Im Vorfeld des diesjährigen Marschs für das Leben hatte ich, wie schon in den Jahren zuvor, auf meinem persönlichen Facebook-Profil einige Beiträge mit Bezug auf diese Veranstaltung geteilt, die unschwer und mit Recht als Werbung für den Marsch verstanden werden konnten. Auf einen dieser Beiträge erhielt ich eine kritische Reaktion von einer Freundin, die sich mit Blick auf die nahe Bundestagswahl - ohne sich explizit für eine bestimmte Partei auszusprechen - stark gegen die AfD engagiert, beispielsweise mit einer Reihe von Kurzfilmen, die sie gedreht und auf YouTube veröffentlicht hat. Diese Freundin äußerte sich - sagen wir mal - unzufrieden darüber, dass ich für eine Demonstration warb (und selbst daran teilzunehmen beabsichtigte), bei der - den Erfahrungen der Vorjahre nach zu urteilen - voraussichtlich auch die prominente AfD-Politikerin und Europaparlamentarierin Beatrix von Storch mit von der Partie sein würde. Ich erwiderte, falls Beatrix von Storch auch dieses Jahr wieder am Marsch für das Leben teilnehmen würde, würde sie ja auch das Grußwort des Berliner Erzbischofs Heiner Koch zu hören bekommen, in dem dieser mehrfach betont, der Einsatz für das bedingungslose Lebensrecht aller Menschen schließe auch ein, "zur Lebensgefährdung etwa in der Flüchtlingsfrage nicht [zu] schweigen"; und diese Ermahnung zur Kenntnis zu nehmen würde Frau von Storch gewiss nicht schaden. Ganz zufrieden war meine Freundin mit dieser Erwiderung nicht, aber sie ist eben eine Freundin und kennt mich gut genug, um zu wissen, dass meine Übereinstimmung mit Positionen der AfD sich in sehr engen Grenzen hält, und so verlief die Diskussion im Ganzen friedlich.
Ob Beatrix von Storch dieses Jahr tatsächlich beim Marsch für das Leben war, weiß ich übrigens nicht; gesehen habe ich sie nicht, vielleicht hatte sie so kurz vor der Bundestagswahl Anderes zu tun. Richtig ist, dass sie in den vergangenen Jahren mehrmals dabei war, mindestens einmal an sehr prominenter Stelle: Da ging sie an der Seite hochrangiger Vertreter des Bundesverbands Lebensrecht an der Spitze des Zuges und trug zusammen mit diesen das Haupttransparent des Marsches. Das war noch vor der Flüchtlingskrise, mithin zu einem Zeitpunkt, als die AfD sich noch in erster Linie als wirtschaftsliberale Partei mit steilen Thesen gegen die EU, den Euro und die Griechenlandrettung profilierte. "Umstritten" war die Partei aber damals natürlich auch schon, und auch davon abgesehen gab es von "außen" wie von "innen" einige Kritik daran, einer bekannnten Parteipolitikerin beim Marsch für das Leben eine so auffällige Bühne zu bieten. In der Folge ging Beatrix von Storch dann nur noch als eine unter Vielen beim Marsch mit.
Der Vorwurf, der Marsch für das Leben sei eine verkappte AfD-Veranstaltung oder zumindest AfD-nah, hält sich dennoch hartnäckig; das zeigte sich auch in den Reaktionen auf den diesjährigen Marsch mal wieder. So zum Beispiel in Kommentaren auf der Facebook-Seite des Erzbistums Berlin und jener der Tagespost. Und einige dieser Kommentare kamen um einige Grade aggressiver daher als diejenigen meiner eingangs erwähnten Freundin.
Noch einigermaßen zivil im Umgangston, dafür aber umso schärfer in der Sache gab sich ein Kommentator auf der Seite des Erzbistums:
"Hm, gab es nicht einmal Jahre, in denen sich das Erzbistum mit Empfehlungen für diesen Fundi-Marsch, wo sich AfD, Evangelikale und fragwürdige rechtsaußen Gruppierungen mit rumgetrieben haben, zurückgehalten hat? Würde ich besser finden."
