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Donnerstag, 21. Januar 2016

"...et invisibilium" - oder: Vielleicht habe ich mir Richard Dawkins nur ausgedacht

Seit meiner Jugend habe ich in sechs oder sieben verschiedenen Kirchenchören gesungen, katholischen wie auch evangelischen. Dabei muss ich anerkennen, dass die evangelischen in der Regel die besseren waren. Aber das Repertoire von Kirchenchören ist ja ohnehin mehr oder weniger ökumenisch - will sagen: In katholischen Chören wird ebenso Bach oder Schütz gesungen wie in evangelischen Chören Mozart oder Haydn. So habe ich z.B. vor nunmehr fast 20 Jahren, unmittelbar vor meinem Umzug nach Berlin, mit der Evangelischen Kreiskantorei Nordenham-Blexen Mozarts "Krönungsmesse" geprobt - bei der Aufführung war ich schon nicht mehr dabei, aber die Proben haben mir viel Spaß gemacht, und die "Krönungsmesse" mag ich bis heute sehr. Einige Passagen sind mir besonders deutlich im Gedächtnis geblieben und schwirren immer mal wieder in meinem Kopf herum - so vor allem eine Stelle aus dem Credo, welche lautet: 
"Visibilium omnium, omnium, et invisibilium." 
Aus heutiger Sicht möchte ergänzen, dass ich diese Textpassage aus dem Nicäno-Konstantinopolitanum auch inhaltlich sehr bemerkenswert und alles andere als selbsterklärend finde. In der ökumenischen deutschsprachigen Fassung des Glaubensbekenntnisses lautet die Stelle im Kontext: 
"Wir glauben [od. "Ich glaube"] an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt." 
In dieser Aussage des Credo, die den Glauben an Gott als Schöpfer aller Dinge bekennt, wird also die Existenz einer sichtbaren und einer unsichtbaren Welt vorausgesetzt. Mir scheint zuweilen, dass wir heute Gefahr laufen, die Begriffe "sichtbar" und "unsichtbar" zu sehr einzuengen bzw. allzu wörtlich zu verstehen: "Sichtbar" wäre demnach das optisch Wahrnehmbare, womöglich sogar nur das mit bloßem Auge Wahrnehmbare. In diesem Sinne wäre der Unterschied zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren aber nur ein gradueller und kein prinzipieller; es käme eben darauf an, wie genau man hinsieht. Fasst man den Unterschied zwischen "sichtbar" und "unsichtbar" demnach als abhängig von den Grenzen der Wahrnehmungsfähigkeit auf, dann kann man sagen, dass die Naturwissenschaft schon seit geraumer Zeit daran arbeitet, Alles sichtbar zu machen - "sichtbar" hier verstanden als "messbar", "physikalisch nachweisbar", "berechenbar". Das Glaubensbekenntnis aber erinnert uns daran, dass es jenseits der mit naturwissenschaftlichen Methoden und Instrumentarien vermessbaren und berechenbaren Welt noch eine andere gibt, die sich dem Zugriff dieses Instrumentariums prinzipiell entzieht. Im Grunde ist das etwas, das die Menschheit immer gewusst hat; nur die letzten paar Generationen scheinen es vergessen zu haben - und bilden sich sogar ein, dieses Vergessen wäre ein Fortschritt, ein Zuwachs an Erkenntnis.

Mindestens seit Platon - ich sage "mindestens", weil man über die vor-platonische Philosophie nur wenig Sicheres weiß - war im abendländischen Denken sogar die Auffassung vorherrschend, die metaphysische Welt sei gegenüber der physischen die wahrere, die eigentlichere; die Naturwissenschaft, die lediglich die Außenseite der Dinge beschrieben könne, sei somit gegenüber der Metaphysik eine unvollkommenere, im wahrsten Sinne des Wortes oberflächlichere Form von Wissenschaft. Dass diese Auffassung im Zuge der Aufklärung kippte, mag man als folgerichtig betrachten angesichts des rasanten Fortschritts naturwissenschaftlicher Welterkenntnis im 17. und 18. Jahrhundert. Je mehr bislang unerklärlich scheinende Phänomene auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden konnten, je mehr Gesetzmäßigkeiten in der bislang unberechenbar erscheinenden natürlichen Welt entdeckt wurden, umso mehr emanzipierte sich die Naturwissenschaft als Erkenntnisquelle von der Vormundschaft der Metaphysik. So sehr, dass die naturwissenschaftliche Methodik mehr und mehr als Inbegriff von "Wissenschaft" überhaupt wahrgenommen wurde und die Metaphysik in den Bereich des Aberglaubens abgedrängt wurde. Nur allzu leicht konnte der Fortschritt naturwissenschaftlicher Welterkenntnis zu der Annahme verführen, nach und nach werde alles vorläufig noch Unerklärliche ebenfalls erklärbar werden, und was sich naturwissenschaftlicher Messbarkeit und Nachweisbarkeit entziehe, das gebe es schlichtweg nicht.

