Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Sonntag, 24. November 2019

Buchtipps für BenOpper (für den Weihnachts-Wunschzettel)

So, Freunde: Seit Beginn meiner Artikelserie "Kaffee & Laudes", mithin seit der ersten Woche der Fastenzeit und also in einem Zeitraum von rund achteinhalb Monaten, habe ich 63 Bücher gelesen -- fünf davon allerdings nicht zu Ende: Bei zweien einigen habe ich die Lektüre entnervt abgebrochen, bei zwei anderen habe ich das Weiterlesen auf unbestimmte Zeit vertagt (ich räume ein, dass das nur ein gradueller Unterschied ist), und in einem Fall ist mir das Buch, bzw. die Tasche, in der es sich befand, geklaut worden; darauf komme ich noch zurück. Aus den mithin 58 Büchern, die ich im genannten Zeitraum vollständig gelesen habe, habe ich nun - hoffentlich noch rechtzeitig, ehe das große Weihnachtsgeschenke-Shoppen in die heiße Phase geht - eine Hitliste von 25 Büchern erstellt, die ich insbesondere denjenigen meiner Leser empfehlen möchte, die daran interessiert sind, in ihrer Kirchengemeinde, ihrer Nachbarschaft oder ihrem Garten eigene "Benedikt-Options"-Initiativen zu starten (oder bereits damit begonnen haben); auch und nicht zuletzt aber solchen, die noch keine rechte Vorstellung davon haben, wie solche Initiativen bzw. Projekte konkret aussehen könnten. 

Hier nur eine Auswahl; nicht im Bild sind z.B. - aus technischen Gründen - eBooks. 

Das "Ranking" dieser 25 Bücher - ob ein bestimmtes Buch auf Platz 3 oder auf Platz 21 auftaucht - soll daher kein allgemeines Qualitätsurteil über das jeweilige Buch darstellen, sondern lediglich ein Urteil über den Grad seiner "#BenOp-Relevanz". Auch da ist meine Einschätzung selbstverständlich subjektiv gefärbt, aber ich werde jeweils ein paar Worte zur Begründung sagen. Von vornherein nicht in die Liste aufgenommen wurden Bücher, die ich schon früher gelesen hatte und an die ich mich noch gut genug erinnerte, dass die erneute Lektüre keine nennenswerten neuen Erkenntnisse brachte (dieser Regel fielen etwa Stefan Austs "Der Baader Meinhof Komplex" und Adrian Plass' "Tagebuch eines frommen Chaoten" zum Opfer), Bücher, die ich in die Kategorie "Klassiker der Weltliteratur" einordnen würde (wie etwa "Porträt des Künstlers als junger Mann" von James Joyce, "Manhattan Transfer" von John Dos Passos oder auch "Jane Eyre" von Charlotte Brontë); und natürlich Bücher, die ich trotz interessanter Einzelaspekte im Großen und Ganzen einfach doof fand (das waren nicht wenige, deutlich mehr als erwartet jedenfalls). Herausgekommen ist jedenfalls die folgende Liste-- die ich, um es spannend zu machen, in aufsteigender Reihenfolge vorstellen möchte: 



Okay, ich muss zugeben: Dass dieses Buch in den Top 25 gelandet ist, hat mich selbst ein bisschen überrascht. Es ist ein schönes, unkonventionelles, sehr lesenswertes Jugendbuch; aber die ##BenOp-Relevanz ist nicht so ohne Weiteres ersichtlich. Na gut, in der ersten der sieben Geschichten spielt ein Hippie, der in seinem Auto wohnt, eine zentrale Rolle, und der trägt eine Halskette mit einem Kreuzanhänger, das muss reichen. -- Nein, im Ernst: "Lieber Bill..." hätte es wohl nicht auf diese Liste geschafft, wenn sich nicht so viele andere Bücher von meiner Leseliste als absolut enttäuschend erwiesen hätten; aber ich gönne ihm diesen Erfolg. Das Schöne an dem Buch ist seine tiefe Sympathie für Außenseiter, Exzentriker, nonkonformistische Charaktere. Und ich denke, wenn ein Buch die Botschaft vermittelt "Es ist okay, 'anders' zu sein", ist das - gerade  bei einem Jugendbuch - durchaus eine #BenOp-relevante Qualität. In gewisser Weise - und zwar auf eine unaufdringliche, unpeinliche Weise - ist das Buch damit auch zutiefst moralisch. -- Erwähnen sollte ich wohl auch noch, woher ich dieses Buch habe; nämlich aus den privaten Beständen meiner Liebsten. Man bekommt es - wie übrigens auch einige andere der in dieser Rangliste noch folgenden Titel - nur noch antiquarisch, aber wie es aussieht, sind im Online-Buchhandel durchaus einige Exemplare zu haben



Bei dieser ethnographischen Studie über das ostafrikanische Volk der Tugen - einem Fundstück aus der Büchertelefonzelle auf dem Letteplatz in Reinickendorf - ist die #BenOp-Relevanz wohl ebenfalls nicht unbedingt offensichtlich. Ich würde diese Relevanz jedoch an drei Punkten festmachen: 1. Die radikale Fremdheit der Kultur der Tugen stellt die vermeintliche Selbstverständlichkeit der in unserer Kultur gültigen Regeln und Anschauungen infrage; 2. Man lernt etwas über die Bedeutung von Tradition und Ritualen für den Zusammenhalt einer Gesellschaft; 3. ist die ungeschönte Darstellung des Lebens der Tugen aber auch geeignet, dem Leser eventuelle romantisch-primitivistische Phantasien über glückliche Naturvölker und edle Wilde auszutreiben, wie sie ja gerade anlässlich der Amazonas-Synode mal wieder im Schwange gewesen sind



Ein Gedichtband, den mir der Mann der Autorin - den ich über Facebook kennengelernt habe - per Post hat zukommen lassen. Betty Quasts Gedichte zeichnen ein dystopisches Bild einer hochtechnisierten und funktionalistischen Zivilisation, die den Menschen des Kontakts zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen beraubt. Eingeschoben sind kleine Science-Fiction-Geschichten, die die Autorin als Kind im Grundschulalter verfasst hat, mit typisch kindlichen Eigentümlichkeiten in Rechtschreibung und Satzbau und einem postapokalyptischen Grundton, der einerseits auf die Zeit des Waldsterbens und des atomaren Wettrüstens verweist, andererseits aber auch heute (Klimakatastrophe!) wieder sehr aktuell wirkt. Die Autorin ist ungefähr so alt wie ich. Ein sperriges, oft irritierendes, anregendes Buch. 