(Ich frage mich übrigens, was Evangelikale wohl von ihrer nonchalanten Erwähnung in dieser Aufzählung halten mögen, aber das nur nebenbei.)
"Aber gut, jeder macht sich gemein mit wem er es für richtig hält. Da braucht man sich aber auch nicht über Gegenproteste wundern, wenn man Veranstaltungen promoted, die von Rechtspopulisten und -radikalen gefördert werden."
Einwände des Inhalts, Personen, die selbst am Marsch für das Leben teilgenommen hätten, könnten diesen womöglich zutreffender beurteilen als er, wies der Kommentator zurück:
"Wie der Lemming irgendwo mitzulatschen hat in Deutschland erfahrungsgemäß noch nie zu sonderlich reflektierten Schlussfolgerungen geführt."
Schließlich wies ein Moderator der Bistumsseite den kritischen Kommentator darauf hin, die Spandauer Kirchengemeinden hätten unlängst schließlich auch eine Demonstration gegen einen Nazi-Aufmarsch unterstützt -- sei da etwa auch der Vorwurf angemessen, man habe sich "mit den Linksradikalen 'gemein' gemacht, die dort nun wahrlich zahlreicher vertreten waren, als böse Rechte beim Marsch für das Leben?" Aber bei diesem Einwand hörte für den Kommentator endgültig der Spaß auf:
"Oh, eine links-rechts-Gleichsetzung. Keine weiteren Fragen."
Merke: Rechte und linke Extremisten auf eine Stufe stellen, das darf man nicht. Schließlich sind die Linken gut, während die Rechten böse sind. Diese Argumentation kennen wir beispielsweise auch von SPD-Vize Ralf Stegner. Ich werfe da mal kurz das Stichwort "Tribalismus!" in den Raum -- merken wir uns das für später.
Was diese Grafik (Bildquelle: Pixabay) uns ursprünglich mal sagen wollte, ist mir nicht ganz klar, aber irgendwie finde ich sie recht beziehungsreich. |
"Wie steht ihr eigentlich dazu, dass jedes Jahr Beatrix von Storch mitmarschiert? Die Frau, die Schiessbefehl auf Flüchtlingskinder gutheisst! Zudem die Identitäre Bewegung und noch andere rechte Gruppen laufen auch bei eurem Marsch mit! Schämt ihr euch nicht? Pfui, wie verlogen!"
Der Dame, die sich solcherart äußerte, stellte ich mal direkt eine Gegenfrage:
"Wenn Sie sich für eine Sache engagieren, die Ihnen wichtig ist, und zufällig unterstützen auch Personen oder Gruppen, mit denen Sie lieber nichts zu tun haben würden, dieselbe Sache. Geben Sie Ihr Engagement dann deswegen auf?"
Die Reaktion hierauf ließ erkennen, dass meine Debattengegnerin mit dieser Anforderung an ihr Abstraktionsvermögen überfordert war:
"Das beantwortet nicht meine Frage. Mit Rechte hatte /habe ich nichts zu tun und werde ich auch in Zukunft nichts zu tun haben! Für die Sachen, für die ich mich engagiere, erst recht nicht! Ich lehne alles Rechte ab!"
