Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Dienstag, 9. April 2019

Essen wie Gott es schuf

Neulich habe ich einen Apfelkuchen gebacken, und beim Einkaufen der Zutaten habe ich mich dabei ertappt, erstmals - soweit ich mich erinnern kann - bewusst auf die Herkunft der Äpfel zu achten und gezielt Äpfel aus Deutschland zu kaufen statt solcher aus Spanien oder Italien. Sogleich meldete sich mein habitueller Sarkasmus zu Wort und warf die Frage auf, ob es nicht ganz schön "rechts" sei, Äpfel nach ihrer Herkunft zu beurteilen. Haben spanische und italienische Äpfel nicht dasselbe Recht, in einem deutschen Kuchen verbacken zu werden, wie deutsche Äpfel? Keine Pflanze ist illegal! -- Aber mal im Ernst: Mir ist durchaus klar, dass die Lebensmitteleinkaufs-Maxime "regional und saisonal" in der Regel nichts mit Nationalismus zu tun hat, sondern mit der Vermeidung unnötiger und umweltschädlicher Transportwege. Das Fünkchen Ernst in der Witzelei darüber, ob "regional und saisonal" nicht irgendwie "rechts" sei, besteht indes darin, dass mir die gängige Verortung ökologischen Bewusstseins im politisch-ideologischen Spektrum prinzipiell fragwürdig erscheint. Wenn man mal in die Zeit des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik zurückgeht, findet man Vorstufen dessen, was heute Umwelt- und Naturschutz heißt, zu einem bedeutenden Teil in der sogenannten Heimatschutzbewegung, die sich selbst zwar als "unpolitisch" verstand oder bezeichnete, aber allerlei völkisch-reaktionäre Tendenzen aufwies. Noch in der Gründungsphase der Partei "Die Grünen" waren zeitgenössische Beobachter sich keinesfalls sicher, ob das eine linke oder eine rechte Partei werden würde; allerdings wurde der rechte Flügel dann recht bald konsequent aus der Partei hinausgedrängt. Seither gelten "Öko-Themen" weitestgehend als Domäne der Linken; und das in einem solchen Maße, dass es vielfach den Anschein hat, in bürgerlich-konservativen Kreisen gehöre es geradezu zum guten Ton, auf alles, was mit Umweltschutz zu tun hat, mit Augenrollen oder Spott zu reagieren. Dabei sollte man doch eigentlich annehmen, Themen wie Landschaftsschutz, Erhaltung bedrohter Tier- und Pflanzenarten und der Schutz von Wasser, Luft und Boden vor Verschmutzung, ja Vergiftung seien im besten Sinne des Wortes konservative Anliegen. Letzten Sommer habe ich in der Tagespost etwas darüber geschrieben, und kürzlich war ich äußerst erfreut, festzustellen, dass mein Freund Rod Dreher sich in seinem erstmals 2006, als aktualisierend überarbeitete Taschenbuchausgabe 2010 erschienenen Buch "Crunchy Cons" ausführlich diesem Thema widmet. 

