Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Freitag, 25. Mai 2018

Weder arm noch sexy

Jeremias Schröder OSB ist Abtpräses der Benediktinerkongregation von St. Ottilien, und er ärgert sich über den schlechten Ruf, den die Führungsebene der katholischen Kirche in Deutschland beim Rest der Welt - genauer: beim Rest der Weltkirche - genießt. Er ärgert sich darüber so sehr, dass katholisch.de schon vor fast drei Jahren - im Vorfeld der Familiensynode jenes Jahres - ein Interview, das Björn Odendahl mit dem Abtpräses geführt hatte, unter dem Titel "Die deutsche Kirche als Buhmann" veröffentlichte. Seither hat der Ärger offenbar nicht abgenommen, denn nun hat Abt Jeremias unter einem auffallend ähnlichen Titel - "Die deutsche Kirche ist immer der Buhmann" - einen Meinungsbeitrag für die "Standpunkt"-Rubrik des umstrittenen Portals aus Bonn verfasst. Der erschien übrigens auch schon vor über einer Woche, sodass die fulminante Breitseite, die der Erzbischof von Philadelphia, Charles J. Chaput, jüngst im Magazin First Things gegen die große Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz und deren Haltung in der Frage der Interkommunion für gemischtkonfessionelle Ehepaare abgefeuert hat, darin noch gar keine Berücksichtigung finden konnte. Ist die nächste Jeremiade (Titelvorschlag: "Die deutsche Kirche ist schon wieder bzw. immer noch der Buhmann") also schon vorprogrammiert? Man wird sehen. 

Nun ist es zugegebenermaßen tatsächlich so, dass man nur mal aufs Geratewohl einen Blick in die katholischsprachige Auslandspresse zu werfen braucht, um festzustellen, dass die deutsche Teilkirche da meist nicht gut wegkommt. Und zwar aus genau dem Grund, den Abt Jeremias schon 2015 gegenüber Björn Odendahl angab: 
"Vor allem in konservativen Kreisen wird es so dargestellt, dass die deutsche Kirche mit ihren finanziellen Möglichkeiten die kirchliche Lehre umkrempeln oder von innen aushöhlen will. Das sind ganz unerfreuliche Töne." 
Zweifellos. Aber wäre es nicht vielleicht mal angebracht, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwiefern an solchen Vorwürfen etwas dran sein könnte - oder wenn nicht, wie es dann kommt, dass die deutschen Kirchenoberen bei ihren ausländischen Kollegen wieder und wieder diesen Eindruck erwecken? Nö. Abt Jeremias setzt in seiner "Standpunkt"-Kolumne lieber auf Empörung -- darüber, dass es überhaupt jemand wagt, so etwas zu sagen oder auch nur zu denken. Zu diesem Zweck verweist er zunächst auf einen ungenannten Monsignore, der gesagt haben soll, "die deutsche Kirche sei leider schon ganz dem Protestantismus verfallen" -- und kommentiert süffisant: "Er wurde kurz darauf versetzt, aus anderen Gründen – aber immerhin." Also, hochwürdigster Herr Abt: Wofür soll ich dieses "immerhin" denn bitte halten? Etwa für Schadenfreude? Ts, ts. 

Als ein weiteres Beispiel nennt er den "Romkorrespondent[en] des amerikanischen National Catholic Register", der seinen Lesern erklärt habe, "dass der Erzbischof von Hamburg zum 'heterodoxen Flügel' der deutschen Kirche gehört. Er zählt die Mehrheit unserer Bischofskonferenz zu diesen Irrgläubigen". -- Ein bisschen Background gefällig? Dieser Korrespondent, von dem der Abtpräses meint, er würde die deutschen Bischöfe "diffamieren", heißt Edward Pentin und erregte im Umfeld der Familiensynode 2014 unter anderem damit Aufsehen, dass er den deutschen Kardinal Walter Kasper dabei erwischte, sich erst herablassend über afrikanische Bischöfe zu äußern und es dann zu leugnen. Schon damals hat es also nicht an Versuchen von interessierter Seite gefehlt, Pentins journalistischen Ruf zu beschädigen. Aber was hat er denn diesmal geschrieben, also in echt

Nun, tatsächlich hat er die Einschätzung des Erzbischofs von Hamburg, Stefan Heße, Papst Franziskus habe Unterstützung für den Interkommunion-Vorstoß der DBK-Mehrheit signalisiert, mit dem Hinweis garniert, diese Äußerung werde "von vielen als eine unvermeidliche Reaktion des heterodoxen Flügels der deutschen Kirche betrachtet". Zugegeben: "Viele meinen" ist keine belastbare, geschweige denn überprüfbare Quellenangabe. Trotzdem geht aus dieser Formulierung nicht hervor, dass Pentin selbst die Mehrheit der deutschen Bischöfe für heterodox hält; auch wenn das tatsächlich der Fall sein sollte. Wer diffamiert hier also eigentlich wen? 