Es sollte eigentlich auf der Hand liegen, dass es sich bei dieser Auffassung um eine Überdehnung bzw. Fehlanwendung naturwissenschaftlicher Erkenntniskriterien handelt. Naturwissenschaft ist per definitionem eine Disziplin, die die natürliche Welt durch das Sammeln, Auswerten und Interpretieren von Daten zu erklären strebt - und zwar von solchen Daten, die ihrerseits dem Bereich der natürlichen Welt angehören. Über die Existenz oder Nichtexistenz einer übernatürlichen Welt kann sie schlechterdings nichts aussagen, da sich ihr Instrumentarium nicht auf diese erstreckt. Wenn Anhänger einer strikt naturwissenschaftlichen Weltsicht die Existenz einer übernatürlichen Realität, und damit auch die Existenz Gottes, mit dem Argument verwerfen, die Annahme einer solchen Realität sei für die Erklärung natürlicher Vorgänge nicht notwendig, verabsolutieren sie damit lediglich ihren eigenen erkenntnisleitenden Denkansatz, der über die Frage der Erklärbarkeit natürlicher Vorgänge nicht hinausgeht. Während es Atheismus als philosophische Überzeugung "schon immer" - also, soweit wir wissen, mindestens seit den alten Griechen - gegeben hat, ist der naturwissenschaftlich argumentierende New Atheism, wie er z.B. von Richard Dawkins vertreten wird, im Grunde nichts als metaphysische Blindheit. Und genau das macht ihn so langweilig - oder, vornehmer ausgedrückt: philosophisch dürftig.

Dass jemand, der erklärt, er glaube deshalb nicht an Gott, weil dessen Existenz sich nicht beweisen lasse, schon im Ansatz her nicht begriffen hat, was Glauben bedeutet, versteht sich von selbst. Interessant wäre allerdings die Frage, wie solche New Atheists mit der Tatsache umgehen, dass es sich im täglichen Leben gar nicht konsequent durchhalten lässt, nur das für real existent zu halten, was sich mit naturwissenschaftlichen Mitteln nachweisen lässt. Bewusst oder unbewusst glaubt absolut jeder Mensch an eine Vielzahl von unbeweisbaren Dingen - weil er anders gar nicht leben könnte. Nehmen wir mal, nur als Beispiel, Liebe. Wenn Person A zu Person B sagt "Ich liebe dich" - was würden wir dann von Person B halten, wenn diese erwiderte "Beweise es mir!"? - Zugegeben, so etwas kommt vor. Ich würde zwar sagen, dass das nicht unbedingt für die emotionale Gesundheit von Person B spricht, aber dennoch, es kommt vor. Nun wird Derjenige, der von einem anderen Menschen einen Liebesbeweis fordert, damit vermutlich nicht einen Nachweis über Gehirnströme oder Hormonausschüttung oder dergleichen meinen, sondern eher, dass der Andere seine Liebe durch Taten zeigen solle. Das wäre aber im wissenschaftlichen Sinne kein Beweis, denn auch wenn Person A sich so verhält, wie Person B es verlangt, kann Person B immer noch nicht wissen, ob Person A tatsächlich aus Liebe so handelt oder womöglich aus ganz anderen Motiven heraus.

Aber da ich gerade von Gehirnströmen, Hormonausschüttung und dergleichen sprach: Natürlich gibt es Wissenschaftler, die tatsächlich argumentieren, so etwas wie Liebe gebe es nicht, sondern das, was der Mensch so bezeichnet, sei lediglich das Produkt bestimmter biochemischer Prozesse im Gehirn, ebenso wie auch alle anderen Emotionen, Stimmungen, Vorlieben und Abneigungen. Wenn man es genau nimmt, ist dieser Erklärungsansatz so neu nun übrigens auch nicht - man denke nur an die Körpersäftelehre des ollen Galen. Darauf kann man natürlich erwidern, auch hier verfielen die Verabsolutierer der naturwissenschaftlichen Methodik in ihren üblichen Fehler, den physikalisch messbaren Ausdruck einer Sache mit der Sache selbst zu verwechseln; das, was die Naturwissenschaft messe und beschreibe, sei, aller Verfeinerung des Instrumentariums zum Trotz, auch hier nach wie vor nur die Außenseite der Dinge - nur die Schatten an der Höhlenwand, wie Platon es beschreiben würde. Fast noch schöner ist allerdings, dass dieser Denkansatz, wenn man ihn konsequent weiterführt, das naturwissenschaftliche Denken selbst ad absurdum führt.