Bereits das einleitende Kapitel "What are Crunchy Conservatives?" beginnt mit einer bezeichnenden Anekdote aus der Zeit, als Rod mit seiner Frau und seinem ersten Kind in New York lebte und für den National Review, das journalistische Flaggschiff des ideologischen Konservatismus in den USA, arbeitete. Eines Tages, so berichtet er, erklärte er seiner Redakteurin, er müsse ausnahmsweise mal früher Feierabend machen, um die wöchentliche Lieferung Bio-Obst und -Gemüse von einer lokalen Food Coop abzuholen. Die Redakteurin reagierte mit einer Mischung aus Spott und Befremden: So etwas, meinte sie, sei doch nur etwas für Linke. Nach diesem Einstieg kommt Rod in demselben anekdotischen Plauderton auf das Thema Homeschooling, auf die Kirchengemeinde, in der seine junge Familie in New York zum Gottesdienst ging, und auf Natürliche Familienplanung (NFP) zu sprechen; aber dem Thema Ernährung und Landwirtschaft ist ein ganzes Kapitel gewidmet, und wie ich kürzlich schon angedeutet habe, zeigen sich da durchaus thematische Überschneidungen zu einzelnen Beiträgen des Werkhefts "Gut genährt?!" der Katholischen Landjugendbewegung Bayern, mit dem ich mich hier unlängst befasst habe. Wobei ich behaupten möchte, dass Rod dem Thema eine erheblich größere Tiefe abgewinnt; ganz besonders auch den religiösen Bezügen des Themas, von denen ich fand, dass sie in der KLJB-Broschüre (jedenfalls gemessen daran, dass sie von einem katholischen Verband herausgegeben wurde) etwas kurz kamen. Das kurz und schlicht "Food" betitelte dritte Kapitel von "Crunchy Cons" ist 38 Seiten lang und spricht eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte des Themas an, aber ich will hier mal versuchen, einige wenige Leitgedanken herauszugreifen: 



I. Mit "Slow Food” gegen die "McDonaldisierung" 

Über einen Beitrag im KLJB-Werkheft, der die "Slow Food"-Bewegung vorstellt, schrieb ich, dieser wirke besonders dadurch sympathisch, dass er das Anliegen dieser Initiative - "sehr im Unterschied zu der angestrengten Miesepetrigkeit, durch die manche anderen Initiativen für politisch korrekte Ernährung sich auszeichnen - als betont genussorientiert"  beschreibe. Freund Rod sieht es ähnlich: "Nichts ist ermüdender und geisttötender als der Versuch, das alltägliche Leben zu ideologisieren", schreibt er (S. 61) -- und führt "Slow Food" als positiven Gegenentwurf zu einem freudlos-verbissenen Zugang zum Thema politisch bzw. ökologisch korrekte Ernährung an: "Als ich von der Slow Food-Bewegung erfuhr, begriff ich, dass es zutiefst konservative Gründe gibt, Essen und Esskultur ernst zu nehmen" (S. 63). Dabei verrät er auch - was aus dem KLJB-Werkheft nicht hervorging -, dass diese Bewegung von italienischen Kommunisten gegründet wurde, und merkt dazu augenzwinkernd an, dieser Umstand zeige zweierlei: einerseits, dass "nicht einmal der verdrießliche Dogmatismus des Kommunismus die Sinnlichkeit in der italienischen Seele ersticken kann", aber andererseits auch, dass eine "Crunchy Con"-Gesinnung zuweilen "recht exotische Bettgenossen" mit sich bringe (ebd.). 

Tatsächlich rührte der Anstoß zur Gründung der Initiative Slow Food in den 1980er-Jahren von der Erkenntnis her, dass die Industrialisierung und Globalisierung von Lebensmittelproduktion und -handel nicht nur traditionellen Landwirtschaftsbetrieben die Existenzgrundlage entzieht, sondern auch eine regional verwurzelte kulinarische Kultur und somit letztlich eine ganze angestammte Lebensart bedroht. "Wenn lokale Spezialitäten und lokale Essgewohnheiten der McDonaldisierung zum Opfer fallen, dann geht etwas Bedeutendes verloren", kommentiert Rod Dreher (S. 64). Die Strategie von Slow Food, auf diese Bedrohung zu reagieren, besteht nun schlichtweg darin, ein Bewusstsein für den Wert kulinarischer Traditionen zu wecken, und das heißt ganz wesentlich: ein Bewusstsein für den Wert einfacher, traditioneller Speisen regionaler Herkunft und guter Qualität und für den Wert altmodischer Geselligkeit. "Die Slow Food-Mentalität zeigt, dass man zutiefst konservativ in Hinblick auf lebensspendende Traditionen und zugleich ausgesprochen empfänglich für den sinnlichen Genuss guten Essens sein kann", betont Rod (S. 87) -- und zitiert den Gastrojournalisten Corby Kummer mit der Feststellung, die Slow Food-Bewegung sei deshalb so populär, weil sie darauf ausgerichtet sei, "zu feiern und zu bewahren statt zu kritisieren und zu bekämpfen." (S. 86) Das scheint mir ein richtungsweisender Gedanke zu sein.



