Frohes Neues Jahr, Leser! Die wichtigste Information zuerst: Wir haben die Berliner Silvesternacht allesamt unbeschadet überlebt. Falls jemand von euch gelesen hat, dass durch die Explosion einer sogenannten Kugelbombe (das ist, zum besseren Verständnis, eine Art von Feuerwerkskörper, die für den privaten Gebrauch eigentlich nicht zugelassen ist) im Ortsteil Tegel ein siebenjähriges Kind (anderswo las man fälschlich "Kleinkind") lebensgefährlich verletzt worden sei, möchte ich festhalten: Das war nicht unsere Tochter, und nach allem, was ich weiß, auch kein Kind, das wir kennen (etwa vom Spielplatz oder so). Die Explosion ereignete sich im Bottroper Weg, das ist eine ganz andere Ecke von Tegel als die, wo wir wohnen. Und zum Zeitpunkt des Zwischenfalls, gegen 0:30 Uhr, waren unsere Kinder längst im Bett. Zwischen 21 und 21:30 Uhr war ich zwar mit ihnen draußen unterwegs, um ein bisschen Feuerwerk zu gucken, aber dabei begegnete uns nichts Gefährliches. Vom zeitweiligen Ausfall der Wasserversorgung in Teilen Berlins am Silvesterabend infolge eines Wasserrohrbruchs in der Seestraße im Ortsteil Wedding waren wir ebenfalls nur marginal betroffen, zwei oder drei Stunden lang floss das Leitungswasser bei uns nur spärlich, ohne aber ganz zu versiegen; das war auch schon alles. Man sieht, wir haben Grund, Gott für einen glücklichen Start ins Neue Jahr zu danken, wollen aber auch nicht vergessen, derer im Gebet zu gedenken, denen es nicht so gut ergangen ist.
Was es über die zurückliegende Woche ansonsten zu berichten gibt, erfahrt ihr nach diesem liebevoll ausgewählten Vorschaubild:
Der Weihnachtsbaum und die Volkskirche
Am Wochenende "zwischen den Feiertagen" klagten beide Kinder über Bauchschmerzen, hatten Durchfall und mussten sich je einmal übergeben; ob das ein Magen-Darm-Virus war oder sie sich lediglich bei der weihnachtlichen Schlemmerei den Magen verdorben hatten, sei mal dahingestellt. Jedenfalls war der Kleine, wie es so seine Art ist, schon nach kurzer Zeit wieder putzmunter, die Große hingegen war den ganzen Samstag ziemlich matt, weshalb wir beschlossen, sie am Sonntag lieber erst mal ausschlafen zu lassen. Bezüglich der Frage, wer mit ihr Hause bleiben und wer in die Kirche gehen sollte, zogen wir verschiedene Varianten in Betracht, aber am Ende war es doch wieder ich, der die Familie in der Messe zum Fest der Heiligen Familie (ausgerechnet!) vertrat.
Ich fuhr also nach St. Joseph Siemensstadt, wo die Messe wieder einmal vom Spandauer Krankenhausseelsorger zelebriert wurde – über den ich mich in der Vergangenheit ja schon ein paarmal recht kritisch geäußert habe. Aber diesmal hatte ich in Bezug auf diesen Geistlichen eine Art Aha-Erlebnis; und das lag nicht vorrangig an seiner Predigt, obwohl diese ziemlich sicher die beste war, die ich bisher von ihm gehört habe. Was mir wesentlich mehr zu denken gab, war eine Bemerkung in den Begrüßungsworten des Zelebranten, im Zusammenhang mit dem Hinweis, im liturgischen Jahr habe die Weihnachtszeit gerade erst begonnen. "Jetzt fliegen allenthalben, weil Silvester vor der Tür steht, die Weihnachtsbäume in Berlin aus den Fenstern", merkte er an und fügte mahnend hinzu: "Machen Sie das nicht – Sie sind treue Katholiken!"