Aber es kommt noch "besser", denn Abtpräses Jeremias greift zu dem bemerkenswerten Argument, "das, was Ablehnung erzeugt", sei "oft genug auch eine Stärke". Mit anderen Worten: Das, was man uns vorwirft, stimmt, aber wir finden das gut so. Zum Beispiel: 
"Der alltägliche Umgang mit protestantischen Christen [...] hat Wertschätzung entstehen lassen. Die historischen Verzahnungen mit staatlicher Autorität [...] haben ein Verhältnis zum Staat hervorgebracht, das sehr konstruktiv ist, aber eben auch ein Sich-Abfinden mit den Kompromissen realer Gesellschaftspolitik erfordert." 
Na herzlichen Dank! Und schließlich: 
"Auch das viele Geld, das in deutschen Kirchensäckeln sprudelt, dürfte hie und da Ressentiments erzeugen. Die französische Kirche ist bettelarm und sexy, die deutsche – weder noch." 
Mit anderen Worten: Ihr seid doch nur neidisch, dass wir mehr Kohle haben als ihr! P.S.: Deinemudda!! 

Rembrandt, Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, 1629 (gemeinfrei
Abschließend wirft der Abtpräses auch noch den "kirchlichen Auslandsdeutschen" vor, sie würden allzu gern "den heimatkritischen Exilanten geben", statt "um Verständnis [zu] werben [...] für die Eigenheiten ihrer katholischen Landsleute." 

Ahem. 

WIR SIND HIER NICHT IM FUßBALLSTADION! ES GEHT HIER NICHT DARUM, DASS MAN GEFÄLLIGST DEM EIGENEN TEAM ZUJUBELT, EGAL WIE SCHEIßE ES SPIELT! 

Wobei: Selbst im Fußball gibt es vielleicht bessere Methoden. dem eigenen Team seine Loyalität zu zeigen, als dadurch, dass man so tut, als wäre alles in bester Ordnung, während Team und Trainer dem Abstieg entgegentrudeln... 



6 Kommentare:

  1. Ja, aber Abt Jeremias hat doch vollkommen recht! Wenn man die kirchliche Lehre umkrempeln oder von innen aushöhlen will, dann *sind* das ganz unerfreuliche Töne!

    ;-)

    Father Z nennt die deutsche Kirche mittlerweile "Caput Malorum Omnium", etwa hier: http://wdtprs.com/blog/2018/05/card-arinze-if-you-want-communion-become-a-catholic/
    Gut, dass keiner mehr Latein kann...

    AntwortenLöschen
  2. Treibt die DBK nicht geradezu die bewahrenden Katholiken in die Hände der Petrus- und Piusbrüder und aus den Pfarrgemeinden heraus, wenn in diesen bald die Lehre eine Frage von Mehrheitsentscheidungen ist?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich muss jetzt gestehen, dass ich das SSPX-Mitteilungsblatt seit einer der letzten Katastrophennachrichten aus Rom lese. Unter Benedikt hat die SSPX mich nicht interessiert. Insofern ist mein persönliches Problem nicht die DBK. Aber ich bin ja auch ultramontan.

      Löschen
  3. Was sind denn „kirchliche Auslandsdeutsche“?
    Lebt man länger als 3 Monate in einem fremden Land (und/oder eine fremden Diözese), dann gehört man automatisch zu dieser Diözesen, in der man nun lebt.

    AntwortenLöschen
  4. https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/online/Zoegert-nicht-Jesus-gibt-Euch-alles;art4691,189020

    Lichtjahre entfernt von Abt Jeremias Schröder. Apropos Jeremia.........Exil-Prophet erster Stunde.

    AntwortenLöschen
  5. Stadion? Bischöfe?? Abstieg???

    "Wir woll´n Euch beten sehn, wir wollen Euch beten sehn..." ♫♫♪

    AntwortenLöschen