II. Kochen und gemeinsames Essen als Kulturgut 

Übrigens muss ich gestehen, dass ich beim Stichwort "Erhaltung traditioneller, regional verwurzelter Esskultur" spontan ein kleines, gemütliches, familienbetriebenes Restaurant mit karierten Tischdecken vor meinem geistigen Auge sehe. Möglicherweise rührt diese Assoziation daher, dass die Slow Food-Begründer aus Italien stammen. Aber eigentlich wäre der Ort, an den man in diesem Zusammenhang in erster Linie denken sollte, das eigene Zuhause. "Kultur beginnt in der Küche, nicht im Opernhaus", wird in "Crunchy Cons" die Ernährungsberaterin Kathy O'Brien zitiert (S. 82). 

Freilich erwähnt Rod auch, dass weder er noch seine Frau - ebensowenig wie viele andere Angehörige seiner Generation - in ihrer Kindheit oder Jugend Kochen gelernt haben. Ich übrigens auch nicht, oder höchstens sehr rudimentär. Der Grund dafür - so meint Rod - ist schlicht und einfach der, dass die Generation unserer Eltern darauf konditioniert wurde, Hauswirtschaft und Nahrungszubereitung nicht mehr als wertvolle Fertigkeiten zu betrachten, die es an die Kinder weiterzugeben gelte. Insbesondere Frauen aus der Arbeiterklasse wurden seit den 1950er-Jahren mit einer "Besser leben durch Chemie"-Propaganda bombardiert, die ihnen einredete, "traditionelles Kochen sei eine Plackerei und industriell gefertigte Nahrung ein Statussymbol" (S. 57). 

Und warum? Nun, ich gebe zu, ich habe manchmal schon selbst den Eindruck, dass Konsumkritik zumindest oberflächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Verschwörungsdenken hat, aber sagen wir ruhig trotzdem: Es gab handfeste wirtschaftliche Gründe dafür, den Hausfrauen das Kochen abzugewöhnen. "Das Gebot des Komforts, der Bequemlichkeit und der Erschwinglichkeit - mit anderen Worten: Effizienz über alles - hat eine enorme, und enorm lukrative, amerikanische Nahrungsmittelindustrie geschaffen. Und so leben wir heute unser kulinarisches Leben: schnell, billig und unkontrolliert." (S. 59) Was bei dieser Industrialisierung des Ernährungswesens jedoch vergessen wurde, ist, dass "Essen nicht nur den Körper ernährt; Essen - und auch die Rituale, die mit seiner Zubereitung einhergehen - nährt auch etwas in der menschlichen Seele." (ebd.) 

Folgerichtig fehlt der menschlichen Seele etwas, wenn das Essen auf die bloße Funktion der Nahrungsaufnahme reduziert und schnell und schlampig nebenbei erledigt wird. Erinnern wir uns, dass auch die erste stellvertretende Landesbäuerin Bayerns, Christine Singer, sich veranlasst gesehen hat, in einem Beitrag für das KLJB-Werkheft für das hohe Gut des gemeinsamen Essens zu werben. 