Bemerkenswert daran fand ich gar nicht mal so sehr die (wohl auch nicht ganz ohne Augenzwinkern zu betrachtende) Auffassung, es sei ein Maßstab für treues Katholischsein, wie lange man seinen Weihnachtsbaum in der Wohnung stehen lässt (an dieser Stelle ein Geständnis: Wir haben gar keinen!), sondern vielmehr überhaupt die Tatsache, dass der Zelebrant die anwesende Gemeinde als "treue Katholiken" anredete. Mir fiel nämlich auf, diese Formulierung von diesem Priester schon öfter gehört zu haben, und zwar mit Bezug darauf, dass die Hörer seiner Worte sich dadurch auszeichnen, dass sie noch zur Kirche gehen. Mich hatte die Art und Weise, wie er das betonte, immer irgendwie zwiespältig berührt, ohne dass ich hätte sagen können, wieso eigentlich; aber jetzt fing ich langsam an, dahinterzukommen. Tatsächlich fiel das Stichwort "treu" nämlich bereits wenige Sätze später erneut: "Behalten Sie die Gnade und die Freude der heiligen Tage in sich, bewahren sie in Ihrem Herzen, und wir feiern sie treu und tapfer weiter, auch wenn viele unserer Zeitgenossen sagen, Weihnachten ist jetzt passé." Damit nicht genug, fiel auch noch in der Predigt der Satz "Es feiern zwar alle Menschen Weihnachten, und wir feiern es auch treu in der Kirche."
Soweit, so gut; worin bestand nun aber das oben angedeutete "Aha-Erlebnis"? – Einfach ausgedrückt darin, dass mir plötzlich dämmerte, wie diese Betonung der Treue der Kirchgänger mit manchen anderen Bemerkungen zusammenpasst, die dieser Geistliche gelegentlich fallen lässt und die darauf schließen lassen, dass er bei der Gemeinde kein besonders ausgeprägtes religiöses Interesse voraussetzt und das auch ganz in Ordnung findet. So zum Beispiel, wenn er davon ausgeht, die Gemeinde lege Wert darauf, dass die Sonntagsmesse nicht zu lange dauere, damit das Mittagessen pünktlich auf den Tisch komme. Der gemeinsame Nenner – so jedenfalls meine Theorie – ist hier ein zugrundeliegendes Verständnis von praktiziertem Katholizismus, das seinen Platz eigentlich in der alten Volkskirche hat und hatte: die Vorstellung, dass die Leute treu ihre religiösen Pflichten erfüllen, wohl auch über das im strikten Sinne verpflichtend Gebotene hinaus das althergebrachte religiöse Brauchtum beachten und ein gewisses Maß an religiöser Praxis, wie z.B. Tisch- und/oder Abendgebete, selbstverständlich in ihren Alltag integrieren, das alles nicht unbedingt mit Freude und Begeisterung (Überschwang und Eifer sind dieser Form von Religiosität eher fremd oder sogar suspekt), aber verlässlich und konsequent und mit einem gewissen Stolz, ja auch mit einem gewissen Identitätsbewusstsein (Wir sind die Leute, die diese Dinge tun, d.h. die religiöse Praxis definiert, wer wir sind). Ich stelle mir vor – könnte mich aber natürlich irren –, dass diese Auffassung davon, was es bedeute, ein praktizierender Katholik zu sein, früher™️ tatsächlich der Normalfall unter den regelmäßigen Kirchgängern war und es vielleicht sogar auch heute noch ist, nur dass das früher™️ 40-60% der nominellen Kirchenmitglieder waren und heute vielleicht noch 6-9% sind. Letzteres weiß der Krankenhausseelsorger natürlich auch, und da wird es nun interessant. Was ich seit dem vergangenen Sonntag glaube verstanden zu haben, ist, dass dieser Priester die kleine Schar, die von der alten Volkskirche übrig geblieben ist, gewissermaßen als den "heiligen Rest" der Kirche betrachtet, den es zu erhalten gelte; und deshalb bemüht er sich, diesen bei der Stange zu halten, indem er die Gemeindemitglieder permanent für ihre Treue lobt (womit er diese Treue natürlich gleichzeitig auch einfordert) und ansonsten bestrebt ist, keine allzu hohen Ansprüche an sie zu stellen. Das ist nun offensichtlich ganz und gar nicht mein Ansatz – was wohl einigermaßen erklärt, dass ich mit diesem Geistlichen nicht so ganz warm werde –, aber es ist immerhin ein Ansatz, den ich gedanklich nachvollziehen kann. Bisher hätte ich den Spandauer Krankenhausseelsorger eher als "ein bisschen zu liberal für meinen Geschmack" eingeordnet, fand aber immer, diese Einschätzung gehe nicht so richtig auf. Jetzt bin ich geneigt zu sagen, die hier skizzierte Position ist eine ausgesprochen konservative. Was mich einmal mehr daran erinnert, dass ich meinen Lesern eigentlich immer noch eine Fortsetzung zu meinem mittlerweile schon fast fünfeinhalb Jahre alten Artikel "Kirche wozu? Oder: Lagerdenken gibt's nur bei den anderen!" schuldig bin...
