestie einer Heiligen Messe ohne Vorwarnung ausgesetzt wird. Gerade wenn man Kinder hat, die man möglichst von klein auf an eine angemessen würdige Gottesdienst-Praxis gewöhnen möchte, ist das im Grunde katastrophal. Es zeigt aber auch, dass die in der Gemeinde tonangebenden Leute nur die Interessen ihres eigenen kleinen Kreises im Auge haben: Damit, dass sich ganz normale Katholiken mit der Erwartung, eine ganz normale katholische Messe mitfeiern zu können, in ihre Kirche verirren könnten, rechnen die überhaupt nicht. 

Derweil ist mir sehr bewusst, dass man sich mit jedweder Kritik an Karnevalsgottesdiensten der Gefahr aussetzt, einer geradezu unchristlichen Humorlosigkeit geziehen zu werden; über dieses Reaktionsschema habe ich mich vor Jahren bereits ausführlich geäußert. Im vorliegenden Fall möchte ich mich zum Thema "Wer ist hier humorlos?" darauf beschränken, eine Anmerkung meiner Liebsten wiederzugeben: Gerade die zwanghafte Fröhlichkeit eines solchen Karnevalsgottesdienstes, so meinte sie, mache es umso augenfälliger, dass man es in dieser Gemeinde mit Leuten zu tun habe, "die normalerweise nicht mal im Keller lachen". 

Nicht verschwiegen sei andererseits aber auch, dass der Pfarrvikar erneut seine ungekünstelte Kinderfreundlichkeit unter Beweis stellte. So fragte er meine Tochter, ob sie die Gaben zum Altar bringen möge; im ersten Moment verstand sie gar nicht, was er von ihr wollte, aber mit ein bisschen Hilfestellung von mir bekam sie es dann doch sehr gut hin. Und als sie bei der Kommunionspendung mit ihren Lieblingskuscheltieren im Arm an die Altarstufen trat, zeichnete der Pfarrvikar mit dem Gestus völliger Selbstverständlichkeit auch diesen ein Kreuzzeichen auf die Stirn. – Der Mann mag theologisch und liturgisch in dem einen oder anderen Punkt eine bedenkliche Schlagseite haben, aber einer gewissen Sympathie für ihn kann ich mich nicht erwehren. Und da ich ihn wohl kaum auf Dauer als den "neuen Pfarrvikar" werde betiteln können, wird's vielleicht mal Zeit, dass ich mir einen Spitznamen für ihn ausdenke... 


Wenn der Vater mit dem Sohne 

Gleich am ersten Schultag nach den Winterferien äußerte der Jüngste sehr klare Vorstellungen darüber, was er mit mir unternehmen wollte, nachdem wir seine große Schwester in die Schule gebracht hatten: "In eine Kirche und Halleluja!" Allerdings wollte er, wie er nachdrücklich betonte, diesmal nicht nach St. Joseph Tegel; nach Herz Jesu wollte ich nicht, weil es dort erfahrungsgemäß ziemlich viel "Publikumsverkehr" gibt und ich nicht riskieren wollte, von übelwollenden Gemeindemitgliedern bei unserer Lobpreisandacht "erwischt" zu werden – geschweige denn vom Pfarrer, der ja in Herz Jesu seinen Dienstsitz hat. Folglich landeten wir schon zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen in St. Rita – diesmal allerdings in der kleinen Kapelle, die, anders als der große Kirchenraum, tagsüber ständig geöffnet ist. Hier beteten wir, obwohl es schon deutlich auf Mittag zuging, die Terz, kombiniert mit den Bitten aus den Laudes, einem Vaterunser und drei Lobpreisliedern ("Herr der ganzen Schöpfung" anstelle des Hymnus, "Mein Retter" nach den Psalmen,  "Alles was atmet" zum Abschluss). – Wie schon öfter, hatte ich wieder einmal sehr stark das Gefühl, dass die Texte aus dem Stundenbuch "zu mir sprechen" bzw. Dinge ansprachen, die in meinem Hinterstübchen herumgeisterten. Besonders galt das für das Schlussgebet der Terz vom Tag: 

"Gütiger Gott und Vater, du hast die Menschen zu gemeinsamer Arbeit berufen, damit sie einander ergänzen und jeder die Fähigkeit entfaltet, die du ihm gegeben hast, zum Wohle aller. Gib, dass wir unser Werk als deine Kinder verrichten, beseelt von deinem Geist und von der Liebe zu allen Menschen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn." 