Wiederum ein Fundstück aus einer Büchertelefonzelle; wenn ich mich richtig erinnere, war es die beim Centre Français im Wedding. Ein satirischer Roman, der glücklicher-, wenn auch unverdienterweise gerade noch unbekannt genug ist, um nicht unter das Ausschlusskriterium "Klassiker der Weltliteratur" zu fallen. Worum geht's? In einer aus Sicht der Entstehungszeit des 1936 erstveröffentlichten Romans  nicht mehr fernen Zukunft entdeckt ein Schiffskapitän in einer Bucht in der Südsee eine zuvor unbekannte Spezies von Riesenmolchen, die sich als erstaunlich lernfähig erweisen, sich über die ganze Welt ausbreiten und eine Zivilisation aufbauen, die bald mit der menschlichen in Konflikt gerät. -- Dieser Roman besticht nicht nur durch seinen grotesken Witz, sondern übt zudem in satirischer Überzeichnung hellsichtige und ausgesprochen ernstzunehmende Medien-, Kapitalismus- und allgemein Zivilisationskritik, und wem das noch nicht #BenOp-relevant genug ist, der findet in dem Buch auch ein paar explizit religiöse Äußerungen.



Gefunden auf einer der, wie es scheint, letzten noch intakten "Moabiter Bücherbänke": ein Roman, der, jedenfalls laut Verlagswerbung, für sich in Anspruch nimmt, "kein reines Phantasieprodukt" zu sein. Das mag zu einem gewissen Grad zutreffen. Es geht in diesem Roman um einrn kommunistischen Geheimdienstoffizier, der sich undercover in ein orthodoxes Priesterseminar einschleusen lässt, mit dem Fernziel, möglichst Bischof werden zu sollen. Der brutale Zynismus, der die Hauptfigur über den größten Teil der Handlung hinweg auszeichnet, macht die Lektüre zuweilen schmerzhaft: aber als wenn auch fiktionale, so doch in wesentlichen Punkten wohl nicht unrealistische Schilderung des Kampfes eines kommunistischen Staatsapparats gegen das Christentum ist das Buch äußerst interessant -- vor allem, weil es darstellt, wie sehr der totalitäre Staat die Kirche als Gegner fürchtet und dass er das zu Recht tut. Weil die Macht der Kirche buchstäblich nicht von dieser Welt ist und die Macht des Staates daher letztlich kein Mittel gegen sie hat. -- Der Schluss des Romans, der überraschende Plottwist auf den letzten Seiten, gefällt mir nicht. Aber das ändert nichts daran, dass das Buch im Ganzen ausgesprochen lesenswert ist.  

Odd ones out, wie der Angloamerikaner sagt; und nun zu den Top 20! 



Aus dem Nachlass des kürzlich verstorbenen Pfarrers Michael Silvers: Anhand dokumentarischer Quellen wie etwa Auszügen aus Presseartikeln, aus Hirtenbriefen deutscher Bischöfe, öffentlichen Bekanntmachungen von staatlicher und kirchenamtlicher Seite, Schriftwechsel zwischen staatlichen und kirchlichen Dienststellen, Statistiken u.a. zeigt der Autor auf, wie das NS-Regime zunächst die (bis 1933 sehr umfangreiche) katholische Tagespresse und dann auch das kirchliche Zeitschriftenwesen unterdrückte, gleichschaltete und schließlich ausschaltete und wie die Kirche sich - letztlich vergeblich - dagegen zur Wehr zu setzen versuchte. Das erklärte Bemühen des Autors, die Kirche von jedem Vorwurf der Kollaboration oder des Appeasement gegenüber dem Regime freizusprechen, und der pathetische Tonfall, den er dabei zuweilen anschlägt, können ganz schön nerven, aber die Quellentexte sind sehr aufschlussreich -- und das auch nicht nur aus rein historischem Interesse: Vielmehr bin ich überzeugt, dass man aus den Erfahrungen der Kirche in der NS-Zeit mutatis mutandis auch für die Gegenwart und absehbare Zukunft manches lernen kann, was den Umgang mit christentumsfeindlichen Ideologien und deren Totalitätsansprüchen betrifft.  



Habe ich mir als eBook gekauft, nachdem ich via Twitter darauf aufmerksam geworden bin. Kein typischer Erziehungsratgeber, sondern eher ein temperamentvoller und zuweilen hochkomischer Erfahrungsbericht über den Umgang mit der Herausforderung, mitten in dem unvermeidlichen Chaos, das das Alltagsleben mit kleinen Kindern so mit sich bringt, Raum für den Glauben zu schaffen -- für sich selbst und für die Kinder. Das Autoren-Ehepaar hat selbst vier Kinder und kann daher in puncto Erfahrung aus dem Vollen schöpfen. In der zweiten Hälfte lässt das Buch für mein Empfinden vorübergehend etwas nach - die ganzen Tipps zur familiengerechten Gestaltung von Namenstagen, Advents-, Weihnachts- und Osterzeit hätten meinetwegen nicht sein müssen (für sowas gibt's doch Zeitschriften!) -, aber ich möchte nicht ausschließen, dass es Leser gibt, die gerade diese Passagen besonders zu schätzen wissen werden. 



Ein gegen Spende erworbenes Mitbringsel vom Büchertisch beim Forum Altötting. Dass die 1923 selig-, 1925 heiliggesprochene und 1997 zur Kirchenlehrerin ernannte "kleine Heilige Therese" auch Theaterstücke verfasst hat - nämlich zum Zweck der Aufführung im Rahmen von Feiern in ihrem Kloster -, dürfte wenig bekannt sein; auch ich wusste es nicht, ehe ich dieses schmale Bändchen in die Hand bekam. Die Qualität der acht zwischen 1894 und 1897 entstandenen Stücke würde ich zwar als ausgesprochen durchwachsen bezeichnen - ihren Charakter als "Gelegenheitsdichtung" merkt man ihnen recht deutlich an, zum Teil haben sie eine bedenkliche Nähe zu frommem Kitsch oder sind zumindest allzu stark dem Zeitgeschmack verhaftet -, aber in Hinblick auf ihren geistlichen "Gehalt"(ein besserer Ausdruck fällt mir nicht ein) sind die Stücke durchaus bemerkenswert, und einige von ihnen sind auch dramaturgisch auf reizvolle Weise unkonventionell. -- Als studierter Theaterwissenschaftler habe ich schon vor Jahren mal einige Überlegungen dazu, "das geistliche Theater neu zu erfinden", notiert, habe Listen mit Stücken erstellt, die für ein solches Ansinnen interessant wären; auf einer solchen Liste hätten die Stücke der Hl. Thérèse - oder jedenfalls einige von ihnen - definitiv Platz. Ich könnte mir sogar - mutatis mutandis vergleichbar mit Brechts "Lehrstück"-Konzeption - vorstellen, dass bereits die Einstudierung der Stücke, unabhängig davon, ob es zu einer Aufführung kommt oder nicht, der katechetischen Unterweisung der Mitwirkenden dienen könnte. Das wäre doch vielleicht mal was für einen Firmkurs... 