(Wenn ich so auf die Überschrift zurückblicke, die ich diesem Abschnitt gegeben habe, scheint mir übrigens, ich habe mir eine Gelegenheit entgehen lassen, die metaphorische Beziehung zwischen dem Weihnachtsbaum und der Volkskirche breiter auszumalen. Also in dem Sinne, dass der Weihnachtsbaum, den man auch dann noch in der Guten Stube stehen lässt, wenn er schon rapide seine Nadeln verliert, eine Metapher für den Zustand der Volkskirche sei. Aber das kann der geneigte Leser ja selbst weiterdenken. Wer dem System Volkskirche freundlicher gesonnen ist als ich es bin, mag vielleicht sogar Bezüge zu Jesaja 42,3 – "Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus" – herstellen.)
Über die Predigt sollte ich aber wohl auch noch ein paar Worte verlieren: Sie war theologisch vergleichsweise anspruchsvoll, da sie sich um die von den frühkirchlichen Konzilien verkündeten christologischen Dogmen drehte; und sie war von dem Bestreben geprägt, nicht nur zu erläutern, was diese Dogmen aussagen, sondern auch zu vermitteln, warum das wichtig ist – dass diese Lehraussagen nicht abgehobene theologische Spekulation, sondern relevant für unseren Glauben und unser Heil sind. Gegenüber dem, was an dieser Predigt gut war, fiel es auch nicht sonderlich ins Gewicht, dass der Prediger das 1. Konzil von Nizäa, das sich heuer zum 1700. Mal jährt, mit dem Konzil von Ephesus verwechselte, das mehr als 100 Jahre später stattfand, und "Chalcedon" etwas eigenwillig aussprach.
Krippenpilgern in Spandau und Havelland
Wie schon zum vorigen Weihnachtsfest gibt es in der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland auch diesmal wieder einen "Krippenpilgerweg"; dabei geht es – da zitiere ich mich der Einfachheit halber mal selbst – darum, "in allen Kirchen der Großpfarrei die Krippe zu besuchen; einschließlich der Kapelle des St.-Elisabeth-Seniorenheims sind das acht, und bei jeder Krippe findet der geneigte Krippenpilger einen Stempel in Gestalt einer Krippenfigur, sodass er sich in seinem Pilgerpass eine Krippenszene zusammenstempeln kann."
Was diesmal neu ist – oder sagen wir: Falls es das in der vorigen Weihnachtszeit auch schon gab, ist es mir entgangen –, ist, dass drei Termine für "Gemeinsames Pilgern" zu den verschiedenen Kirchenstandorten angesetzt wurden: ein Termin für Haselhorst und Siemensstadt (den wir allerdings bereits verpasst haben), einer für Dallgow-Döberitz und Falkensee (der ist heute – und, wenn dieses Wochenbriefing online geht, ebenfalls schon vorbei) und einer für Hakenfelde und Spandau. An einigen Standorten bieten außerdem verschiedene Gruppen und Verbände eigene Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Krippenpilgerweg an, die sich etwa "Krippencafè", "Frühschoppen" oder auch "Weihnachtliche Texte und Musik" nennen. Aber auch unabhängig davon habe ich dieses Jahr durchaus den Ehrgeiz, "das Bild voll zu kriegen"; ob das klappt, wird indes nicht zuletzt auch von den Öffnungszeiten der betreffenden Kirchen abhängen. Genaueres dazu gibt's im nächsten Wochenbriefing...!