Auch den Antwortvers zu den Bitten aus den Laudes – "Bewahre uns in deinem Dienst" – fand ich sehr passend. 

Am Dienstag hatte mein lieber Herr Sohn vormittags ausdrücklich keine Lust zum "Beten mit Musik"; aber am frühen Nachmittag kehrte ich mit ihm, bevor wir meine Liebste von der S-Bahn abholten, kurz in Herz Jesu Tegel ein, um ein paar Kerzen anzuzünden. "Und singen!", meinte der Junior nun doch, aber dafür hatten wir jetzt eigentlich gar nicht so richtig Zeit, außerdem saßen in den Kirchenbänken ein paar ältere Leutchen, die ich nicht in ihrem stillen Gebet stören wollte. Dafür ging ich aber am Aschermittwoch mit dem Jüngsten in Heiligensee in die Messe, nachdem wir die Große zur Schule gebracht hatten; aber das ist, wie oben schon angedeutet, eigentlich ein Thema für sich. 

Am Donnerstag kamen der Jüngste und ich während eines längeren Spaziergangs überein, "beten gehen" zu wollen; die erste Kirche, an der wir vorbeikamen, nach dem wir diesen Entschluss gefasst hatten, war die Allerheiligenkirche in Borsigwalde; aber die war geschlossen. Damit hatte ich einerseits zwar gerechnet, aber andererseits finde ich es doch immer irgendwie traurig und frustrierend, wenn eine Kirche am helllichten Tag ihre Pforten nicht öffnet. 

Wir wandten uns also wieder einmal St. Joseph Tegel zu und kamen ein paar Minuten vor dem mittäglichen Angelusläuten dort an; vor dem Eingang stand jedoch ein offener Leichen-, pardon: Bestattungswagen und in dessen Nähe drei Mitarbeiter einer Bestattungsfirma. Ein Blick auf den Wochenplan belehrte mich, dass in der Kirche um 11 Uhr ein Requiem begonnen hatte, und das war noch nicht zu Ende. Wir blieben also erst einmal draußen und beteten beim Läuten der Glocken den Angelus; währenddessen kam dann auch die Trauergesellschaft aus der Kirche, und es zeigte sich, dass das Requiem vom ehemaligen Gefängnisseelsorger der JVA Tegel zelebriert worden war, der bis kurz vor seinem Ruhestand auch Pfarrvikar im damaligen Pastoralen Raum Reinickendorf-Süd gewesen war und sich dadurch ausgezeichnet hatte, dass ich ihn noch schlimmer fand als den Pfarrer. Derweil war er bei einigen (und wohl gar nicht so wenigen) Leuten ausgesprochen beliebt, aber ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, warum. – Nachdem die Kirche sich geleert hatte, gingen wir hinein und sahen zu, wie ein Mitarbeiter der Bestattungsfirma die Deko abbaute; das dauerte nur wenige Minuten, aber eine Küsterin in Mantelalbe (äh...?) hatte noch erheblich länger damit zu tun, den Altarraum aufzuräumen ("Abküstern" nennt man das wohl). Sie wirkte eigentlich ganz sympathisch, aber ich scheute mich dennoch, in ihrer Gegenwart mit unserer Lobpreisandacht zu beginnen. Das Problem war, dass sie, nachdem sie mit dem Altarraum fertig war, offenbar noch allerlei in der Sakristei zu tun hatte und dabei die Tür zum Kirchenraum recht ostentativ einen Spalt offen ließ, als ahnte sie, dass wir etwas im Schilde führten. Um die Wartezeit nicht zu lang werden zu lassen, betete ich schon mal den ersten Psalmabschnitt aus der Sext vor, in der Annahme, daran werde ja wohl niemand Anstoß nehmen; nach einigem weiteren Abwarten dann den zweiten und schließlich auch den dritten, aber nach einer halben Stunde wurde mir dann doch die Zeit ziemlich lang und dem Junior natürlich erst recht. Zudem war deutlich zu riechen, dass er eine neue Windel brauchte. (Erst im Nachhinein fällt mir ein, dass es vielleicht gewitzt gewesen wäre, die Küsterin zu fragen, wo ich meinem Sohn die Windel wechseln könne. Mache ich beim nächsten Mal, wenn sich die Gelegenheit bietet.) Wir traten also unverrichteter Dinge den Rückzug an, aber zum Ausgleich gab's zu Hause nach dem Abendessen eine Familien-Gebetszeit, bei der der Jüngste anregte, wir sollten eine Kerze anzünden. Was wir auch taten. Eine Lobpreisandacht in St. Joseph hielten wir dann am Freitag zur Terz ab. Leider war der Junior da nicht in besonders andächtiger Stimmung, aber immerhin kriegte ich ihn etwas später dazu, zum ersten Mal in dieser Woche zu einer vernünftigen Zeit Mittagsschlaf zu machen. Kann also eigentlich nur besser werden mit seiner Laune... 