Dieses Buch wäre beinahe der oben erwähnten Regel zum Opfer gefallen, derzufolge Bücher, die ich schon länger kannte, nicht für die Rangliste qualifiziert sind, denn ich hatte es bereits in den Tagen unmittelbar vor und nach der Geburt meiner Tochter einmal gelesen (meine Mutter hatte es meiner Liebsten ein paar Monate zuvor zum Geburtstag geschenkt). Ich habe aber beschlossen, hier eine Ausnahme zu machen, da ich dieses Buch bei der erneuten Lektüre aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet habe. Die Grundidee des Buches ist es, frischgebackenen Eltern praxiserprobte, nicht selten durch Improvisation entstandene Alltagstricks an die Hand zu geben, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, dass sie schnell, einfach, ohne besondere Voraussetzungen und ohne viel Geld realisierbar sein müssen. Dazu gehört zum Beispiel die Zweckentfremdung von Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs (das Prinzip lautet: Kauf nicht teure Spezialprodukte, die nur für exakt einen Zweck zu gebrauchen sind, wenn Produkt X, das du sowieso im Haushalt hast, diesen Zweck - und noch zahlreiche andere - genauso gut erfüllt), aber auch Tipps für Vorratshaltung, Zeit- und Raummanagement. Und bei der wiederholten Lektüre des Buches ist mir aufgefallen, dass man die Grundprinzipien, auf denen die 134 darin zusammengetragenen Tipps und Tricks basieren, nicht bloß auf Haushalt und Familie anwenden kann, sondern etwa auch auf Aktivitäten in der Kirchengemeinde oder sonstige #BenOp-Projekte. Der Phantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. 



Ein Buch, das meine Liebste sich schon vor längerer Zeit - unter dem Eindruck der MEHR 2018, wenn ich mich richtig erinnere - als eBook gekauft und mir wärmstens empfohlen hatte. Im Kern geht es in diesem Buch um eine Wiederentdeckung des vermeintlich unzeitgemäßen Konzepts "Gottesfurcht" -- ein Bekenntnis zur Größe, Heiligkeit und Anbetungswürdigkeit Gottes, verbunden mit einer klaren Absage an eine Pastoral, die Gott verharmlost und verniedlicht. Das spricht mich sehr an, und das Buch hätte leicht noch eine höhere Platzierung erreichen können, wenn Hartl nicht so oft und ausgiebig von diesem Thema abschweifen würde. (Manch ein Leser mag es als ironisch empfinden, dass ausgerechnet ich Kritik an Abschweifungen äußere; "but there it is", wie der Angloamerikaner sagt.) Wobei man andererseits auch wieder einräumen muss, dass die diversen Exkurse zu Apologetik, biblischer Philologie, zur Theodizeefrage, zur Auseinandersetzung mit der Philosophie der Aufklärung usw. an und für sich durchaus interessant sind, sie hätten nur für mein Empfinden nicht unbedingt in dieses Buch hineingehört. Aber okay, andere Leser empfinden das vielleicht anders. 


Platz 15: Wladimir Debogory-Mokriewitsch, "Erinnerungen eines Nihilisten" 

Ein wahres Juwel, das ich auf meiner allerersten "Büchertour" Mitte Juni aufgegabelt habe, und zwar in der Büchertelefonzelle am Centre Français. Es handelt sich um die Memoiren eines, wenn man so will, verhinderten russischen Revolutionärs aus den 1870er-Jahren; die Schilderung politischer Agitation und konspirativer Untergrundtätigkeit, bei der am Ende so gut wie nichts herauskommt, hat stellenweise durchaus seine unfreiwillig tragikomischen Züge, aber zugleich macht gerade das dieses Buch interessant und lehrreich, etwa in Hinblick auf konspirative Organisationsformen, aber auch auf deren Risiken, bis hin zum Abdriften in den Terrorismus. In der zweiten Hälfte des Buches schildert der Autor seine Verbannung nach Sibirien und seine Flucht von dort, und auch dieser Teil ist, etwa was das Thema "kollektive Selbsthilfe" angeht, ausgesprochen anregend. Zum Schluss zieht der Autor ein von Ernüchterung geprägtes Fazit der revolutionären Bewegungen der 1870er- und 80er-Jahre in Russland.


Platz 14: Erik Neutsch, "Spur der Steine" 

Ein weiteres Fundstück aus einer Büchertelefonzelle: Der wohl prototypische Industrieroman der DDR, bekannt geworden nicht zuletzt durch die Verfilmung, die in der DDR allerdings verboten wurde. Dem Buch selbst blieb dieses Schicksal erspart. Tatsächlich lässt der Verfasser zwar keinen Zweifel daran, dass er - ebenso wie die positiven Identifikationsfiguren unter seinen Romancharakteren - das Anliegen, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, voll und ganz unterstützt, aber er sieht eben auch die Probleme und ist in deren Darstellung so ehrlich, dass es aus propagandistischer Sicht unbequem wird. Das macht diesen Roman zu einem eindrucksvollen Zeitdokument; aber wo kommt da nun die #BenOp-Relevanz her? Nun, zunächst einmal drängte sich mir bei der Lektüre der Eindruck auf, dass die Kirche in ihrer Eigenschaft als bürokratische Institution eine gewisse Ähnlichkeit mit der DDR hat. Wenn man diesen Gedanken im Hinterkopf behält, ergeben sich zahllose Gelegenheiten, den Roman ausgiebig gegen den Strich zu lesen. Hinzu kommt, dass die Irrtümer des Sozialismus zumindest in der historischen Rückschau umso deutlicher zutage treten, wenn man sie aus der Sicht eines Autors geschildert bekommt, der an sie glaubt und sie zu verteidigen sucht. Dann kann man auch feststellen, dass die falschen Voraussetzungen dieser Ideologie zumindest teilweise auch im Woke Capitalism unserer Tage noch weiterwirken. Ja, zu einem gewissen Grad ist der Kapitalismus sogar besser geeignet, die Visionen des Sozialismus zu verwirklichen, als der Sozialismus selbst; der entscheidende Punkt ist aber, dass die Vision falsch ist.