Update zum Friedenslicht
Nachdem wir uns in einer Laterne das Friedenslicht aus Betlehem mit nach Hause genommen hatten, stellte sich unvermeidlicherweise die Frage: Was machen wir jetzt damit? Ehe die Minions-Kerze, die ich am Stephanustag in St. Stephanus am dort ausgestellten Friedenslicht entzündet hatte, ganz heruntergebrannt war, ging ich am Freitag der Weihnachtsoktav bei dm nach Grablichtern mit möglichst langer Brenndauer gucken; allerdings stellte ich fest, dass alle dort erhältlichen Grabkerzen den Hinweis trugen, man solle sie nur im Freien verwenden. Eine plausible Begründung dafür fand ich nirgends, auch nicht im Internet – giftig sollen die Kerzen wohl nicht sein, allenfalls könnte man den Warnhinweis dahingehend verstehen, dass man Kerzen in Innenräumen ohnehin nicht unbeaufsichtigt brennen lassen sollte (außer in Kirchen, offenbar), und wenn so ein Grablicht umkippt, stellt die Plastikhülle wohl noch ein zusätzliches Brandrisiko dar (aber deswegen stellt man die Kerze ja auch nicht einfach so auf den Tisch, sondern in einer Laterne) –; andererseits haben wir aber in unserer Wohnung ohnehin keinen so richtig sinnvollen Platz für die Laterne, daher kam ich auf die Idee, sie in den kleinen Vorgarten zu stellen. Auch wenn der streng genommen nicht zu unserer Wohnung gehört, d.h. wir zahlen keine Miete für die Nutzung des Gartens, aber er liegt nun mal direkt vor den Fenstern unserer Wohnung und wird meines Wissens auch nicht von irgendwelchen anderen Hausbewohnern genutzt.
Ein paar Tage lang brannte die Kerze tadellos und unbehelligt im Vorgarten, aber als ich am Silvestermorgen aufwachte, hatte ich den Eindruck, sie sei schon fast ganz heruntergebrannt und kurz vor dem Erlöschen. Also ging ich schnell noch einmal zu dm, um ein neues Grablicht zu besorgen, und dazu eine Packung extralange Kaminzündhölzer, um damit die Flamme von der alten zur neuen Kerze zu übertragen (Anzünddochte, wie sie in der Kirche verwendet werden, scheint es tatsächlich nur im Versandhandel für Kirchenbedarf zu geben, was ich ja irgendwie auch cool finde). Damit legte ich eine echte Punktlandung hin, denn nachdem die Flamme der heruntergebrannten Kerze das Zündholz entflammt hatte, erlosch sie endgültig.
Die neue Kerze jedenfalls überstand die Silvesternacht unbeschadet und hielt wiederum mehrere Tage; als ich das Licht jedoch heute früh abermals auf eine neue Kerze übertragen wollte, ging es aber doch aus. Ich schätze, ich könnte heute oder morgen nochmals mit der Laterne in eine Kirche gehen, in der das Friedenslicht aus Betlehem noch brennt, und meine Kerze dort erneut entzünden; aber wahrscheinlich lasse ich's bleiben. Es ist ja eigentlich, wie schon letzte Woche festgestellt, nur eine erfundene Tradition und sollte daher wohl nicht übertrieben ernst genommen werden...
(Aber es war schön, solange es gedauert hat.) |
Nachtrag zum Krippenspiel: Hilfe, die Herdmanns kommen
Was ich eigentlich schon vorige Woche im Zusammenhang mit dem Thema Krippenspiel hatte erwähnen wollen, aus Platzgründen dann aber doch erst mal weggelassen habe, ist der Umstand, dass unsere Große von ihrer Patentante – Bloggerkollegin Claudia – das Buch "Hilfe, die Herdmanns kommen" von Barbara Robinson zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, das wir daraufhin direkt auf die Gutenachtlektüre-Liste gesetzt und an zwei Abenden durchgelesen haben. Wer das Buch nicht kennt, dem sei erklärt, dass es darin auch um ein Krippenspiel geht, und zwar, dem Originaltitel zufolge, um "Das beste Krippenspiel aller Zeiten". Mir war die Geschichte, und auch der Titel der deutschen Buchausgabe, geläufig, weil in der Vorweihnachtszeit 2023 beim JAM eine Nacherzählung davon vorkam; nicht ganz sicher bin ich mir (und war ich mir da schon nicht), ob ich die Geschichte schon "von früher her" kannte oder in der Erinnerung mit anderen humorvollen Krippenspiel-Geschichten, die ich als Kind gehört oder gelesen habe, durcheinanderbringe. Jedenfalls geht es in "Hilfe, die Herdmanns kommen" darum, dass sechs Geschwister, die, da ihr Vater die Familie schon vor Jahren verlassen hat und die Mutter den ganzen Tag in der Fabrik arbeitet, recht zügellos aufwachsen und dafür berüchtigt sind, zu klauen, zu rauchen und andere Kinder zu verprügeln, zum Schrecken der ganzen Gemeinde sämtliche Hauptrollen im traditionellen Sonntagsschul-Krippenspiel für sich reklamieren. Der Witz an der Geschichte ist natürlich, dass die sechs Herdmann-Kinder, die die Weihnachtsgeschichte zuvor noch nie gehört haben, spontan von dieser Story gefesselt sind und einen viel umittelbareren, authentischeren Zugang dazu haben als die Kinder aus den braven Christenfamilien, die das alles in- und auswendig kennen und sich gerade darum kaum einmal ernsthaft Gedanken darüber machen; und gerade durch diese unkonventionelle Perspektive der Herdmann-Kinder auf das Geschehen im Stall von Betlehem wird das Krippenspiel dank ihrer Mitwirkung zum "besten aller Zeiten".