Denn natürlich ist das Denken selbst ebenfalls das Ergebnis einer nachweis- und messbaren Gehirntätigkeit. Wenn es nun nicht mehr sein sollte als das, wie könnte man dann davon ausgehen, dass es irgendeinen Erkenntniswert hinsichtlich der Realität außerhalb des eigenen Gehirns hat? Alle Naturwissenschaft basiert auf Beobachtung, also auf sinnlicher Wahrnehmung; so sehr der technische Fortschritt nun auch die Möglichkeiten der Wahrnehmung erweitert und verfeinert, letztlich müssen alle Ergebnisse auch der feinsten und fortgeschrittensten Messmethoden durch den selben alten menschlichen Wahrnehmungsapparat gefiltert und im Gehirn verarbeitet werden. Und je mehr wir über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und der menschlichen Sinnesorgane herausfinden, umso klarer wird, dass wir gar nicht wissen können, ob die Welt, die wir wahrnehmen, tatsächlich existiert oder ob das Gehirn sie uns nur vorgaukelt. Wir kennen das Phänomen aus Filmen wie Matrix oder Vanilla Sky oder diversen Episoden von Star Trek - The Next Generation. Sicher, unsere Sinnesorgane reagieren auf äußere Reize. Aber die Umwandlungsprozesse, die diese Signale durchmachen, bis sie im Bewusstsein ankommen, sind so komplex, dass es keine Gewissheit darüber geben kann, ob das, was wir wahrnehmen, tatsächlich existiert. 

Eine gängige Antwort hierauf lautet, die Richtigkeit der eigenen Wahrnehmung könne man dadurch überprüfen, dass man sie mit der Wahrnehmung anderer Menschen abgleicht. Aber auch das ist im Grunde zu kurz gedacht - denn die bloße Existenz anderer Menschen, mit denen ich mich über die Wirklichkeit verständigen könnte, könnte ja theoretisch ebenfalls etwas sein, das mir mein Gehirn nur vorgaukelt. 

Hier und jetzt können wir diese Möglichkeit aber wohl getrost ausklammern, denn wenn sie zuträfe, würde ja nie jemand diesen Blogartikel lesen. Gehen wir also weiterhin davon aus, dass es eine physische Realität gibt - dass wir aber, streng naturwissenschaftlich betrachtet, nicht wissen können, inwieweit unsere Wahrnehmung der Welt dieser Realität entspricht. Der gläubige Mensch kann sagen, Gott befähige den Menschen zur Erkenntnis der Wirklichkeit, ja mehr noch: der Wahrheit. Der Atheist hingegen muss, wenn er die Erkenntnisse der Hirnforschung ernst nimmt, anerkennen, dass die objektive Realität und seine subjektive Wahrnehmung derselben zwei grundsätzlich verschiedene Paar Schuhe sind. Seine Sicht der Welt kann somit nicht objektiv "richtig" sein, sondern lediglich subjektiv "stimmen" oder "passen" (im Sinne des englischen "to fit") - und sie "stimmt" bzw. "passt" insoweit, wie sie ihm das Überleben in dieser letztlich unerkennbaren Realität ermöglicht. 

Nun könnte der Atheist anerkennen, dass für sehr viele Menschen der Glaube an Gott - oder an irgendeine metaphysische Wirklichkeit - zu einem stimmigen Weltbild fest dazugehört. Aus Sicht des Atheisten ist das eine Illusion, aber - aus den oben ausgeführten Gründen - doch auch nicht mehr als jede andere Form der Weltwahrnehmung auch. Der Atheist könnte also zu dem Schluss kommen: "Für diese Menschen - wenn auch nicht für mich - funktioniert die Annahme, dass es einen Gott gibt; und in dem Maße, wie diese Annahme funktioniert, stimmt sie und ist somit nützlich, also gut." Ohne Zweifel gibt es Atheisten, die das exakt so sehen und darum gläubigen Menschen gegenüber ausgesprochen tolerant sind - zumindest soweit diese ihrerseits die Toleranz gegenüber Nicht- und Andersgläubigen wahren. Warum aber begegnet man so vielen Atheisten, die dem Phänomen des religiösen Glaubens so viel Wut und Hass entgegenbringen? Was veranlasst Atheisten, andere Menschen davon überzeugen zu wollen, es gäbe keinen Gott? -- Der religiöse Mensch ist missionarisch, weil und insofern er von der Wahrheit seines Glaubens überzeugt ist und diese Wahrheit auch Anderen mitteilen möchte. Der Atheist jedoch, wenn er die Prämissen seines Denkens ernst nimmt, hat keine Wahrheit, von der er überzeugt sein könnte. Wie erklärt sich also das sonderbare Phänomen eines "missionarischen Atheismus"? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? 

Aber das ist wohl ein Thema für einen eigenständigen Beitrag. Mal sehen, ob und wann ich mich dazu aufraffen kann. 


7 Kommentare:

  1. Atheisten vom Schlage eines Dawkins oder Singer sind von zwei Dingen überzeugt:
    1. Relgion ist schlecht für Mensch und Tier.
    2. Ihre - Dawkins' und Singers - persönliche Einstellung ist gut für Mensch und Tier.

    Punkt 1 ist auch nach Singers Präferenzutilitarismus nicht stimmig. Denn es gibt erheblich mehr Menschen, die der Ansicht sind, Religion (zumindest die, der sie selbst anhängen) sei gut, als Menschen, die dies nicht meinen. Wenn also ein Über-Singer die Religionen abschaffte, so gäbe es erheblich mehr Menschen, die hierüber unglücklich wären, als solche, die hierüber glücklich wären. Damit ist nach Singers Theorie Religion gut, weil mehr Leute Religion wollen als nicht wollen, zugleich aber schlecht, weil - ja, öh, weil... na, weil Singer und auch Dawkins, Minerva und Giubilini das so sehen, und die werden ja auch von ein paar Leuten gut gefunden.
    Das scheint mir ein bißchen aporetisch.

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  2. "...ist der naturwissenschaftlich argumentierende New Atheism, wie er z.B. von Richard Dawkins vertreten wird, im Grunde nichts als metaphysische Blindheit. Und genau das macht ihn so langweilig - oder, vornehmer ausgedrückt: philosophisch dürftig."

    Nun, so einfach ist das nicht. Ich habe Dawkins Atheismus-Bücher nur durchgeblättert, sie sind in der Tat eher langweilig. Dagegen sind sind seine (populär-)wissenschaftlichen Werke originell und teilweise brilliant. Am Ende von "Geschichten vom Ursprung des Lebens" (2008) gewährt er einen Einblick in seine Spiritualität, er spricht sogar von "Pilgerschaft", mit einem sehr starken Argument: "Ich bin genau deshalb ein Gegner des Glaubens an Übernatürliches, weil er es auf entsetzliche Weise versäumt, der erhabenen Größe der wirklichen Welt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es stellt eine Verengung der Realität dar, eine Verarmung gegenüber dem, was die Wirklichkeit zu bieten hat." (S.860) Das Eigentliche ist sichtbar. Die Welt in der wir leben ist so unglaublich viel fantastischer und abgründiger, als es jede Hinter- oder Überwelt sein könnte. Man kann sich natürlich - bildlich gesprochen - aus der Weite in eine gotische Kathedrale flüchten (der "Sprung") und sich dann endlos im Labyrinth theologischer Diskurse verlaufen. Man wird nie an ein Ende kommen, die Gedankengebäude, an denen viele Generationen gebaut haben, sind beeindruckend, da passt ein Stein auf dem anderen und jeder erzählt wieder eine Geschichte. Es wird einem nichts fehlen, denn kein Leben dauert lange genug, um das alles auszuschöpfen. Zur Abwechslung kann man für Rechtgläubigkeit streiten - siehe die "Abendmahlsfrage". Sorry, für mich ist es eine lächerliche Vorstellung, dass ein Gott, der dieses Universum (eine etwas große Bühne für eine Erlösungsstory) geschaffen hat, sich dafür interessieren würde.

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    1. Hallo Jochen!

      Dein Kommentar enthält ja eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten für eine weiterführende Diskussion; ich greife mal einen heraus, der relativ nah am Thema des obigen Artikels bleibt (über die "Abendmahlsfrage" etwa würde ich, im Interesse der Übersichtlichkeit, lieber unter dem darauf bezogenen Artikel diskutieren als hier).

      Nur zur Vermeidung von Missverständnissen: In dem Satz "...das macht ihn so langweilig - oder [...] philosophisch dürftig" meinte ich mit "ihn" nicht Richard Dawkins persönlich, sondern den "New Atheism", als dessen Wortführer er nicht selten auftritt. Zu den von Dir zitierten Dawkins-Aussagen muss ich sagen, dass es mir nicht einleuchtet, wieso der "Glaube an Übernatürliches" "eine Verengung der Realität dar, eine Verarmung gegenüber dem, was die Wirklichkeit zu bieten hat", sein soll. Die Behauptung, der Glaube an eine übernatürliche Realität verstelle den Blick auf die natürliche, mag Dawkins' persönlicher Wahrnehmung entsprechen, es gibt aber keinen plausiblen Grund dafür, warum dies so sein *müsste*. Im Gegenteil ließen sich zahlreiche Beispiele dafür anführen, dass Menschen gerade durch das Staunen über die "erhabene Größe der wirklichen Welt" zu Gott gefunden haben. Dass Dawkins, und mit ihm viele seiner Anhänger, den naturwissenschaftlichen und den im religiösen Sinne *gläubigen* Blick auf die Welt als reine Gegensätze auffassen - und nicht etwa als komplementär zueinander -, ist genau das, was ich mit "metaphysischer Blindheit" meine.

      (Zu Deinen anderen Punkten gern bei Gelegenheit an anderer Stelle mehr...)

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    2. Logisch richtig, inhaltlich zu kurz gegriffen. Man kann eine "übernatürliche Realität" (was auch immer das sein mag und wie auch immer man diese begründen möchte) behaupten, dazu zwei Anfragen:
      Wie stehen diese Realitäten zueinander in Beziehung? Mal abgesehen von "Offenbarung" (deren es ja bekanntlich sehr viele gibt...). Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet ein Evolutionsbiologe so argumentiert. Es ist theoretisch unmöglich, im Evolutionsgeschehen einen "Schöpfergott" unterzubringen, da hier Zufälle und Katastrophen eine große Rolle spielen (für einen Teilhard war das noch unbekannt, so dass er von einem durchgehenden Prozess der Hominisation reden konnte) und die Mechanismen, die Entwicklungen vorantreiben immer genauer beschrieben werden können. Aber wo ist ER dann?
      Wie entkomme ich den üblichen Dichotomien (und die sind ein Kern tradtioneller Theologie) von vergänglich/ewig bzw vorläufig/endgültig bzw sündige/letzte göttliche Realität? Erde und Himmel? Die letztlich doch eine Minderwertigkeit (thomistisch niederigere Seinsstufe) der physischen Welt behaupten - und die ist ja an räumlichem und zeitlichen Umfang in den letzten 100 Jahren deutlich gewachsenen… Für den Theaterwissenschaftler: die Bühne für ein Erlösungsschauspiel ist doch etwas sehr groß geworden.
      Ich betrachte das übrigens als Anfrage an uns Christen.

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  3. Ihre Aussage "Dass jemand, der erklärt, er glaube deshalb nicht an Gott, weil dessen Existenz sich nicht beweisen lasse..." beziehen Sie auf Dawkins oder den neuen Atheismus (ist mir nicht ganz klar) - nein, wenigstens Dawkins, -und ich weiß auch von keinem Anderen- gibt es keine solche Aussage! Das ist einfach falsch!

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    1. Mir begegnen solche Aussagen in Diskussionen mit Atheisten ständig. Sinngemäß jedenfalls.
      Wenn ich "jemand" schreibe, meine ich nicht eine bestimmte Person. Und dass Richard Dawkins, bei aller Kritik, als Denker vielen seiner Anhänger denn doch überlegen ist, erkenne ich durchaus an. Wäre ja auch komisch, wenn's nicht so wäre.

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    2. Hm, ich kenne keinen Atheisten, der so argumentiert. Denn es braucht keiner tieferen Erkenntnis: Wenn Gott außerhalb jeglicher Wahrnehmung existiert, kann er halt nicht wahrgenommen werden. Ist so.
      Vielleicht meinen Sie etwas anderes, und dies wird oft verwechselt. Denn Ihre Behauptung impliziert ja auch, dass dieser Gott _nicht_ auf unsere "sichtbare" (so wie Sie sie definiert haben) Welt einwirkt. Da jedoch Gläubige behaupten, z. B. durch Gebete könne dieser Gott überzeugt werden, doch auf unsere Welt einzuwirken, dann wäre er (zumindest theoretisch) nachweisbar. Oder Gebete bewirken nichts, fragt sich nur, warum dann beten? Und ich habe noch keinen getroffen, der behauptet hat, Gebete seien a priori unnütz und Gott helfe nie.

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