Platz 13: Johann Baptist Metz, "Jenseits bürgerlicher Religion" 

Dieses Buch war eine Spende für das Büchereiprojekt, und da ich mir unter diesem Titel unschwer sowohl etwas ganz Großartiges als auch etwas ganz Grässliches vorstellen konnte, nahm ich es erst einmal mit nach Hause, um es kritisch unter die Lupe zu nehmen. Es handelt sich um einen Sammelband mit sieben Vorträgen des Autors, von denen einer aus dem mythischen Jahr 1968 stammt, die anderen aus den Jahren 1978-80; ich finde sie durchaus nicht alle gleichermaßen interessant, aber insgesamt finde ich doch, dass es ein höchst bemerkenswertes Buch ist. Was durchaus nicht heißt, dass ich daran nichts zu kritisieren hätte. Natürlich ist Metz ein "Linker". Natürlich hat er seinen Marx gründlich studiert, schwärmt von der lateinamerikanischen Befreiungstheologie und erweckt zeitweilig den Eindruck, geradezu stündlich den Zusammenbruch der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu erwarten. Und seine Vision einer "Basiskirche" hat so manche Züge an sich, mit denen ich ganz und gar nicht einverstanden bin. Aber selbst in solchen Passagen wirkt Metz immer noch klüger, interessanter und anregender als andere, die ähnliche Positionen vertreten wie er. Übrigens ermöglicht auch der zeitliche Abstand von rund 40 Jahren einen klareren Blick darauf, wo Metz einfach falsch lag und wo seine Thesen auch heute noch, oder heute mehr denn je, diskutiert zu werden verdienen. Mein persönliches Highlight des Bandes ist ein Vortrag, den Metz 1980 bei einer Veranstaltung mit dem bezeichnenden Namen "Katholikentag von unten" gehalten hat. Wie er da den versammelten Möchtegern-Revoluzzern - wenn auch natürlich diplomatisch durch die Blume - vorhält, dass ihr Kirchenbild im Grunde durch und durch bourgeois ist, dass ihre Kirchenkritik im Wesentlichen bloß Hierarchiekritik ist, dass sie aber, wenn sie die Kirche wirklich von der Basis her reformieren wollten, erst einmal bei sich selber anfangen müssten: Das ist ganz großes Kino. Und im Kern ja auch ziemlich #benOppig. Er zitiert in diesem Zusammenhang Lenin: "Wenn deutsche Revolutionäre einen Bahnhof besetzen, kaufen sie sich erst einmal eine Bahnsteigkarte." Das hat mir gefallen.


Platz 12: Alex Garland, "The Beach" 

Das sieht auch eher nach einer ungewöhnlichen Wahl für diese Liste aus, oder? Ich habe das Buch aus einer Büchertauschkiste in einem Café an der Schönhauser Allee gezogen und hatte geradezu irrational hohe Erwartungen an die Lektüre -- die bemerkenswerterweise gar nicht mal so sehr enttäuscht wurden. Die #BenOp-Relevanz, die ich mir - nicht zu Unrecht, wie sich gezeigt hat - von diesem Roman versprochen bzw. erhofft habe, liegt in der Darstellung der Risiken und Nebenwirkungen des Versuchs, eine utopische Gemeinschaft zu erschaffen. Der zentrale Punkt der Story ist die Gratwanderung der scheinbar idyllischen Strandkommune zwischen Geschlossenheit und Offenheit; das ist eine Herausforderung für jede Art von Gemeinschaft, und der Roman zeigt auf drastische Weise, wie so etwas schiefgehen kann.


Platz 11: John Fischer, "Und Gott schuf Ben" 

Diesen Fund aus der Büchertelefonzelle am Letteplatz möchte ich als einen geradezu unrealistischen Glücksgriff bezeichnen: Wer rechnet schon damit, an einem solchen Ort ein explizit christliches Jugendbuch vorzufinden? Auf einer eher oberflächlichen Ebene handelt es sich um die unterhaltsame, etwas nostalgische (da in den 1950er-Jahren spielende) Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Jungen in einer Vorstadtsiedlung, die mit Modellautos spielen, Zeitungen austragen und elaborierte Streiche aushecken. Nur sind diese beiden Jungen der Sohn des Kirchenmusikers und der Sohn des neuen Pastors einer evangelikalen Gemeinde, ihre Streiche spielen sich in der Kirche ab und sind darauf ausgerichtet, die selbstzufriedene religiöse Routine der Gemeinde zu erschüttern. Als sich herausstellt, dass einer der beiden Jungen - nämlich Ben - einen angeborenen Herzfehler hat und unter anderem deshalb mit Gott hadert, gewinnt der Roman eine unerwartete Tiefe. -- Der Autor war in einem früheren Leben - Ende der 60er, Anfang der 70er - einer der Pioniere der christlichen Rockmusik (neben Larry Norman, siehe unten); zur Handlungszeit dieses Romans war er ungefähr so alt wie seine beiden Protagonisten, was die Vermutung nahelegt, dass eigene Kindheitseinnerungen in das Buch eingeflossen sein mögen -- vielleicht nicht auf der Ebene konkreter Ereignisse, aber hinsichtlich der Schilderung der spießbürgerlichen Enge und "Gesetzlichkeit" der dargestellten Kirchengemeinde. Dass den zugeknöpften Evangelikalen eine warmherzige katholische Seniorin als positive Kontrastfigur gegenübergestellt wird, finde ich natürlich ganz und gar entzückend.

Und schon sind wir in den Top 10 angekommen!


Platz 10: Wolfgang Knauft (Hg.), "Miterbauer des Bistums Berlin" 

Aus dem Nachlass von Pfarrer Silvers: 14 Kurzbiographien über Persönlichkeiten, die das Bistum Berlin in der Frühzeit seines Bestehens geprägt haben. Die von zwölf verschiedenen Autoren verfassten Einzelbeiträge sind von durchaus unterschiedlicher Qualität, aber vor allem die Beiträge über Carl Sonnenschein, Erich Klausener, Albert Coppenrath, Friedrich Radek und die Bischöfe Konrad Graf von Preysing (1935-50) und Wilhelm Weskamm (1951-56) finde ich ausgesprochen lesenswert. Ein gewichtiges Thema in diesen Beiträgen (außer in dem über Sonnenschein, der schon 1929 - und damit bereits vor der Gründung des Bistums Berlin - starb) ist das Agieren der Kirche unter totalitärer Herrschaft: erst im "Dritten Reich" und dann in der DDR. Der Band enthält auch diverse weiterführende Literaturhinweise, anhand derer man einige Einzelaspekte noch vertiefen könnte und wohl auch sollte.