Wie man mittels einer Google-Abfrage unschwer feststellen kann, erfreut sich die Geschichte von den Herdmann-Kindern, die das Krippenspiel aufmischen, innerhalb wie außerhalb christlicher Kreise großer Beliebtheit, und das allein ist ja schon mal eine bemerkenswerte Leistung. Unter einem explizit christlichen Blickwinkel betrachtet, sind wohl vor allem zwei Aspekte der Story bemerkenswert: einerseits, dass das Evangelium von der Geburt Jesu eine so starke Ausstrahlung hat, dass es selbst die "schlimmen" Herdmann-Kinder unmittelbar im seinen Bann zieht; andererseits und vor allem aber, dass, wie oben schon angedeutet, der "fremde Blick" dieser Kinder auf die biblische Weihnachtsgeschichte es auch den gut christlich erzogenen übrigen Mitwirkenden und Zuschauern des Krippenspiels ermöglicht, diese vermeintlich so durch und durch bekannte biblische Erzählung neu und bewusster wahrzunehmen. Letzteres scheint gerade im evangelikalen Christentum ein brisantes Thema zu sein, denn auf einer vergleichbaren Prämisse baut ja z.B. auch die beliebte Kinderbuchreihe "Der Schlunz" auf (die ich indes bisher nur vom Hörensagen kenne). Was sicherlich auch irgendwo mit hineinspielt, ist die Frage, ob man, um ein guter Christ zu sein, auch gute Manieren und einen adretten Haarschnitt braucht. Und das scheint ja, durchaus konfessionsübergreifend, immer noch und immer wieder eine recht kontroverse Frage zu sein.
Predigtnotizen zum Jahreswechsel
Zur Jahresschlussmesse in St. Stephanus Haselhorst am Silvesterabend ging ich wiederum allein, da die Magenbeschwerden, die am Wochenende die Kinder geplagt hatten, nun offenbar bei meiner Liebsten angekommen waren und die Kinder lieber bei ihr bleiben wollten. Die Messe wurde vom "örtlich zuständigen" Pfarrvikar zelebriert, und ebenso wie im Jahr zuvor an gleicher Stelle gab es wieder eine ausgesprochen anregende Predigt zum Jahresschluss und zum Ausblick auf das Neue Jahr. Er begann mit der Feststellung, grundsätzlich gebe es zwei Möglichkeiten, wie man auf das zu Ende gehende Jahr zurückblicken könne: entweder "mit Dankbarkeit und mit Hoffnung auf 2025", oder mit "Murren". – "Maria hat im Stall auch zwei Möglichkeiten. Entweder sie schaut auf den Stall; dann würde sie feststellen, es ist absolut ungenügend und es gibt hundert Gründe zu murren – vom Geruch über die Decke, über die Kälte und so weiter. Oder sie schaut auf das Kind; und dann ist Dankbarkeit und Hoffnung da." Ebenso sei es auch "eine Frage unseres Blickes auf unser Leben, wie wir unser Leben sehen": "ob wir nur auf den Stall, die äußeren Bedingungen schauen oder ob es ein inneres Leben gibt in unserem Herzen, das Christus ist, der uns entgegenkommt."