Rod Dreher tut dies, wie es seine Art ist, noch deutlich eindringlicher und mit mehr Pathos: 
"Wenn wir dem gemeinsamen Abendessen im Kreis der Familie die höchste Priorität unter allem einräumten, was die Familie den ganzem Tag lang tut, [...] dann könnten wir unserem Zuhause eine Atmosphäre der Ordnung und des Friedens zurückgeben und der Familienmahlzeit wieder einen sakralen Charakter verleihen. [...] Und wenn Mütter und Väter danach strebten, die Freude am Kochen zu erlernen und sie an ihre Kinder weiterzugeben, indem sie sie an der Zubereitung der Familienmahlzeiten beteiligten, würde sich unsere ganze Einstellung zum Thema Ernährung und zu unserer kulinarischen Tradition verändern." (S. 90)
(Bildquelle: Pixabay


III. "buy local" 

Ein bewussteres Umgang mit dem Thema Ernährung bedingt, wie ich aus eigener Erfahrung - siehe oben - bestätigen kann, auch ein bewussteres Einkaufsverhalten. "Indem man lernt, das Kochen zu lieben, lernt man auch, auf die Qualität der Zutaten zu achten und dankbar für sie zu sein", schreibt Rod (S. 59). Unter diesem Aspekt liegt es auf der Hand, welche Vorteile es hat, seine Lebensmittel von kleinen lokalen Händlern zu beziehen, zu denen man ein persönliches Vertrauensverhältnis hat. Das ist aber noch nicht alles. Als mindestens ebenso wichtig hebt Rod hervor, dass man, wenn man bei kleinen Betrieben in der eigenen Nachbarschaft einkauft, damit einen Beitrag zur Ökonomie seines Wohnortes leistet -- wobei Rod, wie er betont, den Begriff "Ökonomie" nicht allein auf Geschäftsbeziehungen beschränkt verstanden wissen will, sondern als Oberbegriff für "das unvollständige und komplexe System menschlicher Beziehungen", das die lokale Gemeinschaft zusammenhält (S. 60). 

Beide Aspekte - die Bedeutung selbständiger Kleinbetriebe für die Erhaltung der ländlichen Sozialstruktur und das Interesse an der Qualität der Produkte - bieten gewichtige Argumente dafür, "kleine Farmer zu unterstützen, die sich bemühen, auf eigenen Beinen zu stehen, und nicht die große, unpersönliche Agrarindustrie" (S. 61). "Es stimmt zwar, dass Massenproduktion das Fleisch billiger macht", gibt Rod zu bedenken, "aber jeder Konservative weiß - oder sollte wissen -, dass auf dieser Welt nichts umsonst ist. Es gibt immer einen versteckten Preis zu zahlen" (S. 67). So bedingt die Massenproduktion von Fleisch Zustände in der Viehhaltung, die unter ethischen wie ökologischen und nicht zuletzt auch gesundheitlichen Gesichtspunkten mehr als bedenklich sind: In der industriellen Massentierhaltung stehen Rinder "bis an die Knie im Kot, atmen verschmutzte Luft, fressen das billigste Zeug, mit dem man sie füttern kann, man injiziert ihnen Wachstumshormone, damit sie so schnell wie möglich so groß wie möglich werden, und Antibiotika gegen die Krankheiten, die sie von dieser Art der Haltung bekommen. Natürlich bekommt man auf diese Weise billiges Fleisch, aber was ist mit der Qualität?" (S. 73) 

Wie aber sehen die Alternativen aus, wenn man nicht gleich ganz auf Fleisch und andere tierische Produkte verzichten möchte? "Man sagt uns, dass Landwirtschaft in kleinem Maßstab betrieben ineffizient sei, und das stimmt auch", räumt Rod ein. "Man sagt uns, unsere Agrarfabriken ernährten die Massen, und zwar billig, und damit sollten wir zufrieden sein. [...] Unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten verstehe ich, warum Amerikaner so handeln. Was ich nicht verstehe, ist, warum das als konservativ bezeichnet wird." (S. 63) 