Platz 9: Walter Adolph, "Hirtenamt und Hitler-Diktatur" 

Ebenfalls aus dem Nachlass von Pfarrer Silvers: Ein weiteres Buch zum Thema "Kirche im Nationalsozialismus". Das Bestreben, jegliche Kritik am Verhalten kirchlicher Autoritäten gegenüber dem NS-Regime zurückzuweisen, ist hier weniger stark ausgeprägt als etwa bei Altmeyer (s.o.); so erklärt der Autor gleich ziemlich zu Beginn: "Der Autoritätsglaube, den jeder Christ besitzen muß, verlangt nicht, jedes Wort und jede Tat eines Bischofs vor Kritik zu schützen" (S. 14). Dennoch bemüht Walter Adolph sich, auch für eine den Nazis gegenüber eher konziliante Haltung, wie sie exemplarisch der Breslauer Erzbischof Kardinal Bertram vertrat, um Verständnis zu werben, wenngleich aus zeitgenössischen Aufzeichnungen, die er als Quellen heranzieht, hervorgeht, dass Adolph diese Haltung schon damals falsch fand. Überhaupt macht das Ausmaß, in dem Adolph sich in seinen Ausführungen auf selbst Miterlebtes stützen kann, sein Buch zu einer sehr bemerkenswerten historischen Quelle: Als Domvikar war er ein enger Mitarbeiter des Berliner Bischofs Konrad Graf von Preysing, eines der kompromisslosesten Nazi-Gegners im deutschen Episkopat. Dennoch gilt sein Hauptinteresse nicht der historischen Rückschau, sondern vielmehr der "kirchengeschichtliche[n] Forschung über die Frage, wie wirkt sich die moderne totalitäre Herrschaftsform auf das kirchliche Leben aus" (S. 173). Er betont, dass es dabei "nicht nur um ein Problem der deutschen Geschichte geht,  sondern um eine Menschheitsfrage. Welcher Mensch und welches Volk weiß sich geschützt, daß die Mächte des Bösen nicht über sie Gewalt gewinnen?" (S. 179) Adolphs These, es liege geradezu in der Natur moderner totalitärer Herrschaftsformen, dass sie der Kirche mit unversöhnlicher Feindschaft gegenüberstünden (weshalb auch jegliche Appeasement-Bemühungen letztlich zum Scheitern verurteilt seien), macht sein Buch auch heute (noch oder wieder) brisant.


Platz 8: Gregory Alan Thornbury, "Why Should the Devil Have All the Good Music?" 

Eine Biographie über den 2008 verstorbenen christlichen Rockmusik-Pionier Larry Norman. Von der Existenz dieses Buches hatte ich durch Twitter erfahren, hatte einige begeisterte Rezensionen gelesen und daraufhin, obwohl mir Larry Norman kein Begriff war (tatsächlich kannte ich ein paar Songs von ihm sehr wohl, aber ohne zu wissen, von wem die waren), gedacht: Das muss ich wohl mal lesen. Um die freudige Erwartung auszukosten, wartete ich dann aber doch noch ziemlich lange, bis ich es mir als eBook kaufte. Und das Warten hat sich gelohnt! Eine ausgesprochen fesselnde Lektüre, und das nicht nur, weil Larry Norman eine so faszinierende Gestalt ist - das ist er durchaus auch -, sondern auch und gerade wegen der zeit- und kulturgeschichtlichen Hintergründe, die das Buch sozusagen an Normans Biographie entlang "mit-erzählt"; und dies mit einem speziellen Fokus auf Entwicklungen in der "frommen Szene" der USA, vom hippiesken "Jesus Movement" der frühen 70er über die Präsidentschaft Jimmy Carters bis hin zur "Moral Majority" der Reagan-Ära. Wer mich kennt, den wird es kaum überraschen, dass das "Jesus Movement" mich besonders interessiert. Hoffentlich kann ich für meine Leseliste fürs kommende Jahr noch ein paar weitere Quellen zu diesem Thema an Land ziehen. 



Dieses Buch hatte ich mir schon vor längerer Zeit in einer katholischen Buchhandlung in Berlin-Mitte gekauft und war seinerzeit einigermaßen irritiert gewesen, dass ich es dort gewissermaßen nur "unter dem Ladentisch" bekam. Das Buch gelte als "grenzwertig", weil der Autor so "erzkonservativ" sei, wurde mir mitgeteilt. Das kann ich mir eigentlich nur als ein Ergebnis der aggressiven (und zuweilen nicht nur unterschwellig rassistischen) Hetze erklären, die häretisch.de und ähnlich ausgerichtete Publikationen gegen Kardinal Sarah betreiben. Aber wie dem auch sei: Nachdem ich das Buch in einem ersten Anlauf nicht zu Ende gelesen hatte, nahm ich es mir in der diesjährigen Fastenzeit erneut vor, wodurch es sich für diese Rangliste qualifiziert hat. Die autobiographischen Passagen, besonders diejenigen über Robert Sarahs Aufwachsen in einem abgelegenen Dorf in Guinea, seinen Weg zum Priesteramt und seine Zeit als Pfarrer und Bischof unter dem diktatorischen Regime Sékou Tourés, lesen sich ausgesprochen fesselnd, aber auf einer anderen Ebene noch interessanter sind diejenigen Passagen, in denen der Kurienkardinal seine Sicht auf Entwicklungen in der Kirche seit dem II. Vatikanischen Konzil darlegt; und erst recht diejenigen, in denen es um die Herausforderungen des christlichen Bekenntnisses in der Postmoderne geht, mit all den Konfliktfeldern wie Bioethik, Lebensschutz, Gender. Ich kann nur dazu ermutigen, die Anmerkungen des Kurienkardinals zu diesen Themen gründlich zu reflektieren, anstatt sie mit einem achselzuckenden "Na ja, ist halt doch ein erzkonservativer Hardliner" wegzuwischen.


Platz 6: Bernhard Meuser, "Christsein für Einsteiger" 

Dieses Buch hat der Verfasser mir persönlich zukommen lassen -- allerdings schon voriges Jahr, aber ich benötigte mehrere Anläufe, um es durchzulesen. Wie wohl schon die gute Platzierung auf dieser Rangliste verrät, spricht dieser Umstand jedoch nicht gegen die Qualität des Buches -- eher im Gegenteil: Tatsächlich kam ich mit dem Buch hauptsächlich deshalb nur langsam und stückweise voran, weil ich das Buch an vielen Stellen erst einmal zuklappen musste, um die betreffenden Abschnitte "sacken zu lassen". Als "Handreichung für Abenteurer" wird das Buch im Klappentext beschrieben; man könnte auch sagen: ein praktischer Leitfaden für gelebtes Christsein im Alltag. Dabei orientiert sich das Buch in seinem Aufbau an den "74 Werkzeugen der geistlichen Kunst" aus der Ordensregel des Hl. Benedikt, adaptiert für den individuellen Alltag von Laien in der (post-)modernen Welt - wozu auch das Bemühen gehört, dem "Menschen von heute" zu verklickern, "wozu das gut sein soll", und das auch noch möglichst "niederschwellig". Was mich an dem Buch besonders angesprochen hat, ist, dass Meuser in seinen Ausführungen zur praktischen, alltäglichen Anwendung der "74 Werkzeuge der geistlichen Kunst" ein entschieden gegenkulturelles Bild von gelebtem Christsein entwirft: Mag an der Plattitüde, dass unsere ganze Gesellschaft zutiefst von christlichen Werten geprägt sei, in einem oberflächlichen Sinne etwas dran sein - vor allem bezogen auf solche "Werte", von denen unsere Gesellschaft gern behauptet, sie hochzuhalten -, so steht doch, wie Bernhard Meuser auf nahezu jeder Seite seines Buches aufzeigt, ein entschieden gelebtes Christsein in vielerlei Hinsicht in diametralem Gegensatz zu jenen Wertvorstellungen, die unsere Gesellschaft tatsächlich prägen. Diese unbequeme Wahrheit einzusehen, ist geradezu eine Grundvoraussetzung für die Benedikt-Option.