Mit Blick auf das Motto des Heiligen Jahres 2025, "Pilger der Hoffnung", führte der Pfarrvikar aus: "Es gibt eine Hoffnung, die uns bewegt und die uns verwandelt. Was ist diese Hoffnung? Die Hoffnung ist die lebendige und persönliche Begegnung mit Christus." Und weiter: "Ein Grund für die Hoffnung ist, dass Christus, dieses Kind, uns Sein Leben geschenkt hat. Das heißt, dass Er uns das Evangelium verkündet hat, uns geheilt hat durch Sein Wort und die Sakramente, dass Er den Tod besiegt hat und auf uns wartet vom Himmel her. Das heißt, die Hoffnung, die das Christentum gibt, ist nicht eine vergängliche Hoffnung der Welt. Jeder hofft, dass er mehr Geld hat, jeder hofft, dass er gesund bleibt, aber wir wissen alle in der Tiefe, dass am Ende all das nicht trägt. Eine wirkliche Hoffnung muss mit der Unendlichkeit zu tun haben, muss mit der Ewigkeit zu tun haben."
Ebenso wie im Vorjahr betrachtete der Prediger den Stall von Betlehem auch als ein Bild für die Pfarrei – und nahm dies zum Anlass, zu betonen, man solle "nicht bei den äußeren Strukturen stehenbleiben, wo man immer feststellen kann, wie windschief es ist und dass nichts funktioniert"; vielmehr gelte es, "einzutreten in die Freude der inneren Beziehungen". – "Man kann an den Strukturen 'rumbasteln, das wird nie jemanden glücklich machen. Die Strukturen sind wackelig und nicht von Gott für die Ewigkeit geschaffen. Was für die Ewigkeit ist, sind die Beziehungen der Liebe im Stall, und das ist das Entscheidende." In diesem Zusammenhang ging der Pfarrvikar auch auf ein paar statistische Daten zur Gemeindeentwicklung in Siemensstadt und Haselhorst ein – wie viele Taufen es im zurückliegenden Jahr gegeben hat, wie viele Firmungen, wie viele Kinder zur Erstkommunion gegangen sind; aber auch, wie viele Menschen aus der Kirche ausgetreten sind ("Haben wir die gesucht, wie Gott uns gesucht hat, als Er Kind geworden ist?"). Rechnet man die Zahl der Taufen gegen die Zahl der Verstorbenen und der Austritte auf, kommt man auf ein Minus von rund 200 Personen; allerdings sind in diese Rechnung die Neuzugezogenen nicht einbezogen, und angesichts der aktuellen Wohnungsbauprojekte auf dem Gartenfeld und in der sogenannten "Siemensstadt 2.0" halte ich es für wahrscheinlich, dass die Gemeinde tatsächlich sogar wächst. Man muss halt was draus machen. In diesem Sinne äußerte der Pfarrvikar die Hoffnung, "dass das Jahr 2025 uns helfen soll, die Freude zu entdecken, indem wir wieder die Menschen suchen. Die Atmosphäre des Stalles muss stimmen. Und ich glaub, dass das auch ein Element der Hoffnung sein kann, zu sehen, dass Gott die Menschen bewegt, nicht wir. Gott hat keinen vergessen."
Geistlicher Impuls der Woche
Christus Jesus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.
Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut. Auch ihr standet ihm einst fremd und feindlich gegenüber; denn euer Sinn trieb euch zu bösen Taten. Jetzt aber hat er euch durch den Tod seines sterblichen Leibes versöhnt, um euch heilig, untadelig und schuldlos vor sich treten zu lassen.
