Servus, Leser! Das heutige Wochenbriefing kommt ein bisschen verspätet – was wesentlich damit zusammenhängt, dass ich derzeit (ohne Frau und Kinder) in Neufahrn bei Freising, am Basic Stupidity Reunion Weekend teilnehme: Basic Stupidity war der Name der Band, in der ich in meinen späten Teenagerjahren Schlagzeug gespielt und gelegentlich auch gesungen habe, und am Rande des 30-jährigen Abi-Jubiläumstreffens in Nordenham in diesem Frühjahr haben wir beschlossen, dass wir uns mal wieder treffen sollten. Dass dieses Treffen nun ausgerechnet in Neufahrn bei Freising stattfindet, rührt daher, dass unsere damalige Sängerin und Saxophonistin dort ein Haus hat und sich erboten hat, uns dort für ein Wochenende zu beherbergen. Über dieses Wochenende wird es zweifellos allerlei zu berichten geben, aber in diesem Wochenbriefing stehen erst mal noch andere Themen im Vordergrund. Seht selbst!
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| Symbolbild: Siemensstadt in einem Sektglas |
Es fehlten eigentlich nur die Heiligen und die Tattoos
Am vorigen Samstag, dem 15. November – Gedenktag des Hl. Albertus Magnus und des Hl. Leopold von Österreich – fand in St. Stephanus Haselhorst die erste Ausgabe des neuen Veranstaltungsformats "Religiöse Kindertage" statt; wie mancher Leser sich vielleicht erinnern wird, stand diese erste Veranstaltung unter dem Motto "Heilige & Tattoos", und insofern ist die Überschrift meines Berichts durchaus mit Augenzwinkern zu verstehen: Sowohl Heilige als auch Tattoos spielten durchaus eine gewisse Rolle im Programm des Tages, allerdings längst keine so zentrale, wie man vielleicht geneigt gewesen wäre anzunehmen. Das soll jedoch keine Kritik sein. Insgesamt hat mir die Veranstaltung viel zu gut gefallen, als dass ich in nennenswertem Maß Kritik an ihr üben wollte. Was nicht ausschließt, dass in Zukunft Manches noch besser laufen könnte; aber mal der Reihe nach.
Die erste potentiell heikle Frage bei jedweder Art von neuem Veranstaltungsangebot, nicht-nur-aber-besonders im kirchlichen Bereich, lautet bekanntlich "Kommen da überhaupt Leute?". Was das betraf, lagen für den ersten Religiösen Kindertag in St. Stephanus ein paar Tage zuvor vier Anmeldungen vor, wobei meine beiden Kinder noch nicht mitgerechnet waren; tatsächlich erschienen dann aber nicht weniger als 13 Kinder, und zu meiner besonderen Freude zählte zu diesen auch ein Mädchen, das wir vom JAM in der schräg gegenüber gelegenen EFG The Rock Christuskirche kennen und das – wie vor ein paar Wochen schon mal erwähnt – auf Wunsch seiner Mutter derzeit in St. Stephanus zur Erstkommunionvorbereitung geht. Hinzu kam rund eine Handvoll Jugendlicher bzw. junger Erwachsener, die einen mit den "Teenie-Mitarbeitern" beim JAM vergleichbaren Status hatten, d.h. sie waren in gewissem Sinne zugleich Teilnehmer und Leitungsassistenten. Als "nicht mehr so junge Erwachsene" waren der Gemeindereferent, seine Frau und ein alter Bekannter von beiden, der über langjährige Erfahrung als Pfadfinderleiter (beim VCP, glaube ich) verfügt, sowie meine Liebste und ich beteiligt; wobei unsere Beteiligung an der Leitung der Veranstaltung, da wir ja nicht beim Vorbereitungstreffen gewesen waren, eher spontan und improvisiert war, aber genau damit kennen wir uns ja aus.