Merkste, lieber Leser? Da ist der Tribalismus wieder! "Ich lehne alles Rechte ab", das heißt offenbar: Ich bin nicht deshalb gegen Rechte, weil diese bestimmte Standpunkte vertreten, die ich ablehne; sondern ich lehne bestimmte Standpunkte ab, weil sie von Rechten vertreten werden. Klingt doof? Finde ich auch, aber gleichzeitig bin ich überzeugt, dass eine sehr große Zahl von Menschen sich ihre politische Meinung auf diese Weise bildet. Also wohlgemerkt auch umgekehrt, im Sinne von "Ich lehne alles Linke ab". Darauf, was an diesem Tribalismus, egal von welcher Seite, so unvernünftig ist, komme ich später noch einmal zurück. Erst einmal noch etwas Anderes: Man kann aus einer dem Marsch für das Leben grundsätzlich wohlgesonnen Haltung heraus Kritik an der Teilnahme rechtspopulistischer Politiker üben. Etwa mit Blick auf die Gefahr, dass diese Politiker das Anliegen des Marsches in der öffentlichen Wahrnehmung in ein schiefes Licht rücken und ihn für ihre eigene politische Agenda instrumentalisieren könnten. Man kann die Teilnahme solcher Politiker aber auch als Keule benutzen, um auf den Marsch und seine Unterstützer einzudreschen. Zu letzterem bin ich geneigt zu sagen, der Hinweis auf die politische Gesinnung einzelner Teilnehmer tauge kaum dazu, das Anliegen des Marsches in Bausch und Bogen zu diskreditieren. Wird das dennoch versucht, kann man zumeist davon ausgehen, dass diese Argumentation mehr oder weniger bloß vorgeschoben ist und sich dahinter ganz andere Gründe verbergen, dem Marsch für das Leben ablehnend gegenüberzustehen. So auch im Fall der oben zitierten FB-Nutzerin:
"Jetzt mal Klartext, von mir als Frau: Keine Frau treibt einfach so aus Spass ab. Würden die Fundis nicht den neuen Aufklärungsunterricht an Schulen boykottieren, gäbe es meiner Meinung nach auch weniger ungewollte Schwangerschaften. Das ist Punkt 1".
Echt jetzt? Das würde ja bedeuten, dass ungewollte Schwangerschaften schwerpunktmäßig Kinder aus "Fundi"-Familien betreffen, weil diese vom "Aufklärungsunterricht" ferngehalten wurden... Oder verstehe ich da was falsch? Vermutlich. Irgendwie hat dieser "Punkt 1" wohl mit der Demo für Alle und Bildungsplänen zum Thema "Sexuelle Vielfalt" zu tun, und mit Zeitreisen anscheinend auch, denn wie sonst sollten die neuen Bildungspläne, würden sie nicht von "Fundis" be- oder verhindert, rückwirkend die Zahl ungewollter Schwangerschaften reduzieren können? Aber es gibt ja auch noch einen
"Punkt 2, Abtreibungen hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Sollen Frauen eurer Meinung nach etwa wieder gezwungen sein, zu einem Engelmacher zu gehen? Wofür haben unsere Mütter gekämpft? Für die Gleichberechtigung und das Recht über den eigenen Körper! Als Frau gehört mein Bauch nur mir!"Allright-a, das ist nun wirklich best of bullshit. Geht aber noch weiter:
"Die Gegendemonstranten wollen eben keinen Rückschritt in dunkle Zeiten, wo Abtreibung verboten war. Sehen Sie sich die Zustände in Polen an, was dort das Abtreibungsverbot durch die PIS-Regierung bewirkt hat. Die polnischen Frauen sind gezwungen ins Ausland zu gehen, um abzutreiben. Soll das die Lösung sein? Ich glaube nicht, auch die Dunkelziffer der Abtreibungen sind in Polen höher geworden und haben das Gegenteil bewirkt. Was Deutschland betrifft, sollen noch mehr "Sozialfälle" durch ein Abtreibungsverbot produziert werden? Wir haben hier genug Kinderarmut und diese Kinder haben nie eine Chance aus diesem Teufelkreis raus zu kommen. Und was ist mit den Kindern, die zwar in die Welt gesetzt werden, aber von ihren Eltern vernachlässigt, misshandelt und sogar getötet werden? Mit diesen Fällen beschäftigt sich komischerweise kein Abtreibungsgegner. Und genau das ist nach meinem Empfinden ein krasser Widerspruch!"