Vielleicht habe ich es schon mal erwähnt, vielleicht auch nicht - dann tue ich es eben jetzt: Ich bin in einer sogenannten "landwirtschaftlichen Nebenerwerbssiedlung" aufgewachsen, das heißt, wir hatten einen ziemlich großen Gemüsegarten hinter dem Haus und auch ein bisschen Kleintierhaltung, und als Teenager habe ich Gartenarbeit gehasst. Deshalb starrt mich mein 15jähriges Ich auch immer so irritiert an, wenn ich in jüngster Zeit immer häufiger darüber sinniere, dass es doch eigentlich wünschenswert wäre, wenigstens einen Teil der Lebensmittel, die man verbraucht, selbst zu produzieren. Mir ist klar, dass das keine besonders realistische Vorstellung ist, schon gar nicht in Berlin, Urban Gardening-Boom hin oder her. Umso mehr habe ich mich von einer Passage in "Crunchy Cons" angesprochen gefühlt, in der es heißt: 
"Ich habe nicht vor, aufs Land zu ziehen und Hühner zu züchten, und die meisten von euch werden das ebensowenig tun. Aber Städter und Vorstädter wie ich und du können es anderen ermöglichen, das zu tun -- indem wir das Fleisch, die Eier, das Gemüse und die Milchprodukte kaufen, die sie produzieren, entweder direkt vom Hof, über Einkaufsgemeinschaften oder auf einem lokalen Wochenmarkt.” (S. 88)


IV. Achtung vor der Schöpfung 

Lebensmittel direkt vom Erzeuger zu kaufen, kann die Einstellung zum Thema Ernährung zudem auch auf eine Weise verändern, die über ökonomische und/oder ökologische Erwägungen weit hinausgeht.  "Es ist heutzutage selten, dass Amerikaner sich überhaupt Gedanken darüber machen, wo ihr Essen herkommt”, heißt es in "Crunchy Cons", "aber wenn du das Gesicht der Frau siehst, die es gepflanzt hat, wenn du die Hand des Mannes schüttelst, der es geerntet hat, dann wird dir die intime menschliche Verbindung zwischen dir, dem Bauern und der Erde bewusst. Und das bedeutet, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, in was für einem radikalen Ausmaß unser ganzes Leben ein Geschenk ist." (S. 62) 

In ähnlicher Weise bezeichnet der Kulturkritiker Wendell Berry - in den USA eine Leitfigur der ökologischen Landbau-Bewegung, hierzulande aber, wie mir scheint, weitgehend unbekannt - das Wesen traditioneller Landwirtschaft als "den rechten Gebrauch und die rechte Sorge für ein unschätzbares Geschenk" (S. 60). Hier wird es nun auch in religiöser Hinsicht interessant, denn ein Geschenk setzt einen Schenkenden voraus, und Dankbarkeit erfordert jemanden, dem man danken kann. -- Angesichts der oft an Aussichtslosigkeit grenzenden Schwierigkeiten, mit denen man zu kämpfen hat, wenn man versucht, sich mit einem kleinen Bio-Bauernhof auf einem von großen Agrarkonzernen beherrschten Markt zu behaupten, leuchtet es ein, dass es einer starken ideellen Motivation bedarf, diesen Versuch trotzdem zu unternehmen; und es ist nicht unbedingt überraschend, dass dabei nicht selten auch eine spirituelle Komponente mit im Spiel ist. Zumindest hierzulande - das ist jedenfalls mein Eindruck von diversen einschlägigen Facebook-Seiten und -Gruppen - scheint es sich dabei überwiegend um eine irgendwie esoterisch-pantheistisch-naturreligiös orientierte Spiritualität zu handeln, gern auch garniert mit ein paar Bröckchen Hindu- oder Buddhismus oder was der westliche Mensch halt (mehr oder weniger irrtümlich) dafür hält. Eine solche "pantheistische, gewissermaßen die Erde anbetende" Einstellung (S. 72) findet sich, wie in "Crunchy Cons" mehrfach erwähnt wird, in ökologisch engagierten Kreisen in den USA durchaus auch (und die sind dann politisch zumeist eher linksgerichtet); andererseits gibt es dort aber auch ein Phänomen, von dem ich hierzulande - zu meinem Bedauern, wie man sich wohl vorstellen kann - noch nicht sonderlich viel gehört habe, nämlich christliche Öko-Bauern. Und damit meine ich nicht solche, die bloß nominell einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehören und sich selbst als irgendwie gläubig verstehen, sich in ihren religiösen Vorstellungen aber tatsächlich nur oberflächlich von ihren esoterisch oder schamanistisch orientierten Nachbarn unterscheiden, sondern ich meine ausgesprochen strenggläubige Christen. Als ein Beispiel dafür stellt Rod seinen Lesern den evangelikalen Farmer Robert Hutchins vor, für den sein christlicher Glaube die zentrale Motivation dafür darstellt, das zu tun, was er tut: "Wir arbeiten mit Methoden des ökologischen Landbaus, wir verschmutzen die Umwelt nicht, und wir betrachten das als einen Weg, Gottes Schöpfung zu ehren und wiederherzustellen", erklärt Hutchins (S. 69). In diesem Konzept spielt artgerechte Tierhaltung eine wesentliche Rolle. Hutchins führt aus: "Wenn man das Vieh aus seinem natürlichen Lebensraum herausnimmt und ihm Futter gibt, das nicht seiner natürlichen Ernährung entspricht, dann hat das unerwünschte Auswirkungen auf die Qualität des Fleisches." (S. 70) Soweit würden nichtchristliche Bio-Bauern ihm sicherlich zustimmen, aber Hutchins geht es um mehr als um die Qualität seiner Erzeugnisse. Eine nicht artgerechte Viehhaltung ist in seinen Augen geradezu ein Sakrileg gegen die Schöpfungsordnung: "Wir bilden uns ein, wir wüssten besser als Gott, wie man diese Tiere aufzieht." (ebd.) 