Platz 5: Anja Hradetzky, "Wie ich als Cowgirl die Welt bereiste und ohne Land und Geld zur Bio-Bäuerin wurde" 

Ich präsentiere: das bestplatzierte deutschsprachige Buch auf dieser Liste! Kurz vor Ostern besuchte ich, einer Empfehlung auf Facebook folgend, im Baumhaus eine Buchpräsentation der Autorin; in mehrfacher Hinsicht ein Glücksfall, einmal, weil ich diese großartige Location zuvor nicht gekannt hatte, und dann natürlich wegen des Buches. Ich fand, es könnte interessant sein, es für die Tagespost zu besprechen, und ließ mir vom Verlag ein Rezensionsexemplar schicken; und tatsächlich war ich vom Start weg ausgesprochen begeistert von dem Buch, und meine Liebste auch. Worum es geht, verrät ja im Wesentlichen schon der Buchtitel: Anja Hradetzky, Jahrgang 1987, beschreibt darin ihren Lebensweg "[v]om Aldi-Kind zur Öko-Landwirtin". Einigermaßen symbolträchtig stellt die Autorin einen kritischen Blick in den Kühlschrank ihrer Eltern, dessen Inhalt von billigen, industriell gefertigten und geschmacksarmen Lebensmitteln dominiert wird, an den Beginn ihrer Schilderung: Von diesem Ausgangspunkt aus ist es ein weiter Weg dahin, "wesensgemäße Milchviehhaltung" in einem Naturschutzgebiet zu betreiben und Seminare über "Low Stress Stockmanship" zu geben -- eine Methode der Herdenführung, die das natürliche Verhalten der Rinder berücksichtigt. Letztlich geht es bei der Kühlschrank-Episode durchaus nicht nur um Fragen der Ernährung, sondern in einem viel breiteren Sinne um die Frage, ob die Lebensbedingungen des Menschen in der hochtechnisierten, urbanisierten modernen Welt eigentlich seiner Natur entsprechen. Wer - wie ich - der Meinung ist, das Streben nach einer ganzheitlicheren, naturnäheren, kurz: hobbitmäßigeren Lebensweise sei ein wesentlicher Aspekt der #BenOp, wird unschwer einsehen, weshalb dieses Buch auf dieser Liste (und dann auch noch so weit oben) steht; wem das nicht genügt, dem sei noch verraten, dass das Buch von allerlei Hinweisen auf christliche Spiritualität und Glaubenspraxis durchzogen wird. Die Autorin zeigte sich nach der Lektüre meines Tagespost-Beitrags allerdings überrascht (positiv, wohlgemerkt!), dass ich diese religiösen Untertöne bemerkt hatte: Der Verlag, so verriet sie mir, habe dieses Thema eigentlich aus dem Buch eliminieren wollen, ihr Co-Autor Hans von der Hagen habe ihr jedoch geholfen, es "unauffällig" wieder hineinzuschmuggeln.


Platz 4: Rod Dreher, "Crunchy Cons" 

Dieses ursprünglich 2006 erschienene Buch von Freund Rod, das ich mir als eBook zugelegt habe - die eBook-Ausgabe basiert allerdings auf der überarbeiteten Fassung von 2010 -, kann in gewisser Weise als Vorläufer der "Benedikt-Option" betrachtet werden; nicht umsonst trägt das letzte Kapitel (abgesehen vom Nachwort) die Überschrift "Waiting for Benedict". Von der thematischen Bandbreite her hat "Crunchy Cons" jedoch einen erheblich anderen Zuschnitt, es geht darin ausführlich um Themen wie Konsumverhalten, Ernährung, ökologische Landwirtschaft, Stadtentwicklung und die sozialen Auswirkungen unterschiedlicher Bau- und Siedlungsformen -- dann allerdings auch um Themen, die auch in der "Benedikt-Option" eine große Rolle spielen, wie Familienleben, Bildung... und Religion. Insgesamt würde ich sagen, es ist nicht bloß ein Vorläufer, sondern auch eine wertvolle Ergänzung zu Rods berühmtestem Buch. Gerade unter dem gerade schon angesprochenen Aspekt des hobbitmäßigen Lebens

Und nun zu den Treppchenplätzen:


Platz 3: Adrian Plass, "A Smile on the Face of God" 

Das mit Abstand beste einer Auswahl an Büchern, die mein Bruder mir aus seinen privaten Beständen überlassen hat, als wir uns in den Sommerferien bei unserer Mutter trafen. Den Inhalt könnte man am kürzesten mit "Biographie eines anglikanischen Geistlichen" zusammenfassen, aber damit wäre noch nicht viel über das Buch gesagt. Adrian Plass schildert mit der für ihn typischen Mischung aus Einfühlungsvermögen und Sinn für Komik das an überraschenden und dramatischen Wendungen reiche Leben eines nach weltlichen Maßstäben nicht sonderlich prominenten Mannes namens Philip Ilott, der, nach einer zutiefst traumatischen Kindheit, als junger Erwachsener Jesus begegnet, sich der "Church Army", einer Evangelisationsgesellschaft innerhalb der anglikanischen Kirche, anschließt, dann aber die Berufung verspürt, Priester im hochkirchlichen Zweig der anglikanischen Kirche zu werden, als Pfarrer auf der Isle of Wight von der Welle der Charismatischen Erneuerung erfasst wird und mit der Gabe der Krankenheilung begnadet wird, selbst aber später an Multipler Sklerose erkrankt. Der Autor beschreibt Ilotts Biographie in seinem Vorwort als ein Beispiel dafür, wie die Liebe Gottes das Leben eines Menschen verwandeln kann. Ein sehr schönes Buch.