Dass ich im obigen Absatz zweimal das JAM, das wöchentliche Kinderprogramm der EFG The Rock Christuskirche, erwähnt habe, kommt natürlich nicht von ungefähr: Schon als ich erstmals von den Plänen für das Veranstaltungsformat "Religiöse Kindertage" hörte, hatte ich den Gedanken, im günstigsten Fall könnte dabei so etwas Ähnliches wie das JAM herauskommen. Wohlgemerkt etwas Ähnliches; von einem bewährten und gut funktionierenden Konzept zu lernen, heißt schließlich nicht, es 1:1 kopieren zu wollen. Anders ausgedrückt: Dass ich das JAM-Konzept als vorbildlich für die Gestaltung eines Religiösen Kindertages betrachte, bedeutet nicht, dass jede Abweichung von diesem Vorbild automatisch ein Mangel wäre. Dazu wird im Detail noch mehr zu sagen sein; eine grundsätzliche konzeptionelle Gemeinsamkeit besteht jedenfalls hinsichtlich der wesentlichen Bestandteile des Programmablaufs: Spiel- und Bastelangebote, katechetische Inhalte, Singen, Beten und Essen.
Am Abend vor der Veranstaltung hatte ich noch überlegt, ob ich meine Gitarre mitnehmen sollte, hatte mir dann aber gedacht "Ach was, im Gemeindesaal von St. Stephanus gibt es doch eine Gitarre" und hatte mir daraufhin nur eine kleine Dose Plektren in die Manteltasche gesteckt. Während der Ankunftsphase beim Religiösen Kindertag griff ich mir die besagte "Hausgitarre", um zu prüfen, wie schlimm sie verstimmt war (Ergebnis: nicht so schlimm, wie man hätte denken können, aber doch ziemlich), und während ich sie nachstimmte, meinte der Gemeindereferent, wo ich schon mal dabei sei, könne ich doch zur Begrüßung das Lied spielen, das ich auch beim Kinderwortgottesdienst immer (bzw. oft) spiele – also "Alles was ich hab". Das tat ich, darauf folgte eine kurze Vorstellungsrunde, und dann ging's erst mal rüber in die Kirche zur liturgischen Eröffnung; das heißt, es wurde gebetet, ein paar Lieder aus dem Gotteslob wurden gesungen, und anhand der Heiligenfiguren in der Kirche gab es eine erste kurze Einführung in das Thema "Heilige". Danach ging es aber erst einmal wieder zurück ins Gemeindehaus, wo allerlei Spiele gespielt wurden; das machte offenkundig allen Beteiligten großen Spaß, nahm allerdings mehr Zeit in Anspruch, als im Ablaufplan eigentlich dafür vorgesehen war. Und dann musste auch schon das Essen vorbereitet werden (es sollte Kürbissuppe geben). Da nicht alle Kinder gleichzeitig in der Küche mithelfen konnten, gab es parallel zum Kochen ein paar Alternativangebote. Im Saal konnte man unter Anleitung der Frau des Gemeindereferenten Schneemänner aus Weihbachtsgebäck basteln:
Im Garten brachte währenddessen der Pfadfinderleiter interessierten Teilnehmern bei, Holz zu hacken und trotz Nieselregens Feuer zu machen. Meine Große entschied sich für die Schneemänner, aber der Jüngste wollte zum Holzhacken, also ging ich mit ihm nach draußen. Ich muss gestehen, ich hatte durchaus Bedenken, die Kinder mit Äxten hantieren zu lassen, aber der Pfadfinderleiter beruhigte mich: "Ich mach' das nicht zum ersten Mal." Tatsächlich handhabte er die Situation sehr souverän, und es klappte auch alles gut.
Derweil nahm das Kochen selbst ebenfalls mehr Zeit in Anspruch als geplant, und so stellte sich, noch bevor das Essen fertig war, bereits Zeitdruck ein: Ab 13 Uhr feierte Padre Ricardo in der Kirche eine Messe für die Ortsgruppe der Legio Mariae, und anschließend wollte diese den Gemeindesaal nutzen – bis dahin mussten wir also raus sein. Dieser Umstand trug nicht unwesentlich dazu bei, dass gerade die Aspekte, die der Programmankündigung zufolge eigentlich im Mittelpunkt der Veranstaltung hätten stehen sollen, mehr oder weniger "nebenbei" abgehandelt werden mussten. Das Thema "Heilige" kam während des Essens zur Sprache – wobei meine Liebste die Initiative ergriff, indem sie die Kinder befragte, was sie über ihre jeweiligen Namenspatrone wissen oder ob sie ggf. noch weitere Heilige kennen; und dann stellte der Gemeindereferent noch zwei Heilige vor, nämlich Mutter Teresa von Kalkutta und den Hl. Franz Xaver. Nach dem Essen malten dann ein paar der "Teenie-Mitarbeiter" (wie ich sie jetzt einfach mal nenne) denjenigen Kindern, die das wollten, Henna-Tattoos auf den Handrücken. Das lief ein bisschen gehetzt ab – es blieb kaum noch Zeit, die Farbe trocknen zu lassen, ehe wir den Saal räumen mussten.
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| Dieses Foto habe ich erst einen Tag später aufgenommen, da war das Tattoo schon nicht mehr ganz frisch. |
Was soll man nun also insgesamt zu diesem ersten Religiösen Kindertag sagen? – Die unerwartet hohe Teilnehmerzahl, verbunden mit der Tatsache, dass die Veranstaltung offenbar allen so gut gefallen hat, dass man ihnen zutrauen darf, freiwillig nochmal wiederzukommen, ist ohne Frage als Erfolg zu werten; da kann man auch die im Eifer des Gefechts unterlaufenen Pannen im Ablauf verschmerzen – was nicht bedeuten soll, dass man sich nicht Gedanken darüber machen sollte, wie man dergleichen zukünftig vermeidet. Zu den Henna-Tattoos etwa meinte meine Liebste, schlauer wäre es gewesen, wenn es die am Anfang gegeben hätte, als "Eintrittskarte" gewissermaßen; dann hätten sie während der Begrüßungsrunde und der Andacht trocknen können. Aber davon mal ganz abgesehen: Im Vorfeld hatte ich noch gedacht, vier Stunden Programm müsse man erst mal gefüllt kriegen; wie sich nun gezeigt hat, ist das offenbar kein Problem. Ich würde daher dafür plädieren, fürs nächste Mal lieber weniger Spiele einzuplanen, um mehr Zeit fürs "Inhaltliche" zu haben – oder noch besser wäre es, sich ein Programmelement auszudenken, das sowohl spielerisch ist als auch einen Bezug zum vorgesehenen katechetischen Inhalt der Veranstaltung hat.
Dass die nächste Ausgabe dieses Veranstaltungsformats – mit Rücksicht auf Krippenspielproben und Sternsingeraktion – erst im Februar steigen soll, ermöglicht zwar gründliche Vorbereitung, aber eigentlich finde ich es trotzdem schade: Nach dem Erfolg der ersten Veranstaltung müsste man eigentlich möglichst schnell nachsetzen, um den Schwung auszunutzen, würde ich denken. – Ein anderes Thema ist die Werbung: Die Teilnehmerzahl bei der ersten Veranstaltung war im Grunde umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass dafür praktisch ausschließlich intern geworben worden war: im Erstkommunionkurs, bei den Teilnehmern der Religiösen Kinderfreizeit in den diesjährigen Sommerferien und bei ehemaligen Mitgliedern der Haselhorster Pfadfindergruppe. Über solche persönlichen Einladungen hinaus hatte es lediglich einen "Einladungszettel" (als Flyer würde ich ihn nicht bezeichnen) gegeben, der in den Kirchen St. Joseph und St. Stephanus ausgelegt worden war; nicht einmal im Terminkalender auf der Website der Pfarrei die Veranstaltung aufgeführt worden. Nun muss man sicherlich anerkennen, dass die "interne Werbung" funktioniert hat, und sicherlich ist es auch gut und richtig, Angebote für die Zielgruppen zu machen, die man auf diesem Wege erreicht. Hingegen bin ich nicht überzeugt, dass man sich damit zufrieden geben sollte, nur diese Zielgruppen zu erreichen. Womit ich sagen will: Für die Zukunft würde ich mir mehr Werbung "nach außen" wünschen, was allerdings auch erfordern würde, die Veranstaltung nach außen hin nicht übermäßig "churchy" aussehen zu lassen. Wie man das hinkriegt und gleichzeitig den katechetischen Anteil des Programms eher verstärkt, ist eine Herausforderung, für die ich zugegebenermaßen keine Patentlösung in der Schublade habe – aber schauen wir mal...
Ein Haus voll Glorie schauet: 90 Jahre St. Joseph Siemensstadt
Der heutige Berliner Ortsteil Siemensstadt entstand ab 1904 als "Wohnkolonie" für Beschäftigte der Firma Siemens auf einem zuvor weitgehend unbebauten Gelände zwischen den damals noch selbständigen Städten Spandau und Charlottenburg, wurde 1908 nach Spandau eingemeindet und trägt seit 1914 seinen heutigen Namen. Da zu den von Siemens angeworbenen Arbeitskräften, die sich hier ansiedelten, eine signifikante Zahl von Katholiken gehörte, wurde bereits 1915 der Kirchenbauverein Siemensstadt gegründet, der das Ziel verfolgte, der Siedlung zu einem eigenen katholischen Gotteshaus zu verhelfen. Nach dem I. Weltkrieg wurde zunächst eine Baracke als Behelfskirche eingerichtet, 1934 begann dann der Bau der heutigen Kirche St. Joseph, die am 17. November 1935 geweiht wurde. Das ist jetzt, wie man unschwer errechnen kann, 90 Jahre her, und deshalb gab es am vergangenen 33. Sonntag im Jahreskreis eine Festmesse zum 90jährigen Weihejubiläum. Da gingen wir natürlich hin; wobei man einräumen muss, dass wir wahrscheinlich auch ohne diesen besonderen Anlass dort in die Messe gegangen wären.
Nun, jedenfalls schlug sich der festliche Anlass u.a. darin nieder, dass es einen Großen Einzug, sechs Messdiener und reichlich Weihrauch gab, außerdem hatte das Erzbistum einen Domkapitular als Hauptzelebranten und Gastprediger geschickt, während der ortsansässige Pfarrvikar lediglich konzelebrierte. An der musikalischen Gestaltung waren neben einem Gastorganisten auch zwei Sängerinnen beteiligt. Ausgesprochen überrascht war ich, als diese zum Gloria den Lobpreis-Klassiker "Zehntausend Gründe" (mit sehr dezenter Orgelbegleitung) anstimmten; meine Liebste und ich ließen uns mitreißen und sangen laut und kräftig mit, ohne uns von der Tatsache verunsichern zu lassen, dass wir die einzigen waren – es waren auch keine Liedzettel ausgeteilt worden, demnach war es anscheinend gar nicht vorgesehen und womöglich auch gar nicht erwünscht, dass die Gemeinde mitsang, aber der Gedanke kam mir erst mit einiger Verzögerung, und #sorrynotsorry, aber ein Gottesdienst ist schließlich kein Konzert. Einige weitere Beiträge dieses Gesangsduos waren nicht ganz so nach meinem Geschmack; so etwa das anstelle des Antwortpsalms gesungene "Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte", das 1999 unter dem Titel "Wie groß bist Du" von dem Volksmusik-Barden und "Kastelruther Spatzen"-Mitbegründer Oswald Sattler popularisiert wurde, oder der methodistische Hymnus "I Surrender All", der zur Kommunion gesungen wurde. Auch mit den Liedern für die Gemeinde war ich nicht durchweg einverstanden. So wurde zum Credo "Ich glaube an den Vater" von Markus Pytlik gesungen, und zu diesem Lied habe ich ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Ich finde es schon ganz grundsätzlich fragwürdig, das Glaubensbekenntnis in der Messe durch ein Lied zu ersetzen, dessen Inhalt nur so ungefähr einem lehramtlich approbierten Credo-Text entspricht; in dieser Hinsicht ist Pytliks Liedtext sicher keiner der schlimmsten, aber ich mag das Lied einfach nicht, ich finde es süßlich und klebrig wie ein Gummibärchen, das schon jemand anderes im Mund gehabt hat. Und zum Sanctus gab's das "Heilig" aus Schuberts "Deutscher Messe" (GL 388), und das ist geradezu ein pet peeve von mir: Ich bin mir bewusst, dass es gerade in manchen ästhetisch konservativen Kreisen sehr geschätzt wird, aber ich betrachte Schuberts "Deutsche Messe" schlichtweg als nicht liturgietauglich.
Am unzufriedensten war ich dann aber doch mit der Predigt. Gehalten wurde sie von dem vom Erzbistum zur Zelebration dieser Messe entsandten Domkapitular, an den ich noch vage Erinnerungen aus der Zeit hatte, als er Pfarrer in Neukölln war; inzwischen ist er in der Personalabteilung des Erzbistums, folglich war ich nicht übermäßig überrascht, dass er redete wie ein typischer Apparatschik. Ich fürchte, um präzise zu beschreiben, was ich damit meine, fehlt mir hier beim Bandwochenende gerade die Muße, aber die ganze Messe und somit auch die Predigt gibt's ja bei YouTube, da kann sich gerne jeder selber ein Bild machen, und vielleicht sage ich zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr dazu.
Als der örtliche Pfarrvikar vor der Kommunion ansagte, diejenigen Gottesdienstteilnehmer, die "noch nicht katholisch" seien, sollten dies zu erkennen geben, indem sie eine Hand auf die Brust legen, dachte ich leicht amüsiert, das Wörtchen "noch" in "noch nicht katholisch" drücke einen bemerkenswerten missionarischen Optimismus aus; tatsächlich hatte der Pfarrvikar aber einen ganz konkreten Grund, das so zu formulieren: Es gibt in der Gemeinde derzeit wieder einen Tauf- und Konversionskurs für Erwachsene, und einige Teilnehmer dieses Kurses waren in der Messe anwesend. Dieser Umstand gab mir einmal mehr Anlass, darüber zu sinnieren, dass in dieser Gemeinde wirklich gute, zukunftsweisende Aufbauarbeit geleistet wird; aber gleichzeitig konnte ich den Gedanken nicht unterdrücken: "Und die korrupte Amtskirche reißt's mit dem Hintern wieder ein."
Bei alledem stellte es sich als ein Glücksfall heraus, dass unsere Freunde vom JAM – das oben schon mal erwähnte Mädchen, das im aktuellen Erstkommunionkurs ist, und dessen Vater – mit uns in der Messe waren. Die brachten nämlich eine ganz andere Perspektive mit, besonders der Vater, der mir hinterher erzählte, ihm habe die Messe ausgesprochen gut gefallen, und zwar gerade auch die Predigt. So hatte es ihn als Nichtkatholiken zum Beispiel sehr angesprochen, dass der Prediger mit Bezug auf die 1. Lesung (Jesaja 56,1.6-7) betont hatte, die Kirche solle "ein Haus für alle Menschen sein", wo nicht schon "am Eingang gefragt wird: Wer bist du, wo kommst du her, glaubst du an Gott?". Davon abgesehen hatte er aus der Predigt vor allem einen Appell zur Nächstenliebe und zum tätigen Christsein im Alltag herausgehört, und dagegen ist ja nun wirklich nichts zu sagen.
Tatsächlich hatte ich schon während der Messe mehrfach darüber sinniert, wie sie wohl auf jemanden wirken würde, der normalerweise eher freikirchliche Gottesdienste gewohnt ist. Was die rituellen Elemente anging, die bei dieser Festmesse, wie schon erwähnt, tendenziell noch ausgeprägter waren als bei einer "ganz normalen" Sonntagsmesse – die Gewänder, die Messdiener mit Weihrauch und Leuchtern, die ritualisierten und teilweise gesungenen Dialoge zwischen Zelebrant und Gemeinde ("Der Herr sei mit euch" – "Und mit deinem Geiste") –, hätte ich mir sowohl vorstellen können, dass sie auf jemanden, der so etwas nicht kennt, faszinierend wirken, als auch, dass sie ihn eher befremden, oder auch eine Mischung aus beidem. Andere Beobachtungen waren überraschender: zum Beispiel, dass – ganz im Gegensatz zu verbreiteten Klischeevorstellungen über Evangelikale einerseits und Katholiken andererseits – die katholische Messe dem Hören auf Gottes Wort erheblich größeren Raum gibt, als es zumindest meiner Wahrnehmung zufolge in freikirchlichen Gottesdiensten der Fall zu sein pflegt: Da scheint es oft eher so zu sein, dass über einzelne Bibelverse ellenlang gepredigt wird. Und dann wäre da noch der Aspekt der participatio actuosa – nicht umsonst ein Leitgedanke der liturgischen Bewegung im 20. Jahrhundert und folgerichtig auch der Liturgiereform nach dem II. Vatikanischen Konzil. Die Teilnahme an einem freikirchlichen Gottesdienst besteht in der Hauptsache darin, eine Predigt anzuhören; und dass an denjenigen Bestandteilen des Gottesdienstes, die es neben der Predigt auch noch gibt – Begrüßung, Vermeldungen, Lobpreis, Gebetsgemeinschaft, ggf. Zeugnisse – vielleicht (aber auch nur vielleicht!) mehr verschiedene Personen beteiligt sind als in einer katholischen Messe, ändert nichts Grundsätzliches daran, dass der Großteil der Gemeindemitglieder nichts anderes zu tun hat als auf ihren Stühlen zu sitzen und zuzuhören. Das ist in der katholischen Messe nicht nur graduell, sondern prinzipiell anders, und wenn jetzt jemand kommt und meint, in der Hauptsache bestehe die "tätige Teilnahme" der Gemeinde doch nur darin, auf Kommando aufzustehen oder sich hinzuknien und auf bestimmte Sätze des Zelebranten festgelegte und eingelernte Antworten zu geben, dann sage ich: Was heißt hier "nur"? Gerade in solchen ritualisierten und symbolischen Handlungen verwirklicht sich Gemeinde, vergegenwärtigt ("aktualisiert") sich das Volk Gottes. Daher halte ich es, nebenbei bemerkt, für einen zentralen Fehler von Lothar Zenettis Traum von der erneuerten Gemeinde, dass er die Antwort auf der Frage, warum er "Freiheit, Familiarität und Freude, vor allem aber auch jene Gelöstheit und Offenheit, jene Erlebnis-Intensität, die das Wehen und Wirken des Heiligen Geistes wohl erst ermöglicht", weit eher in freikirchlichen als in katholischen Gemeinden findet, ausgerechnet in der Form des Gottesdienstes sucht – anstatt, wie ich schon mal schrieb, auf die Idee zu kommen, "dass das intensive Gemeinschaftsgefühl, das er in der Freikirche erlebt hat, nicht zuletzt auch daher rühren könnte, dass die Gemeindemitglieder sich eben nicht nur sonntags im Gottesdienst treffen". Aber das ist wohl ein Thema für sich.
Schwarzer Gürtel in KiWoGo: Der Advent steht vor der Tür
Am Dienstagabend traf ich mich mit dem Gemeindeteferenten zu einem Planungstreffen für die Kinderwortgottesdienste im Advent; wie schon mal notiert, soll es deren ganze drei geben, nämlich am 1., 3. und 4. Adventssonntag; und wie ich nicht ohne gelingen Schrecken festgestellt habe, ist es bis zum ersten dieser drei Termine gar nicht mehr lange hin. Damit nicht genug, hatten wir auch noch weitere Gesprächsthemen, so die Manöverkritik zum ersten Religiösen Kindertag (s.o.) samt Ausblick auf zukünftige Veranstaltungen dieses Formats, außerdem das anstehende Krippenspiel und was sonst noch so ins Ressort "Kinder, Jugend und Familie" fällt. Insgesamt, so würde ich behaupten, war es ein ausgesprochen produktives Treffen. Der Gemeindereferent und ich haben durchaus oft unterschiedliche Ansätze, setzen unterschiedliche Schwerpunkte, aber in der Regel kriegen wir es ganz gut hin, uns damit gegenseitig anzuregen und nicht etwa gegenseitig zu blockieren.
Dazu, zum Evangelium des 1. Adventssonntags – Matthäus 24,37-44, ein Auszug aus den Endzeitreden Jesu – einen Kinderwortgottesdienst zu gestalten, fiel mir spontan erst mal nicht sonderlich viel ein, aber im Gespräch ergab sich dann doch so allerlei. So regte ich an, den Vergleich der Wiederkunft des Menschensohns mit den "Tagen Noachs"' zum Anlass zu nehmen, das Wissen der Kinder über die Sintfluterzählung des Alten Testaments zu aktivieren; davon ausgehend sinniert ich über Kontrast zwischen Noah, der sich dem Auftrag Gottes gemäß auf die Flut vorbereitet, und den anderen Leuten, die einfach ihr ganz normales Leben weiterleben, und fand, es biete sich an, dies als ein Beispiel dafür herabzuziehen, dass man in den Augen der Anderen durchaus auch mal sonderbar oder sogar verrückt wirkt, wenn man Gott gehorcht. Derweil merkte der Geneindereferent an, die Parallele, die Jesus zwischen Seiner Wiederkunft und der Sintflut zieht, könne durchaus als "Drohbotschaft" verstanden werden, und wir könnten es redlicherweise weder den Kindern noch uns selbst ersparen, auf diese Implikationen einzugehen. Das wollen wir in Dialogform gestalten, und ich muss sagen, ich bin ziemlich gespannt darauf. Für den 3. und 4. Adventssonntag haben wir auch schon einige Ideen gesammelt, aber darauf komme ich zu gegebener Zeit zurück.
Ein sehr geistlicher Mittwoch
Wer meinen Blog schon länger verfolgt, wird sich vielleicht erinnern, dass ich mit meinem Jüngsten, als dieser noch nicht in die KiTa ging, fast jeden Mittwoch in St. Marien Maternitas in Heiligensee zur Werktagsmesse mit anschließendem Gemeindefrühstück gegangen bin, und ab und zu äußert der Knabe den Wunsch, das mal wieder zu machen – auch um den Preis, an dem betreffenden Tag nicht in die KiTa gehen zu können, in der es ihm im Allgemeinen gut gefällt. Am vergangenen Mittwoch war's mal wieder soweit; und da meine Liebste am Vormittag keinen Unterricht hatte, kam sie kurzerhand zur Kirche mit, nachdem wir gemeinsam die Große zur Schule gebracht hatten. Zu unserem Glück wurde die Messe von dem nigerianischen Pfarrvikar zelebriert; einerseits war dieser Mittwoch der Gedenktag der Hl. Elisabeth von Thüringen, andererseits aber auch Red Wednesday, der Aktionstag des päpstlichen Hilfswerks Kirche in Not für die Solidarität mit verfolgten Christen in aller Welt – und beides wurde in dieser Messe gewürdigt. Bemerkenswert und irgendwie durchaus erfrischend fand ich es dabei, dass in einer Messe zum Gedenktag der Hl. Elisabeth von Thüringen nicht das Lied "Wenn das Brot, das wir teilen" gesungen wurde (etwa zur Gabenbereitung). Was derweil den Red Wednesday betraf, merkte der Pfarrvikar an, er wisse gar nicht, ob es auch in Berlin Kirchen gebe, die zu diesem Anlass rot angestrahlt würden. Aber die gibt's sehr wohl, und eine davon ist St. Stephanus in Haselhorst. Dort gab es am Abend auch eine Andacht zum Red Wednesday, da hätten wir theoretisch nach dem JAM auch noch hingehen können, aber das wäre vielleicht doch ein bisschen viel gewesen für einen Tag.
Nach der Messe gab's ein leckeres Frühstück, und ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass ich es sehr rührend fühlte, wie sehr die alteingesessene Stammbesetzung dieser wöchentlichen Veranstaltung sich freute, meinen kleinen Sohn mal wieder zu sehen. Gerade wenn man bedenkt, dass wir, als wir vor mehr als zwei Jahren anfingen, da hinzugehen, zunächst ja durchaus gewisse Irritationen ausgelöst haben.
Am Nachmittag ging die ganze Familie zusammen zum JAM, das erneut vergleichsweise schwach besucht war; die Mitarbeiterin, die diesmal die Katechese für die 6-12Jährigen leitete und die bekannt dafür ist, ihre Katechesen als Rollenspiele zu gestalten, sagte daher schon in der Ankunftsphase zu mir, falls ich die Absicht hätte, wieder bei den "Kids" zu bleiben, statt ins Elterncafé zu gehen, dann müsse ich aber auch mitspielen und nicht nur zugucken, denn sonst bekäme sie nicht alle Rollen besetzt. Meine Tochter fand, ich solle unbedingt mitspielen, also machte ich das. Inhaltlich ging es um König Hiskija von Juda und insbesondere um die Belagerung Jerusalems durch Sanherib (vgl. 2. Könige 18-19, 2. Chronik 32, Jesaja 36-37), und mir fiel dabei die Rolle des Propheten Jesaja zu. Gefiel mir.
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| Ich als Jesaja. |
Im Anschluss an das Rollenspiel ging ich noch kurz ins Elterncafé, und auch da war es nicht schlecht: Mit der gemeinsamen Lektüre des Markusevangeliums war man dort bis Kapitel 6,6-13, also zur Aussendung der Jünger, vorgedrungen, und daraus ergab sich eine recht spannende Diskussion zum Thema Mission; und auch die abschließende Gebetsanliegen-Runde war sehr gut.
Geistlicher Impuls der Woche
Legt das Alte ab, ihr kennt das neue Lied: Zum neuen Menschen gehört der neue Bund, passt das neue Lied. Das neue Lied passt nicht zu dem alten Menschen, nur neue Menschen lernen es, die durch die Gnade aus alten zu neuen Menschen geworden sind, und zum neuen Bund gehören, zum Reich des Himmels. Danach seufzt all unsere Liebe und singt das neue Lied.
Ein jeder fragt, wie er dem Herrn singen soll. Singt Ihm, aber nicht schlecht! Er will nicht, dass wir Seine Ohren beleidigen. Singt gut, Brüder! Wenn du vor einem musikkundigen Hörer singst und man dir sagt: "Singe so, dass du seinen Beifall findest", dann fürchtest du dich, ohne Unterricht in der Musik zu singen. Du möchtest dem Künstler nicht missfallen, denn was der Unkundige an dir nicht bemerkt, das tadelt der Künstler. Wer möchte da nicht Gott ein gutes Singen anbieten, Ihm, der Richter über den Sänger ist, der alles genau prüft und der gut zuhört? Wann könntest du eine so auserlesene Kunst anbieten, dass du diesem vollkommenen Gehör in nichts missfällst? Siehe, Er selbst gibt dir so etwas wie die Weise des Singens: Such keine Worte, als könntest du erklären, worüber Gott sich freut. Singe mit Jubel! Denn das heißt, gut für Gott singen: Singen mit Jubel! Was ist das: Singen mit Jubel? Inne werden, dass es unmöglich ist, in Worten auszusprechen, was das Herz singt! Wenn Menschen bei der Ernte singen, im Weinberg oder bei irgendeinem tief bewegenden Tun, und wenn sie dann anfangen mit den Worten der Lieder vor Freude zu jubeln, dann sind sie wie voll von Freude und können ihren Jubel nicht in Worte fassen. Dann verzichten sie auf die Silben und Worte und gehen über zum Jubeln in Tönen. Der Ton des Jubilierens macht offenbar, dass das Herz gebiert, was es nicht aussprechen kann. Wem aber gebührt dieser Jubel mehr als dem unaussprechlichen Gott?
(Augustinus, Auslegung zu Psalm 33)
Ohrwurm der Woche
Paul Simon: Diamonds on the Soles of Her Shoes
Vorschau/Ausblick
Das Bandwochenende ist noch nicht vorbei; heute Abend steht u.a. noch ein Besuch des Weihenstephaner Braustüberls auf dem Programm. Für den morgigen Christkönigssonntag habe ich den wohllöblichen Vorsatz gefasst, in der örtlichen St.-Franziskus-Kirche in die Messe zu gehen, und gegen Mittag trete ich dann den Rückweg nach Berlin an. Und dann erwartet uns die letzte Schul- und Arbeitswoche des Monats November, die letzte Woche vor Beginn der Adventszeit. Am Donnerstag gibt Kinderliedermacher Mike Müllerbauer ein Adventskonzert in der Gemeinde auf dem Weg, da wollen wir sicherlich hin; und dann ist es auch schon nicht mehr weit bis zum nächsten Wochenende, das ein erneutes Pfadfindertreffen und eben den ersten Advents-KiWoGo verheißt. Beides werden aber wohl eher Themen für das übernächste Wochenbriefing...






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