Segen bringt Regen(bogen) 

Nur ganz kurz möchte ich darauf eingehen, was die Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd sich für den diesjährigen Valentinstag hat einfallen lassen. Über die Ironie des Umstandes, dass ein im Zuge der nachkonziliaren Reformen eigentlich aus dem liturgischen Kalender gestrichener Heiligengedenktag auf dem Umweg über seine Interpretation als säkular-kommerzieller "Festtag der Verliebten" doch wieder seinen Weg zurück in die kirchliche Praxis gefunden hat, habe ich mich in früheren Jahren ja schon verschiedentlich geäußert, ebenso über die nicht immer geschmackssicheren Ergebnisse der Bemühungen, den Valentinstag pastoraltheologisch einzubinden. Dieses Jahr kam noch erschwerend dazu, dass der Valentinstag ausgerechnet auf den Aschermittwoch fiel; da kann man der Reinickendorfer Pfarrei im Grunde nur dankbar sein, dass sie ihr diesjähriges Valentinstags-Programm auf den Vorabend, also auf den Abend des Faschingsdienstags, gelegt hat. 

‐- Nämlich was für ein Programm? Na, eine Segensfeier natürlich. Genauer gesagt handelt es sich, den Vermeldungen zufolge, um einen "Segnungs-Gottesdienst für Verliebte und Verheiratete" ("anschließend Einladung zur Begegnung im Pfarrsaal"), und zwar in der Kirche St. Joseph Tegel, die mir ja bekanntlich besonders am Herzen liegt. – Spätestens seit dem Beschluss des Schismatischen Weges über "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" kann man wohl eine ziemlich klare Vorstellung davon haben, an was für Zielgruppen dabei vorrangig gedacht ist; der Text in den Vermeldungen macht diesbezüglich zwar keine näheren Angaben, aber es fällt auf, dass mit Pater Mephisto und dem Diakon genau diejenigen Geistlichen für diese Veranstaltung verantwortlich zeichnen, die innerhalb der Pfarrei als Ansprechpartner für queersensible Pastoral fungieren. Und die farbliche Gestaltung des Plakats tut ein Übriges. 