Platz 2: Haley Stewart, "The Grace of Enough" 

Noch ein eBook, das ich mir gekauft habe, nachdem ich via Twitter darauf aufmerksam geworden war; und wiederum ein Buch, in dem es schwerpunktmäßig um das hobbitmäßige Leben geht. Der erzählerische Aufhänger des Ganzen ist die Geschichte, wie die Autorin und ihr Mann - die beide, aus evangelikalen Familien stammend, als junge Erwachsene zum Katholizismus konvertiert sind -  ihrem ziemlich "normalen", materiell halbwegs komfortablen Leben in einer Vorstadtsiedlung in Florida Adieu sagten und mit ihren damals drei kleinen Kindern (inzwischen sind es vier) auf eine Farm in Texas zog, um dort ökologische Landwirtschaft zu erlernen und dabei Gott näher zu kommen. An diese Erzählung schließen sich allerlei Erörterungen über das Verhältnis des Menschen zur Natur, über Konsum, Familienleben, Nachbarschaft, über Gebet und Gottesdienstbesuch, über eheliche Sexualität und Fruchtbarkeit an. Das Ganze kommt umwerfend sympathisch 'rüber -- warmherzig, humorvoll, nicht selten sogar ausgesprochen witzig, und es bietet reichlich Stoff zum selbständigen Weiterdenken. Zu diesem Zweck gibt es am Ende jedes Kapitels einen Abschnitt mit praktischen Tipps und Anregungen,  ganz am Ende folgt noch ein Anhang mit Reflexionsfragen, die sich auch zur Diskussion in einer Gruppe eignen. Kurz, ich kann dieses Buch gar nicht eindringlich genug empfehlen -- auch wenn es nicht ganz die Spitze der Rangliste erklommen hat, denn dort thront...:


Platz 1: Dorothy Day, "The Long Loneliness"  

Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich erstmals in den Weiten des Internets auf einen Artikel über den laufenden Seligsprechungsprozess für Dorothy Day stieß und dachte: "Watt?!? Doris Day soll seliggesprochen werden?". Inzwischen weiß ich es besser und habe mehrere Bücher von und über Dorothy Day im Regal stehen; gelesen habe ich davon aber längst noch nicht alles. Zwei dieser Bücher - eine von Robert Ellsberg editierte Auswahl aus ihren Tagebüchern unter dem Titel "The Duty of Delight" und eine von ihrer Enkelin Kate Hennessy verfasste Biographie über sie - stehen auf meiner Leseliste fürs kommende Jahr, und auch "The Long Loneliness" - Dorothy Days erstmals 1952 veröffentlichter Rückblick auf ihre Kindheit und Jugend, die Anfänge ihrer journalistischen Tätigkeit, ihr politisches Engagement im Umfeld anarchistischer, sozialistischer und kommunistischer Bewegungen, ihre allmähliche Hinwendung zum katholischen Glauben und schließlich ihre Begegnung mit Peter Maurin und die Anfänge der Catholic Worker-Bewegung - stand eine ganze Weile ungelesen bei mir herum, was aber immerhin den Vorteil hat, dass das Buch sich dadurch für diese Rangliste qualifizieren konnte. UND ES IST PHANTASTISCH. Auf der, wenn man das so nennen kann, "Handlungsebene" sind natürlich besonders die Schilderungen über die Initiativen der Catholic Worker-Bewegung - von der Zeitung über die sogenannten "Houses of Hospitality" bis hin zu den Farmkommunen - lehrreich, inspirierend und motivierend für jedwedes Vorhaben in Richtung einer "christlichen Graswurzelrevolution" (und dies unbeschadet der Tatsache, dass auch Schwierigkeiten, Fehlschläge,  interne Streitigkeiten und Spaltungen keinesfalls verschwiegen oder beschönigt werden); indes finde ich auch die Kapitel über Dorothy Days Engagement in der "radikalen Bewegung", wie sie selbst es nennt, kaum weniger interessant. In den Schilderungen der Autorin erscheint die anarchistisch-sozialistisch-kommunistische Szene als außerordentlich gut vernetzt: Obwohl es sich um eine kleine und gesellschaftlich mehr oder weniger geächtete Gruppe handelt, haben ihre Anhänger anscheinend kaum Schwierigkeiten, überall, wo sie hinkommen, Gleichgesinnte und Unterstützer zu finden. So ähnlich stelle ich mir die frühe Kirche zur Zeit der Apostelgeschichte und der Paulusbriefe vor -- was die Organisationsform angeht, wohlgemerkt. Beachtenswert ist auch, dass Dorothy Day ihre Hinwendung zum Katholizismus offenkundig nicht als einen Bruch in ihrer Biographie betrachtet, sondern als das Resultat einer folgerichtigen Entwicklung - auch wenn einige ihrer früheren Genossen, an erster Stelle ihr zeitweiliger Lebensgefährte und Vater ihrer Tochter, Forster Batterham, das anders empfanden. -- Im Übrigen beeindruckt das Buch auch einfach durch die Art und Weise, wie sich die faszinierende Persönlichkeit der Verfasserin darin ausdrückt, und selbst in Randbemerkungen finden sich bemerkenswerte Denkanstöße etwa zu Themen wie zum Beispiel Kinderkatechese, Gartenbau und die nicht tot zu kriegende Frage "Kann man nicht auch ohne Kirche an Gott glauben?". Kurz und gut, ein absolutes Must-Read


Abschließend verdienen aber auch noch einige Bücher, die es aus unterschiedlichen Gründen nicht in die Rangliste geschafft haben, eine ehrenvolle Erwähnung



Dieses Buch taucht nur deshalb nicht in der Rangliste auf, weil ich es schon ausgelesen hatte, bevor ich im Rahmen der Artikelserie "Kaffee & Laudes" damit anfing, allwöchentlich meine jeweils gerade aktuelle Lektüre zu protokollieren. Andernfalls wäre es sicher in die Top 10 und höchstwahrscheinlich in deren obere Hälfte gekommen. Die #BenOp-Relevanz steht bereits explizit im Buchtitel. Leah Libresco gibt praktische Hinweise, wie man damit anfangen kann, christliches Leben in Gemeinschaft zu verwirklichen -- und konzentriert sich dabei auf kleine Dinge, die jeder sofort und ohne besondere Voraussetzungen umsetzen kann. Eine deutsche Ausgabe des Buches (ich wünschte, es gäbe eine!) könnte man etwa "BenOp für Anfänger" nennen, wenn das nicht vielleicht ein bisschen zu despektierlich klänge. Ein sehr anregendes, praxisorientiertes und zutiefst sympathisch 'rüberkommendes Buch. Übrigens das erste eBook, das ich mir in diesem Jahr gekauft habe. 