In diesem Zusammenhang fällt mir etwas ein, was Max Goldt bereits 1989 schrieb:
"Die Natur schenkt uns köstliche Früchte etc. Diese zum falschen Zeitpunkt zu ernten, sie falsch zu lagern oder schlecht zuzubereiten, ist ein Vergehen an der Schöpfung, glatte Blasphemie. Jeder, der einigermaßen herumgekommen ist, weiß, daß in atheistischen Staaten ausgesprochen schlecht gekocht wird, weil der Respekt vor den Gaben Gottes fehlt. Anders ausgedrückt: Gut zu kochen ist praktiziertes Christentum." 
Doch noch einmal zurück zu "Crunchy Cons": Die weiter oben bereits erwähnte Ernährungsberaterin Kathy O'Brien, eine konservative Katholikin, verweist auf eine Passage aus der "Philothea" des Hl. Franz von Sales, in der dieser hervorhebt, dass alles, was wir besitzen, und von Gott anvertraut wurde, und dass wir uns daher als "Gärtner" betrachten sollten, die "den Garten des Königs pflegen" (S. 81). Was mich übrigens daran erinnert, dass auch bei dem Männereinkehrtag im Kloster Neuzelle, an dem ich unlängst teilgenommen habe, der Bibelvers Genesis 2,15 angesprochen wurde, demzufolge Gott dem Menschen den Garten Eden ausdrücklich dazu als Wohnsitz gab, dass er "ihn bearbeite und hüte". Na also, dachte ich. Gartenarbeit ist buchstäblich das, wozu wir geschaffen wurden.





1 Kommentar:

  1. In unserer Kleinstadt findet der Wochenmarkt wöchentlich Freitag Vormittag statt.
    Den konnte ich früher nur im Urlaub besuchen, da ich in der gut 30km entfernten Großstadt arbeitete.
    Jetzt als Rentner kaufe ich natürlich regelmäßig auf dem Wochenmarkt ein.
    Allerdings sind da neben wohnortnahen Eigenerzeugern auch Händler vertreten, die z.T. ihre Waren auch von weither beziehen.

    AntwortenLöschen