Ich antwortete:
Auch meine Liebste meldete sich zu Wort und betonte,"Ich fasse mal Ihre Argumente zusammen:- Kinderarmut, Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern kann man verhindern, indem man die Kinder rechtzeitig umbringt.- Wenn es legal nicht möglich ist, Kinder umzubringen, dann wird es illegal trotzdem getan; also sollte es legal sein.Das ist Ihr Ernst, ja?"
"dass es eine sehr sozialdarwinistische Sichtweise ist, Armut dadurch bekämpfen zu wollen, dass man Arme einfach beseitigt - dieses Argument ist mir echt zu rechtsextrem, sorry."
Mit diesem Stichwort erwischte meine Liebste die, siehe oben, "alles Rechte ablehnende" Kommentatorin natürlich mit voller Absicht auf dem ganz falschen Fuß:
"Ich und rechtsextrem? 'laut lach'. [...] Aber mal ehrlich, wer wünscht sich als Eltern für die Zukunft seiner Kindern ein Leben in Armut? Kleiderkammern, HartzIV und Null Perspektiven? Tolle Argumentation, ganz grosses Kino!"
Nun wohl: Zurück zum Thema Tribalismus. Wir haben es in dieser Diskussion mit einer Person zu tun, die für sich selbst definiert, sie "lehne alles Rechte ab" -- und die daher überzeugt ist, es könne ja per definitionem gar nicht sein, dass ihre Ansichten irgend etwas mit rechtsextremem Gedankengut gemein hätten. Die Plumpheit ihrer Argumentation macht sie zu einem guten Anschauungsbeispiel, aber grundsätzlich, so möchte ich behaupten, ist diese Art zu denken weit verbreitet, auch unter Menschen, die man nicht unbedingt als dumm einschätzen würde. Wenn ich in diesem Zusammenhang den Begriff Tribalismus verwende, dann meine ich damit die Tendenz, die Zugehörigkeit zu einem politischen "Lager" höher zu bewerten als die Frage, wofür dieses Lager eigentlich inhaltlich steht. Inhaltliche Positionen können sich wandeln oder gar in ihr Gegenteil verkehren, bestimmte Einstellungen können sogar von einem Lager ins andere wechseln - Antisemitismus z.B. war früher rechts, heute ist er zunehmend links -, aber die Loyalität des Tribalisten bleibt davon unberührt. Die eigenen Leute haben immer Recht, und sollten sie plötzlich das Gegenteil von dem behaupten, was sie gestern behauptet haben, dann hätten sie auch damit Recht. Ich sagte es bereits, wiederhole es aber gern noch einmal: Dieses Phänomen ist keineswegs auf eine bestimmte politische Richtung oder ein bestimmtes Milieu beschränkt, sondern ist insgesamt stark im Kommen. Ich finde das beunruhigend.
Ungefähr zeitgleich mit der oben geschilderten Diskussion lief in den Weiten von Facebook eine andere Debatte ab, die ich eher zufällig zu sehen bekam - weil ein FB-Freund von mir sich dort eingeschaltet hatte. Es handelte sich um eine Debatte um ein Plakat der AfD mit Bezug zum Oktoberfest, und der besagte FB-Freund hatte sich deshalb dort eingeklinkt, weil er einer Ordensschwester zu Hilfe kommen wollte, die sich kritisch über die AfD geäußert hatte und deswegen massiv angegriffen wurde. Eine Frau setzte der Schwester besonders heftig und hartnäckig zu; im Wesentlichen griff sie die Schwester dafür an, dass sie Ordensschwester ist, und kramte dazu ein buntes Sammelsurium aus altbekannten Vorurteilen, Halb- und Falschwissen über die Katholische Kirche heraus. Was ich daran so frappierend fand, war der Umstand, dass sich die Wortmeldungen dieser Dame hinsichtlich ihres sprachlichen und argumentativen Niveaus, ihrer Fülle von Fehlschlüssen und ihrer mehr oder weniger offenen Aggressivität gegenüber anderen Diskussionsteilnehmern kaum von denen unterschieden, mit denen ich mich zeitgleich auf der Tagespost-Seite auseinandersetzte. Komisch, dachte ich, die beiden Frauen müssten sich eigentlich sehr gut verstehen. Obwohl die eine offenbar AfD-Anhängerin ist und die andere "alles Rechte ablehnt". Ein weiteres Indiz dafür, dass es gar nicht so besonders viel über einen Menschen aussagt, wo er sich politisch verortet.