Nun wäre ich wohl nicht der Tobi, wenn ich nicht trotz der Ankündigung, mich diesem Thema "nur ganz kurz" widmen zu wollen, in diesem Zusammenhang ein paar Gedanken zum Schreiben "Fiducia supplicans" der Glaubenskongregation loswerden wollte; genauer: zur Rezeption dieses Schreibens. Zwar bin ich (u.a.) mit Dietrich von Hildebrand und Benedikt XVI. der Meinung, dass man sich hüten sollte, sich in Fragen, die Glaubenswahrheiten betreffen, allzu taktisch zu verhalten; gleichwohl habe ich mehr und mehr den Eindruck, das sogenannte "konservative Lager" innerhalb der katholischen Kirche habe einen Fehler gemacht, indem es sich (mit wenigen Ausnahmen; in Deutschland fällt mir da eigentlich nur die Initiative "Neuer Anfang" ein) allzu einseitig darauf eingeschossen hat, was es an "Fiducia supplicans" problematisch findet. Warum? Weil es damit die Deutungshoheit über das Schreiben praktisch kampflos aus der Hand gegeben hat. Wie anders sähe die öffentliche Wahrnehmung dieses Dokuments wohl aus, wenn man von Anfang an stärker darauf gesetzt hätte, es dafür zu loben, dass gottesdienstliche Segensfeiern für Paare in irregulären Situationen explizit verbietet! Jetzt werden landauf, landab solche Feiern veranstaltet und dabei so getan, als würde "Fiducia supplicans" das erlauben, dabei ist das Gegenteil der Fall. 

Volles Programm am Aschermittwoch 

Die Schule, die unser Tochterkind besucht, feierte am Mittwoch Fasching; der Grund für die Wahl dieses Termins war offenbar, dass der Valentinstag gleich mit abgefeiert werden sollte. Ich hätte ja gedacht, an einer so progressiven Schule würde der Valentinstag als viel zu kommerziell, reaktionär und patriarchalisch betrachtet werden, aber der Ausschuss "Feste und Feiern", dem auch Schüler angehören, war offenbar anderer Ansicht. Wie dem auch sei, unser Tochterkind verkleidete sich als Elsa aus dem Disney-Film "Die Eiskönigin" und freute sich noch mehr auf die Schule als sonst, was den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass wir ohne größere Schwierigkeiten zeitig zu Hause los kamen. Somit blieb dem Jüngsten und mir, nachdem wir die Große in der Schule abgeliefert hatten, locker genügend Zeit, um in der Kirche St. Marien Maternitas in Heiligensee in die Aschermittwochsmesse zu gehen. 

Die kleine Kirche war erheblich besser besucht als an einem normalen Werktag, und dadurch war auch der Altersdurchschnitt der Anwesenden etwas niedriger. Ich war gespannt, wer zelebrieren würde, aber es dauerte recht lange, bis es auf diese Frage eine Antwort gab: Uncharakteristisch knapp vor der regulären Anfangszeit der Messe kam Pater Mephisto in seiner schwarzen Ordenstracht durch den Mittelgang, und bevor er in die Sakristei abbog, kam er an unserer Bank vorbei und begrüßte erst meinen Jüngsten (mit den Worten "Schön, dass du da bist") und dann auch mich per Handschlag. Ich bin ja nun wirklich mit einigen seiner Anschauungen ganz und gar nicht einverstanden, und das weiß er; aber auf einer anderen Ebene haben wir anscheinend irgendwie einfach einen Draht zueinander. 

Pater Mephistos Predigt zum Aschermittwoch war kurz – kaum mehr als drei Minuten –, aber durchaus interessant. So merkte er an, heutzutage werde den Menschen "das ganze Jahr über" Buße und Verzicht gepredigt, aber nicht mehr so sehr von der Kirche und mit religiöser Sinngebung, sondern eher in ganz diesseitigen Zusammenhängen, wie etwa beim Thema Klimaschutz. Zwar, meinte Pater Mephisto, sei es durchaus sinnvoll und begrüßenswert, "dass wir uns immer wieder und mehr bewusst machen, dass es nötig ist, dass wir Verzicht üben"; "problematisch" sei daran jedoch, "dass die Motivation oft Angst ist" – "Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Verlust der Gesundheit", "Angst vor Verlust des Wohlstandes und gesellschaftlichen Ansehens". Dagegen sollte die Motivation für die Fastenzeit eine andere sein – "eine positive Motivation", nämlich "sich hinwenden in die größere Freiheit zu Gott, sich bewusst machen, dass wir Geschöpfe sind, dass wir uns nicht selbst erlösen können". Soweit d'accord; etwas ärgerlich und unnötig fand ich es, dass er partout ein paar kleine Seitenhiebe auf die Kirche, genauer gesagt auf "Die Kirche früher™️", einbauen musste, die ja "über Jahrhunderte" so viel mit dem erhobenen Zeigefinger und "mit Angst gearbeitet" habe. Aber das ist bei ihm halt ein Dauerthema: Er macht insgesamt den Eindruck, er habe seine geistliche Laufbahn dereinst mit dem Vorsatz begonnen, die Kirche von innen heraus zu verändern, und finde, dass sie sich bis heute nicht genug verändert habe. 