Ohrwurm der Woche
DIKKA feat. Siggi: Superpapa
Die Kinder haben zu Weihnachten einen "Galakto Player" geschenkt bekommen – ein im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht zu bedienendes tragbares Audiosystem, das vom Prinzip her der vermutlich bekannteren, aber auch wesentlich teureren Toniebox ähnelt. Dazu gab's einige Hörspiele, einmal "Musik zum Einschlafen und Träumen" – und das Album "Oh Yeah!" von DIKKA. Unter diesem Pseudonym macht der Berliner Rapper Simon Müller-Lerch HipHop für Kinder, und zwar im Nashornkostüm; und sein Debütalbum "Oh Yeah!" von 2021 gibt's nicht nur auf CD, als mp3-Download und tatsächlich auch auf Vinyl, sondern eben auch als Galakto-Token. Das läuft jetzt seit Weihnachten bei uns rauf und runter – aber ich find's ehrlich gesagt gar nicht übel, und wenn's den Erwachsenen doch mal zu bunt wird, kann man an den Galakto-Player auch Kopfhörer anschließen. – Die Texte auf dem Album "Oh Yeah!" sind, wie es ja irgendwie auch dem Charakter des HipHop-Genres entspricht, ausgesprochen "autonomieorientiert" ("Kann ich allein") oder sogar offen rebellisch ("Ich geh' nicht ins Bett"); da ist es aus Elternsicht umso erfrischender, dass mit "Superpapa" auch ein sehr wertschätzender Song über Väter auf dem Tonträger enthalten ist (das Pendant "Supermama" ist auf dem dritten DIKKA-Album "Die tollsten Tage mit DIKKA" erschienen). Betrachtet man den Katalog der Eigenschaften und Fähigkeiten, die dem "Superpapa" in diesem Song zugeschrieben werden, so kommt man nicht umhin, festzustellen, dass damit ein ganz schön hoher Anspruch an Väter formuliert wird; aber meine Kinder finden, das Lied passt zu mir, und das ist dann ja doch recht schmeichelhaft.
Vorschau / Ausblick
Die Weihnachtszeit geht in eine weitere Woche, und ebenso wie letztes Jahr um diese Zeit haben wir erneut – infolge der Tatsache, dass wir in Tegel wohnen, aber in Siemensstadt und Haselhorst in die Kirche gehen – ein Sternsingerproblem: Die Siemensstädter Sternsinger kommen nicht bis zu uns, und uns für den Besuch der Tegeler Sternsinger anzumelden, haben wir verschmäht. Man könnte meinen, das sei kein so schlimmer Verlust, da mein Unbehagen an der – wie ich es schon letztes Jahr formulierte – "ungeistlichen, NGO-mäßigen Ausrichtung des Kindermissionswerks" sowieso von Jahr zu Jahr schlimmer wird; aber eigentlich betrachte ich das als das eigentliche Problem. Aber okay, ich muss hier wohl nicht wiederholen, was ich mehr oder weniger "alle Jahre wieder" zu diesem Thema schreibe. Solange ich keine eigene Guerilla-Sternsingertruppe aufgestellt bekomme (2026/27 vielleicht?), werden wir uns wohl wieder wie im vorigen Jahr mit einer selbstgemachten Wohnungssegnung behelfen; dafür müssen wir uns nur noch den aktuellen Türaufkleber und Weihwasser besorgen. Ein Problem ganz anderer Art ergibt sich dadurch, dass der Dreikönigstag – oder richtiger gesagt, das Hochfest Erscheinung des Herrn – heuer auf einen Montag fällt und obendrein keine Ferien mehr sind, dieser Tag aber trotzdem ein gebotener Feiertag ist. Als Lösung bietet sich eine Abendmesse in St. Joseph Siemensstadt an, schade ist nur, dass diese terminlich mit einer Veranstaltung der DPSG-Pfadfinder im Rahmen des Krippenpilgerwegs ("Tschai am Lagerfeuer") kollidiert. Sagen wir's geradeheraus: Fürs Bloggen wär's schon extrem praktisch, wenn ich die Gabe der Bilokation hätte.
Was auch noch in die Rubrik "Ausblick" gehört, ist die Tatsache, dass in Augsburg derzeit (und noch bis Montag) das ZIMZUM-Festival stattfindet. Daran, dass ich darüber nicht aus eigener Anschauung werde berichten können, könnte nicht einmal die Gabe der Bilokation etwas ändern, denn für dieses Event bin ich schlichtweg zu alt; aber im Netz ein paar Reaktionen und Meinungen zu diesem Festival sammeln kann ich allemal und denke, dass das ein spannendes Thema fürs nächste Wochenbriefing werden dürfte. Der diesjährige Neujahrsempfang der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland wird hingegen erst in der übernächsten Folge thematisiert werden können; der findet nämlich am nächsten Samstag statt...
Für die Statistik: Der Krankenhausseelsorger hat heute mittag bei der Messe in St. Lambertus keinmal "treu" oder "Treue" gesagt ;-) Jedenfalls ist es mir nicht aufgefallen. Gesegnetes neues Jahr!
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