Im Ernst: Ich glaube immer weniger daran, dass eine Einteilung politischer Standpunkte in "links" und "rechts" irgend etwas Sinnvolles aussagt. Ob jemand sich als politisch "links" oder "rechts" definiert, ist in etwa so signifikant wie die Frage, welchem Fußballverein er zujubelt. Ein Fußballfan wird natürlich der Meinung sein, zwischen Bayern München und Borussia Dortmund bestünde ein himmelweiter Unterschied; aber jemand, der dem Gesamtphänomen Profifußball eher distanziert gegenübersteht, wird kaum einen Unterschied zwischen beiden Teams feststellen können. Abgesehen von der Farbe der Trikots, versteht sich.
Ob die die Mehrzahl der Teilnehmer am Marsch für das Leben "rechts" oder "links" ist; ob die Gegendemonstranten, Störer und Blockierer "rechts" oder "links" sind; ob der Slogan "My Body, My Choice" "rechts" oder "links" ist - das ist mir, ehrlich gesagt, mehr oder weniger egal. Was mir NICHT egal ist, ist der Umstand, dass an jedem regulären Arbeitstag in Deutschland durchschnittlich mehr als 400 ungeborene Kinder grausam umgebracht werden - vergiftet, verätzt, totgespritzt, in Stücke gerissen. Gegen dieses alltägliche himmelschreiende Unrecht zu protestieren, ist weder "rechts" noch "links" - das ist nicht mehr und nicht weniger als ein Gebot der Menschlichkeit.
Ungefähr zeitgleich mit der oben geschilderten Diskussion lief in den Weiten von Facebook eine andere Debatte ab, die ich eher zufällig zu sehen bekam - weil ein FB-Freund von mir sich dort eingeschaltet hatte. Es handelte sich um eine Debatte um ein Plakat der AfD mit Bezug zum Oktoberfest, und der besagte FB-Freund hatte sich deshalb dort eingeklinkt, weil er einer Ordensschwester zu Hilfe kommen wollte, die sich kritisch über die AfD geäußert hatte und deswegen massiv angegriffen wurde. Eine Frau setzte der Schwester besonders heftig und hartnäckig zu; im Wesentlichen griff sie die Schwester dafür an, dass sie Ordensschwester ist, und kramte dazu ein buntes Sammelsurium aus altbekannten Vorurteilen, Halb- und Falschwissen über die Katholische Kirche heraus. Was ich daran so frappierend fand, war der Umstand, dass sich die Wortmeldungen dieser Dame hinsichtlich ihres sprachlichen und argumentativen Niveaus, ihrer Fülle von Fehlschlüssen und ihrer mehr oder weniger offenen Aggressivität gegenüber anderen Diskussionsteilnehmern kaum von denen unterschieden, mit denen ich mich zeitgleich auf der Tagespost-Seite auseinandersetzte. Komisch, dachte ich, die beiden Frauen müssten sich eigentlich sehr gut verstehen. Obwohl die eine offenbar AfD-Anhängerin ist und die andere "alles Rechte ablehnt". Ein weiteres Indiz dafür, dass es gar nicht so besonders viel über einen Menschen aussagt, wo er sich politisch verortet.
Im Ernst: Ich glaube immer weniger daran, dass eine Einteilung politischer Standpunkte in "links" und "rechts" irgend etwas Sinnvolles aussagt. Ob jemand sich als politisch "links" oder "rechts" definiert, ist in etwa so signifikant wie die Frage, welchem Fußballverein er zujubelt. Ein Fußballfan wird natürlich der Meinung sein, zwischen Bayern München und Borussia Dortmund bestünde ein himmelweiter Unterschied; aber jemand, der dem Gesamtphänomen Profifußball eher distanziert gegenübersteht, wird kaum einen Unterschied zwischen beiden Teams feststellen können. Abgesehen von der Farbe der Trikots, versteht sich.
Ob die die Mehrzahl der Teilnehmer am Marsch für das Leben "rechts" oder "links" ist; ob die Gegendemonstranten, Störer und Blockierer "rechts" oder "links" sind; ob der Slogan "My Body, My Choice" "rechts" oder "links" ist - das ist mir, ehrlich gesagt, mehr oder weniger egal. Was mir NICHT egal ist, ist der Umstand, dass an jedem regulären Arbeitstag in Deutschland durchschnittlich mehr als 400 ungeborene Kinder grausam umgebracht werden - vergiftet, verätzt, totgespritzt, in Stücke gerissen. Gegen dieses alltägliche himmelschreiende Unrecht zu protestieren, ist weder "rechts" noch "links" - das ist nicht mehr und nicht weniger als ein Gebot der Menschlichkeit.
>>Man kann aus einer dem Marsch für das Leben grundsätzlich wohlgesonnen Haltung heraus Kritik an der Teilnahme rechtspopulistischer Politiker üben.
AntwortenLöschenThanks, das wäre nämlich auch tendenziell meine Meinung. Wäre da nicht auch wieder die Gefahr, daß so etwas als "Einknicken" herüberkommt, könnte man durchaus sagen: "Frau von Storch, tun Sie was für das Anliegen, das Sie vertreten wollen, und bleiben Sie zu Hause."
Alles in allem:
AntwortenLöschenStimme allem zu :-)
(Außer natürlich der Behauptung, daß ein objektiver Beobachter keinen Unterschied zwischen Bayern München und Borussia Dortmund feststellung könnte außer der Farbe der Trikots.)
Wir haben ein grundsätzliches Problem in der öffentlichen gesellschaftlichen Auseinandersetzung (von einem einigermaßen herrschaftsfreien Dialog im Sinne von Habermas kann man ja wohl kaum noch sprechen - außer (einigermaßen noch) im Internet, aber damit ist es auch bald vorbei, wenn das Maassche Internet-Zensurgesetz voll wirksam wird), daß politische Debatten nicht sachlich-argumentativ (Und das heißt auch, logisch folgerichtig, lieber Tobias!) geführt werden, nicht vor der Frage "Was ist wahr, was ist falsch", wobei man dann noch darüber diskutieren müßte, nach welchen Kriterien man das beurteilt, sondern vor der Frage, "Wer hat es gesagt? Wer unterstützt es?" Letzeres ist reine Ideologie. Jede Partei handelt und redet nach dem Prinzip, "Die Partei, die Partei, die hat immer Recht!" Im vorigen Jahr konnte ich das bei der Berlin-Wahl feststellen: Ich war auf Wahlveranstaltungen (auch auf parteiinternen) der CDU, AfD, SPD und der Linken: Die reden alle nur mit sich selbst und zu sich selbst, überzeugen niemanden, außer sich selbst. Dieses Jahr konnte ich das nur vom Ausland verfolgen (grade gestern rechtzeitig zur Wahl für einige Tage nach Berlin zurückgekehrt) und das war wohl im Bundestagswahlkampf ebenso.
AntwortenLöschenHeute bin ich auf dieses Juwel gestoßen - der Bericht einer/der "Gegenseite": https://www.apabiz.de/2017/stillstand-auf-dem-kreuzweg/
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