Zur Kommunion ging ich übrigens nicht, da ich ja vorhatte, am Abend noch mit der ganzen Familie in Haselhorst in die Messe zu gehen. – Am Nachmittag wollten wir aber ja erst mal zum JAM, und ich hatte mit unserer Großen lang und breit durchgesprochen, wann wir sie zu diesem Zweck von der Schule abholen würden, auch wenn die Faschingsfeier dann noch nicht zu Ende war. Trotz dieser gründlichen Vorbereitung war ich ehrlich gesagt überrascht, dass das Abholen absolut reibungslos klappte. – Beim JAM spielte die Tatsache, dass Aschermittwoch war, überhaupt keine Rolle; die Freikirchler kennen nun mal kein Kirchenjahr. Sie feiern zwar Weihnachten und Ostern und vielleicht (?) auch Pfingsten, aber ansonsten ist ihnen das Konzept geprägter Zeiten im Jahresverlauf vollkommen fremd. Für mein Empfinden gehört das zu den gravierenden Defiziten evangelikaler Frömmigkeit, aber lassen wir das. Wie sehr der Aschermittwoch bei den Freikirchlern keine Rolle spielt, merkte man übrigens auch daran, dass es zum Abendessen ausgerechnet Nudeln mit Würstchen in der Sauce gab. Aber ich durfte feststellen, dass die Nudeln auch ohne Sauce ganz gut schmeckten. – Bei der Kinderkatechese ging es weiter um das Buch Nehemia, und zwar um die Passage, in der Nehemias Gegner mit allen Mitteln versuchen, ihn von dem Projekt, die Stadtmauer wiederaufzubauen, abzubringen. Just dazu habe ich vor Jahren mal einen sehr guten Vortrag von Johannes Hartl gehört (Stichwort "Komm, wir treffen uns in der Ebene von Oh No!"). 

Nach dem JAM war noch etwas Zeit, ehe schräg gegenüber in St. Stephanus die Aschermittwochsmesse begann. Die Kirche war übrigens rappelvoll, und es waren viele Familien unter den Teilnehmern. Der leitende Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie hielt die Messe – und hielt eine sehr schöne, ermutigende Predigt zum Beginn der Fastenzeit: Diese Zeit sei nicht dazu da, sich zu quälen, sondern es sei eine Zeit der Vorfreude "auf das wunderbarste, das schönste aller Feste, auf das Zentrum unserer ganzen Hoffnung, unseres ganzen Glaubens: Ostern. Und wir spüren mit der ganzen Kirche: Das kannst du nicht 'einfach so' machen, da muss etwas in dir passieren, mit dir, mit uns allen." In diesem Sinne könne die Fastenzeit "ein entscheidender Schritt nach vorne im Glauben" sein, wenn man sie dazu nutze, sich zu fragen: "Ist mein Verhältnis, meine Beziehung zu Christus wirklich lebendig und schön? Oder ist da vielleicht irgend etwas verrutscht? Ist es irgendwie für mich langsam langweilig, weil es ja Gewohnheit ist? Fasziniert mich überhaupt dieser Glaube noch, berührt er mich? Oder aber ist es irgendwie eingeschlafen, müde, lahm geworden?" Diese Beziehung zu Christus zu vertiefen und damit zugleich auch das Verhältnis zum Nächsten und zu sich selbst auszurichten, sei der eigentliche Sinn der Fastenzeit, und darum appellierte der Pfarrer: "Es ist keine traurige Zeit. Machen Sie sie nicht zu einer traurigen Zeit, sondern zu einer Zeit, wo in Ihnen die Freude, die Begeisterung immer mehr, immer größer wird." 

Ein Detail dieser Predigt muss ich aber aus persönlichen Gründen noch gesondert hervorheben: Der Pfarrer erwähnte eine Radio-Umfrage zur Fastenzeit, in der gefragt wurde "Worauf könnten Sie gar nicht verzichten?", und gleich die erste dort gegebene Antwort, die der Pfarrer zitierte, lautete: "Das Bett." 

Hmpf. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Du allein, o mein Herr und Gott, bist stark, du allein bist heilig. Du bist die Heiligkeit und die Kraft aller Dinge. Nichts Geschaffenes hat Dasein und Bestand aus sich selbst, sondern verfällt und vergeht, wenn du es nicht durch deinen Beistand erhältst. Du allein bist vor allem auch meine Kraft! Nichts ist wahrer als dies, dass ich ohne dich ohnmächtig bin. Ich fühle es tief, o mein Gott, dass ich, mir selber überlassen, in die Irre gehe. So gut ein Stein, den man fallen lässt, zur Erde niederfällt, so sicher gehen mein Herz und meine Seele hoffnungslos zugrunde, wenn du deine Hand zurückziehst. Du musst mich stützen mit deiner Rechten, sonst halte ich nicht stand. Wie befremdlich ist es, und doch wie wahr, dass alle meine natürlichen Neigungen auf Trägheit, auf Ausschweifung, auf Vernachlässigung der religiösen Pflichten und des Gebetes, auf die Liebe zur Welt abzielen, statt auf die Liebe zu dir, auf Heiligkeit und Selbstbeherrschung! Ich billige und rühme, was ich selbst nicht tue. Mein Herz jagt Eitelkeiten nach, und mein Trachten geht nach dem Tod, nach Verderben und Auflösung, getrennt von dir, du unsterblicher Gott. Mein Gott, meine Erfahrung lehrt mich deutlich genug, welch schreckliche Knechtschaft die Sünde ist. Ich beklage mich bitter über meine Knechtschaft und vermag sie doch nicht abzuwerfen. O mein Herr und Heiland, gib mir Leben und Heiligkeit und Stärke! 

(John Henry Kardinal Newman, Betrachtungen und Gebete) 


Ohrwurm der Woche 

Wonderland: Moscow 

Wieder einmal eine Entdeckung im Zusammenhang mit Recherchen für mein hochgeheimes Buchprojekt. Gehört habe ich das Stück bestimmt früher schon mal, wäre aber wohl nicht darauf gekommen, dass es sich um das Werk einer deutschen Band handelt. Tatsächlich war Wonderland die wohl erste kommerziell erfolgreiche Psychedelic-Rock-Band Deutschlands, gegründet von ehemaligen Mitgliedern der erfolgreichsten deutschen Beat-Band The Rattles, darunter Achim Reichel, mit Les Humphries an den Keyboards und produziert von James Last. Eine irre Mischung! 


2 Kommentare:

  1. >>Na, Leser – seid ihr gut in die Fastenzeit gestartet?

    Der Donnerstag war prima, der Aschermittwch sogar sehr gut. Am Freitag war der Herrgott leider so freundlich, mich auf einen Charakterfehler hinzuweisen.

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  2. Übrigens: Bei uns war am Aschermittwch *doch* Valentinstag.

    Der Pater, der zelebriert hat, machte, wie Du es nennen würdest, Punkpastoral und kümmerte sich um die Vorschrift von 1962 herzlich wenig: Aschermittwoch, Kommemoration des hl. Valentin, 3. Gebete um die Fürbitte aller Heiligen "A cunctis": Wie man das 1954 so gemacht hätte. Aber nicht weitersagen, nicht daß er Probleme bekommt. Fand's toll.

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