Das ist das Buch, das mir, sagen wir mal, abhanden gekommen ist, ehe ich es zu Ende lesen konnte; ich hatte es aus dem Bücherpaket, das ich in den Sommerferien von meinem Bruder bekommen habe. Es handelt sich um einen Roman, in dem ein junger, hochmotivierter Pastor eine akut vom Aussterben bedrohte freikirchliche Gemeinde übernimmt und gründlich "umkrempelt", in seinem Streben nach äußerlichem "Erfolg" aber die Orientierung am Willen Gottes aus den Augen verliert. Da ich es nicht zu Ende lesen konnte, bleiben allerlei Fragen offen. Stilistisch kommt das Buch ziemlich trivial daher, und auch inhaltlich bin ich längst nicht mit allem einverstanden, aber interessante Anregungen zur Reflexion und Diskussion über den Themenkomplex "Gemeindeerneuerung" bietet es allemal. Zumindest die deutschsprachige Ausgabe scheint allerdings schwer zu kriegen sein; die englischsprachige Originalausgabe, unter dem Titel "And the Shofar Blew", gibt's als eBook



Das Buch tauchte eines Tages in den Bücherspenden für unser Büchereiprojekt auf, und ich nahm es erst mal mit nach Hause, da ich begründete Zweifel hatte, ob es für eine katholische Pfarrbücherei geeignet ist. Es ist ein Roman für Jugendliche, und es geht in der Hauptsache um eine 17jährige College-Studentin (Naomi), die in ihren schwulen besten Freund (Ely) verliebt ist. Ein großer Teil der Handlung spielt sich in einem Apartmenthaus in New York ab, dessen Bewohner durch die Bank einen an der Waffel zu haben scheinen. Dass ich dieses Buch fast in die Top 25 der #BenOp-relevanten Leseempfehlungen aufgenommen hätte - es ist buchstäblich auf Platz 26 gelandet -, erscheint erklärungsbedürftig. Ansätze zu einer solchen Erklärung habe ich bereits skizziert, als ich noch mitten in der Lektüre steckte; ich werde hier mal versuchen, sie möglichst griffig auf den Punkt zu bringen: Einmal abgesehen davon, dass die in die Handlung eingestreuten Reflexionen über "[d]ie Liebe, die Freundschaft und alles dazwischen" (so die Titel-Unterzeile des Buches) zum Teil gar nicht so blöd sind, hat es mich überrascht, dass dieser Roman - laut meiner Wahrnehmung jedenfalls - eine verhältnismäßig skeptische Sicht auf die vermeintlichen Segnungen der Sexuellen Revolution einnimmt. Bezeichnend dafür ist besonders die backstory um Naomis und Elys Eltern ; ich will nicht zu viel verraten, aber sollte ich jemals eine literaturwissenschaftliche Arbeit über "Naomi & Ely" verfassen, würde ich darin die These vertreten, Naomis psychisch kranke Mutter sei - ähnlich wie Bertha Rochester in "Jane Eyre" - die entmythologisierte Version eines Gothic Novel-Schlossgespensts. Und was für eine Funktion hat so ein Gespenst? Natürlich die, eine Warnung an die anderen Romanfiguren zu verkörpern, dass ihnen ein ähnliches Schicksal blühen könnte. Tatsächlich, würde ich sagen, ist den Charakteren in "Naomi & Ely" mehr oder weniger  bewusst, dass das Streben nach sexueller Selbstverwirklichung (und Konsum) sie nicht glücklich macht, aber sie wissen schlichtweg nicht, was sie sonst tun sollten; es gibt für sie, in den Worten Adornos, "kein richtiges Leben im Falschen". Anders ausgedrückt: Diesen Leuten fehlt Jesus, sie wissen es nur nicht. Dass sie, so sehr sie auch ein "falsches Leben im Falschen" führen, überwiegend durchaus sympathisch 'rüberkommen, ist kein bug, sondern ein feature: Man muss die Menschen lieben, um zu wollen, dass sich in ihrem Leben etwas zum Besseren verändert. Reizvoll erscheint es, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn eine der Romanfiguren Christ wäre. Zum Beispiel Gabriel, der schöne Nachtportier. Zu dem würde das passen. 



Ein weiteres Fundstück aus einer Büchertelefonzelle (Letteplatz oder Osloer Straße? Ich erinnere mich nicht genau). Das Buch war seinerzeit ein Bombenerfolg bei Publikum und Kritikern, aber ich hatte es bisher nie gelesen und auch die Verfilmung nicht gesehen. Der Protagonist des Romans ist ein typischer "Antiheld", der mit 20 Jahren von Bremen nach (West-)Berlin gezogen ist, jetzt auf seinen 30. Geburtstag zusteuert und sein Leben im Wesentlichen damit verbringt, in einer Kneipe zu arbeiten und in seiner Freizeit in anderen Kneipen abzuhängen, wenn er nicht gerade schläft. Das klingt vielleicht nicht besonders aufregend oder originell, ist aber sehr gut dargestellt, und zudem glänzt das Buch durch jede Menge Witz, stimmige Charakterzeichnung und zum Teil geradezu philosophisch anmutende Dialoge. Auch der zeitgeschichtliche Hintergrund ist nicht uninteressant, denn der Roman spielt unmittelbar vor dem Mauerfall; genauer gesagt ereignet sich der Mauerfall auf den letzten Seiten des Buches. Der eigentliche Grund für die ehrenvolle Erwähnung dieses Romans in meinen Buchtipps zum Weihnachtsfest ist aber, ganz ähnlich wie im Falle von "Naomi & Ely", eine Art "negativer #BenOp-Relevanz": Die Ziellosigkeit der Hauptfigur ist geradezu emblematisch für die Orientierungslosigkeit des Menschen in der Postmoderne, in einer Gesellschaft, die Gott vergessen hat. Die anderen Charaktere des Romans sind schließlich auch nicht viel weniger verpeilt, nur auf andere Art. Das oben bereits angesprochene Phänomen des "falschen Lebens im Falschen" wird sehr scharf beleuchtet durch die Anmerkungen eines Arztes zum psychischen Zusammenbruch von Herrn Lehmanns besten Freund Karl: Es sei ein verbreitetes Phänomen, dass junge Männer aus Westdeutschland sich in Westberlin, insbesondere in Kreuzberg, mit Hilfe der günstigen Lebenshaltungskosten und des räumlichen Abstands zu ihrem bisherigen Leben eine Scheinexistenz aufbauen, eine Art Phantasieversion ihrer selbst; irgendwann breche dieses trügerische Selbstbild dann aber unweigerlich zusammen. 


Okay, Freunde: Das war's für dieses Jahr! Am 1. Advent starte ich meine neue Leseliste -- und bin gespannt, was mich da so alles erwartet...


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen